Montag, 14. August 2017

Brief 401 vom 11.8.1942


Mein liebster Ernst!                                       Konstanz, 11.8.42

Nun ist Erna abgereist. Es kommt uns doch ein bißchen einsam vor, nachdem es die 14 Tage ganz fröhlich war. Ich muss wirklich sagen, wir haben uns gut vertragen. Erna ist gar nicht so ruhig, wie Siegfried erst dachte. Er hat auch schon zu Erna gesagt, sie entpuppe sich erst. Aber ihm ist´s recht. Wir haben uns manchmal geneckt. Während ich sonst jetzt immer ziemlich ruhig bin, habe ich während der 14 Tage auch meinen Schnabel gewetzt. Gelacht haben wir auch ziemlich. Erna war es auch recht, denn sie freut sich auch nicht gerade auf die Heimkehr nach Leipzig. Gestern war es wie eine kalte Dusche für uns, als ein kurzer Brief von Papa kam. Er schreibt so kühl. Wir haben ihm doch gleich am ersten Tag eine Karte geschrieben, dann einen Brief, dann eine Karte vom Hohentwiel und von Bregenz. In seinem kurzen Brief vom 7.8., in dem er einige eingegangene Briefe an Erna sandte, schreibt er am Anfang: „Gestern endlich ein Zeichen von der Ankunft von Erna, denn eine Karte habe ich nicht vorher erhalten, werdet es vergessen haben, zu schreiben, na, gleich, also herzlichen Dank für Euren Brief…“
Klingt das nicht verärgert und kühl? Ich habe ihm aber gleich eine Karte geschrieben, dass wir sogar gleich am 1.Tag geschrieben hätten und es nicht etwa vergessen haben.
Erna hat mir Verschiedenes von daheim erzählt, ohne aber über Papa herzuziehen. Ich schreibe dir so nach und nach immer etwas. Jetzt will ich erst mal was von Jörg berichten. Ich weiß ja nicht, ob bei dir die Wirkung die gleiche ist, wie bei uns. Jörg bringt halt alles so trocken raus. Wir sprachen gestern davon, wie Jörg als ein paar Tage alter Kerl sich schon im Bett durch die Gitterstäbe hochgestemmt hat. Da fängt Jörg an: „ Hätte ich einen Hammer in der Hand gehabt, hätte ich das ganze Bett zerschlagen.“
Siegfried hat doch geschrieben, dass er etwas zum Schlecken schicken wollte. Heute Nachmittag ist nun eine Zigarrenkiste mit Karamellbonbons angekommen. Etwas haben wir gegessen, das andere hebe ich auf.
Morgen fange ich nun wieder mit der Gartenarbeit an. Notwendig ist es wieder. Ich nehme mir jeden Tag etwas vor, da werde ich auch fertig.
Nun laß mich wieder schließen. Ich grüße und küsse dich recht herzlich und denke immer an dich, Deine Annie.

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