Mein liebster Ernst !
Konstanz, 30.5.44
Heute erhielt ich Deine beiden lieben Brief vom 20. und
22.5., für die ich Dir recht sehr danke. Ich muß schon sagen, Wache mußt Du
genug stehen. Da würde ich mich wahrscheinlich schwer dran gewöhnen, nach 1
oder 2 Stunden Schlaf aufzustehen und raus auf Wache zu gehen. Dir wird es
wahrscheinlich auch nicht gerade leicht sein.
Ich will mal nicht so sein und Dich noch angucken, auch wenn
Du beim schießen nicht an der Spitze stehst. Man sieht aber doch, daß Du schon
schießen kannst. Wenn es mal nicht klappt, dann ist es eben Pech gewesen. Es ist gar nicht schlimm, wenn Du mir nicht
rechtzeitig zum Muttertag geschrieben hast. Ich habe schon gewußt, daß Du Dich
erst mal dort einleben mußt und da nun nicht gerade an diesen Tag gedacht hast.
Aber am Muttertag selber habe ich gemeint, daß Du an mich denken wirst. Und ich
habe ja auch recht gehabt. Vom Tag selber habe ich Dir ja schon geschrieben.
Wenn Du recht hättest, daß wir den nächsten Muttertag
zusammen verleben, das wäre herrlich. Daß die Kinder sich sehr große Mühe
gegeben haben, das weiß Du ja durch meinen Brief auch. Ich sprach gerade
gestern mit Resi. Ingrid versteht das nicht so.
Sie deckt keinen Tisch usw. und die kleinen Geschenke hat
sie Resi schon am vorhergehenden Tag einfach in die Hand gedrückt. Ich muß immer wieder sagen, daß Du Deine
kurze Freizeit ausnutzt. Nun hast Du bald wieder Deine ganze Post erledigt. Da
wirst Du doch sicher sehr froh sein. Am
Klausenhorn oder auf unserer Wiese waren wir nun zu Pfingsten nicht. Aber wir
sind doch ins Freie gegangen. Davon schrieb ich Dir ja auch schon. Ja das wäre
fein, wenn Du da wärst und wir machten eine richtige Fahrt.
Heute Mittag kam Jörg wieder heim. Er ist dann nicht in die
Schule gegangen, da er zu müde war. Es hat ihm sehr gut gefallen. Darüber will
er Dir selber schreiben.
Vielleicht hast Du inzwischen Jörg‘s Karte aus Meersburg
erhalten. Er konnte sie in Mühlhofen leider nicht einstecken. Essen haben sie
reichlich gehabt, natürlich meist Suppe zu Mittag. Aber gefreut hat Jörg sich
doch, daß er heute wieder einmal in seinem Bett schlagen kann. Er hat mich auch
immer wieder gefragt, ob ich mich freue, daß er wieder daheim ist. Vater war heute Abend hier und hat gelesen.
Er hat augenblicklich kritische Tage, denn es gibt immer kleine Reibereien. Am
Samstag wollte er mir nicht glauben, daß ich heute schon meine 4 Eier auf „b“
holen könnte, weil in der Zeitung stand, daß erst die berücksichtigt werden,
die die von „a“ noch nicht haben. Er hatte sie nun auch noch nicht. Aber nach
einzelnen können sie sich doch nicht richten. Vaters erste Frage war nun heute,
ob ich denn nun Eier bekommen hätte.
Daß ich sie nun doch hatte, war ihm gar nicht recht. Für mich wäre das
nun nichts um sich zu aufzuregen, aber Vater kann da immer wieder anfangen.
Dann hätte ihm nun Paula wieder verschiedene Schauermärchen aufgetischt. Als
ich sie nun nicht glaubte, war er erbost. Er meinte, ich würde eben nur in
meinen 4 Wänden hausen und würde deshalb nichts wissen.
Ich habe ihm gesagt, ich wüßte schon, daß verschiedenes
wahr sei, aber ich könnte nicht sagen, was gerade wahr sei. Viele Leute würden
doch nur das erzählen, was zu ihrem Vorteil spricht. Aber manche Sache hat eine
Haken und es ist gar nicht wahr, das ihnen Unrecht getan wurde. Wenn ich es nun
nicht weiß, dann erzähle ich auch nichts weiter. Bei dem Erzählen kommt doch
nichts dabei heraus. Aber sobald Vater
bei Paula war ist er ganz kritisch. Da unterhält man sich am liebsten gar nicht
viel.
31.5. Ganz fertig bin ich gestern Abend nicht geworden.
Nun muß ich den Schluß jetzt schreiben. Jörg geht nachher in die Religion, da
nimmt er den Brief mit. Helga ist geraden in die Schule gefahren. Ich war
vorhin im Garten und habe die erste Hälfte der Kartoffeln gehackt. Jetzt soll
das andere Stück folgen. Laß mich darum
jetzt schließen. Bleib mir immer gesund, mein liebster Mann und sei herzlich
gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
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