Mein liebster Ernst! Konstanz,
17.8.42
Heute war wieder ein sonniger Tag und ich habe mich im
großen Garten gleich ans Ausputzen und Graben bei den unteren Erdbeeren
gemacht. Ich habe es auch fertig bekommen, so dass dieser Garten einstweilen in
Ordnung ist. Jetzt kommen noch die Erdbeeren und auch sonst der Garten hinterm
Haus dran. Aber mit der Ruhe. Morgen früh gehe ich erst Mal zwei Stunden nähen.
Zum ersten Mal. Ich bin gespannt, wie es ist.
Heute Vormittag war ich mit Helga wegen ihrer Brust nochmals
bei Dr. Bundschuh. Wir hatten doch Salbe verschrieben bekommen. Erst wurde die
Geschwulst weich, dann wieder etwas fest. Als die Salbe alle war, gingen wir
nochmal zum Doktor, Dr. Bundschuh war aber nicht da, nur sein Stellvertreter.
Der sagte, man solle es mal einstweilen mit der Salbe sein lassen, bis Dr.
Bundschuh wieder käme und nur Kamillenumschläge machen. Das haben wir auch
getan. Es wurde auch fast ganz gut. Jetzt, seit einigen Tagen, wurde es wieder
etwas fester. Der Stellvertreter hatte noch gesagt, evtl. müsste man einmal
schneiden. Als es nun fester wurde, hatte ich keine Ruhe mehr. Dr. Bundschuh
hat mir nun wieder die Salbe verschrieben. Ich sagte ihm das vom Schneiden, da
sagte er zu mir:
„Das ist eine vorzeitige, einseitige Entwicklung. Das haben
viele Mädels und auch Buben. Ich habe es noch bei keinem geschnitten, und nach
einigen Jahren gibt es sich von selbst. Es sieht so weit gut aus, so dass man
nicht mehr mit Vereiterung rechnen muss. Möglichst wenig daran tun, nur ganz
leicht einreiben, und nach 14 Tagen kommen sie nochmal her.
Aber Helga wächst ja ganz schrecklich und wird mager. Ich
verschreibe ihr mal Calzipot, also ein Kalkpräparat.“
Ich habe nun versucht, dass ich auch außerhalb des Rezeptes
noch Calzipot bekomme, was mir auch gelungen ist. Da gebe ich Jörg was mit,
denn ihm kannst auch nicht schaden. Helga kann es ja brauchen, denn sie ist
manchmal etwas matt. Das kommt vom schnellen Wachstum. Ich habe es Dr. Bundschuh
auch gesagt.
Unsere zwei Lauser werden immer größer und selbständiger.
Morgen wollen sie einmal allein ins Hallenbad gehen. Ich habe immer ein
Bisschen Angst, aber andere, auch kleinere Kinder, gehen ja auch allein, und
ganz unselbständig sollen unsere Kinder ja auch nicht werden. Im Hallenbad ist
auch ein Bademeister, der bei den Kindern aufpasst.
Heute war Jörg mit dem Richard auf dem Bismarckturm. Als er
wieder runter kam, erzählte er: “Uns ist es nicht gut gegangen. Wir haben Äpfel
gesucht, da kam eine alte Frau und ist uns hinterher gerannt. Die konnte noch
gut rennen, aber gekriegt hat sie uns nicht. Aber Birnen haben wir noch
gefunden, die waren gut. Und wenn die erst mal noch reif sind,, da werden sie
schmecken.“ Vorgestern hat Jörg auch was angestellt. Da haben Schwehrs eine
junge Katze. Die ist immer rüber gekommen und hat Jörg und Richard beim Spielen
gestört. Ich hatte ihnen die Wanne mit Wasser zum Schiffle fahren und abends
zum Baden für unsere zwei gefüllt. Jörg kriegt über die Störung einen Zorn und
tut die Katze ins Wasser. Da kam Herr Schwehr angerannt und hat gesagt, er will
es in der Schule melden. Das hat Jörg doch beeindruckt, d.h. eine Zeit lang, ,
dann meinte er, Herr Schwehr hat es sicher schon wieder vergessen.“ Aber er
macht doch immer noch einen Bogen, wenn er ihn sieht. Ich glaube es ja nicht,
aber sollte es Herr Schwehr aus Wut doch melden, da würde ich dagegen angehen,
denn Jörg hat das in seiner Dummheit gemacht, denn roh war er bisher nie.
Es ist gut, dass unser Lauser da ist. Da hat es Raupen am
Kraut. Ich ekle mich davor, und Helga auch, aber Jörg nimmt in die Hand, soviel
er fassen kann, und macht sie hin. Er hat aber gleich gesagt: „Wenn ich das
mache, brauche ich doch sonst nicht so viel im Garten zu helfen.“
18.8.
Du wirst denken, was ich jetzt für eine neue Mode anfange,
dass ich nicht jeden Tag einen Brief schicke. Das kommt daher, dass ich deine
neue Adresse noch nicht weiß, und so weiß ich auch immer nicht, soll ich den
Brief an die alte Nummer schicken, oder nicht.
Heute Vormittag war ich beim Nähen, bzw. Knöpfe annähen. Es
hat mir ganz gut gefallen, und ich gehe gern wieder. In dem kleinen Saal stehen
lange Tische mit Stühlen. Vor jedem Stuhl steht eine Schachtel mit Knöpfen,
Garn und Nadeln, auf dem Boden eine Fußbank. Schere und Fingerhut muß man
selber mitbringen. Dann geht das Nähen los.
Am Nachmittag waren Helga und Jörg im Hallenbad, d.h. im
Freibad und wirklich in der Halle. Es hat ihnen sehr gut gefallen. Wie sie mir
sagten, passt überall ein Bademeister auf. Sobald jemand zu nahe an die Kette,
also ans Tiefe kommt, pfeift er. Ebenso mussten sie aus dem Wasser, wenn der
Bademeister sieht, dass die Kinder frieren. Sie haben mich schon gefragt, ob
sie bald wieder gehen dürfen, und ich gestatte es ihnen gerne, wenn so nichts
passieren kann.
Heute Abend habe ich noch an Papa und Erna geschrieben. Die
Durchschläge schicke ich dir wieder mit.
19.8.
Heute ist nun Vaters Geburtstag. Über Mittag sind wir zu
Vater runter gegangen und haben ihm unsere kleinen Geschenke gebracht. Vor
allem die Zigarren vor dir, über 20 Stück. Das war ihm ja eine große Freude,
denn er hat jetzt einige Male keine zu kaufen gekriegt. Dann etwas Gebäck, 1
kleine Tüte Bohnenkaffe und 2 Sträuße. Zigarren und 1 Strauß haben die Kinder
ihm gegeben und haben ihm gratuliert. Dabei hat er von ihnen auch viele Küsse bekommen,
was ihn ganz glücklich gemacht hat. Man sieht es an seinem Gesicht. Er drückt
sie dann an sich und lacht froh.
Als wir runter kamen, wollte Vater gerade Brot holen gehen.
Ich habe ihm gesagt, dass ich das mit besorge, was ihm sehr recht war. Ebenso
habe ich die Lichtrechnung zum Bezahlen mitgenommen. Ich freue mich, wenn ich
ihm ein wenig helfen kann.
Noch was habe ich vergessen. Deinen Brief habe ich Vater
auch mit gegeben. Er wird ihn gelesen haben, als wir fort waren.
Von Kurt kam auch ein Brief. Er schreibt aus einem Bunker.
Sie haben einen Stellungswechsel gemacht, und liegen nun nahe bei den Russen.
Er schreibt, dass nachts immer ein Mordskonzert losgeht. Der Bunker sei ganz
annehmbar, aus den Klamotten komme man allerdings nicht heraus, da man immer
für einen Alarm bereit sein müsse. Er hofft, dass es dort keine Schweinerei
geben werde, denn er habe eigentlich vom letzten Mal noch genug. Diesen Brief
habe ich Vater auch mit runter genommen.
Nun muss ich dir von heute Nachmittag erzählen. Wir wollten
ins Kino. Ich in „Rembrandt“ (nicht jugendfrei), die Kinder in „Blinde
Passagiere“ mit Pat und Patachon. Wir haben erst noch die Lichtrechnung bezahlt
und haben uns dann getrennt. Die Kinder sind zum Capitol, ich zum Gloria
gegangen. Als ich nach dem Film, der übrigens hervorragend war, heraus komme,
stehen die Kinder da. Sie haben nicht ins Kino können, da alles ausverkauft
war, als sie nach langem Anstehen an die Reihe kamen. Nun haben sie mich
gebettelt, ich solle doch mit ihnen in den Film gehen, zur Aufführung um ½ 6.
Ich wollte ihnen die Freude nicht verderben, und so habe ich an einem Tag
gleich zwei Filme gesehen. Mir hat hinterher aber auch der Kopf gebrummt. Jetzt
ist es wieder besser.
20.8.
Gestern hatte ich Vater gebeten, doch am Abend noch herauf
zu kommen. Das hat er auch getan. Ich hatte ihm noch zwei gute Zigarren (mit
Laufbinde „Diplomat“) hingelegt. Dazu haben wir je einen Cognac und ein
Kirschwasser und etwas Gebäck gegessen. ¼ 1 Uhr ist er heimgegangen, die eine
der Zigarren hat Vater unterwegs noch geraucht. Ich war sehr müde und bin
gleich schlafen gegangen. Heute Morgen konnte ich ja ausschlafen. Wenn die
Kinder wieder in die Schule müssen, geht es ja nicht mehr. Im Allgemeinen stehe
ich ja auch jetzt immer ¾ 7 Uhr auf, während ich die Kinder schlafen lasse, so
lange sie Lust haben.
Heute Nachmittag habe ich die Erdbeeren hinterm Haus
ausgeputzt und umgegraben. Wegen Mist war ich nun heute auf dem Gutshof. Den
Zettel habe ich mir ja schon vorige Woche geholt. Es wurde mir nun gesagt, dass
die Mistabgabe bis Ende September gesperrt ist und ich für Anfang Oktober
vorgemerkt bin. Das reicht mir ja noch. Anfang Oktober gräbt man ja erst um.
Vor allem will ich Mist an die Erdbeeren und die Beerensträucher tun.
Die Kinder waren heute wieder im hallen- bzw. Freibad. Es
macht ihnen große Freude.
Nun kommt noch die Hauptsache dieses Tages. Ich habe deinen
lieben Brief vom 14.8 aus M. erhalten. Ich habe mich sehr darüber gefreut. Eine
ganze Strecke hattest Du da ja zurückgelegt. Ich glaube schon, dass es Aufsehen
gemacht hat, als Du an dem Ort wieder angekommen warst. Es ist schade, dass die
Leute, die jetzt dort sind, alles verderben, was ihr gutgemacht hattet. Aber du
kannst ja auch nichts daran ändern. Aber es wird dir sicher eine gewisse Freude
gewesen sein, als du so hörtest, dass ihr beliebt gewesen seid. Gemerkt hatte
man es ja schon, als Euch die Leute zum Abschied Blumen brachten.
21.8.
Heute ist der Schrank angekommen. Ich bin gleich an die Bahn
gegangen. Jörg sagte mir vorher schon „gestern als ich vom Baden kam, habe ich
den Schrank gesehen, rotes Papier ist drum, und Holz.“ Ich glaubte es erst
nicht recht, aber es war so. Ich habe mir alles angesehen, es war alles in
Ordnung. Nun wollte ich mir den Schrank bringen lassen. Aber da hätte ich erst
in den Hafen zum Spediteur fahren müssen. Da bin ich erst mal Heim gegangen und
habe Herrn Leimenstoll gefragt, ob er mir den Schrank mit abladen würde, wenn
ich ihn mir selber holte. Er war sofort damit einverstanden und Frau
Leimenstoll sagte: „Sie haben mir schon so oft einen Gefallen getan, ich gehe
gerademit zur Bahn und helfe schieben.“ So sind wir runter gefahren. Der
Lagerarbeiter hat mir den Schrank auf den Wagen geladen, wofür ich ihm ein
Trinkgeld gegeben habe. Zuhause hat Herr Leimenstoll reintragen geholfen und
hat auch den Holzverschlag auseinander gemacht, was mir auch zu schwer gewesen
wäre. Denn er war fest zugenagelt. Ich habe dann die Füße an den Schrank
gemacht, habe ihn geputzt und gewachst. Er macht jetzt einen guten Eindruck.
Die Schublade unter dem Schrank habe ich für Dich reserviert und habe Dein
Briefmarkenalbum reingelegt. Ich habe noch den Schrank eingeräumt. Ich habe
viel untergebracht. Die Kommode war nun frei und da hat Helga und Jörg je 1 Kasten
für ihre Wäsche bekommen. Da ist ihr Kleiderschrank auch nicht mehr so
vollgestopft. Im Schrank war drin an Sache: 5 Bettlaken, (3 davon fast neu)
gebraucht, 4 Bettbezüge, gebraucht, 6 Kissen, 4 Tischdecken ( 1 neu, 1 fast
neue gestickte, 1 weiße, 1 bunte), 2 neue Handtücher, 4 neue Wischtücher, 2
Überhandtücher, 2 Sofakissenbezüge, Staubtücher, Wischtücher, 2 seidene, weiße
Halstücher, weiße Knabenhemden, ältere Gardinen (die ich mir zu
Scheibengardinen umarbeiten kann), einige kleine Deckchen, dazu noch ältere
Wäsche, Strümpfe, Jacken, usw. Bis
heute Abend habe ich zu tun gehabt, bis ich alles soweit versorgt hatte. Erst
war es ja ein wildes Durcheinander.
22.8.
Samstag war heute und ein arbeitsreicher Tag. Früh habe ich
erst die Wohnung geputzt, dann bin ich einkaufen gefahren. Hinterher habe ich
gekocht, während das Essen kochte, haben wir einen Eimer Kartoffeln ausgegraben
und Äpfel zusammen gesucht. Äpfel hat es jeden Tag 4 – 6 Pfund. Natürlich muss
ich ziemlich viel ausschneiden, aber zwei große Schüsseln Apfelmus gibt es
doch. Wir haben bisher schon ca. 1 ½ Zentner aufgelesen. Das hat mir schon viel
geholfen. Nach dem Essen habe ich erst mal verschiedene Sache, die gestern mit
ankamen, gewaschen, damit ich sie wegtun kann. Dann habe ich einen Apfelkuchen
gebacken, hinterher Gurken zu Senfgurken geschält, ausgehöhlt und eingesalzen.
Dann die Treppe geputzt, Abendessen gekocht, und nun, nachdem die Kinder im
Bett sind, sitze ich beim Schreiben.
Die Kinder waren heute wieder baden. Sie haben sich diesmal
einen Schwimmgürtel für 10 Pfg. geliehen und haben das Schwimmen probiert. Die
Bewegungen können sie schon gut, vor allem Helga. Jedenfalls hat sie´s
vergangenen Sonntag gut gemacht.
Von dir habe ich noch keinen Brief weiter erhalten.
Hoffentlich bist du gesund an Deinem Bestimmungsort angekommen. Ich denke immer
an Dich. Vielleicht erfahre ich nun bald Deine neue Nummer, damit ich auch
wieder regelmäßig schreiben kann.
23.8.
Ein Tag nach dem anderen geht vorbei. Den Sonntag haben wir auch
wieder hinter uns gebracht. Meist mit schaffen. Ich habe heute am Nachmittag
mit der Maschine genäht, und hinterher habe ich gestopft. So ist der Tag bald
herum gegangen. Es ist schön, dass wir ein richtiges Radio haben. So kann man
immer hören und hat Unterhaltung.
Morgen ist nun der letzte Ferientag der Kinder. Sie haben
sich schon vorgenommen, noch einmal richtig auszuschlafen. Es wird ihnen sicher
die ersten Tage schwer fallen, wieder zeitig aufzustehen. Jörg hat sich schon
Hoffnungen gemacht, dass vielleicht die Ferien verlängert werden, wie im Winter
manchmal. Ich habe es ihm aber gleich ausgeredet.
25.8.
Mein liebster Ernst!
Gestern bin ich nicht zum Schreiben gekommen. Es war ein
strenger Tag. Früh hab ich erst aufgeräumt, dann gebügelt, dann Essen gekocht,
dann Äpfel zu Apfelmus geschnitten. Nach dem Essen bin ich einkaufen gefahren.
Hinterher hab ich Apfelmus gekocht und drei Glas sterilisiert. Eine Tasche
Bohnen hab ich noch gepflückt und wieder einen Eimer Kartoffeln ausgegraben.
Davon hab ich Vater gestern Abend welche mitgegeben. Es gibt doch jetzt noch
von den neuen Kartoffeln nur 5 Pfund pro Person und Woche. Das ist ein Bisschen
knapp, und so kann ich mit unseren Kartoffeln aushelfen.
Heute Morgen bin ich wieder nähen gegangen. Vorher traf ich
den Briefträger. Er gab mir drei Päckchen von dir, die ich gleich mitgenommen
habe. In der Nähstube hat mich dann Jörg und Helga besucht, als sie aus der
Schule kamen. Helga hatte länger Schule, kam also später und blieb dann gleich
da, bis ich mit heimging. Zuhause haben wir dann gleich die Päckchen
ausgepackt. Es waren die Nummern 29, 31 und 32 mit Bonbons, Fisch und Butter. Alles
ist tadellos angekommen. Die Butter habe ich mir ausgelassen und kann sie mir
nun noch aufheben. Ich danke dir für alles sehr. Die Fahrkarten, die mit im
Päckchen waren, habe ich Jörg gegeben. Waren sie für ihn bestimmt?
Heute Nachmittag habe ich drei Glas Bohnen sterilisiert.
Viel will ich nicht machen, weil die Kinder jetzt lieber weiße Bohnen essen.
Die bekomme ich ja, denn es hängen noch viele an den Stangen. Die ersten
Apfelringe habe ich heute auch geschnitten und aufgehängt. Morgen gibt es sicher
auch wieder welche.
Am Nachmittag erhielt ich deinen lieben Brief vom 15.8., den
du unterwegs geschrieben hast. Du musst ja immer deiner Einheit nachfahren, bis
du sie einmal erreichst. Ich danke dir sehr, dass du mir auch von unterwegs
immer wieder schreibst. Es ist immer wieder ein so lieber Gruß. Gestern habe
ich einen kurzen Brief an deine alte Adresse geschrieben. Ich weiß ja nicht, ob
es einen Wert hat, und ob du ihn schneller erhältst. Aber versuchen wollte ich
es jedenfalls.
26.8.
Von heute ist eigentlich nicht viel zu berichten. Ich habe
den ganzen Tag im Haus zu tun gehabt mit stopfen, Apfelringe schneiden,
Apfelmus kochen. Von Erna kam ein Brief, in dem sie schreibt, dass Siegfried
vom Zug nun endgültig abgelöst ist. Er musste vorher noch eine Fahrt mitmachen,
weil der Ersatz noch nicht da war. Am 24., an dem Erna den Brief an mich
schrieb, sollte Siegfried nun untersucht werden, ob er für Afrika tauglich ist.
So lange Siegfried noch in Eilenburg ist, fährt Erna jeden Abend hin und am Morgen
wieder zurück, damit sie Papa versorgen kann.
27.8.
Heute war ein wichtiger Tag. Ich erhielt deine
Feldpostnummer und habe gleich zur Flugpost an dich geschrieben. Nun will ich
dir aber noch vom Tag erzählen. Am Nachmittag wollte ich gleich den Brief
fortbringen, und da ich nicht wusste, ob er zu schwer ist, ihn vorher wiegen.
Die Kinder gingen zum Turnen. Heute bis Samstag ist von der Salzburger „Max und
Moritz Bühne“ eine Struwelpeter-Aufführung. Ich habe für Samstag 3 Karten
besorgt. Als ich nun von der Post kam, dachte ich, du fährst bei der Turnhalle
vorbei und sagst das von den Theaterkarten den Kindern. Ich fuhr also vorbei.
Da kamen die Kinder gerade heraus. Es war kein Turnen, trotzdem es extra heute
in der Zeitung stand. Was also tun? Ich hatte den Kindern versprochen, morgen
mal mit ins Hallen-Freibad zu gehen. Was lag also näher, als das gleich heute
zu tun, vor allem, da es so heiß war. Gesagt, getan. Die Kinder sind zum Bad
gepilgert und ich bin heimgefahren und habe die Badesachen geholt. Ich habe mir
nun mal das Freibad angesehen auf Sicherheit wegen der Kinder. Wenn also die
Kinder brav sind und nicht über die Absperrung klettern, kann ihnen nichts
geschehen. Gestern ist ein 7jähriger Bub über die Absperrung geklettert und
ertrunken. Seine Spielkameraden haben gar nichts gemerkt, sondern sind erst
nach dem Bad zu der Mutter und haben gesagt, dass sie ihn nicht mehr gesehen
hätten. Die Frau ist gleich hingelaufen. Da war es natürlich schon lange zu
spät. Nach einigen Stunden hat man den Buben tot gefunden. Wir sind von 4 bis ¼
7 im Bad gewesen und nachher heimgegangen. Nun liegen die Kinder schon längere
Zeit im Bett. Bei mir wird es auch nicht mehr lange dauern. Das Schwimmen, vor
allem gegen den Strom, hat mich ziemlich angestrengt.
Darum jetzt „Gute Nacht“, schlaf gut und wach gesund wieder
auf. Ich grüße und küsse dich recht herzlich Deine Annie.