Sonntag, 2. Juni 2019

Brief 744 vom 29.05.1944


Mein lieber, liebster Ernst !                                               Konstanz. 29.5.44

Auch dieser Feiertag wäre vorbei und er war wirklich sehr schön.  Am Nachmittag waren wir doch bei Resi eingeladen. Der Kaffeetisch war hinter dem Haus im Schatten gedeckt.
Das war eine Wohltat, denn es war wieder sehr heiß. Resi hatte Kuchen da und wir hatten auch einen halben mitgebracht. Resi hat sogar Bohnenkaffee gekocht. Die Kinder hatte es sich bequem gemacht. Sie liefen in Turnhosen und Tuch herum. Nach dem Essen fing Resi an  zu rauchen. Die Zigaretten, die Du ihr mitgebracht hattest. Sie meinte, die seien besser wie die, die man hier zu kaufen bekäme.  Mir bot sie auch an, aber ich habe dankend abgelehnt. Ich war erst ganz baff. Ich habe inzwischen Strümpfe gestopft und dabei haben wir uns unterhalten. Später ging dann Helga einmal heim und hat Sachen zum Abendbrot geholt. Wir wollten dort noch zusammen essen.
Die Kinder haben dann noch viel „Blödsinn“ gemacht und es hat manchen Spaß gegeben.
Ich hatte Resi noch einige Zigaretten für Fritz und ihre Verwundeten, die sie immer besuchen muß, mitgenommen. Resi hat mir doch schon wieder mal Quark und auch Brotmarken für ein Brot hergeschickt. Das möchte ich mir nicht immer so schenken lassen. 2 Lavendelampullen für Ohnmachten und 2 Mundwasserpulver, wie sie Dir Papa immer geschickt hatte, habe ich ihr auch noch gegeben. Ich denke, daß Du nichts dagegen haben wirst. Gegen 9  Uhr sind wir wieder heim gegangen.  Das ist das nette dort im Haus, daß es keinen Krach und nicht so viel Neid gibt wie hier bei uns.
Man kann dort so ungestört sitzen. Jedenfalls war es ein friedlicher Tag, wo man sich nett ausruhen konnte. Das hat einmal ganz gut getan.  Zum Abendbrot hatte Resi Bier holen lassen und wir hatten für die Kinder Kunstlimonade gestiftet. So hat jeder etwas beigesteuert. Ingrid hat nur vorhin noch gemeutert, daß sie das ganze Geschirr abtrocknen sollte. Ich wollte es eigentlich tun, aber Resi ließ es nicht zu.
Heute Morgen habe ich einmal etwas gegossen. Einige Eimer Wasser habe ich mir schon für morgen zurechtgestellt. Tagsüber ist es jetzt plötzlich so heiß geworden, daß alles austrocknet. Übrigens kommen die Stangenbohnen jetzt heraus und bei den Kartoffeln dauert es nicht mehr lange, bis ich sie häufeln muß.  Die Erdbeeren blühen dieses Jahr einfach herrlich. Resi meinte schon, wenn ich Erdbeeren  zu verkaufen hätte, würde sie gern welche nehmen. Sie würde dafür bei den Kirschen an mich denken.
An den kleinen Stachelbeerstock habe ich jetzt einen größeren Pfahl getan und habe ihn festgebunden. Sobald es mal wieder regnet, kann ich dann Kohlrabi und Wirsing, Salat und Rotkraut setzen. Weißkraut ist nicht viel geworden. Die ersten Radieschen von uns haben wir heute auch gegessen. Das ernten macht doch viel Freude.  Nun laß mich wieder schließen. Es ist bereits ½ 12 Uhr geworden.
Gute Nacht mein liebster Ernst. Laß Dich herzlich grüßen und küssen von Deiner Annie.

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