Mein liebster Ernst ! Konstanz, 19.6.44
Es wird dies nun schon der fünfte Geburtstag, den Du nicht
daheim verlebst. Aber ich glaube, Du hast auch keinen davon weniger feiern
können, als gerade diesen. Es ist ja leider so, daß man gar nichts schicken
kann. Du bekommst also nicht einmal einen eßbaren Gruß von uns. Das wird mir
wirklich schwer. Bisher konnten wir doch wenigstens immer einige Päckchen
fertig machen. Jetzt steht man ganz hilflos da.
Und wie werden Deine Gedanken sein? Aber wissen sollst Du, daß wir mit allen
guten Wünschen immer bei Dir sind. Durch die Invasion und die Vergeltung hoffen
wir doch, dem Frieden ein Stück näher gekommen zu sein. So wünschen wir vor allen
Dingen, daß wir uns alle gesund wiedersehen und daß Du immer ganz gesund
bleibst.
Gerade Gesundheit kannst Du doch jetzt, bei dem ziemlich
harten Dienst, besonders brauchen. Dann wünsche ich Dir, daß Du in keinen zu
harten Einsatz kommst. Sollte sich der Krieg doch noch lange hinziehen, so
wünsche ich Dir sobald als möglich wieder einen Urlaub. Dies ist ja immer der
Lichtblick in dieser Zeit. Als der
Krieg begann, dachten wir ja nicht, daß wir so lange getrennt sein würden. Wir
haben uns auch hinein gefunden, aber unsere Sehnsucht steht doch immer nach einem
dauernden Zusammensein.
Gerade in einem Urlaub sieht man immer wieder, wie schön
das sein könnte. Aber vor der Erfüllung
unserer Wünsche stehen erst noch schwere Wochen oder Monate.
Wir wollen auch sie tapfer durchleben. Du hast es ja
draußen bedeutend schwerer als wir daheim. Wir können davon noch nicht viel
reden. Etwas feierlich werden wir
Deinen Geburtstag verleben. Feiern werden wir
zwar nicht, denn das kannst Du ja auch nicht. Und Du bist ja das
Geburtstagskind und nicht wir.
Mit herzlichen Grüßen und Küssen und vielen guten Wünschen bin
ich immer Deine Annie.
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