Montag, 14. August 2017

Brief 394 vom 4.8.1942


Mein liebster Ernst!                                       Konstanz, 4.8.42

Du siehst ja gleich am Datum, welch wichtiger Tag heute war, bzw. auch noch ist. Jörgs Geburtstag. Er ist gefeiert worden, wie nur ein Geburtstag gefeiert werden kann. Davon will ich Dir erzählen.
Am Morgen wache ich so gegen ½ 7 auf und schaue nach dem Wetter. Ich war ganz verdutzt. Gestern bis spät in die Nacht hinein Regen und heute schöner klarer Himmel, etwas abgekühlt, nicht mehr so drückend, wie gestern. Mit einem Wort: Wunderschönes Wetter, um auf den Hohentwiel zu gehen, was sich Jörg ja gewünscht hatte. Zuerst kam aber der Geburtstag an die Reihe. Wir haben uns alle schnell fertig gemacht, dann haben wir gratuliert und Jörg in die Stube geführt. Er war aber doch verdutzt und ganz, ganz begeistert über die vielen Geschenke, von denen ich dir ja gestern schon berichtete. Falls du den Brief noch nicht erhalten haben solltest, will ich sie dir nochmal aufzählen:
Von Dir 13.-Mk. und eine Hose sowie deinen Brief.
Von Helga 1 Priemel-Stock
Von Erna 1 Strauß Gladiolen, 1 Straß Nelken, 5.-Mk.
Von Papa 1 Buch „Englands Verbrechen an U 41“ und 1 Brief
Von Vater 5.-Mk. und heute will er noch Bonbons bringen. (das konnte ich gestern noch nicht aufführen, weil er sie erst vor dem Weggehen gestern Abend gab.)
Von Frau Diez 1 Paar Kniestrümpfe
Von mir 1 Buch „Gesundheitsfibel“, 2 Reiter, 1 Holzboot, Griffel, 1 Modellierbogen, Pralinen.
Nachdem das gratulieren vorbei war, haben wir Frühstück, Streuselkuchen, gegessen. Hinterher bin ich schnell einkaufen gefahren. Nachdem haben wir noch einige Brote fertig gemacht und sind ¼ 11 nach Singen gefahren. Es war so schön, auf den Hohentwiel zu steigen, nicht zu heiß, etwas windig. Es waren auch fast noch keine Leute oben, so dass wir uns alles in Ruhe besehen und überall rumkriechen konnten, was wir auch redlich getan haben. Es gibt wohl keinen Gang, kein Gewölbe, wo wir nicht gewesen sind. Wir haben sogar einige neue Gänge unter der Erde entdeckt, die wir noch nicht gesehen hatten. Aus einigen sind wir mit ziemlich verschmierten Schuhen heraus gekommen, aber fein war´s. Du, wenn Du mal wieder Urlaub hast, und wenn nicht gerade Winter ist, ginge ich gerne nochmal mit Dir hin. Die Aussicht ist dort oben ja einfach herrlich. So gegen 4 waren wir wieder in Singen unten. Da hatte Erna unserem Lauser schon versprochen, dass wir noch ins Cafe gehen wollten. Erst waren wir im Cafe Graf, wo wir ein Stück Torte gegessen haben. Eis gab´s da keins, und mehr als ein Stück Torte bekommt man ja nicht mehr in den Cafes. Also sind wir bald wieder aufgebrochen. Wir haben aber noch nach einem anderen Cafe Ausschau gehalten. Auf dem Weg sah ich in einen Laden, dass sie Schiefertafeln mit den neuen Linien hatten. Wegen so einer Tafel bin ich schon so oft in Konstanz vergeblich rumgelaufen. Jörg hat doch seine halb zerschlagen. Also sind wir reingegangen. Erna ha sich eine Tasche für ihre Kennkarte gekauft, und hat auch Jörg noch die Tafel geschenkt. Nahe beim Bahnhof haben wir noch ein anderes Cafe gesehen. Wir sind hinein und haben nochmals je ein Stück Torte und je zwei Eis gegessen. Den Jubel der Kinder kannst Du dir vorstellen. 5 Uhr 16 Min. sind wir dann mit dem Zug heimgefahren. Wir haben noch gegessen und haben die Kinder bald in´s Bett gesteckt, denn sie waren sehr müd.
Gerade ist Vater gekommen, es ist um 9 Uhr, und hat für Jörg noch Karamellbonbons gebracht, über die sich Jörg morgen bestimmt freuen wird.
Als wir heim kamen, lag auf dem Briefkasten Dein Päckchen Nr.21 mit Bonbons. Da haben wir uns sehr gefreut. Die Bonbons in der Tüte haben wir gegessen, da sie sehr weich waren, aber die Malzbonbons haben wir noch aufgehoben.
Bei der Fahrt heute haben wir uns eigentlich die Kosten so ziemlich geteilt. Ich habe die Fahrt bezahlt und Erna die Torten und Eis. Ich wollte da auch was bezahlen, aber sie hat es nicht gewollt.
Siegfried hat wieder eine neue Adresse: Unteroffizier Siegfried Michel, Lkz. 2675, über Arbeitsstab, Berlin S.W.11, Saarlandstr 48. Er hat es gerade gestern geschrieben.
Vater sagt gerade, ich soll dir auch noch viele Grüße bestellen.
Nun lass mich wieder schließen. Ich hoffe ganz fest, dass es dir gut geht, das ist doch mein großer Wunsch. Und viele, viele herzliche Grüße und Küsse sende ich Dir Deine Annie.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen