Mein liebster Ernst! Konstanz,
8.8.42
Heute waren wir nun noch in Überlingen. ½ 11 sind wir
weggefahren und waren ¼ 1 dort. Wir haben uns die Stadt gründlich angesehen,
ebenso den Stadtgarten. Es war auch diesmal wieder schön. Erna hat Überlingen
von allen Städten am See, die sie gesehen hat, am besten gefallen. Nach dem
Ansehen sind wir in unsere Konditorei gegangen und haben einmal Eis, ein Stück
Zwetschgenkuchen und ein Eisbecher mit Nougat und Früchten gegessen. Du siehst,
schlecht haben wir nicht gelebt. Wir sind hinterher noch ein bißchen
herumgestiefelt und dann mit dem Dampfer ½ 5 heimgefahren. Der nächste Dampfer
fährt erst gegen 9 Uhr, das wäre zu spät geworden. Wir hatten ja auch soweit
alles gesehen.
Ehe wir heute Morgen wegfuhren, bin ich noch Einkaufen
gefahren. Dabei traf ich den Briefträger, den ich gleich nach Briefen gefragt
habe. Und wirklich habe ich drei Briefe von Dir erhalten. Ich war ganz
glücklich, denn Briefe vor Dir, das ist das Schönste, was mir der Tag bringen
kann. Es ist so lieb von Dir, dass du immer schreibst, wenn es möglich ist.
Wenn Du auf der Fahrt einige Tage nicht schreiben konntest, so verstehe ich das
natürlich vollkommen. Dafür ist der Brief vom 25./26.7. besonders lang. Die
anderen zwei Briefe sind vom 28.7. und 2.8. Ich danke dir für alle immer wieder
recht sehr. Von Eurer Fahrt und Eurer Unterkunft hast Du mir ja nun erzählt.
Trostlos muss es ja dort sein und es ist ganz gut, wenn man sich ein paar
Illusionen vorgaukelt. Vielleicht wird es dadurch ein wenig erträglicher. Wie
gut haben wir es doch noch hier daheim. Wir haben unser Heim und zu essen haben
wir auch. Wenn wir uns vielleicht auch etwas einschränken müssen, so haben wir
uns doch daran gewöhnt. Es ist ja schließlich Krieg.
Im Übrigen merkt man eigentlich von Einschränkungen nicht so
viel. Du solltest nur den Fremdenverkehr hier sehen. So viele Fremde hat es
hier, man glaubt es nicht. Und von ärmlicher Kleidung sieht man auch nichts,
sondern alle sind gut, ja sogar sehr gut gekleidet. Und wenn die Leute hungern
müssten, würden sie auch nicht reisen. Also nein, so schlecht, wie es Euch
vielleicht manchmal erzählt wird, geht es uns in der Heimat nicht. Wie es in
den bombardierten Gegenden ist, weiß ich natürlich nicht, aber meist maulen ja
die am meisten, die nichts zu erdulden haben.
Hoffentlich schafft Ihr es noch, dass Ihr Eure Unterkunft
bis zum Winter wohnlich einrichten könnt, vor allem auch Fensterscheiben und
Türen bekommt. Es wäre ja sonst schlimm, denn wenn es dort kalt wird, dann
gleich richtig. Hoffentlich tritt die Kälte ziemlich spät ein, damit unsere
Truppen noch vorwärts kommen.
Mit Wanzen hast Du dort also auch schon Bekanntschaft
gemacht. Hoffentlich hast Du persönlich noch nichts mit diesen Viechern auszustehen.
Darauf verzichtet man ja gern.
Ich habe heute daran gedacht, als wir so durch Überlingen
gingen, wie schön es doch wäre, wenn du hier wärst. Auch bei den anderen
Ausflügen ist es mir so gegangen. Wie schöne Fahrten haben wir doch vor dem
Krieg gemacht. Wir haben heute auch darüber gesprochen. Die Fahrten um den See,
oder die Fahrten mit dem Zelt in Wangen, Klausenhorn usw. Ach, der Erinnerungen
sind ja so viele. Man denkt doch immer wieder gern daran.
Du lieber Ernst, laß mich heute wieder schließen. Wir wollen
den Brief noch wegschaffen, sonst käme er erst morgen Nachmittag mit. Erna ist
mit ihrem Brief an Siegfried schon fertig und wartet.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen