Sonntag, 30. Juni 2019

Brief 756 vom 30.06.1944


Mein liebster Mann !                                                                        Konstanz, 30.6.44     

Gest ern konnte ich Dir allerhand berichten. Heute haperts wieder damit, denn ich war heute den ganzen Tag daheim. Am Morgen hat Helga, die ja heute keine Schule hatte, den Brief und die Päckchen an Dich auf die Post geschaft.  Hinterher ist sie noch ins Hallenbad gegangen. Das Baden gestern hat ihr noch nicht gelangt. Ans Horn konnte sie aber heute nicht gehen, denn es hat über Nacht wieder gestürmt und geregnet und den ganzen Tag über wehte ein kräftiger Wind.  Jörg brachte heute sein Zeugnis heim. Es lautet: Führung und Haltung  gut (2); Deutsch   mündlich  gut (2), schriftlich gut (2); Musik  befriedigend (3),;  Rechnen, Raumlehre  gut (2); Schrift befriedigend (3) . In Schrift ist er schlechter geworden. In allen Zeugnissen hatte er nacheinander gut, gut, befriedigend, gut, sehr gut und diesmal befriedigend.  Ich meine, wir können mit dem Zeugnis zufrieden sein. Wie wird das von Helga ausfallen ?  Da heute kein Turnen war, ist Helga mit Ingrid zusammen Heilkräuter abliefern gegangen. Dann sind sie noch zur Bücherei gelaufen und haben ihre Bücher umgetauscht. Jörg hat inzwischen daheim gebastelt. Aus etwas Pappe, Leim und winzigen Holzstückchen baut er sich das schönste Spielzeug zusammen. Er hat da wirklich Geschick dazu. Ich habe am Nachmittag mit der Maschine genäht. Ein Teil ist wieder fertig geworden.  Wir haben wieder 4 Pfund Erdbeeren geerntet. Wir haben uns davon zum Abendbrot welche in süßte Milch geschnitten. Einen Teil habe ich zu Mus fürs Frühstück gekocht.  Von Siegfried erhielt ich eine Karte vom 25.6. Er schreibt, daß er meinen Bried jetzt erhalten habe, nachdem sie nach längerer Zeit wieder Post zugestellt erhielten. Er sei noch soweit gesund. Sie sind einige Tage von der Front weg, aber bald würde es wieder nach vorn gehen. Ich freue mich, daß er noch gesund ist. Die Kämpfe in Italien sind ja auch nicht leicht. Mit Besorgnis lese ich aber jetzt immer in der Zeitung, daß Euch die Front immer näher kommt. Bleib nur auch immer gesund. Das ist mein größter Wunsch.  Bis zu Deinem Geburtstag sind es nur noch ein paar Tage. Hoffentlich erhältst Du bis dahin wenigstens unsere Geburtstagsbriefe, damit Du an diesem Tag nich ganz ohne einen Gruß von uns bist.  Laß Dich nun wieder recht herzlich grüßen und küssen von Deiner Annie.

Brief 754 vom 26.06.1944


Mein liebster Ernst  !                                                                    Konstanz, 26.6.44   

Daran, daß ich mit der Hand schreibe, siehst Du schon, daß mein Daumen wieder besser geworden ist. Ich kann wenigstens wieder ein bißchen zufassen. Darum konnte ich auch am Vormittag im Garten schaffen. Die Hauptarbeit ist ja jetzt immer das Unkraut rauszureißen. Das habe ich heute wieder redlich getan. Nun sieht der Garten  drüben wieder für ein paar Tage sauber aus. Im kleinen Garten habe ich noch das eine
Erdbeerbeet ausgeputzt. Dann hatte ich für heute genug.  5 Pfund Erdbeeren haben wir heute wieder geerntet. Im ganzen hatten wir bisher 40 Pfund.  Die Erdbeeren von heute habe ich zusammen mit 3 Gläsern Rhabarber sterilisiert. Sie stehen gerade noch im Apparat. In einigen Minuten sind sie fertig.  Die Johannisbeeren sind fast alle reif. Ich lasse sie aber noch eine ganze Weile dran. Sie werden dann süßer und die vereinzelten weißen Beeren werden noch rot. Die Brombeeren fangen an zu blühen. Im Garten hat mich heute ein Biest gestochen, aber wie. Eine handgroße Stelle ist dich und rot geworden. Die Stichstelle ist ein blauroter Fleck.  Ich möchte nur wissen, was das für ein Viech war. Am Schenkel bin ich gestochen worden und der rote Fleck geht bis in die Kniekehle.  Jörg war am Nachmittag in der Schule, er hat um 5 Uhr eine Weile nachsitzen müssen, da er geredet haben soll. was er aber ganz energisch bestreitet. Helga war zusammen mit Ingrid in Egg, Katzenschwanz für die Schule sammeln. Dabei sind sie noch in ein Gewitter gekommen.  Jörg hat doch so viele aus Modellierbogen geklebte Häuser. Ich hatte ihm schon einmal gesagt, er soll doch einige verschenken. Heute hat er 2 Sachen für 1,15 an Richard verkauft. Da hat er doch ein ganz schönes Geschäft gemacht.  Vorhin kam Vater und brachte 2 große Stück Apfelkuchen mit, die wir in 3 Teile geteilt haben. Er hat sehr gut geschmeckt.  Wie ich im Wehrmachtsbericht gelesen habe, ist Euch der Kampf ja ziemlich nahe gerückt.  Hoffentlich mußt Du nicht selbst bald daran teilnehmen.  Laß mich nun schließen mit vielen guten Wünschen und vielen Grüßen und Küssen für Dich, mein liebster Mann, von Deiner Annie.

Brief 755 vom 27.06.1944

Mein liebster Ernst!                                                                    Konstanz, 27.6.44      

 Heute habe ich die Freude gehabt, wieder 2 leibe briefe von Dir zu erhalten. Es sind die Nr. 23 und 24 vom 17. und 18.6. Ich muß immer wieder staunen und freue mich natürlich darüber, daß Du trotz Deiner knappen Zeit immer an mich schreibst. Ich möchte Dir immer wieder dafür danken, denn Du machst mir eine sehr große Freude damit. Dein Brief an Jörg ist heute angekommen.  Wohin die Fahrt von Jörg gehen sollte, weiß ich auch nicht genau. Es ist auch in letzter Zeit nicht mehr davon geredet worden. Sobald etwas bekannt gegeben wird, schreibe ich es Dir.  Nun hast Du wieder ein Päckchen mit verschiedenen Sachen auf den Weg gebracht. Ich kann diese schon verwenden. Da mußt Du keine Angst haben.  Interessiert haben mich die dortigen Preise und die Tauschmöglichkeiten. Von den Zigaretten hier könntest Du ja manches Ei für Dich eintauchen, wenn ich sie Dir nur schicken könnte. Einmal könnte ich es ja vielleicht schon. Du müßtest mir eben darüber schreiben. Von Nanni finde ich die Art, wie sie Dich eingeladen hat, nicht gerade schön. Sie tut so, als seien wir garnicht vorhanben. Es weiß jetzt doch Jeder, daß man die wenigen Tagebei seiner Familie verleben will, höchstens dann nicht, wenn man sich nicht versteht. Und das ist ja glücklicherweise bei uns nicht der Fall. Aber Nanni wie Paula haben ja für uns keine besondere Vorliebe und meinen sicher, wir wären Dir genau so gleichgültig. Ich jedenfalls würde nicht einmal Siegfried jetzt einladen, weil es mir selbstverständlich ist, daß er zuerst seiner Frau und seinem Kind gehört.  Dann kommt es mir so vor, als neideten sie Dir in der Verwandtschaft das bißchen Glück, was Du bisher im Leben gehabt hast. Bei Paula weiß ich es ja gewiß. Du hast ja schließlich auch nichts in den Schoß geworfen bekommen, sondern hast dich bisher redlich plagen müssen, um etwas zu erreichen. Ach, ärgern wir uns nicht weiter.  Heute Morgen bin ich gleich mit Jörg zum Hogg, Kartoffeln holen gefahren. Mit den 2 Karten von Leimenstolls, die sie mir früher gegeben hatten, habe ich wieder 1 Ztr. Kartoffeln bekommen. Die sehen besser aus als die letzten von BeyerBaer. Vater habe ich wieder ein paar davon abgegeben, denn ich komme jetzt gut damit aus.  Heute haben wir 4 Pfund Erdbeeren geerntet. Das sind nun ca. 44 Pfundzusammen. Das Wetter war heute nicht gerade gut zum reifen. Es stürmte ziemlich. Die Kartoffelstauden hat es ganz umgelegt. Das Rosenbäumchen haben wir stützen müssen, sonst wäre es glatt umgedrückt worden mitsamt dem Stecken.  Ich habe nun unsere Photoplatten ausssortiert. 8 Schachteln sind zum wegtun, 6 Schachteln voll tue ich unten in die große Kiste zum Album und 1 Schachtel voll mit den wichtigsten Filmen habe ich zu den wichtigsten Papieren getan.  Bei unsrem Keller habe ich einige sicherheitsmaßnahmen ergriffen. Da das Schloß nur 1 X zuzuschließen geht, habe ich inwendig noch einen Riegel angebracht. Durch die Latten kommt eine Männerhand wohl nicht durch. Dann habe ich noch eine Klingel angebracht. Die läutet, wenn man öffnet. Bei Tag hänge ich sie aus. Wenn es auch kein riesiger Schutz ist, so ist es doch besser, als wenn jemand nur einfach einmal aufschließen muß.  Meinst Du nicht auch?  Nun laß mich schließen. Ich sende Dir viele herzliche Grüße und liebe Küsse und bin immer Deine Annie.

Brief 753 vom 22.06.1944


Lieber Ernst !                                                                          Konstanz, 22.6.44  
    
Gestern  habe ich einmal nicht geschrieben. Du nimmst mir das bitte nicht übel. Am Vormittag war ich in der Stadt und habe verschiedenes besorgt, am Nachmittag habe ich erst genäht, dann habe ich Erdbeeren geholt. Es hatte ziemlich, ca. 4 Pfund. Da dachte ich, das beste ist, ich koch etwas Marmelade davon. Ich habe noch etwas Rhabarber dazu geholt und beides zusammen gekocht. Man braucht da nicht so viel Zucker. Nach dem kochen habe ich dann Abendbrot zurecht gemacht und wir haben gegessen. Ich schrieb Dir ja schon, daß es mir gar nicht recht ist, daß ich Dir gar nichts schicken kann. Es hat mir nun doch keine Ruhe gelassen und ich habe gestern Abend noch ein bißchen Kleingebäck gebacken. Leider gehen in ein Päckchen nur 6 kleine Stück rein. Ich konnte nur 2 Päckchen schicken, da ich weiter keine Marken habe. Bekommt Ihr eigentlich gar keine? Es ist also wirklich nur eine Kleinigkeit, die ich Dir schicken kann. Ich hoffe aber doch, daß sie Dir eine kleine Freude macht.
Heute bekam ich auch wieder 2 Briefe von Dir. Nr. 20 vom 14.6. und Nr. 21. Ich habe mich sehr darüber gefreut.  Du bist ja ein tüchtiger Wäsche geworden. Meine Hochachtung. Wie wär’s, wenn Du später immer unsere Wäsche waschen würdest? Würde Dich das nicht locken?
Ich habe mich erst über die Rebholzens gewundert. Aber dann dachte ich, öffentlich haben wir nichts miteinander gehabt und sonst kann ich ihnen nichts beweisen. Da lasse ich mir nichts merken und verkaufe eben den Rhabarber.  Sonst rede ich ja mit den Leuten nicht.  Ob Jörg nun auf längere Fahrt geht, wann und wie lange, das wissen wir jetzt noch nicht. Sollte etwas gesagt werden, dann werde ich mich nach dem richten, was Du gesagt hast. _ Ich habe die Kinder beim baden auch ermahnt, nicht zu weit hinaus zu schwimmen. Ich denke, daß sie folgen werden, denn sie meinten, so weit raus schwimmen, sei ihnen ein bißchen unheimlich.  Die Unbeständigkeit des Wetters herrscht auch bei uns. Kaum scheint ein bißchen die Sonne, so ist auch schon wieder Regen da. Richtig schönes Wetter haben wir bis jetzt auch fast nicht gehabt.
Das konnten wir uns ja denken, daß die Stadt abschlägig antwortet. Anders wäre es ja direkt eine Überraschung gewesen.  In letzter Zeit habe ich ja schon öfter Nachtschicht gemacht. Wenn ich aber die Hauptarbeit wieder hinter mir habe, wird es schon besser werden. Aber ich komme sonst nicht nach mit allem. Außerdem ist Vater öfter hier und geht dann auch nicht vor 11 Uhr. Ich kann ihn doch nicht rausschmeißen.
Ich habe jetzt immer ganz gern mit der Hand geschrieben. Wenn es mir zu viel wird, schreibe ich auch wieder mal mit der Maschine.  Von Papa habe ich auch Bilder erhalten. Ich schick sie Dir heute mit. Auf Zweien sehe ich scheußlich aus. Aber ein Andenken sind sie immerhin.  Von den Photoplatten werde ich also die weniger wichtigen wegtun. Die neueren Filme behalte ich sowieso.  Ich fahre jetzt mit Jörg in die Stadt.
Erstens wollen wir die Päckchen und den Brief fortbringen und außerdem wollen wir sehen, ob wir ein Paar lange Hosen zur Uniform, sogen. Überfallhosen, bekommen.
Die Erdbeeren von heute haben wir Vater runtergebracht. Er freut sich auch darüber. Zu kaufen gibt es doch keine.  4 Eier pro Person hat es gestern auch wieder gegeben. Da lege ich wieder welche für den Winter ein. _ Unser Radio ist auch wieder mal futsch. Jetzt ist das eine Steckerloch im Widerstand ausgebrochen. Ich will es wieder reparieren, wenn es klappt. Ob es wieder geht, kann ich jetzt noch nicht sagen. Lange wird es auf jeden Fall nicht mehr halten. Leider, den gerade jetzt ist man immer auf Nachrichten gespannt. Aber wir werden uns auch daran gewöhnen.  Heute Morgen gab es wieder Brotsuppe. Sie schmeckt mit jedem Mal besser. Wegen den Kindern könnte ich sie jeden Tag kochen. Einen Brotsack haben wir jetzt leer. Jetzt  haben wir noch den großen da.  Laß mich nun schließen. Bleib immer gesund und sei recht fest gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.  Von Papa erhielt ich heute Briefmarken für Dich.

Mein liebster Ernst  !          Konstanz, 26.6.44          8
Daran, daß ich mit der Hand schreibe, siehst Du schon, daß mein Daumen wieder besser geworden ist. Ich kann wenigstens wieder ein bißchen zufassen. Darum konnte ich auch am Vormittag im Garten schaffen. Die Hauptarbeit ist ja jetzt immer das Unkraut rauszureißen. Das habe ich heute wieder redlich getan. Nun sieht der Garten  drüben wieder für ein paar Tage sauber aus. Im kleinen Garten habe ich noch das eine
Erdbeerbeet ausgeputzt. Dann hatte ich für heute genug.  5 Pfund Erdbeeren haben wir heute wieder geerntet. Im ganzen hatten wir bisher 40 Pfund.  Die Erdbeeren von heute habe ich zusammen mit 3 Gläsern Rhabarber sterilisiert. Sie stehen gerade noch im Apparat. In einigen Minuten sind sie fertig.  Die Johannisbeeren sind fast alle reif. Ich lasse sie aber noch eine ganze Weile dran. Sie werden dann süßer und die vereinzelten weißen Beeren werden noch rot. Die Brombeeren fangen an zu blühen. Im Garten hat mich heute ein Biest gestochen, aber wie. Eine handgroße Stelle ist dich und rot geworden. Die Stichstelle ist ein blauroter Fleck.  Ich möchte nur wissen, was das für ein Viech war. Am Schenkel bin ich gestochen worden und der rote Fleck geht bis in die Kniekehle.  Jörg war am Nachmittag in der Schule, er hat um 5 Uhr eine Weile nachsitzen müssen, da er geredet haben soll. was er aber ganz energisch bestreitet. Helga war zusammen mit Ingrid in Egg, Katzenschwanz für die Schule sammeln. Dabei sind sie noch in ein Gewitter gekommen.  Jörg hat doch so viele aus Modellierbogen geklebte Häuser. Ich hatte ihm schon einmal gesagt, er soll doch einige verschenken. Heute hat er 2 Sachen für 1,15 an Richard verkauft. Da hat er doch ein ganz schönes Geschäft gemacht.  Vorhin kam Vater und brachte 2 große Stück Apfelkuchen mit, die wir in 3 Teile geteilt haben. Er hat sehr gut geschmeckt.  Wie ich im Wehrmachtsbericht gelesen habe, ist Euch der Kampf ja ziemlich nahe gerückt.  Hoffentlich mußt Du nicht selbst bald daran teilnehmen.  Laß mich nun schließen mit vielen guten Wünschen und vielen Grüßen und Küssen für Dich, mein liebster Mann, von Deiner Annie.


Brief 752 vom 19.06.1944 (2)


Lieber Schatz !                                                               Konstanz, 19.6.44       

Die Woche hat wieder begonnen. Zuerst einmal mit Regen. Die Welt sah grau in grau aus. Gegen Mittag heiterte es sich doch etwas auf. Am Vormittag habe ich mit der Maschine genäht, am Nachmittag bin ich in die Stadt gegangen. Ich hatte den kleinen Horst von Leimenstolls im Sportwagen mit. Frau L. hatte Wäsche, da konnte sie schlecht auf ihn aufpassen und mir macht es viel Freude, mit solch einem kleinen Kerlchen herum zu fahren. Noch dazu, wenn es so ein nettes und bis jetzt auch braves Kind ist. Als wir aus der Stadt kamen, bin ich noch mit ihm zur Resi gefahren. Helga war dort. Die haben wir abgeholt und außerdem habe ich mir einige Bücher zum lesen geholt. Eigentlich wollte ich nur eins, da ich jetzt wenig zum lesen komme. Aber Resi fand immer wieder ein schöneres, so daß es jetzt 5 geworden sind. Na, ich kann mir ja Zeit nehmen.  Helga war schon gleich nach dem Essen zu Ingrid gegangen.
Sie wollten zusammen Aufgaben machen, dann ihre Räder putzen und hinterher auf die Bücherei gehen. Weißt Du, was sie nun getan haben? Sie haben zuerst die Aufgaben gemacht und ihre Räder geputzt. Dann hat Ingrid Ofenlack aufgestöbert, den sich Resi für den Ofen aufgespart hatte, da es doch keinen mehr gibt. Den haben die Beiden doch genommen, als Resi nicht da war und haben ihre Räder lackiert. Die Freude von Resi kannst Du Dir vorstellen. Dabei hat sich Ingrid noch ihre Bluse verschmiert. Sie wollte nun den Lack auswaschen und hat gerieben, bis oben auf dem Ärmel ein Loch war. Ja, wenn man die Kinder mal alleine läßt. Es ist bestimmt so, daß sie jetzt oft auf dümmere Gedanken kommen als früher, wo sie klein waren. Mit Helga erlebe ich jetzt manchmal auch solche Überraschungen. Ich sage manchmal „Ja Mädel, früher warst Du doch nicht so dumm, was stellst Du jetzt bloß immer an.
Heute wollte ich das Päckchen mit dem Handtuch und einem Päckchen Rasierklingen wegschicken, da es aber nur 60g wog, habe ich es wieder mitgenommen und weitere Rasierklingen hinein getan. Die 100g wollen wir wenigstens ausnützen.  Vater war vorhin hier. Erbrachte mit ½ Pfund Reis mit. Als ich ihn jetzt zur Haustür brachte, da regnete es wenigstens wieder einmal. Es will und will nicht besser werden. Petrus ist gar kein guter Mann.
Wenn Du Dich vielleicht fragst, wo Jörg am Nachmittag war, so kann ich Dir sagen, daß er bis 5 Uhr in der Schule war. Er kam uns schon entgegengesprungen, als wir heim kamen. Morgen hat er wieder mal keine Schule, weil die Schulanfänger angemeldet werden und am Mittwoch hat er ja immer keinen Unterricht. Er hat es doch gut, nicht wahr? Helga hat heute eine Rechenarbeit zurückbekommen. Sie hat eine 2. Das ist doch ganz gut. Sie freut sich auch sehr. Es war die letzte in diesem Schuljahr.
Nun laß mich aufhören. Es ist ¼ 12 Uhr geworden. Bleib immer gesund und sei oft und herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Brief 751 vom 19.06.1944

Mein liebster Ernst !                                                           Konstanz, 19.6.44

Es wird dies nun schon der fünfte Geburtstag, den Du nicht daheim verlebst. Aber ich glaube, Du hast auch keinen davon weniger feiern können, als gerade diesen. Es ist ja leider so, daß man gar nichts schicken kann. Du bekommst also nicht einmal einen eßbaren Gruß von uns. Das wird mir wirklich schwer. Bisher konnten wir doch wenigstens immer einige Päckchen fertig machen. Jetzt steht man ganz hilflos da.
Und wie werden Deine Gedanken sein?  Aber wissen sollst Du, daß wir mit allen guten Wünschen immer bei Dir sind. Durch die Invasion und die Vergeltung hoffen wir doch, dem Frieden ein Stück näher gekommen zu sein. So wünschen wir vor allen Dingen, daß wir uns alle gesund wiedersehen und daß Du immer ganz gesund bleibst.
Gerade Gesundheit kannst Du doch jetzt, bei dem ziemlich harten Dienst, besonders brauchen. Dann wünsche ich Dir, daß Du in keinen zu harten Einsatz kommst. Sollte sich der Krieg doch noch lange hinziehen, so wünsche ich Dir sobald als möglich wieder einen Urlaub. Dies ist ja immer der Lichtblick in dieser Zeit.  Als der Krieg begann, dachten wir ja nicht, daß wir so lange getrennt sein würden. Wir haben uns auch hinein gefunden, aber unsere Sehnsucht steht doch immer nach einem dauernden Zusammensein.
Gerade in einem Urlaub sieht man immer wieder, wie schön das sein könnte. Aber vor der Erfüllung  unserer Wünsche stehen erst noch schwere Wochen oder Monate.
Wir wollen auch sie tapfer durchleben. Du hast es ja draußen bedeutend schwerer als wir daheim. Wir können davon noch nicht viel reden.  Etwas feierlich werden wir Deinen Geburtstag verleben. Feiern werden wir  zwar nicht, denn das kannst Du ja auch nicht. Und Du bist ja das Geburtstagskind und nicht wir.
Mit herzlichen Grüßen und Küssen und vielen guten Wünschen bin ich immer Deine Annie. 

Brief 750 vom 18.06.1944


Mein liebster Ernst !                                                    Konstanz, 18.6.44    
  
Es war eine richtige Sonntagsüberraschung, als ich gleich 4 Briefe von Dir erhielt. Es sind die Nummern 16, 17, 18, 19 vom 9./12.6. Du kannst Dir meine Freude vorstellen.
Auf Deinen Wunsch hin werde ich nun auch meine Briefe numerieren. Bisher habe ich das nicht getan, da ich es nicht für nötig hielt, weil ich Dir ja doch jeden Tag schreibe. Sollte ich ausnahmsweise einmal nicht dazu kommen, so schrieb ich es ja immer im folgenden Brief. Aber von heute an numerieren ich auch.
Ich verstehe es vollkommen, daß Du nicht zu dem Offizierslehrgang gemeldet hast. Es hat keinen Wert, sich vollkommen kaputt zu machen. Es wird auch so schon genug von Euch verlangt werden. Einen Blödsinn finde ich es nur, daß man Euch immer den Beamten spüren lassen will. Ihr habt ja schließlich auch Eure Pflicht getan. Aber es gibt eben so dumme Kerle.  Es hat mich gefreut, daß  ............Briefe ........(unleserlich)bei Dir eintreffen. Nun mußt Du doch nicht nur immer schreiben und hast keine Antwort.
Über Jörg‘s Karte hast Du Dich also sehr gefreut. Was wirst Du da erst zu seinem Brief sagen? Dein Brief an Jörg ist heute auch angekommen, das wird ein Jubel.  Für die mitgesandten Blumen danken wir Dir auch sehr. Sie sehen wirklich schön aus. Warum sollte ich es Dir übel nehmen, daß Du nicht an den Muttertag gedacht hast? Das war doch ganz selbstverständlich bei dieser ganzen Umstellung und dieser Herumfahrerei. Ich hatte ja selber nicht daran gedacht, denn meine Gedanken waren meist bei Dir. Nur unsere Kinder haben daran gedacht. Bei Dir weiß ich genau,
daß Du sonst immer an alles denkst und rechtzeitig denkst, was bei mir nicht immer der Fall ist. Ich habe dafür gar kein Gedächtnis, leider.  Ich mache mir bestimmt keine Gedanken wegen des Geldes, welches wir durch die Reise nach Leipzig verbraucht haben. Ich bin im Gegenteil immer wieder froh, daß wir gefahren sind. Es waren doch schöne Tage und ich wäre sehr traurig gewesen, wenn Du ............(unleserlich) Leipzig gewesen wärst und wir hätten daheim gesessen.  Die Briefmarkenaufstellung habe ich heute mit Helga zusammen gemacht. Ich konnte aber erst bei 268 anfangen, da wir die vorhergehenden Marken noch nicht durchgesehen haben. Es gab doch da so verschiedene Marken und Du hattest keine Zeit mehr dazu. Soll ich es noch machen, soweit ich es verstehe?
Oder genügt diese Aufstellung einstweilen? Gib mir bitte darüber Bescheid.   Du mußt Dir bestimmt keine Gedanken machen, wenn Du uns nichts schicken kannst. Wir kommen bestimmt aus. Jetzt ist es sowieso nicht so schwer wie im Winter. Außerdem habe ich ja noch verschiedene Sachen von Dir da. Mir ist es nur nicht recht, daß w i r Dir nichts schicken können. Du könntest es jetzt bestimmt brauchen. Sobald die Sperre aufgehoben ist, schicke ich gleich etwas weg.  Das gewünschte Handtuch schicke ich morgen weg, wenn es nicht zu schwer ist. Ich werde es auf der Post wiegen. Rasierklingen schicke ich jetzt auch immer mit.  Es ist wirklich schade, daß das Päckchen von Griechenland nicht zu Dir gelangt ist. Aber ich kann es eben leider nicht ändern. Es tut mir wirklich leid.  Der Marinesturm hat mir zum Muttertag gratuliert. Lust ist es mir eigentlich vorgekommen.  Sollte Jörg auch weiterhin zu viel Dienst haben, so gehe ich sowieso mal zu dem Jungenschaftsführer und rede mit ihm. Jetzt warte ich erst noch ab.  Daß die P-Kiste auch als Kühlschrank Verwendung finden kann, hast Du mir nicht gesagt. Aber ich freue mich, daß ich noch drauf gekommen bin. Es ist wirklich praktisch.  Bei unserer Fahrt nach dem Hohentwiel hatten wir keine Hemmungen ins Centralhotel zu gehen. Wir waren aber erst zu unserem Restaurant gegangen und als das geschlossen war, haben wir rückzus alle anderen Gasthäuser abgeklopft.
Als wir beim Central-Hotel landeten und noch nicht bekommen hatten, sind wir dort hin gegangen. Resi war ja schon öfter auf dem Hohentwiel, nur die Kinder nicht. Nun ist es bei mir so, wenn ich noch so oft oben war, ich stiefle doch wieder durch alle Gänge und Gewölbe. Da macht Resi nicht so gern mit. Gisela blieb dann bei ihrer Mutter, nur Ingrid ging überall mit hin.  Wenn es mir auch eigenartig vorkam, daß Jörg nicht dabei war, so hätte ich doch nie etwas dagegen, wenn er auf Fahrt geht.
Auch bei Helga nicht. Man ist nur jetzt unruhig wegen Fliegern. Gerade wenn viele Menschen zusammen sind, schießen sie doch mit Vorliebe mit Bordwaffen. Sonst weiß ich ja selber, wie gern man als Kind mal fort fährt. Hinterher geht man auch gerne wieder heim. Wir sind ja auch später noch gern fortgegangen.  Inzwischen wirst Du ja meine Briefe erhalten haben, in denen ich Dir näheres vom Garten geschrieben habe. Der eine Stachelbeerstrauch ist nicht eingegangen, aber ganz erholt hat er sich noch nicht. Ich warte mal ab, was noch wird.  Wenn Du selber der Meinung bist, daß Du einen evtl. Urlaub lieber bei uns verbringst und nicht zu Nanni fährst, so freut mich das natürlich sehr. Es ist ja immer so, daß die wenigen Tage so schnell vorbei sind. Wenn man so einen Sonderbesuch einschiebt, ist ja gleich eine Woche herum. Wenn auch einmal Friede wär, da könntest Du sie ja schon einmal besuchen.
Freuen würde sie sich sicher. Aber die wenigen Urlaubstage verbringt man so gern zusammen.  Wenn Resi sagt, sie hätte nichts, so darf man das nicht so wörtlich nehmen. Sie meinte ja, es sei ihr letzter Bohnenkaffee gewesen.
Ob es stimmt, weiß ich nicht. Es ist mir auch gleich. ich binde ja auch anderen nicht alles auf die Nase. Wenn das Wetter so bleibt wie bisher, dann wird es mit dem Erdbeertauschen nicht viel. Dann verregnet auch die Kirschenernte und die Erdbeeren verfaulen. Wir konnten wohl schon Erdbeeren holen, aber täglich 1 Pfund, das gibt nicht aus. Gestern  hat es den ganzen Tag fast geregnet und heute ist es dasselbe. Den ganzen Tag rieselt es herunter. Von Wärme gar nicht zu reden.  Soeben sind die Kinder ins Bett gegangen.
Am Vormittag haben sie den Brief an Dich auf die Post geschafft und wollten in die Wochenschau gehen. Sie sind aber nicht mehr hineingekommen.  Alles war ausverkauft.
Da sind sie noch ein wenig im Stadtgarten spazieren gegangen.  Gerade ehe der Regen wieder losging, sind sie heimgekommen. Am Nachmittag hat Jörg an seinem Geschütz gebaut, während Helga mit mir die Aufstellung geschrieben hat. Hinterher haben wir Kuchen und Erdbeeren mit Milch gegessen. Dann haben die Kinder wieder gespielt und ich habe gestopft. Nach dem Abendessen habe ich dann mit schreiben angefangen.
Die Kinder hatten inzwischen 2 Päckchen gepackt und sie mir geschickt. Es waren darin: 2 Muscheln, 1 Buntstift, Isolierband, Creme, 1 kleine Geburtstagskerze, 1 Merkbüchlein, 1 Kompaß, 1 kleiner Untersetzer, 1 Drehbleistift und 1 Magnet.  Na, bin ich nicht reich beschenkt worden? Es sind doch zwei Lauserle.  Als 1b schicke ich heute noch einen Brief weg mit der Briefmarkenaufstellung und einigen Rasierklingen. Sonst dauert alles so lange, bis ich es fort bringe. Einige Bilder lege ich diesem Brief wieder bei. Gefallen sie Dir? Ich finde, sie sind mit gut gelungen.  Doch nun laß mich schließen. Ich gehe nun auch bald schlafen. Nur meine vielen Geschenke muß ich noch versorgen.
Bleib immer gesund, mein liebster, einziger Ernst und sei oft und herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Brief 749 vom 17.07.1944

Mein liebster Ernst  !                                                            Konstanz, 17.6.44 

Viel weiß ich heute nicht zu berichten, dafür kann ich Dir aber eine andere Freude bereiten, ich kann Dir einige Bilder mitschicken. Leider nicht alle, wegen dem Briefgewicht.
Aber es wird Dich auch so freuen. Du bekommst sie nach und nach zugeschickt, bis alle 14 beieinander sind. 2 Bilder sind nichts geworden. Da sind die Köpfe nicht drauf Und damit wir redlich teilen, hast Du und ich je eine von den Aufnahmen gemacht.
Bei dem einen stehst Du mit Vater vorm kleinen Stachelbeerbäumchen, beim anderen
spiele ich mit den Kindern Ball. Das ist ja nur ein kleiner Ausfall, dafür sind die anderen Aufnahmen soweit ganz ordentlich geworden. Auf jeden Fall sind es wieder liebe Erinnerungen. Wenn ich die Bilder anschaue, kann ich mir den Urlaub wieder genau vorstellen. Was sagst Du zu dem Bild, auf dem ich Fußball spiele? Und wie gefällt Dir Dein lustiges Bild? Doch ganz ausgezeichnet. Da hast Du mir so frech eine Fratze geschnitten und nun bist Du so im Bild festgehalten.  Besser konnte das knipsen gar nicht klappen. Das ist mal unsere Meinung. Deine auch?  Ich mache ja auch eine lustige Figur, wie ich so auf einem Bein stehe und dem Ball nachschaue. Als wir es sahen, haben wir sehr lachen müssen. Wir wissen ja, wie das Bild entstanden ist und ich denke, daß es Dich auch freut. Heute morgen habe ich mal nur gestopft, nachdem ich gestern schon alles geputzt hatte. Am Nachmittag bin ich mit Helga in die Stadt gegangen. Ich habe ein Paar nette braune Holzschuhe bekommen. 10,20 M haben sie gekostet. Jörg war inzwischen daheim und hat sich ein Langrohrgeschütz gebaut. Aus einer Filmhülle, (also aus dem rot/schwarzen Papier, welches um einen Film herum liegt und auf dem die Nummern stehen, besteht das Rohr. Es ist zusammengedreht und langgezogen. Unten ist ein Brett mit 4 Rädern. Darauf steht eine Pappschachtel, oben mit einer länglichen Öffnung, damit sich das Rohr bewegen kann. Neben der Öffnung sind in Abständen Nägel angebracht, in welche eine Pappscheibe geschoben wird. Damit kann man das Rohr verstellen. An der Seite ist eine Tür und zu dem fahrbaren Brett herunter gehen mehrere Stufen. Jetzt hat sich Jörg noch ein Stück Gardine gefärbt und getarnt. Das gibt das Tarnnetz. Ich muß sagen, zum basteln hat Jörg viel Geschick.  Nun ist der Brief doch gleich vollgeschrieben. Ich dachte erst gar nicht, aber nun ist mir doch noch verschiedenes eingefallen.  Aber jetzt laß mich bitte schließen. Jörg ist gerade ins Bett gesprungen, ich will noch mit ihnen beten.
Du, mein lieber Schatz, sei recht oft und innig gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Brief 748 vom 16.06.1944

Mein lieber Ernst !                                                            Konstanz, 16.6.44

Das Schönste ist wohl heute, daß die Vergeltung begonnen hat.  Jedes Mitleid ist durch die unbarmherzigen Fliegerangriffe unserer Feinde ausgelöscht und es beherrscht uns alle nur noch der Gedanke der Rache. Unser Volk hat ja bisher so viel bluten müssen.
Wenn man weiß, es ist alles vergolten, so   (unleserlich)  leichter ertragen. Unsere Feinde werden jetzt uns sicher jetzt auch noch stärker angreifen wollen. Damit müssen wir ja rechnen. Als wir vom Beginn der Vergeltung vorhin durch Hans Fritsche hörten, bin ich gleich zu Vater runter gefahren und habe es ihm gesagt.  Er hat sich auch sehr gefreut.  Von Dir erhielt ich Deinen lieben Brief vom 8.6.  Nr. 15. Wie ich Dir schon inzwischen schrieb, habe ich im Garten alles rechtzeitig schaffen können. Die Reise nach Leipzig hat gar nichts ausgemacht.  Die Kartoffeln stehen dieses Jahr so gut wie noch nie. Kraut haben sie jedenfalls üppig. Dadurch, daß es öfter regnet, hat der Mist seine Wirkung tun können. Im vergangenen Jahr war es zu trocken. Da ist er gar nicht verrottet.  Die Zigarettenlieferungen an den Gagel habe ich fast ganz eingestellt. Es war mir zu frech, wie oft sie gekommen sind.  Das letzte Mal habe ich auch zu dem Mädel gesagt: “Ja, wie denkst Du Dir das eigentlich? Erstens bekomme ich augenblicklich fast keine und dann habe ich auch noch meine Leute zu versorgen.“ Darauf meinte sie „Der (ihr Vater) macht mich auch fast verrückt.“ Soviel ich weiß, habe ich Dir doch mitgeteilt, daß Deine Kartoffeln angekommen sind. Ich danke Dir auch heute nochmals dafür.  So eine Sauna ist doch sicher gut. Ein Soldat, der sie uns in der Ausstellung erklärte, sagte noch, daß ihr Vorgesetzter immer dafür gesorgt hat, daß sie sich hinterher 2 Stunden ausruhen. Könnt Ihr das auch? Es freut mich sehr, daß Dein Schienbein wieder soweit verheilt ist. Du mußt Dir schon sehr weh getan haben, daß es so vereitert war.  Ich glaube, mich machte es sehr kaputt, wenn ich nicht richtig schlafen könnte, denn Schlaf ist mir das Wichtigste bei mir.
Morgen will ich wieder nach unseren Urlaubsbildern fragen. Ich bin am Mittwoch schon wieder dort gewesen, damit er sieht, man wartet darauf.  Einmal werden wir sie doch bekommen.  Ich bin gespannt, ob es am Sonntag mit dem Sportfest etwas wird, denn seit Nachmittag regnet es schon wieder. Wenn morgen auch solch Wetter wird, ist ja der Boden ganz aufgeweicht.  Heute zum Abendbrot hatte ich für die Kinder eine Überraschung, ich hatte einen Rhabarberkuchen gebacken. Da haben sie aber zugelangt.  Ich sende Dir recht herzliche Grüße und Küsse Deine Annie.
Du kannst Dich darauf verlassen, daß wir immer mit viel Liebe an Dich denken.

Brief 747 vom 15.06.1944


Lieber, allerliebster Ernst!           Konstanz, 15.6.44
Da ich heute keinen Brief erhielt, kann ich Dir heute nur von meiner Arbeit erzählen. Diese galt heute dem Garten. Gleich früh habe ich begonnen. Zuerst kamen die ausgesäten Zwiebeln an die Reihe. Ich habe einen Teil davon versetzt. An manchen Stellen standen sie zu dicht. Dann habe ich im kleinen Garten hinter den Beeten, nach dem Baum zu, einige Weißkraut gesetzt. Im großen Garten habe ich an einzelnen freien Plätzen bei den Sträuchern Wirsing gepflanzt, ebenso im kl. Garten vor den Stachelbeersträuchern.
Später habe ich das Spinatbeet umgegraben. Ich habe dazu noch Komposterde verwendet.
Im großen Garten konnte ich noch ein schmales Beet zwischen dem Misthaufen und den Kartoffeln anlegen, wozu ich auch Komposterde verwendet habe.  Da pflanze ich entweder Kraut oder Buschbohnen. Nun war die Erde fast verbraucht. Da habe ich das Stück, wo Komposterde lag, auch umgegraben. Das gibt ja ein gutes Beet. Ich will darauf Möhren aussähen.  Heute Mittag konnten wir wieder Erdbeeren ernten, ca. 1 ½ Pfund. Die hat Helga zu Vater gebracht, ebenso 4 Kohlrabi. Im Laden bekommt man jetzt nur 1 Stück pro Person, da sie noch rar sind. Vater hat sich aber auch gefreut.  Nachmittags waren wir wieder baden. Da die Freunde von Jörg, Walter und Richard, auch gingen, ist er gleich mit ihnen gelaufen. Helga und ich sind später mit dem Rad nachgekommen. Es war, wie immer, sehr erfrischend. Heute waren auch nicht so viel Leute da, da konnte man gut schwimmen. Helga ist immer ins Wasser gesprungen und wollte auf den Grund kommen. Es ist ihr aber einfach nicht gelungen. entweder ist sie auf dem Bauch oder auf dem Rücken gelegen. Man kann das doch von oben so gut beobachten. Wir haben lachen müssen, so ulkig sah das aus.  Helga hat aber fest mitgelacht.  Am Abend konnten wir nochmals einige Erdbeeren holen. Da habe ich Erdbeermus für‘s Frühstück gekocht. Das schmeckt so gut.  Möglich ist mir das kochen ja nur, weil ich noch das Maismehl von Dir da habe.  Eier haben wir auch wieder zugeteilt bekomme, pro Person 3 Stück. Die habe ich heute gleich eingelegt.
So, das wäre mein Tagwerk von heute.  Unsere Kinder gehen jetzt manchmal schon zeitig ins Bett und lesen dann noch. Vorhin haben sie es auch so gemacht. Hast Du da eigentlich etwas dagegen? Sie sagen, es sei so gemütlich und sie könnten sich dabei auch noch schön ausruhen. Für mich ist es ja ganz vorteilhaft, weil ich dadurch in Ruhe meine Arbeit tun kann. aber wenn Du es nicht richtig findest, lasse ich die Kinder eben nicht mehr im Bett lesen.  Beim Wettkampf der HJ hat Helga auch dieses Jahr die Siegernadel bekommen. eigentlich ist es jetzt gar keine Nadel mehr, sondern nur eine kleine Urkunde. Ob Jörg die Siegernadel bekommt, das wissen wir noch nicht genau.  An unserem Baum hängen bis jetzt eine ganze Menge Äpfel.
Ich bin gespannt, wie viele bis zur Reife herunterfallen. Die Stachelbeeren sind schon schön groß und die Johannisbeeren röten sich. Die Kartoffeln fangen bald an zu blühen.
Auf die Krautsetzlinge mußte ich Naaki streuen, die Erdflöhe wüteten gar zu arg. Massenhaft sitzen sie auf den Blättern und die Blätter sehen bald scheußlich aus. Das Erbsenbeet mit den niederen Erbsen habe ich heute auch angehäufelt. Nachdem ich nochmals nachgesät habe, kommen sie nun schön regelmäßig heraus.  Ja, nun habe ich Dir eigentlich fast ausschließlich vom Garten erzählt. Aber vielleicht interessiert Dich das auch einmal. Ich schließe nun meinen Brief und grüße und küsse Dich ganz herzlich und habe Dich immer lieb, Deine Annie.

Brief 746 vom 12.06.1944


Mein lieber, lieber Ernst !                                                          Konstanz, 12.6.44 

Heute erhielt ich keinen Brief von Dir. Aber ich warte schon sehr auf den nächsten.
Vielleicht bringt er endlich die Nachricht, daß Du auch Nachricht von uns erhalten hast. Es quält mich direkt, daß Du so lange vergeblich warten mußtest. Ich habe doch gleich geschrieben und auch jeden Tag. Endlich müssen Dich die Briefe doch erreichen.
Wenn Du mich nicht genau kennen würdest, könntest Du doch auf den Gedanken kommen, ich wäre bummelig im schreiben gewesen. Und dabei ist es mir doch eine Freude, an Dich zu schreiben und Dir mitzuteilen, was wir so den Tag über getan zu haben.
Im  allgemeinen gibt es ja nicht viel Abwechslung, aber Du sagtest ja einmal, ich sollte Dir nur davon schreiben, auch das würde Dich freuen. _ Der Gedanke beschäftigt mich jetzt immer, ob Du wohl noch dort beim Lehrgang bist, nachdem die Invasion begonnen hat, oder ob sie Euch schon abberufen haben. Wo wirst Du wohl hinkommen?
Hoffentlich bekommst Du es nicht gar zu hart. aber Du hast recht, wir müssen alles auf uns zukommen lassen. Wir können ja doch nichts ändern. Ich wünsche Dir jedenfalls mit ganzem Herzen alles Soldatenglück, Dir, mein lieber, bester Ernst.  Vom gestrigen Tag hatte ich Dir ja schon geschrieben. Bis ¾ 7 Uhr war Resi mit den Kindern da.
Dann mußte sie heim, weil ihre Mutter kommen wollte. Besonders vertragen haben sich die Kinder nicht. Helga und Ingrid hatten dauernd war miteinander. Aber Jörg und Gisela harmonieren gut zusammen, die Gisela läßt sich ruhig necken und lacht mit, während Helga das nicht vertragen kann. Resi hatte etwas erwähnt, daß sie nach Colmar auf 3 Tage fahren wollte. Ihre Mutter wollte aber auch verreisen. Wir kamen dann vom Gespräch ab. Als sie fort war dachte ich daran, daß ich ihr hätte sagen können, ich würde die Kinder solange nehmen. Sie hatte es mir auch einmal angeboten.
Also bin ich noch schnell hingefahren. Ihre Mutter hätte ihr aber abgeraten zu fahren.
Auf dem Heimweg dachte ich, wie komisch fährt denn das Rad. Da war der Reifen an der schon einmal unterlegten Stelle weiter gerissen und außerdem war er noch an einer anderen Stelle kaputt. Da habe ich mich noch ans Radflicken gemacht. Ich habe 4 Stücke unterlegen müssen und außerdem habe ich ein ganzes Stück Mantel oben drüber gemacht. Mal sehen, wie lange es hält. Jetzt wird ja wohl öfter was kaputt gehen.
Als ich mit der Reparatur fertig war, war es schon 11 Uhr geworden. Da bin ich dann gleich ins Bett geschlupft.  Am Vormittag habe ich heute das schöne Wetter ausgenutzt und habe etwas gewaschen. Bisher war immer das Wetter nicht zum aufhängen geeignet.
Am Nachmittag war ich im Garten. Dem Unkraut hat wieder mein Kampf gegolten.
Bei dem nassen Wetter ist es ja ganz schlimm gewachsen. einen ganzen Berg Unkraut hat es dann zum Rübertragen gegeben.  Heute Abend haben wir 2 Schusseln Erdbeeren gepflückt. Einige haben wir gegessen, von den anderen habe ich ein Mus gekocht, welches wir in den nächsten Tagen aufs Brot essen. Ein Genuß sind ja die Erdbeeren wieder.
Schade, daß wir Dir keine schicken können. Das würde Dich doch sicher auch freuen.
Man kann ja jetzt überhaupt kein Päckchen schicken. Das kränkt mich schon sehr, denn Dein Geburtstag kommt immer näher und ich kann ihn Dir nicht ein wenig verschönern.
So üppig wird das Essen dort auch nicht sein, daß Du nicht eine kleine Aufbesserung vertragen könntest. _ Vorhin brachte Vater uns wieder 3 Stück Apfelkuchen mit, den er gestern Abend noch gebacken hat. Soeben haben wir ihn gegessen. Es hat Vater gefreut, als die Kinder beim Anblick des Kuchens jubelten und ihm Küsse gaben (natürlich nicht dem Kuchen).  Von Papa erhielt ich heute eine Karte. Er schreibt, daß sie endlich von Siegfried wieder Nachricht bekommen haben. Er ist ganz glücklich, denn er hatte sich schon große Sorge gemacht.  Eben jetzt gehen die Kinder ins Bett. Es ist schon ziemlich spät, bald 10 Uhr. Aber es war nach längerer Pause der erste richtig schöne Tag. Das haben natürlich alle Kinder ausgenutzt und sind draußen zum spielen gewesen.
Da wollte ich unseren Beiden auch die Freude gönnen und sie nicht aus dem schönsten Spiel wegrufen.  Ich wollte Dich noch fragen, ob es Dir was ausmacht, wenn ich nicht mit Tinte schreibe. So kann ich nämlich schneller schreiben. Gibst mir Bescheid, nicht wahr? Nun laß mich schließen. Bleib mir recht gesund, Du lieber Schatz und behalte uns lieb. Viele herzliche Grüße und innige Küsse schickt Dir Deine Annie.

Mein lieber Ernst!
Deine Zeilen habe ich erhalten vorige Woche und danke bestens dafür. Wie Du anfragtest wegen einer Sache ist von Fr. immer noch keine Antwort da, ich hatte schon die Absicht anzufragen. Wie geht es Dir?  Hoffentlich bist Du gesund und wünsche Dir alles Gute. Herzliche Grüße sendet Dir Dein Vater.

Sonntag, 2. Juni 2019

Brief 745 vom 30.05.1944


Mein liebster Ernst !                                                            Konstanz, 30.5.44

Heute erhielt ich Deine beiden lieben Brief vom 20. und 22.5., für die ich Dir recht sehr danke. Ich muß schon sagen, Wache mußt Du genug stehen. Da würde ich mich wahrscheinlich schwer dran gewöhnen, nach 1 oder 2 Stunden Schlaf aufzustehen und raus auf Wache zu gehen. Dir wird es wahrscheinlich auch nicht gerade leicht sein.
Ich will mal nicht so sein und Dich noch angucken, auch wenn Du beim schießen nicht an der Spitze stehst. Man sieht aber doch, daß Du schon schießen kannst. Wenn es mal nicht klappt, dann ist es eben Pech gewesen.  Es ist gar nicht schlimm, wenn Du mir nicht rechtzeitig zum Muttertag geschrieben hast. Ich habe schon gewußt, daß Du Dich erst mal dort einleben mußt und da nun nicht gerade an diesen Tag gedacht hast. Aber am Muttertag selber habe ich gemeint, daß Du an mich denken wirst. Und ich habe ja auch recht gehabt. Vom Tag selber habe ich Dir ja schon geschrieben.
Wenn Du recht hättest, daß wir den nächsten Muttertag zusammen verleben, das wäre herrlich. Daß die Kinder sich sehr große Mühe gegeben haben, das weiß Du ja durch meinen Brief auch. Ich sprach gerade gestern mit Resi. Ingrid versteht das nicht so.
Sie deckt keinen Tisch usw. und die kleinen Geschenke hat sie Resi schon am vorhergehenden Tag einfach in die Hand gedrückt.  Ich muß immer wieder sagen, daß Du Deine kurze Freizeit ausnutzt. Nun hast Du bald wieder Deine ganze Post erledigt. Da wirst Du doch sicher sehr froh sein.  Am Klausenhorn oder auf unserer Wiese waren wir nun zu Pfingsten nicht. Aber wir sind doch ins Freie gegangen. Davon schrieb ich Dir ja auch schon. Ja das wäre fein, wenn Du da wärst und wir machten eine richtige Fahrt.
Heute Mittag kam Jörg wieder heim. Er ist dann nicht in die Schule gegangen, da er zu müde war. Es hat ihm sehr gut gefallen. Darüber will er Dir selber schreiben.
Vielleicht hast Du inzwischen Jörg‘s Karte aus Meersburg erhalten. Er konnte sie in Mühlhofen leider nicht einstecken. Essen haben sie reichlich gehabt, natürlich meist Suppe zu Mittag. Aber gefreut hat Jörg sich doch, daß er heute wieder einmal in seinem Bett schlagen kann. Er hat mich auch immer wieder gefragt, ob ich mich freue, daß er wieder daheim ist.  Vater war heute Abend hier und hat gelesen. Er hat augenblicklich kritische Tage, denn es gibt immer kleine Reibereien. Am Samstag wollte er mir nicht glauben, daß ich heute schon meine 4 Eier auf „b“ holen könnte, weil in der Zeitung stand, daß erst die berücksichtigt werden, die die von „a“ noch nicht haben. Er hatte sie nun auch noch nicht. Aber nach einzelnen können sie sich doch nicht richten. Vaters erste Frage war nun heute, ob ich denn nun Eier bekommen hätte.  Daß ich sie nun doch hatte, war ihm gar nicht recht. Für mich wäre das nun nichts um sich zu aufzuregen, aber Vater kann da immer wieder anfangen. Dann hätte ihm nun Paula wieder verschiedene Schauermärchen aufgetischt. Als ich sie nun nicht glaubte, war er erbost. Er meinte, ich würde eben nur in meinen 4 Wänden hausen und würde deshalb nichts wissen.
Ich habe ihm gesagt, ich wüßte schon, daß verschiedenes wahr sei, aber ich könnte nicht sagen, was gerade wahr sei. Viele Leute würden doch nur das erzählen, was zu ihrem Vorteil spricht. Aber manche Sache hat eine Haken und es ist gar nicht wahr, das ihnen Unrecht getan wurde. Wenn ich es nun nicht weiß, dann erzähle ich auch nichts weiter. Bei dem Erzählen kommt doch nichts dabei heraus.  Aber sobald Vater bei Paula war ist er ganz kritisch. Da unterhält man sich am liebsten gar nicht viel.
31.5. Ganz fertig bin ich gestern Abend nicht geworden. Nun muß ich den Schluß jetzt schreiben. Jörg geht nachher in die Religion, da nimmt er den Brief mit. Helga ist geraden in die Schule gefahren. Ich war vorhin im Garten und habe die erste Hälfte der Kartoffeln gehackt. Jetzt soll das andere Stück folgen.  Laß mich darum jetzt schließen. Bleib mir immer gesund, mein liebster Mann und sei herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Brief 744 vom 29.05.1944


Mein lieber, liebster Ernst !                                               Konstanz. 29.5.44

Auch dieser Feiertag wäre vorbei und er war wirklich sehr schön.  Am Nachmittag waren wir doch bei Resi eingeladen. Der Kaffeetisch war hinter dem Haus im Schatten gedeckt.
Das war eine Wohltat, denn es war wieder sehr heiß. Resi hatte Kuchen da und wir hatten auch einen halben mitgebracht. Resi hat sogar Bohnenkaffee gekocht. Die Kinder hatte es sich bequem gemacht. Sie liefen in Turnhosen und Tuch herum. Nach dem Essen fing Resi an  zu rauchen. Die Zigaretten, die Du ihr mitgebracht hattest. Sie meinte, die seien besser wie die, die man hier zu kaufen bekäme.  Mir bot sie auch an, aber ich habe dankend abgelehnt. Ich war erst ganz baff. Ich habe inzwischen Strümpfe gestopft und dabei haben wir uns unterhalten. Später ging dann Helga einmal heim und hat Sachen zum Abendbrot geholt. Wir wollten dort noch zusammen essen.
Die Kinder haben dann noch viel „Blödsinn“ gemacht und es hat manchen Spaß gegeben.
Ich hatte Resi noch einige Zigaretten für Fritz und ihre Verwundeten, die sie immer besuchen muß, mitgenommen. Resi hat mir doch schon wieder mal Quark und auch Brotmarken für ein Brot hergeschickt. Das möchte ich mir nicht immer so schenken lassen. 2 Lavendelampullen für Ohnmachten und 2 Mundwasserpulver, wie sie Dir Papa immer geschickt hatte, habe ich ihr auch noch gegeben. Ich denke, daß Du nichts dagegen haben wirst. Gegen 9  Uhr sind wir wieder heim gegangen.  Das ist das nette dort im Haus, daß es keinen Krach und nicht so viel Neid gibt wie hier bei uns.
Man kann dort so ungestört sitzen. Jedenfalls war es ein friedlicher Tag, wo man sich nett ausruhen konnte. Das hat einmal ganz gut getan.  Zum Abendbrot hatte Resi Bier holen lassen und wir hatten für die Kinder Kunstlimonade gestiftet. So hat jeder etwas beigesteuert. Ingrid hat nur vorhin noch gemeutert, daß sie das ganze Geschirr abtrocknen sollte. Ich wollte es eigentlich tun, aber Resi ließ es nicht zu.
Heute Morgen habe ich einmal etwas gegossen. Einige Eimer Wasser habe ich mir schon für morgen zurechtgestellt. Tagsüber ist es jetzt plötzlich so heiß geworden, daß alles austrocknet. Übrigens kommen die Stangenbohnen jetzt heraus und bei den Kartoffeln dauert es nicht mehr lange, bis ich sie häufeln muß.  Die Erdbeeren blühen dieses Jahr einfach herrlich. Resi meinte schon, wenn ich Erdbeeren  zu verkaufen hätte, würde sie gern welche nehmen. Sie würde dafür bei den Kirschen an mich denken.
An den kleinen Stachelbeerstock habe ich jetzt einen größeren Pfahl getan und habe ihn festgebunden. Sobald es mal wieder regnet, kann ich dann Kohlrabi und Wirsing, Salat und Rotkraut setzen. Weißkraut ist nicht viel geworden. Die ersten Radieschen von uns haben wir heute auch gegessen. Das ernten macht doch viel Freude.  Nun laß mich wieder schließen. Es ist bereits ½ 12 Uhr geworden.
Gute Nacht mein liebster Ernst. Laß Dich herzlich grüßen und küssen von Deiner Annie.

Brief 743 vom 28.05.1944


Liebster, bester Ernst !                                                         Konstanz, 28.5.44 

Gerade vorhin, um 10 Uhr, sind wir heim gekommen. Wir haben noch einen Pudding gegessen und ehe ich schlafen gehe, will ich Dir von heutigen Tag berichten. Um 10 Uhr  vormittags sind wir fortgefahren. 11,06 waren wir in Singen.  Wir haben dann erstmal zugesehen, wo wir essen konnten. Das Restaurant, wo wir mal waren, hatte Betriebsferien. Dann sind wir in drei weitere vergeblich gelaufen. Als es uns zu dumm wurde, sind wir einfach ins Centralhotel gegangen. Da haben wir aber ein gutes Essen bekommen. Schweinefleisch, Kartoffeln, Reis, Spinat, Kohlrabi, Soße und Salat. Das Essen kostete 1,60 Mk. Dazu haben wir ein Schorle getrunken.  Nach dem Essen haben wir uns auf den Weg zum Hohentwiel gemacht. Es war ein mächtig heißer Tag. Unterwegs haben wir uns einige Male ausgeruht. Wir haben uns alles angesehen. Dann haben wir uns noch eine Weile hingesetzt und haben war gegessen. Beim Abstieg sind wir noch in das Gasthaus gegangen und haben Selterwasser getrunken.  Wir mußten es mit raus auf die Wiese nehmen, denn im Haus war zuviel Betrieb.
Wir haben uns auf die Wiese gesetzt und uns ausgeruht. Ich weiß nicht, man war dauernd müd. Das kam
sicher von der großen Hitze. Später sind wir langsam in die Stadt gegangen. Wir sind noch im Café Graf eingekehrt und haben 1 Stück Kuchen und einen Erdbeersaft getrunken.
Hinterher sind wir noch in unser Café, gleich beim Bahnhof gegangen. Da haben wir 1 Linzertorte und 1 gefüllten Kuchen erhalten. Dazu haben wir einen Kaffee getrunken und die Kinder Limonade. Die restliche Zeit sind wir noch spazieren gegangen. Die Sonne war ziemlich untergegangen und es wehte ein erfrischender Wind. Gegen 8 Uhr sind wir dann auf den Bahnsteig gegangen, wo wir uns auf einer Bank ausruhen konnten.
Der Zug kam schon ¼ 9 Uhr und hatte ½ Stunde Aufenthalt. Wir sind gleich eingestiegen und bekamen dadurch Platz. Vorhin sind wir nun wieder angekommen.  Gel, eingekehrt sind wir heute genug? Aber es kommt auch nicht gleich wieder vor.  Morgen machen wir uns einen faulen Tag. Am Nachmittag sind wir zur Resi eingeladen. Ich nehme von unserem Kuchen mit. Strümpfe zum stopfen nehme ich auch mit, damit man nicht nur faulenzt. Die Kinder wollen sich wieder kostümieren und spielen. Es ist ganz eigenartig, wenn Jörg nicht da ist. Was er wohl jetzt tun wird. Ob er fest schläft? Ob es ihm auch im Lager gefällt?  Wir haben den ganzen Tag auch an Dich gedacht, was Du jetzt wohl tust. Vom Feiertag hast Du vielleicht wenig gemerkt.
Frei werdet Ihr wohl kaum gehabt haben.
29.5. Du weißt ja, wie es bei mir so geht. Plötzlich kann ich mich nicht mehr munter halten. So ging es mir auch gestern Abend. Mir fielen die Augen zu und ich wußte gar nicht mehr was ich schrieb. Da habe ich mich erst mal ins Bett gelegt und habe bis jetzt um 8 Uhr geschlafen. Helga schläft noch, sie ist sehr müd. Ich bringe diesen Brief noch auf die Post, damit er recht bald fort kommt.  Die Feiertage werden nun bald vorbei sein. Hätte man nur Päckchen schicken dürfen. Das hätte mich so gefreut.
So essen wir hier mehrere Kuchen und wissen, daß Du sowas nicht hast. Man kann es Euch draußen so gar nicht erleichtern und man würde es so gern tun.  Auch heute ist wieder ein herrlicher sonniger Tag. Ich glaube, unser Jörg wird ganz braun gebrannt heim kommen, denn die Buben sind doch dauernd im Freien. Schönere Tage hätten sie sich ja für ihre Fahrt nicht wünschen können.  Vom Hohentwiel selber habe ich eigentlich noch gar nichts erzählt. So schön wie damals, als wir mit Dir oben waren, das war es nicht. Es waren eine Menge Leute droben. Am Fernrohr haben sie bald angestanden. Aber einen neuen Gang habe ich doch wieder entdeckt.  Viele Ausländer waren auch oben. Einmal kam ein ganzer Schwarm Ostarbeiterinnen.  Es sah schlimm aus. In unmöglichen Aufzügen. Die eine hatte ein hellgrünes Seidenkleid an, das bald bis auf den Fußboden ging, dazu graue Socken und derbe Schuhe.  Die Sachen waren an sich nicht schlecht, aber wie sie getragen wurden, war einfach schauderhaft. Eine einzige machte einen halbwegs ordentlichen Eindruck. Zu allem haben sie natürlich noch ihre Kopftücher um. Geschmack nicht für´n Fünfer. Vorgestern kauften auch gerade welche beim Martignoni ein. Scheinbar bekommen sie erst Karten, damit sie sich halbwegs anziehen können, denn wie die im Laden standen, war schlimm. Sie hatten nun Röcke, Blusen usw., ja sogar Taschentücher gekauft.  Die Aussicht haben wir auf dem Hohentwiel nicht viel genossen, dafür sind wir eben in den Gängen rumgekrochen, denn Ingrid kannte ja alles noch nicht. _ Post habe ich vorgestern und gestern nicht erhalten und heute wird keine ausgetragen. Zu beantworten habe ich also nichts.  Laß mich deshalb jetzt schließen. Mein größter Wunsch ist immer wieder, daß Du gesund bleibst.
Laß Dich herzlich grüßen und fest küssen von Deiner Annie.

Brief 742 vom 27.05.1944


Mein liebster Ernst !                                                        Konstanz, 27.5.44

Es ist jetzt bereits ½ 11 Uhr abends. Aber eher kam ich nicht zum schreiben. Ich habe fast den ganzen Tag genäht. Zuerst habe ich mal die Decke für Jörg fertig gemacht.
Die gute Decke von Dir wollte ich nicht mitgeben. Da habe ich die schwarze Verdunklungsdecke vom Küchenfenster genommen. Die war nach der Fenstergröße etwas umgenäht. Das habe ich nun wieder herausgelassen und die Ösen zum aufhängen abgetrennt. Hinterher habe ich eine andere Verdunklung von Deinem Stoff genäht. Später habe ich noch aus einem Kleid von mir, welches unter den Ärmeln und am Rücken entzwei ging, für Helga einen Trägerrock genäht. Den zieht sie morgen an. Gegen Abend habe ich mir noch eine Dirndlbluse aus einem alten Nachthemd genäht. Sie ist am Hals rot umhäkelt und wird mit einer grünen Schnur zusammengezogen. Zwischen dem nähen habe ich die Sachen für Jörg zusammengepackt, habe Essen gekocht, habe gebügelt und gewaschen. Als ich vorhin gerade noch einen Apfelkuchen backen will, schaue ich mal so zum Fenster hinaus. Da sehe ich doch, daß unser großer Stachelbeerstock umgefallen ist. Da sind wir aber schnell gesprungen. Ich habe neue Spitzen an die Pfähle gemacht und habe sie neu eingeschlagen. Hinterher habe ich noch gebacken und nun sitze ich beim schreiben.  gestern, nachdem ich den vorigen Brief geschrieben hatte, bin ich noch in die Stadt gefahren. Zuerst habe ich für Helga ein Buch in die Bücherei gegen ein anderes umgetauscht, dann habe ich Helga noch vom Turnen abgeholt.
Wir haben zusammen den Brief weggeschafft und „Die Post“ geholt.
Dann haben wir noch Fleisch geholt und die restlichen Sachen zur Spinnstoffsammlung gebracht. Am Abend kam dann noch Vater. Ich war gerade beim backen von 2 Kriegskuchen (davon hat Jörg auf seinen Wunsch einen mit) und einen Hefekuchen. Auf Äpfel, die er mir mitbrachte, war ich nicht eingestellt. Ich habe sie noch heute Abend verwendet.  Es kommt mir ganz eigenartig vor, daß Jörg heute nicht daheim ist. Die Hauptsache ist, sie bleiben von Fliegern verschont. Gerade heute Mittag war wieder Alarm. Du hättest Jörg heute sehen müssen, wie er mit seinem schweren Affen losgezogen ist.
Damit Du siehst, was alles drin ist, schreibe ich Dir mal auf, was die Buben alles mitnehmen mußten. Es ist: Eßgeschirr, Besteck, Taschenmesser, Decke, Trainingsanzug, Turnhose, Turnschuhe, Badehose, Kamm, Seife, Zahnbürste, Schuhputzzeug, 1 Hemd, 1 Paar Strümpfe, Taschentücher, Schreibzeug, Verbandspäckchen, 50g Butter, Kaffee, Tee. 1 Suppenwürfel, 5 Eßlöffel Zucker, 1 Brot, Brotaufstrich (Wurst oder Käse) Dazu kommt noch 1 Kuchen, 5oog Brotmarken (erst sollten es 1000 sein, 150g Fleischmarken.
Dazu kommt die Winterbluse, die er mit eingepackt hat, da es zu warm war. Na, hat Jörg da nicht genug zu schleppen?  Heute früh habe ich Jörg nach längere Zeit wieder mal die Haare geschnitten. Er ist schon seit Donnerstag überall zum Friseur gelaufen, aber vor den Feiertagen nehmen sie keine Kinder mehr an. Da war Jörg dann wieder mit meiner Kunst zufrieden.  Von Papa erhielt ich heute einen Brief. Den Durchschlag hast Du ja bekommen. Er schickte auch den Brief von Dir mit. Was sind das für eigenartige Verhältnisse, von denen Du schreibst?  Morgen soll es nun nach dem Hohentwiel gehen. Hoffentlich ist schönes Wetter. Heute war es ja herrlich.  Vielleicht hält es an. Wir haben uns heute geeinigt, daß wir Dirndlkleider und Söckle anziehen. Warum soll man sich in die besten Kleider packen und kann dann nirgends herumlaufen. Die Kinder freuen sich schon sehr. Ingrid war ja noch nie auf dem Hohentwiel. Da kann Helga sicher ein bißchen angeben.  Heute schlafe ich im Bett von Jörg. Er war ganz stolz darüber und meinte, ob mir denn sein Bett auch gefällt.  Ich gehe nun auch schlafen, denn es ist bereits 12 Uhr geworden. Vorhin sind mir schon mal die Augen zugefallen. Da habe ich schnell was dazwischen geschafft, wo ich aufstehen und rumlaufen mußte. Dann ist es wieder gegangen. Aber nun bin ich zu müd geworden.  Bleib mir immer gesund, mein liebster, bester Ernst. Wie wirst Du Pfingsten verleben? Wir denken immer an Dich, das weiß Du ja. Ich grüße Dich und küsse Dich ganz fest.

Brief 741 vom 26.05.1944


Mein liebster Ernst !                                                             Konstanz, 26.5.44

Siehst Du, nun habe ich gestern doch einmal mit schreiben ausgesetzt. Gern habe ich es aber nicht getan. Aber ich hoffe, daß Du es entschuldigst.  Eigentlich ist ein Vergnügen, das Baden, daran schuld. Doch ich will am Morgen beginnen. Ich hatte aufgeräumt und wollte in die Stadt fahren, da kam Alarm. Starke feindliche Kampfverbände waren eingeflogen. Wir haben zwar nicht viel davon gehört, aber man stand doch immer auf dem Sprung und konnte nichts schaffen. Nach der Entwarnung bin ich dann gefahren und kam kurz vor Mittag heim. Da habe ich schnell gekocht und als die Kinder kamen, haben wir gegessen. Nun war ja Badetag. Jörg konnte nicht mit gehen, da er Dienst hatte. Ich wußte nicht recht, was ich machen sollte. Einesteils hatte ich vom schaffen vom vergangenen Tag fürchterliches Rückenweh, andernteils hätte ich mir den Staub und Dreck, der mir im Keller angeflogen war, gern abgespült. Nun, Helga und Ingrid haben so gebeten, daß ich mitgehen soll, daß ich mich dann doch dazu entschlossen habe. Als wir dann heim kamen, da habe ich mit Helga noch im Garten geschafft.
Wir haben vor allen Dingen Unkraut rausgerissen und ein Beet mit niedrigen Erbsen nochmals ausgesät, da fast nicht gekommen war. Während wir unten waren, kam Resi.
Wir haben noch alles wegen Sonntag besprochen. Wir gehen nun nach dem Hohentwiel, da Gisela vielleicht nicht so weit bis zum Haldenhof laufen kann.  Am 2. Tag wollen wir daheim bleiben, denn es kostet zuviel Brot und Marken, wenn man fortgeht. ¾ 1o Uhr fahren wir fort und kommen abends ¾ wieder hier an. Als Resi fort ging war es ½ 10 Uhr. Da habe ich dann mit aufräumen und abwaschen angefangen und war nach 11 Uhr fertig. Da war ich dann zu müd zum schreiben.  Heute am Freitag habe ich morgens außer der Küche alles gründlich geputzt. Dann habe ich Lebensmittelkarten geholt und angemeldet. Frau N hatte sowas gehört, daß es auf die Karten von Kartoffeln, (der restliche Zentner, den wir nicht bekommen haben und etwas Lebensmittel dafür erhielten) nun doch noch etliche Kartoffeln gäbe. Es sind die 62., 63. und 64 Periode.
Ich habe mich nun genau erkundigt und tatsächlich gab es auf 62 pro Person 20 Pfund.
Ich habe es nun Frau N. und L. gesagt und Frau Leimenstoll meinte, 2 Karten könnte ich von ihr bekommen, sie  brauchte nicht so viel. Also bin ich dann mit 5 Karten losgezogen und brachte 1 Ztr. Kartoffeln heim. Ist das nicht wunderbar? Das ist mir eine große Erleichterung. Da kann ich doch wieder richtig kochen ohne zu befürchten, daß sie mir gleich ausgehen. Helga war mit ihrer Klasse Waldmeister suchen gegangen.
Da hatte sie ihre, bzw. meine Einkaufstasche im Wald hingelegt und dann, als sie gerufen wurden, vergessen. Sie wußte, wo sie sie hingelegt hatte und hat den Herrn Riester gebeten, daß sie hinlaufen darf. Sie waren nicht weit entfernt. Sie durfte aber nicht und so sind wir vorhin unter Mittag nochmals hingefahren und haben die Tasche geholt. Es war im Mainauwald. Nach dem Essen haben wir den Tornister für Jörg zusammengepackt. Er muß heute zu einem kurzen Dienst mit vorschriftsmäßig gepacktem Tornister. Ich selbst habe mich erst mal zu schreiben hergesetzt, denn sonst käme der Brief erst morgen fort. Das aber will ich nicht. Ich bringe ihn nachher noch fort und nehme gleich die restlichen Sachen zur Spinnstoffsammlung mit. Dann ist auch das erledigt. Später will ich noch für Jörg zum mitnehmen einen Kuchen backen.
Gestern erhielt ich Deinen lieben Brief vom 17.5. und heute den vom 18.5. Ich muß feststellen, daß du trotz Deiner Knappen Zeit in lieber Weise an uns denkst und schreibst.
Ist Dein Schienbein wieder gut geheilt? Oder hast du noch Schwierigkeiten damit?
Es ist mir schon recht, wenn Du mir von solchen Erlebnissen, wie mit dem Flieger, berichtest. Wache hast Du scheinbar ziemlich viel. Das ist auch eine große Umstellung.
Aber ich weiß ja, daß Du Dich in alles hinein findest. Das Brausebad war Dir eine gute Erholung gewesen sein. Man fühlt sich ja viel frischer, wenn man wieder einmal ganz gewaschen ist.  Bratkartoffeln mußt Du nun dort auch braten. Ich glaube ja, daß Dir das nicht so große Schwierigkeiten machen wird. Sowas kannst Du ja gut.
Laß mich jetzt bitte erst mal schließen. Wenn ich dazu komme, fange ich heute Abend noch mit dem nächsten Brief an. Einstweilen grüße und küsse ich Dich ganz fest und denke immer an Dich Deine Annie.

Brief 741 vom 24.05.1944


Mein liebster Ernst !                                                            Konstanz, 24.5.44

Das war ein arbeitsreicher Tag heute. Von morgens 8 bis abends 6 Uhr bin ich immer unten gewesen, habe den Verschlag eingeräumt und den Keller umgeräumt. Vater kam gestern gegen Abend noch rauf und hat den Verschlag fertig gemacht. Heute habe ich nun gleich eingeräumt. Es hat ziemlich viel Platz drin. An den vorderen Pfählen des Gestells welches du gemacht hast, habe ich einen Verschlag genagelt. Dahinter habe ich nun alle Hauspäne geschüttet, so daß ich die Säcke leer bekam. Eine Kiste für Zapfen steht auch noch mit drin. Auf den Hauspänen steht noch der kleine gelb/rote Wagen. Oben auf dem Gestell stehen Schlitten, Deine Steinsammlung, das Gestell von der Kartoffelhorde, einige Körbe. Vorn im Verschlag steht noch die große Badewanne und der Roller von Jörg. Nun kommt noch Jörg‘s Schaukelpferd rein. Obern auf dem Verschlag stehen Schachteln, Holzkisten usw.  Da die Latten an der Gartentür am Verschlag sehr weit auseinander standen und man hindurchfassen konnte, habe ich noch Latten dazwischen genagelt. Jetzt sieht alles sehr ordentlich aus. Altes Holz habe ich auch noch zerhackt.  Vater habe ich gestern zum Dank ca. 10  15 Zigarren gegeben. Etwas anderes würde er ja auch nicht nehmen. Vater hat sich wirklich große Mühe gegeben und hat sehr ordentlich geschafft.  Nun möchte ich Dir vor allen Dingen für Deinen lieben Brief vom 16.5. danken. Du bist sehr liebe, daß Du Dir trotz des strengen Dienstes noch Zeit zum schreiben genommen hast. Du weißt ja wie ich mich immer freue. Aber benutze nur Deine knappe Freizeit zum ausruhen.  Ich kann schon einmal warten. Du hast ja gerade an diesem Tag bald 21 Stunden hintereinander munter sein müssen. Das ist doch sehr anstrengend. Der Übergang vom erst zum jetzt ist doch sehr kraß und plötzlich.  Deine Bitte nach einem kleinen Leinensäckchen, einigen Putzlumpen und einer alten Zahnbürste erfülle ich gern. Soviel ich weiß, dürfen Zeitungssendungen jetzt auch nur 20g wiegen. Ich will mich aber morgen nochmals erkundigen. Bei 20g könnte ich natürlich kaum etwas zwischen die Zeitungen stecken.  Ich könnte höchstens ein 100g Päckchen mit Zulassungsmarke schicken.  Unser Osterpäckchen an Dich ist übrigens wieder an uns zurückgekommen, dann kam eine Karte von Nanni und die 100 Mk von dem Frl. Kuper aus Bremen. Von Siegfried erhielt ich einen Brief zum Muttertag und vom Restock vom Marinesturm eine Karte, in der er mir im Namen aller Kameraden herzliche Glückwünsche übermittelt.  Feldpostbriefe habe ich noch da und kann sicher auch welche bekommen. Ich schicke Dir nach und nach noch welche mit.  Gestern habe ich an Erna, Alice und Elsa geschrieben. Soweit es das Gewicht erlaubt, schicke ich Dir die Durchschläge heute mit.  Bei den Buben ist es mit dem Dienst ganz verrückt.
Diese Woche haben sie heute morgen und übermorgen Dienst. Zum helfen kommen die Buben gar nicht mehr. Hoffentlich geht das nicht immer so, sonst behalte ich Jörg ab und zu daheim. Heute hat er eine ganze Aufstellung von den Sachen gebracht, die er am Samstag mitnehmen muß. Es ist gar nicht wenig. Gleich 2 Brote, wo seine ganze Wochenration nicht viel mehr beträgt. Eine Taschenlampe sollen sie auch mitbringen, wo man doch gar keine Batterien bekommt. Ich glaube, die leben im Mond. Doch das soll mich nicht aufregen.  Weiß Du übrigens das wir einen Kühlschrank besitzen?
Da staunst Du, nicht wahr? Vielleicht erinnerst Du Dich noch an die P-Kiste mit Blech ausgeschlagen. Die haben wir jetzt im Korridor stehen und es hält sich alles wunderbar kühl darin. Der Gedanke war mir mal so gekommen und ich habe es ausprobiert. In der Not könnten wir sogar Brot usw. hineintun, die Kiste an den Rändern verkleben und die Sachen wären gasdicht aufgehoben. Da hast Du wieder mal ein gutes Werk getan, als Du mir die Kiste mitbrachtest.  Du schreibst in einem Brief, daß der Ort Lobno noch in unserem Besitz sei, daß wir uns also keine Sorge um das Grab von Kurt machen brauchten. Ich weiß nun gar nicht, ob ich Dir schon geschrieben habe, daß wir auf unsere Reklamation wegen des Schreibfehlers auf dem Kreuz von dem Gräberoffizier einen Brief erhielten. Er schreibt darin, es täte ihm leid, daß dieser Fehler unterlaufen sei. Leider könnte man es jetzt nicht abändern, da der Friedhof nicht mehr in unserem Besitz sei. Durch Flugzeugaufnahmen sei aber festgestellt worden, daß die Gräber bisher unversehrt seien.  Nun laß mich wieder schließen. Morgen schreibe ich ja schon weiter. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Brief 740 vom 23.05.1944


Lieber, lieber Ernst !                                                            Konstanz, 23.5.44

Gestern konnte ich Dir von den wichtigsten Ereignissen berichten, heute will ich Dir vom Muttertag erzählen. Am Morgen war ich um 5 einmal munter geworden, aber dann bin ich wieder fest eingeschlafen. Auf einmal klopft es an die Tür und Helga und Jörg kamen herein. Sie hatten einen kleinen Strauß Schlüsselblumen mit ein paar Stiefmütterchen in der Hand. Sie beglückwünschten  mich zum Muttertag und dann durfte ich aufstehen. Als ich in die Küche kam, hatte sie schon den Tisch gedeckt.
Ich wurde dann zum Geschenktisch geführt. Da standen 1 Fliederstrauß und 2 Margeritensträuße, daneben standen 3 Glasschüsselchen und 1 Bilderrahmen, den Jörg aus seinem kleinen Metallbaukasten gebastelt hatte. Da steht Dein Bild jetzt drin. Dann lagen noch 2 Broschen da. 2 Briefbogen mit Glückwünschen lagen auch da. Die Hauptsache hätte ich bald noch vergessen. Helga hat mir ein sehr nettes Nadelkissen zum aufhängen gearbeitet, welches ich sehr gut brauchen kann. So haben Beide also nicht nur etwas gekauft, sondern auch gearbeitet. Nach dem Frühstück brachte mir die Briefträgerin einen Brief von Dir. Das war eine große Freude für mich. Eigentlich wollten wir fortfahren, aber es regnete den ganzen Tag, so daß man am besten daheim bleibt. Helga hatte Ingrid eingeladen und sie haben schön zusammen gespielt. Sie haben sich verkleidet als alte Frauen usw. Es war lustig. Jörg war mit Walter Leimenstoll auf dem Trockenspeicher.
Da haben sie mit der Eisenbahn und den Soldaten gespielt. Ich habe Radio gehört und dabei Strümpfe gestopft. So ist der Tag vorbei gegangen. Am Abend kam noch Resi und erkundigte sich nach unserer Reise.  Von unserer Reise heimwärts brauche ich Dir ja nicht viel zu berichten, denn davon liest Du ja im beiliegenden Durchschlag.
Aber als wir hier ankamen, da kam uns Konstanz so still vor. Das Ohr hatte sich schon an das Straßenbahngebimmel und Gekreisch und an die Eisenbahn gewöhnt. Beim Auspacken daheim haben wir uns auch nicht gerade wohl gefühlt. Es war alles so still und leer und dann die Unordnung durch das ausgepackte Zeug.  Inzwischen hat sich alles wieder eingerichtet. Vom Garten habe ich Dir ja gestern erzählt.  Vater meinte, als er das letzte Mal hier war und wir auf die Reise zu sprechen kamen:
„ich will‘s offen sagen, als notwendig habe ich die Reise nicht gerade angesehen, nachdem Ihr euch erst gesehen hattet. Das kostet doch eine ganze Menge Geld.“ Als ich ihm sagte, daß das in diesem Fall gar nichts ausmache, konnte er das nicht verstehen. Gel, wir bereuen es nicht, daß wir in Leipzig waren? Es war voriges Mal in München so schön und diesmal haben wir auch schöne Tage verlebt. Das Geld allein nützt uns auch nichts. Sonst sehe ich auch zu, daß ich alles zusammenhalte, aber in solch einem Fall kann ich es ohne Reue ausgeben.  Für Dein Briefmarkenalbum habe ich jetzt eine Tasche genäht, damit ich es mit in den Keller nehmen kann. Die Tasche hat oben Reißverschluß, da kann das Album auch nicht verstauben.  Zum schreiben der Aufstellung von den fehlenden Briefmarken bin ich leider noch nicht gekommen.  Ich tue es aber bald.  Jörg will zu Pfingsten auf Fahrt gehen. Da waren wir wegen einem Affen bei Vater. Da haben wir nun einen ganz guten gefunden, der aber noch zu schade ist. Den haben wir für Jörg als Luftschutzhandgepäck hergerichtet. Dann war ein nicht ganz so guter da ohne  Fell). Da fehlten unten die Haken und oben die Riemen. Da hat Vater einen alten Rucksack dazu gegeben. Von dem habe ich Riemen und Haken abgetrennt und nun an den Affen genäht. D.h. ganz fertig bin ich noch nicht. Nachher werd‘s noch fertiggemacht. Die Schuhe habe ich auch alle mal soweit wieder hergerichtet.
Gestern, als wir die Sandalen kaufen wollten, haben wir diese nicht bekommen, dafür aber bezugsscheinfreie Strohpantoffeln für‘s Haus. Da will ich heute ein Paar feste Stoffsohlen drunter nähen, damit die Schuhe auch eine Weile halten.  Von Deinem getrockneten Brot haben wir jetzt schon einige Mal süße Brotsuppe gemacht. Die schmeckt wirklich sehr gut und man braucht nicht zu viele Zutaten dazu. So können wir das Brot immer wieder verwenden.  Nun bist Du schon wieder über eine Woche bei Deiner neuen Einheit. Die Umstellung wird ja sicher immer noch schwer sei, denn die Anforderungen sind doch ganz andere als vorher. Fritz Bautz meinte einmal in einem Urlaub, die ersten 6 Wochen wären sehr schlimm, dann gewöhnte man sich dran.  Ich weiß ja nicht, ob es so ist. Daß Du Dich durchsetzen wirst, das glaube ich sicher. Aber die erste Zeit ist es eben doch hart. Leider kann ich ja immer nur in Gedanken bei Dir sein und kann Dir nichts abnehmen oder es Dir leichter machen. Du weißt ja, wie gern ich es tun würde.  Nun schließe ich diesen Brief wieder mit recht herzlichen Grüßen und Küssen an Dich, mein lieber Ernst. Deine Annie.

Brief 739 vom 22.05.1944


Mein liebster Ernst !                                                              Konstanz, 22.5.44 

vorhin erhielt ich Deine lieben Briefe vom 14. und 15. mit Deiner neuen Feldpostnummer.
Ich habe mich nun gleich hergesetzt um Dir zu schreiben, denn Du mußt ja sowieso schon lange auf Post warten. Außer den obengenannten Briefen erhielt ich noch die vom 10., 11. und 13., die Du auf der Fahrt geschrieben hast. Für alle danke ich Dir recht herzlich. Du weißt ja, wie ich mich immer freue, wenn ich an Deinen Erlebnissen wenigstens brieflich teilnehmen kann. Daß Du von jetzt an nicht mehr so oft schreiben kannst, das hatte ich mir schon gedacht. Ich werde es natürlich halten wie bisher.
Wenn ich einmal nichts zu schreiben weiß, denn mir werden ja manchmal Deine Anregungen durch die Briefe schon fehlen und hier geht alles seinen Gang, so werde ich einmal einen Tag aussetzen. Aber sonst werde ich regelmäßig schreiben.  Heute will ich Dir erst mal die wichtigsten Sachen berichten, Einzelheiten schreibe ich so nach und nach. Gesund sind wir heimgekommen. Wir konnten auch sitzen und die Kinder auch recht gut schlafen. Daheim fanden wir alles richtig vor. In der Schule hat auch niemand etwas gesagt. Eine traurige Nachricht hörten wir aber gleich bei der Heimkehr. Der Emil Leimenstoll muß sterben. Er ging doch nach Überlingen zur Operation. Als man ihn am Rücken aufschnitt und das angebliche Gewächs herausholten wollte, welches wahrscheinlich auf den Nerv drückte, sah man, daß es Krebs ist und das ganze Rückgrat bis runter schon durchsetzt ist. Der Professor hat gesagt, es bestünde keine Hoffnung auf Genesung. Vor 2 Jahren hätten sie ihn noch retten können. Und da ist doch Frau L. schon herumgelaufen und kein Arzt hat es festgestellt. Emil selbst hat große Hoffnung und die Eltern haben jetzt nur den einen Wunsch, daß er stirbt, ehe er weiß, daß er sterben muß. Aber das Herz ist eben stark, dadurch muß er sich so quälen.  Die Briefmarken habe ich an den O.Gefreiten Hirscher geschickt. 2 Briefe sind aber schon zurückgekommen, denn die FP.Nr. 71 297, die Du mir angegeben hast, stimmt nicht. Es ist drauf gestempelt „falsche Feldpostnummer“. Vielleicht gibst Du mir die richtige noch an, dann schicke ich die Briefe gleich wieder weg.
Vater ist jetzt dabei, den Verschlag unten zu bauen. Er wird sehr ordentlich. Die Vorder und die Seitenwand steht schon, die Decke zum Teil. Die muß er noch fertigmachen, dann kommt die Tür dran. Ich werde allerhand unterstellen können. Ich helfe immer ein wenig mit, da schafft Vater lieber. Ich kann ihm immer etwas zureichen, Nägel, Zange usw. und Vater kann sich mit mir unterhalten. Paula hat vorige Woche silberne Hochzeit gehabt. Ich habe es nachträglich in der Zeitung gelesen. Ich hätte auch sonst nichts geschickt, denn sie zeigt sich immer sehr wenig von einer guten Seite. Vater sagte schon, das gibt bald mal wieder Krach. Auf ihre Frage hatte Vater zu Paula gesagt, daß es möglich sein kann, daß Ihr zu Res.Off. ausgebildet würdet.  Da meinte sie, da bekämst Du noch einen größeren Dünkel. Vater hat ihr aber gesagt, Du hättest bisher keinen gehabt und würdest auch keinen bekommen. Auch sonst hat sie schon gehässige Äußerungen gemacht. Es hat ja keinen Wert, sich darüber zu ärgern.  Resi hat von Fritz wieder Nachricht bekommen. Gestern war sie auch mal da und hat sich nach unserer Reise nach Leipzig erkundigt. Gleichzeitig fragte sie, ob wir nicht zu Pfingsten zusammen fortgehen wollte. Wir werden nochmals darüber reden.  Jörg ist ja sowieso nicht da, er geht von Samstag mittag bis Dienstag früh auf Fahrt.  Das soll scheinbar auch gleich die Pimpfenprobe sein. Danach dürfen sie Schulterriemen und Fahrtenmesser tragen.  Im Garten habe ich auch das  wichtigste geschafft. Die Stangen und Buschbohnen sind drin. Umgegraben habe ich alles noch fertig. Gurkenkerne sind zum großen Teil drin. Die restlichen habe ich mir am Samstag erst noch gekauft.  20 Tomatensetzlinge habe noch ausgepflanzt. Das ist mehr als sonst, aber sie sollen auch teilweise Brot ersetzen und dann will ich auch welche zu Soßen usw. einmachen.  Unser Apfelbaum hat wunderbar geblüht. Wir konnten es gerade noch sehen, als wir heim kamen. Kurz darauf fielen die Blüten ab. Hoffentlich gibt es auch richtig Obst, denn soviel haben die Bienen bei der kalten Witterung nicht fliegen können. Die Kartoffeln kamen bei unserer Heimkehr auch schon heraus. Es wächst alles ganz gut. Nur sollte es etwas wärmer werden. Es regnet öfter und dann ist es kühl.  Der Gauggel kommt dauernd nach Zigaretten. Ich habe aber gesagt, Du hättest von Dir keine schicken können und ich hätte meine an meinen Vater geschickt. Ich bin doch nicht Dauerversorger für den G.  Helga hat nicht mehr geimpft werden können. Es galt so.
Deinen großen Kaufladen haben wir uns hergerichtet. Wir haben das Oberteil abgeschraubt und umgekehrt aufgesetzt, so daß also die Fenster vorn sind. Oben habe ich eine Platte, also ein Brett drauf getan. Eigentlich sind es 2. Eins geht hochzuklappen, so daß man von vorn und von oben in den Schrank fassen kann, der jetzt Bücher enthält. Auf der Rückseite haben wir einstweilen Packpapier festgemacht. Oben an dem Brett ist ein Griff, so daß man es gut hochklappen kann. Hinten am Brett habe ich Bänder hingenagelt.
(so heißen sie doch)? So ist es netter Bücherschrank geworden.  Nun schließe ich heute. Morgen berichte ich Dir noch mehr. Bleib immer gesund und sei ganz herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.