Mein liebster Ernst ! Konstanz, 18.6.44
Es war eine richtige Sonntagsüberraschung, als ich gleich
4 Briefe von Dir erhielt. Es sind die Nummern 16, 17, 18, 19 vom 9./12.6. Du
kannst Dir meine Freude vorstellen.
Auf Deinen Wunsch hin werde ich nun auch meine Briefe
numerieren. Bisher habe ich das nicht getan, da ich es nicht für nötig hielt,
weil ich Dir ja doch jeden Tag schreibe. Sollte ich ausnahmsweise einmal nicht
dazu kommen, so schrieb ich es ja immer im folgenden Brief. Aber von heute an
numerieren ich auch.
Ich verstehe es vollkommen, daß Du nicht zu dem
Offizierslehrgang gemeldet hast. Es hat keinen Wert, sich vollkommen kaputt zu
machen. Es wird auch so schon genug von Euch verlangt werden. Einen Blödsinn
finde ich es nur, daß man Euch immer den Beamten spüren lassen will. Ihr habt
ja schließlich auch Eure Pflicht getan. Aber es gibt eben so dumme Kerle. Es hat mich gefreut, daß ............Briefe ........(unleserlich)bei
Dir eintreffen. Nun mußt Du doch nicht nur immer schreiben und hast keine
Antwort.
Über Jörg‘s Karte hast Du Dich also sehr gefreut. Was
wirst Du da erst zu seinem Brief sagen? Dein Brief an Jörg ist heute auch
angekommen, das wird ein Jubel. Für die
mitgesandten Blumen danken wir Dir auch sehr. Sie sehen wirklich schön aus.
Warum sollte ich es Dir übel nehmen, daß Du nicht an den Muttertag gedacht
hast? Das war doch ganz selbstverständlich bei dieser ganzen Umstellung und
dieser Herumfahrerei. Ich hatte ja selber nicht daran gedacht, denn meine
Gedanken waren meist bei Dir. Nur unsere Kinder haben daran gedacht. Bei Dir
weiß ich genau,
daß Du sonst immer an alles denkst und rechtzeitig denkst,
was bei mir nicht immer der Fall ist. Ich habe dafür gar kein Gedächtnis,
leider. Ich mache mir bestimmt keine
Gedanken wegen des Geldes, welches wir durch die Reise nach Leipzig verbraucht
haben. Ich bin im Gegenteil immer wieder froh, daß wir gefahren sind. Es waren
doch schöne Tage und ich wäre sehr traurig gewesen, wenn Du
............(unleserlich) Leipzig gewesen wärst und wir hätten daheim
gesessen. Die Briefmarkenaufstellung
habe ich heute mit Helga zusammen gemacht. Ich konnte aber erst bei 268
anfangen, da wir die vorhergehenden Marken noch nicht durchgesehen haben. Es
gab doch da so verschiedene Marken und Du hattest keine Zeit mehr dazu. Soll
ich es noch machen, soweit ich es verstehe?
Oder genügt diese Aufstellung einstweilen? Gib mir bitte
darüber Bescheid. Du mußt Dir bestimmt
keine Gedanken machen, wenn Du uns nichts schicken kannst. Wir kommen bestimmt
aus. Jetzt ist es sowieso nicht so schwer wie im Winter. Außerdem habe ich ja
noch verschiedene Sachen von Dir da. Mir ist es nur nicht recht, daß w i r Dir
nichts schicken können. Du könntest es jetzt bestimmt brauchen. Sobald die
Sperre aufgehoben ist, schicke ich gleich etwas weg. Das gewünschte Handtuch schicke ich morgen weg, wenn es nicht zu
schwer ist. Ich werde es auf der Post wiegen. Rasierklingen schicke ich jetzt
auch immer mit. Es ist wirklich schade,
daß das Päckchen von Griechenland nicht zu Dir gelangt ist. Aber ich kann es
eben leider nicht ändern. Es tut mir wirklich leid. Der Marinesturm hat mir zum Muttertag gratuliert. Lust ist es mir
eigentlich vorgekommen. Sollte Jörg
auch weiterhin zu viel Dienst haben, so gehe ich sowieso mal zu dem
Jungenschaftsführer und rede mit ihm. Jetzt warte ich erst noch ab. Daß die P-Kiste auch als Kühlschrank
Verwendung finden kann, hast Du mir nicht gesagt. Aber ich freue mich, daß ich
noch drauf gekommen bin. Es ist wirklich praktisch. Bei unserer Fahrt nach dem Hohentwiel hatten wir keine Hemmungen
ins Centralhotel zu gehen. Wir waren aber erst zu unserem Restaurant gegangen
und als das geschlossen war, haben wir rückzus alle anderen Gasthäuser
abgeklopft.
Als wir beim Central-Hotel landeten und noch nicht
bekommen hatten, sind wir dort hin gegangen. Resi war ja schon öfter auf dem
Hohentwiel, nur die Kinder nicht. Nun ist es bei mir so, wenn ich noch so oft
oben war, ich stiefle doch wieder durch alle Gänge und Gewölbe. Da macht Resi
nicht so gern mit. Gisela blieb dann bei ihrer Mutter, nur Ingrid ging überall
mit hin. Wenn es mir auch eigenartig
vorkam, daß Jörg nicht dabei war, so hätte ich doch nie etwas dagegen, wenn er
auf Fahrt geht.
Auch bei Helga nicht. Man ist nur jetzt unruhig wegen
Fliegern. Gerade wenn viele Menschen zusammen sind, schießen sie doch mit
Vorliebe mit Bordwaffen. Sonst weiß ich ja selber, wie gern man als Kind mal
fort fährt. Hinterher geht man auch gerne wieder heim. Wir sind ja auch später
noch gern fortgegangen. Inzwischen
wirst Du ja meine Briefe erhalten haben, in denen ich Dir näheres vom Garten geschrieben
habe. Der eine Stachelbeerstrauch ist nicht eingegangen, aber ganz erholt hat
er sich noch nicht. Ich warte mal ab, was noch wird. Wenn Du selber der Meinung bist, daß Du einen evtl. Urlaub lieber
bei uns verbringst und nicht zu Nanni fährst, so freut mich das natürlich sehr.
Es ist ja immer so, daß die wenigen Tage so schnell vorbei sind. Wenn man so
einen Sonderbesuch einschiebt, ist ja gleich eine Woche herum. Wenn auch einmal
Friede wär, da könntest Du sie ja schon einmal besuchen.
Freuen würde sie sich sicher. Aber die wenigen Urlaubstage
verbringt man so gern zusammen. Wenn
Resi sagt, sie hätte nichts, so darf man das nicht so wörtlich nehmen. Sie
meinte ja, es sei ihr letzter Bohnenkaffee gewesen.
Ob es stimmt, weiß ich nicht. Es ist mir auch gleich. ich
binde ja auch anderen nicht alles auf die Nase. Wenn das Wetter so bleibt wie
bisher, dann wird es mit dem Erdbeertauschen nicht viel. Dann verregnet auch
die Kirschenernte und die Erdbeeren verfaulen. Wir konnten wohl schon Erdbeeren
holen, aber täglich 1 Pfund, das gibt nicht aus. Gestern hat es den ganzen Tag fast geregnet und
heute ist es dasselbe. Den ganzen Tag rieselt es herunter. Von Wärme gar nicht
zu reden. Soeben sind die Kinder ins
Bett gegangen.
Am Vormittag haben sie den Brief an Dich auf die Post
geschafft und wollten in die Wochenschau gehen. Sie sind aber nicht mehr
hineingekommen. Alles war ausverkauft.
Da sind sie noch ein wenig im Stadtgarten spazieren
gegangen. Gerade ehe der Regen wieder
losging, sind sie heimgekommen. Am Nachmittag hat Jörg an seinem Geschütz
gebaut, während Helga mit mir die Aufstellung geschrieben hat. Hinterher haben
wir Kuchen und Erdbeeren mit Milch gegessen. Dann haben die Kinder wieder
gespielt und ich habe gestopft. Nach dem Abendessen habe ich dann mit schreiben
angefangen.
Die Kinder hatten inzwischen 2 Päckchen gepackt und sie
mir geschickt. Es waren darin: 2 Muscheln, 1 Buntstift, Isolierband, Creme, 1
kleine Geburtstagskerze, 1 Merkbüchlein, 1 Kompaß, 1 kleiner Untersetzer, 1
Drehbleistift und 1 Magnet. Na, bin ich
nicht reich beschenkt worden? Es sind doch zwei Lauserle. Als 1b schicke ich heute noch einen Brief
weg mit der Briefmarkenaufstellung und einigen Rasierklingen. Sonst dauert
alles so lange, bis ich es fort bringe. Einige Bilder lege ich diesem Brief
wieder bei. Gefallen sie Dir? Ich finde, sie sind mit gut gelungen. Doch nun laß mich schließen. Ich gehe nun
auch bald schlafen. Nur meine vielen Geschenke muß ich noch versorgen.
Bleib immer gesund, mein liebster, einziger Ernst und sei
oft und herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
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