Sonntag, 30. Juni 2019

Brief 746 vom 12.06.1944


Mein lieber, lieber Ernst !                                                          Konstanz, 12.6.44 

Heute erhielt ich keinen Brief von Dir. Aber ich warte schon sehr auf den nächsten.
Vielleicht bringt er endlich die Nachricht, daß Du auch Nachricht von uns erhalten hast. Es quält mich direkt, daß Du so lange vergeblich warten mußtest. Ich habe doch gleich geschrieben und auch jeden Tag. Endlich müssen Dich die Briefe doch erreichen.
Wenn Du mich nicht genau kennen würdest, könntest Du doch auf den Gedanken kommen, ich wäre bummelig im schreiben gewesen. Und dabei ist es mir doch eine Freude, an Dich zu schreiben und Dir mitzuteilen, was wir so den Tag über getan zu haben.
Im  allgemeinen gibt es ja nicht viel Abwechslung, aber Du sagtest ja einmal, ich sollte Dir nur davon schreiben, auch das würde Dich freuen. _ Der Gedanke beschäftigt mich jetzt immer, ob Du wohl noch dort beim Lehrgang bist, nachdem die Invasion begonnen hat, oder ob sie Euch schon abberufen haben. Wo wirst Du wohl hinkommen?
Hoffentlich bekommst Du es nicht gar zu hart. aber Du hast recht, wir müssen alles auf uns zukommen lassen. Wir können ja doch nichts ändern. Ich wünsche Dir jedenfalls mit ganzem Herzen alles Soldatenglück, Dir, mein lieber, bester Ernst.  Vom gestrigen Tag hatte ich Dir ja schon geschrieben. Bis ¾ 7 Uhr war Resi mit den Kindern da.
Dann mußte sie heim, weil ihre Mutter kommen wollte. Besonders vertragen haben sich die Kinder nicht. Helga und Ingrid hatten dauernd war miteinander. Aber Jörg und Gisela harmonieren gut zusammen, die Gisela läßt sich ruhig necken und lacht mit, während Helga das nicht vertragen kann. Resi hatte etwas erwähnt, daß sie nach Colmar auf 3 Tage fahren wollte. Ihre Mutter wollte aber auch verreisen. Wir kamen dann vom Gespräch ab. Als sie fort war dachte ich daran, daß ich ihr hätte sagen können, ich würde die Kinder solange nehmen. Sie hatte es mir auch einmal angeboten.
Also bin ich noch schnell hingefahren. Ihre Mutter hätte ihr aber abgeraten zu fahren.
Auf dem Heimweg dachte ich, wie komisch fährt denn das Rad. Da war der Reifen an der schon einmal unterlegten Stelle weiter gerissen und außerdem war er noch an einer anderen Stelle kaputt. Da habe ich mich noch ans Radflicken gemacht. Ich habe 4 Stücke unterlegen müssen und außerdem habe ich ein ganzes Stück Mantel oben drüber gemacht. Mal sehen, wie lange es hält. Jetzt wird ja wohl öfter was kaputt gehen.
Als ich mit der Reparatur fertig war, war es schon 11 Uhr geworden. Da bin ich dann gleich ins Bett geschlupft.  Am Vormittag habe ich heute das schöne Wetter ausgenutzt und habe etwas gewaschen. Bisher war immer das Wetter nicht zum aufhängen geeignet.
Am Nachmittag war ich im Garten. Dem Unkraut hat wieder mein Kampf gegolten.
Bei dem nassen Wetter ist es ja ganz schlimm gewachsen. einen ganzen Berg Unkraut hat es dann zum Rübertragen gegeben.  Heute Abend haben wir 2 Schusseln Erdbeeren gepflückt. Einige haben wir gegessen, von den anderen habe ich ein Mus gekocht, welches wir in den nächsten Tagen aufs Brot essen. Ein Genuß sind ja die Erdbeeren wieder.
Schade, daß wir Dir keine schicken können. Das würde Dich doch sicher auch freuen.
Man kann ja jetzt überhaupt kein Päckchen schicken. Das kränkt mich schon sehr, denn Dein Geburtstag kommt immer näher und ich kann ihn Dir nicht ein wenig verschönern.
So üppig wird das Essen dort auch nicht sein, daß Du nicht eine kleine Aufbesserung vertragen könntest. _ Vorhin brachte Vater uns wieder 3 Stück Apfelkuchen mit, den er gestern Abend noch gebacken hat. Soeben haben wir ihn gegessen. Es hat Vater gefreut, als die Kinder beim Anblick des Kuchens jubelten und ihm Küsse gaben (natürlich nicht dem Kuchen).  Von Papa erhielt ich heute eine Karte. Er schreibt, daß sie endlich von Siegfried wieder Nachricht bekommen haben. Er ist ganz glücklich, denn er hatte sich schon große Sorge gemacht.  Eben jetzt gehen die Kinder ins Bett. Es ist schon ziemlich spät, bald 10 Uhr. Aber es war nach längerer Pause der erste richtig schöne Tag. Das haben natürlich alle Kinder ausgenutzt und sind draußen zum spielen gewesen.
Da wollte ich unseren Beiden auch die Freude gönnen und sie nicht aus dem schönsten Spiel wegrufen.  Ich wollte Dich noch fragen, ob es Dir was ausmacht, wenn ich nicht mit Tinte schreibe. So kann ich nämlich schneller schreiben. Gibst mir Bescheid, nicht wahr? Nun laß mich schließen. Bleib mir recht gesund, Du lieber Schatz und behalte uns lieb. Viele herzliche Grüße und innige Küsse schickt Dir Deine Annie.

Mein lieber Ernst!
Deine Zeilen habe ich erhalten vorige Woche und danke bestens dafür. Wie Du anfragtest wegen einer Sache ist von Fr. immer noch keine Antwort da, ich hatte schon die Absicht anzufragen. Wie geht es Dir?  Hoffentlich bist Du gesund und wünsche Dir alles Gute. Herzliche Grüße sendet Dir Dein Vater.

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