Montag, 28. August 2017

Brief 407 vom 28./29.8.1942


Mein liebster Ernst!                                       Konstanz, 28.8.42

Heute kam dein liebes Päckchen Nr.34 mit Butter an. Ein ganz klein wenig ist ins Papier gelaufen, denn sie war ganz flüssig, aber sonst ist sie sehr gut angekommen. Ich habe sie gleich ausgelassen und hebe sie mit auf. Vielen Dank.
Ich bekam heute die Vergrößerungen meiner Bilder und sende sie dir mit. In kleinem Format wirst Du sie ja schon erhalten haben. Hast Du Dich nicht über den Hut gewundert? Leider muss ich gestehen, dass ich mich da mit fremden Federn geschmückt habe. Es ist Erna ihrer. Wenn er dir gefällt, kann ich mir auch so einen kaufen. Aber erst möchte ich darüber deine Meinung hören. Eilig ist es nicht, denn du, dem ich doch gefallen möchte, bist ja doch nicht hier.
Einige Zeitungen habe ich heute wieder an dich abgeschickt. Morgen gehen weitere fort. Ich möchte nicht alles auf einmal einwerfen. Sicher wunderst du dich über den komischen gelben Leim, den ich zum Kleben verwendet habe. Ich wollte schon immer Leim kaufen, es gibt aber keinen mehr. Da sagte mir die eine Verkäuferin:“ Nehmen sie Wasserglas, das klebt gut und ist billig.“ Nun habe ich´s mal probiert. Was hattest Du eigentlich bei deinen Briefen für einen Leim? Er sah fast gleich aus.
(Ich hab noch die Dose Leim da, die du mir von Frankreich geschickt hast, aber die möchte ich aufheben, wenn wir mal Photografien oder sowas zu kleben haben)
Die Kinder waren am Nachmittag wieder beim Baden. Sie gehen zu gern. So lange haben sie gebettelt, bis ich´s erlaubt habe. Ich bin heute nicht mit. Erstens hatte ich zu tun, und dann war ich auch vom gestrigen Schwimmen noch ganz müde und alles tat mir weh.
Von jetzt ab lernt Jörg auch lateinisch schreiben. Das erste, was er heute geschrieben hat, war ganz gut. Seine neue Lehrerin mag Jörg nicht so gern, wie die vorige. Sie haut nämlich schnell zu, wenn sie nicht folgen. Aber bei den Buben ist es nötig, dass eine Lehrerin energisch ist.
Nachts ¾ 3 Uhr. Jetzt gehen wir wieder in´s Bett. Seit ¾ 1 waren wir im Keller. Heute waren die Flieger über uns, sind scheinbar nach der Schweiz zurück.

                                                                                                            29.8.
Heute Morgen waren wir noch ziemlich müde, aber jetzt haben wir uns wieder aufgemuntert. Heute Nacht sind die Flieger in sehr großer Höhe über uns geflogen. Auf einmal fingen die Sirenen in der Schweiz zu heulen an.
Gerade kam der Briefträger und brachte mir deinen lieben Brief vom 16.8., den zweiten vom 16., in dem nun auch die Flugpostmarken sind, ebenso 2. Zulassungsmarken für Päckchen. Ich warte nun noch deine genaue Anweisung ab, was ich dir schicken soll und werde nachher ein Dienstpaket an dich absenden.
Die Karte an Kurt schicke ich ab. Er hat seine alte Feldpostnummer 19655 wieder erhalten.
Vorhin erhielt ich auch dein Geburtstagsgeschenk für mich, 50.-Mk. Kannst Du denn wirklich so viel entbehren? Gefreut habe ich mich ja sehr darüber, und ich danke dir auch sehr. Sie werden einen Ehrenplatz auf dem Geburtstagstisch einnehmen, du lieber Mann.
Nun will ich noch Einkaufen fahren und Essen kochen, damit wir am Nachmittag rechtzeitig ins Theater kommen. Deinen lieben Brief beantworte ich im Einzelnen morgen mit.
Ich grüße und küsse Dich nun recht herzlich, deine Annie.

Brief 406 vom 27.8.1942


Mein liebster Ernst!                                       Konstanz, 27.8.42

Gerade kam dein lieber Brief vom 16.8. mit deiner neuen Feldpostnummer an. Ich will mich nun gleich ans schreiben machen. Du schreibst, dass du Flugpostmarken beilegst. Die waren ja nicht dabei, aber ich denke, dass du sie nur vergessen hast, und sie nicht weggekommen sind. Ich habe aber noch eine Marke da, und die verwende ich gleich.
Eigentlich hätte ich dir heute einen großen Brief zu schicken, denn ich habe an ihm vom 17.8. an geschrieben. Aber für Flugpost ist er nun zu schwer, und so machen wir eben mal verkehrte Welt und schicken ihn morgen weg. Vor einige Tagen habe ich an deine alte Adresse nochmal einen kurzen Brief geschrieben, weil ich dachte, du sollst nicht so lange warten müssen. Ich weiß ja nicht, ob du ihn überhaupt erhältst.
Ich schicke dir heute einige Bilder von mir mit, weil ich denke, es freut dich vielleicht. Wie Du siehst, trage ich die Haare wieder halblang und nicht mehr in einem Knoten. Hoffentlich hast Du nichts dagegen. Wenn doch, so müsste ich sie eben wieder wachsen lassen.
Als Erna da war, sagte ich ihr einmal, siehst du, so möchte ich die Haare tragen. Da meinte sie, es mache mich auch viel netter. Ich sollte es doch so tragen. Sie ist sogar einmal mit mir zum Friseur gegangen, wo ich mir die Haare erst mal richtig schneiden und ondulieren ließ. Seitdem rolle ich sie mir selber ein. Gib also mal deine Meinung bekannt, wie es dir gefällt. 
Ich habe hier noch weitere Bilder vom Aufenthalt von Erna, die schicke ich in den nächsten Briefen mit. Ich habe meiste Erna mit den Kindern photografiert. Erna hat es auch einige Male probiert, aber es ist ihr nie gelungen, uns drei richtig aufs Bild zu bekommen. Zuletzt hat sie die Aufnahmen von mir gemacht. Die sind ja gut geworden.
Erna schrieb mir gestern, dass Siegfried nun vom Zug abgelöst wird und augenblicklich in Eilenburg ist. Am 24. Ist er untersucht worden, ob er für Afrika geeignet ist. Sie gibt mir wieder Bescheid. Solange Siegfried noch in Eilenburg ist, fährt Erna jeden Abend hin und am nächsten Morgen wieder zurück, damit sie für Papa einkaufen und Essen kochen kann.
Ich bin gespannt, wie du dich dort eingewöhnst. Die kleinen Haustiere wären ja nicht gerade notwendig. Nach der Arbeit zu gehen hattest Du ja in Mirgorod selbständigeres Arbeiten, als wenn Du die Registratur führen musst. Aber man kann sich eben nicht heraussuchen, was man tun möchte.
Der Schrank von zuhause ist auch angekommen. Ich habe ihn gut im Schlafzimmer untergebracht und konnte ziemlich viele Sachen versorgen.
Nun, mein liebster Ernst, bleib gesund und behalte uns lieb. Ich grüße und küsse dich recht herzlich Deine Annie.

Ich freue mich sehr, dass ich dir jetzt wieder regelmäßig schreiben kann und auch Post von Dir erhalte. Du hast ja zwar auch unterwegs an mich gedacht und mir zwei Briefe geschrieben, über die ich mich auch fest gefreut habe.

Montag, 14. August 2017

Brief 405 vom 24.8.1942


Mein liebster Ernst!                                       Konstanz, 24.8.42

Seit dem 17.8. schreibe ich nun an einem Brief, den ich aber nicht weggeschickt habe, weil ich dachte, ich bekomme bald deine neue Adresse. Nun lässt es mir aber keine Ruhe mehr. Wenigstens ein lebenzeichen sollst du erhalten.
Viel Wichtiges ist ja in den Tagen nicht geschehen, und alles Nähere kannst Du dann in dem langen Brief lesen. Kurz will ich dir nur berichten, dass ich nun beim Nähen war und es mir gut gefallen hat. Helga und Jörg gehen jetzt öfter allein ins Hallenbad. Ich bin da eher ruhig, weil da ein Bademeister, der Baldisch, aufpasst, den die Kinder gern mögen
Kurt ist wieder an der Front. Er hat aus einem Bunker geschrieben, dass sie den Russen noch gegenüber liegen. Deinen Brief aus M. habe ich erhalten. Du warst ja auf der Durchfahrt kurz dort. Es hat mich gefreut, dass ich so zwischendurch einen Gruß von dir erhalten habe. Der Schrank von Papa ist angekommen. Er ist soweit noch gut erhalten. Auch habe ich ihn aufpoliert. Ich habe viele Sachen unterbringen können. Papa hat mir verschiedene neue oder gut erhaltene Sachen mitgeschickt, z.B. Bett- und Küchenwäsche.
Morgen müssen die Kinder wieder in die Schule. Ich bin gespannt, was für Lehrer sie bekommen. Ich gehe ja morgen Vormittag wieder nähen. Ich gehe gern.
Ich hoffe nun, dass ich bald deine Adresse erfahre. Vor allen Dingen hoffe ich aber, dass du gesund bist und dass es dir soweit gut geht.
Für heute grüße und küsse ich dich recht, recht herzlich Deine Annie.

Brief 404 vom 17. - 27.8.1942


Mein liebster Ernst!                                       Konstanz, 17.8.42

Heute war wieder ein sonniger Tag und ich habe mich im großen Garten gleich ans Ausputzen und Graben bei den unteren Erdbeeren gemacht. Ich habe es auch fertig bekommen, so dass dieser Garten einstweilen in Ordnung ist. Jetzt kommen noch die Erdbeeren und auch sonst der Garten hinterm Haus dran. Aber mit der Ruhe. Morgen früh gehe ich erst Mal zwei Stunden nähen. Zum ersten Mal. Ich bin gespannt, wie es ist.
Heute Vormittag war ich mit Helga wegen ihrer Brust nochmals bei Dr. Bundschuh. Wir hatten doch Salbe verschrieben bekommen. Erst wurde die Geschwulst weich, dann wieder etwas fest. Als die Salbe alle war, gingen wir nochmal zum Doktor, Dr. Bundschuh war aber nicht da, nur sein Stellvertreter. Der sagte, man solle es mal einstweilen mit der Salbe sein lassen, bis Dr. Bundschuh wieder käme und nur Kamillenumschläge machen. Das haben wir auch getan. Es wurde auch fast ganz gut. Jetzt, seit einigen Tagen, wurde es wieder etwas fester. Der Stellvertreter hatte noch gesagt, evtl. müsste man einmal schneiden. Als es nun fester wurde, hatte ich keine Ruhe mehr. Dr. Bundschuh hat mir nun wieder die Salbe verschrieben. Ich sagte ihm das vom Schneiden, da sagte er zu mir:
„Das ist eine vorzeitige, einseitige Entwicklung. Das haben viele Mädels und auch Buben. Ich habe es noch bei keinem geschnitten, und nach einigen Jahren gibt es sich von selbst. Es sieht so weit gut aus, so dass man nicht mehr mit Vereiterung rechnen muss. Möglichst wenig daran tun, nur ganz leicht einreiben, und nach 14 Tagen kommen sie nochmal her.
Aber Helga wächst ja ganz schrecklich und wird mager. Ich verschreibe ihr mal Calzipot, also ein Kalkpräparat.“
Ich habe nun versucht, dass ich auch außerhalb des Rezeptes noch Calzipot bekomme, was mir auch gelungen ist. Da gebe ich Jörg was mit, denn ihm kannst auch nicht schaden. Helga kann es ja brauchen, denn sie ist manchmal etwas matt. Das kommt vom schnellen Wachstum. Ich habe es Dr. Bundschuh auch gesagt.
Unsere zwei Lauser werden immer größer und selbständiger. Morgen wollen sie einmal allein ins Hallenbad gehen. Ich habe immer ein Bisschen Angst, aber andere, auch kleinere Kinder, gehen ja auch allein, und ganz unselbständig sollen unsere Kinder ja auch nicht werden. Im Hallenbad ist auch ein Bademeister, der bei den Kindern aufpasst.
Heute war Jörg mit dem Richard auf dem Bismarckturm. Als er wieder runter kam, erzählte er: “Uns ist es nicht gut gegangen. Wir haben Äpfel gesucht, da kam eine alte Frau und ist uns hinterher gerannt. Die konnte noch gut rennen, aber gekriegt hat sie uns nicht. Aber Birnen haben wir noch gefunden, die waren gut. Und wenn die erst mal noch reif sind,, da werden sie schmecken.“ Vorgestern hat Jörg auch was angestellt. Da haben Schwehrs eine junge Katze. Die ist immer rüber gekommen und hat Jörg und Richard beim Spielen gestört. Ich hatte ihnen die Wanne mit Wasser zum Schiffle fahren und abends zum Baden für unsere zwei gefüllt. Jörg kriegt über die Störung einen Zorn und tut die Katze ins Wasser. Da kam Herr Schwehr angerannt und hat gesagt, er will es in der Schule melden. Das hat Jörg doch beeindruckt, d.h. eine Zeit lang, , dann meinte er, Herr Schwehr hat es sicher schon wieder vergessen.“ Aber er macht doch immer noch einen Bogen, wenn er ihn sieht. Ich glaube es ja nicht, aber sollte es Herr Schwehr aus Wut doch melden, da würde ich dagegen angehen, denn Jörg hat das in seiner Dummheit gemacht, denn roh war er bisher nie.
Es ist gut, dass unser Lauser da ist. Da hat es Raupen am Kraut. Ich ekle mich davor, und Helga auch, aber Jörg nimmt in die Hand, soviel er fassen kann, und macht sie hin. Er hat aber gleich gesagt: „Wenn ich das mache, brauche ich doch sonst nicht so viel im Garten zu helfen.“
                                                                                                                        18.8.
Du wirst denken, was ich jetzt für eine neue Mode anfange, dass ich nicht jeden Tag einen Brief schicke. Das kommt daher, dass ich deine neue Adresse noch nicht weiß, und so weiß ich auch immer nicht, soll ich den Brief an die alte Nummer schicken, oder nicht.
Heute Vormittag war ich beim Nähen, bzw. Knöpfe annähen. Es hat mir ganz gut gefallen, und ich gehe gern wieder. In dem kleinen Saal stehen lange Tische mit Stühlen. Vor jedem Stuhl steht eine Schachtel mit Knöpfen, Garn und Nadeln, auf dem Boden eine Fußbank. Schere und Fingerhut muß man selber mitbringen. Dann geht das Nähen los.
Am Nachmittag waren Helga und Jörg im Hallenbad, d.h. im Freibad und wirklich in der Halle. Es hat ihnen sehr gut gefallen. Wie sie mir sagten, passt überall ein Bademeister auf. Sobald jemand zu nahe an die Kette, also ans Tiefe kommt, pfeift er. Ebenso mussten sie aus dem Wasser, wenn der Bademeister sieht, dass die Kinder frieren. Sie haben mich schon gefragt, ob sie bald wieder gehen dürfen, und ich gestatte es ihnen gerne, wenn so nichts passieren kann.
Heute Abend habe ich noch an Papa und Erna geschrieben. Die Durchschläge schicke ich dir wieder mit.

                                                                                                                        19.8.
Heute ist nun Vaters Geburtstag. Über Mittag sind wir zu Vater runter gegangen und haben ihm unsere kleinen Geschenke gebracht. Vor allem die Zigarren vor dir, über 20 Stück. Das war ihm ja eine große Freude, denn er hat jetzt einige Male keine zu kaufen gekriegt. Dann etwas Gebäck, 1 kleine Tüte Bohnenkaffe und 2 Sträuße. Zigarren und 1 Strauß haben die Kinder ihm gegeben und haben ihm gratuliert. Dabei hat er von ihnen auch viele Küsse bekommen, was ihn ganz glücklich gemacht hat. Man sieht es an seinem Gesicht. Er drückt sie dann an sich und lacht froh.
Als wir runter kamen, wollte Vater gerade Brot holen gehen. Ich habe ihm gesagt, dass ich das mit besorge, was ihm sehr recht war. Ebenso habe ich die Lichtrechnung zum Bezahlen mitgenommen. Ich freue mich, wenn ich ihm ein wenig helfen kann.
Noch was habe ich vergessen. Deinen Brief habe ich Vater auch mit gegeben. Er wird ihn gelesen haben, als wir fort waren.
Von Kurt kam auch ein Brief. Er schreibt aus einem Bunker. Sie haben einen Stellungswechsel gemacht, und liegen nun nahe bei den Russen. Er schreibt, dass nachts immer ein Mordskonzert losgeht. Der Bunker sei ganz annehmbar, aus den Klamotten komme man allerdings nicht heraus, da man immer für einen Alarm bereit sein müsse. Er hofft, dass es dort keine Schweinerei geben werde, denn er habe eigentlich vom letzten Mal noch genug. Diesen Brief habe ich Vater auch mit runter genommen.
Nun muss ich dir von heute Nachmittag erzählen. Wir wollten ins Kino. Ich in „Rembrandt“ (nicht jugendfrei), die Kinder in „Blinde Passagiere“ mit Pat und Patachon. Wir haben erst noch die Lichtrechnung bezahlt und haben uns dann getrennt. Die Kinder sind zum Capitol, ich zum Gloria gegangen. Als ich nach dem Film, der übrigens hervorragend war, heraus komme, stehen die Kinder da. Sie haben nicht ins Kino können, da alles ausverkauft war, als sie nach langem Anstehen an die Reihe kamen. Nun haben sie mich gebettelt, ich solle doch mit ihnen in den Film gehen, zur Aufführung um ½ 6. Ich wollte ihnen die Freude nicht verderben, und so habe ich an einem Tag gleich zwei Filme gesehen. Mir hat hinterher aber auch der Kopf gebrummt. Jetzt ist es wieder besser.

                                                                                                            20.8.
Gestern hatte ich Vater gebeten, doch am Abend noch herauf zu kommen. Das hat er auch getan. Ich hatte ihm noch zwei gute Zigarren (mit Laufbinde „Diplomat“) hingelegt. Dazu haben wir je einen Cognac und ein Kirschwasser und etwas Gebäck gegessen. ¼ 1 Uhr ist er heimgegangen, die eine der Zigarren hat Vater unterwegs noch geraucht. Ich war sehr müde und bin gleich schlafen gegangen. Heute Morgen konnte ich ja ausschlafen. Wenn die Kinder wieder in die Schule müssen, geht es ja nicht mehr. Im Allgemeinen stehe ich ja auch jetzt immer ¾ 7 Uhr auf, während ich die Kinder schlafen lasse, so lange sie Lust haben.
Heute Nachmittag habe ich die Erdbeeren hinterm Haus ausgeputzt und umgegraben. Wegen Mist war ich nun heute auf dem Gutshof. Den Zettel habe ich mir ja schon vorige Woche geholt. Es wurde mir nun gesagt, dass die Mistabgabe bis Ende September gesperrt ist und ich für Anfang Oktober vorgemerkt bin. Das reicht mir ja noch. Anfang Oktober gräbt man ja erst um. Vor allem will ich Mist an die Erdbeeren und die Beerensträucher tun.
Die Kinder waren heute wieder im hallen- bzw. Freibad. Es macht ihnen große Freude.
Nun kommt noch die Hauptsache dieses Tages. Ich habe deinen lieben Brief vom 14.8 aus M. erhalten. Ich habe mich sehr darüber gefreut. Eine ganze Strecke hattest Du da ja zurückgelegt. Ich glaube schon, dass es Aufsehen gemacht hat, als Du an dem Ort wieder angekommen warst. Es ist schade, dass die Leute, die jetzt dort sind, alles verderben, was ihr gutgemacht hattet. Aber du kannst ja auch nichts daran ändern. Aber es wird dir sicher eine gewisse Freude gewesen sein, als du so hörtest, dass ihr beliebt gewesen seid. Gemerkt hatte man es ja schon, als Euch die Leute zum Abschied Blumen brachten.

                                                                                                            21.8.
Heute ist der Schrank angekommen. Ich bin gleich an die Bahn gegangen. Jörg sagte mir vorher schon „gestern als ich vom Baden kam, habe ich den Schrank gesehen, rotes Papier ist drum, und Holz.“ Ich glaubte es erst nicht recht, aber es war so. Ich habe mir alles angesehen, es war alles in Ordnung. Nun wollte ich mir den Schrank bringen lassen. Aber da hätte ich erst in den Hafen zum Spediteur fahren müssen. Da bin ich erst mal Heim gegangen und habe Herrn Leimenstoll gefragt, ob er mir den Schrank mit abladen würde, wenn ich ihn mir selber holte. Er war sofort damit einverstanden und Frau Leimenstoll sagte: „Sie haben mir schon so oft einen Gefallen getan, ich gehe gerademit zur Bahn und helfe schieben.“ So sind wir runter gefahren. Der Lagerarbeiter hat mir den Schrank auf den Wagen geladen, wofür ich ihm ein Trinkgeld gegeben habe. Zuhause hat Herr Leimenstoll reintragen geholfen und hat auch den Holzverschlag auseinander gemacht, was mir auch zu schwer gewesen wäre. Denn er war fest zugenagelt. Ich habe dann die Füße an den Schrank gemacht, habe ihn geputzt und gewachst. Er macht jetzt einen guten Eindruck. Die Schublade unter dem Schrank habe ich für Dich reserviert und habe Dein Briefmarkenalbum reingelegt. Ich habe noch den Schrank eingeräumt. Ich habe viel untergebracht. Die Kommode war nun frei und da hat Helga und Jörg je 1 Kasten für ihre Wäsche bekommen. Da ist ihr Kleiderschrank auch nicht mehr so vollgestopft. Im Schrank war drin an Sache: 5 Bettlaken, (3 davon fast neu) gebraucht, 4 Bettbezüge, gebraucht, 6 Kissen, 4 Tischdecken ( 1 neu, 1 fast neue gestickte, 1 weiße, 1 bunte), 2 neue Handtücher, 4 neue Wischtücher, 2 Überhandtücher, 2 Sofakissenbezüge, Staubtücher, Wischtücher, 2 seidene, weiße Halstücher, weiße Knabenhemden, ältere Gardinen (die ich mir zu Scheibengardinen umarbeiten kann), einige kleine Deckchen, dazu noch ältere Wäsche, Strümpfe, Jacken, usw.  Bis heute Abend habe ich zu tun gehabt, bis ich alles soweit versorgt hatte. Erst war es ja ein wildes Durcheinander.

                                                                                                            22.8.
Samstag war heute und ein arbeitsreicher Tag. Früh habe ich erst die Wohnung geputzt, dann bin ich einkaufen gefahren. Hinterher habe ich gekocht, während das Essen kochte, haben wir einen Eimer Kartoffeln ausgegraben und Äpfel zusammen gesucht. Äpfel hat es jeden Tag 4 – 6 Pfund. Natürlich muss ich ziemlich viel ausschneiden, aber zwei große Schüsseln Apfelmus gibt es doch. Wir haben bisher schon ca. 1 ½ Zentner aufgelesen. Das hat mir schon viel geholfen. Nach dem Essen habe ich erst mal verschiedene Sache, die gestern mit ankamen, gewaschen, damit ich sie wegtun kann. Dann habe ich einen Apfelkuchen gebacken, hinterher Gurken zu Senfgurken geschält, ausgehöhlt und eingesalzen. Dann die Treppe geputzt, Abendessen gekocht, und nun, nachdem die Kinder im Bett sind, sitze ich beim Schreiben.
Die Kinder waren heute wieder baden. Sie haben sich diesmal einen Schwimmgürtel für 10 Pfg. geliehen und haben das Schwimmen probiert. Die Bewegungen können sie schon gut, vor allem Helga. Jedenfalls hat sie´s vergangenen Sonntag gut gemacht.
Von dir habe ich noch keinen Brief weiter erhalten. Hoffentlich bist du gesund an Deinem Bestimmungsort angekommen. Ich denke immer an Dich. Vielleicht erfahre ich nun bald Deine neue Nummer, damit ich auch wieder regelmäßig schreiben kann.

                                                                                                            23.8.
Ein Tag nach dem anderen geht vorbei. Den Sonntag haben wir auch wieder hinter uns gebracht. Meist mit schaffen. Ich habe heute am Nachmittag mit der Maschine genäht, und hinterher habe ich gestopft. So ist der Tag bald herum gegangen. Es ist schön, dass wir ein richtiges Radio haben. So kann man immer hören und hat Unterhaltung.
Morgen ist nun der letzte Ferientag der Kinder. Sie haben sich schon vorgenommen, noch einmal richtig auszuschlafen. Es wird ihnen sicher die ersten Tage schwer fallen, wieder zeitig aufzustehen. Jörg hat sich schon Hoffnungen gemacht, dass vielleicht die Ferien verlängert werden, wie im Winter manchmal. Ich habe es ihm aber gleich ausgeredet.

                                                                                                            25.8.
Mein liebster Ernst!
Gestern bin ich nicht zum Schreiben gekommen. Es war ein strenger Tag. Früh hab ich erst aufgeräumt, dann gebügelt, dann Essen gekocht, dann Äpfel zu Apfelmus geschnitten. Nach dem Essen bin ich einkaufen gefahren. Hinterher hab ich Apfelmus gekocht und drei Glas sterilisiert. Eine Tasche Bohnen hab ich noch gepflückt und wieder einen Eimer Kartoffeln ausgegraben. Davon hab ich Vater gestern Abend welche mitgegeben. Es gibt doch jetzt noch von den neuen Kartoffeln nur 5 Pfund pro Person und Woche. Das ist ein Bisschen knapp, und so kann ich mit unseren Kartoffeln aushelfen.
Heute Morgen bin ich wieder nähen gegangen. Vorher traf ich den Briefträger. Er gab mir drei Päckchen von dir, die ich gleich mitgenommen habe. In der Nähstube hat mich dann Jörg und Helga besucht, als sie aus der Schule kamen. Helga hatte länger Schule, kam also später und blieb dann gleich da, bis ich mit heimging. Zuhause haben wir dann gleich die Päckchen ausgepackt. Es waren die Nummern 29, 31 und 32 mit Bonbons, Fisch und Butter. Alles ist tadellos angekommen. Die Butter habe ich mir ausgelassen und kann sie mir nun noch aufheben. Ich danke dir für alles sehr. Die Fahrkarten, die mit im Päckchen waren, habe ich Jörg gegeben. Waren sie für ihn bestimmt?
Heute Nachmittag habe ich drei Glas Bohnen sterilisiert. Viel will ich nicht machen, weil die Kinder jetzt lieber weiße Bohnen essen. Die bekomme ich ja, denn es hängen noch viele an den Stangen. Die ersten Apfelringe habe ich heute auch geschnitten und aufgehängt. Morgen gibt es sicher auch wieder welche.
Am Nachmittag erhielt ich deinen lieben Brief vom 15.8., den du unterwegs geschrieben hast. Du musst ja immer deiner Einheit nachfahren, bis du sie einmal erreichst. Ich danke dir sehr, dass du mir auch von unterwegs immer wieder schreibst. Es ist immer wieder ein so lieber Gruß. Gestern habe ich einen kurzen Brief an deine alte Adresse geschrieben. Ich weiß ja nicht, ob es einen Wert hat, und ob du ihn schneller erhältst. Aber versuchen wollte ich es jedenfalls.

                                                                                                            26.8.
Von heute ist eigentlich nicht viel zu berichten. Ich habe den ganzen Tag im Haus zu tun gehabt mit stopfen, Apfelringe schneiden, Apfelmus kochen. Von Erna kam ein Brief, in dem sie schreibt, dass Siegfried vom Zug nun endgültig abgelöst ist. Er musste vorher noch eine Fahrt mitmachen, weil der Ersatz noch nicht da war. Am 24., an dem Erna den Brief an mich schrieb, sollte Siegfried nun untersucht werden, ob er für Afrika tauglich ist. So lange Siegfried noch in Eilenburg ist, fährt Erna jeden Abend hin und am Morgen wieder zurück, damit sie Papa versorgen kann.

                                                                                                            27.8.
Heute war ein wichtiger Tag. Ich erhielt deine Feldpostnummer und habe gleich zur Flugpost an dich geschrieben. Nun will ich dir aber noch vom Tag erzählen. Am Nachmittag wollte ich gleich den Brief fortbringen, und da ich nicht wusste, ob er zu schwer ist, ihn vorher wiegen. Die Kinder gingen zum Turnen. Heute bis Samstag ist von der Salzburger „Max und Moritz Bühne“ eine Struwelpeter-Aufführung. Ich habe für Samstag 3 Karten besorgt. Als ich nun von der Post kam, dachte ich, du fährst bei der Turnhalle vorbei und sagst das von den Theaterkarten den Kindern. Ich fuhr also vorbei. Da kamen die Kinder gerade heraus. Es war kein Turnen, trotzdem es extra heute in der Zeitung stand. Was also tun? Ich hatte den Kindern versprochen, morgen mal mit ins Hallen-Freibad zu gehen. Was lag also näher, als das gleich heute zu tun, vor allem, da es so heiß war. Gesagt, getan. Die Kinder sind zum Bad gepilgert und ich bin heimgefahren und habe die Badesachen geholt. Ich habe mir nun mal das Freibad angesehen auf Sicherheit wegen der Kinder. Wenn also die Kinder brav sind und nicht über die Absperrung klettern, kann ihnen nichts geschehen. Gestern ist ein 7jähriger Bub über die Absperrung geklettert und ertrunken. Seine Spielkameraden haben gar nichts gemerkt, sondern sind erst nach dem Bad zu der Mutter und haben gesagt, dass sie ihn nicht mehr gesehen hätten. Die Frau ist gleich hingelaufen. Da war es natürlich schon lange zu spät. Nach einigen Stunden hat man den Buben tot gefunden. Wir sind von 4 bis ¼ 7 im Bad gewesen und nachher heimgegangen. Nun liegen die Kinder schon längere Zeit im Bett. Bei mir wird es auch nicht mehr lange dauern. Das Schwimmen, vor allem gegen den Strom, hat mich ziemlich angestrengt.
Darum jetzt „Gute Nacht“, schlaf gut und wach gesund wieder auf. Ich grüße und küsse dich recht herzlich Deine Annie.

Brief 403 vom 16.8.1942


Mein liebster Ernst!                                       Konstanz, 16.8.42

Der Sonntag ist zu Ende. Wir waren heute beim Baden. Es war wieder herrlich. Nach dem Baden sind wir noch ans Horn gegangen, da die Kinder so gern mal im Sand spielen wollten. Das haben sie dann auch getan, mussten hinterher aber nochmal ins Wasser steigen, so staubig waren sie. Mit ganz besonderem Vergnügen haben sie sich in einer Kabine an- und ausgezogen. Das war ihnen doch was Neues.
Da ich bald mit dem Eintreffen des Schrankes rechne, habe ich einige Veränderungen vornehmen müssen. Die Maschine habe ich jetzt in der Küche, und der Waschtisch steht an ihrer Stelle. Der Kleiderschrank steht an der alten Stelle, daneben das kleine Vorratsschränkchen und daneben soll der ankommende Schrank stehen. Vielleicht sieht es so besser aus, als wenn gleich zwei große Schränke zusammen stehen. Ich werde ja sehen, ob es so bleiben kann.
Von Siegfried erhielt ich gestern eine Karte, auf der er mir mitteilt, dass er vom Zug abgelöst sei und mit noch 5 Kameraden vorerst nach Eilenburg müsse, von wo es dann weiter gehe. Schreiben soll ich erst, wenn ich seine Adresse weiß. Wo er jetzt fort kommt, wäre es schön gewesen, wenn er von Singen aus hätte hier her kommen können. Wer weiß, ob er erst nochmal nach Leipzig fahren kann.
Jörg hat doch Primeln zum Geburtstag bekommen. Die ersten Tage hat er sich gar nicht so ums gießen gekümmert und ich habe einspringen müssen, sonst wäre alles vertrocknet. Als sie wieder mal so rumgegangen sind, habe ich sie ihm gezeigt und gesagt, wenn er die Blumen nicht richtig pflegt, kann er sie auch nicht behalten. Seit der Zeit springt er jeden Morgen und gießt fleißig, und die Blumen danken es ihm durch immer neue Blätter und Blüten. Da hat er seine Freude und sagt, die wachsen so schön, weil ich sie pflege. Die haben mich eben gern.
Nun schließe ich wieder und grüße und küsse dich recht herzlich, du mein lieber Ernst, Deine Annie.

Brief 402 vom 13. / 14. / 15.8.1942


Mein liebster Ernst!                                       Konstanz, 13.8.42

Heute habe ich 4 Briefe zu beantworten, die vom 5. Und 6.8., die ich gestern erhielt, und die vom 30.7. und 4.8., die heute ankamen. Gestern bin ich nicht zum Schreiben gekommen. Aus Deinen Briefen habe ich nun ersehen, dass du von deinem bisherigen Standort weggekommen bist. Der Brief von dem Tag, an dem dir die Versetzung bekannt gegeben wurde, habe ich zwar noch nicht erhalten, und so weiß ich eigentlich erst alles halb und reime mir alles zusammen. Der Brief vom 6.8. kam ja gestern zuerst, und als ich las „…jetzt, wo ich aus diesem Gebiet heraus komme….“, war ich ganz verdutzt, und habe natürlich sehnlich auf die vorhergehenden Briefe gewartet, die mir Erklärung bringen sollten. Das ist ja nun auch größtenteils geschehen, weiß ich doch jetzt, dass du weiter nach Süden kommen sollst.
Dass Deine Kameraden nicht gerade erfreut sind, kann ich mir denken, denn jeder käme eben doch gerne aus diesem Gebiet heraus. Aber du hast ja nicht um diese Versetzung gebettelt, und so kann dir niemand einen Vorwurf machen, auch dein bisheriger Chef nicht, wenn er auch noch so wütend ist.
Nun will ich mal nach und nach die Briefe beantworten. Wie ich dir schon schrieb, ist ja Erna schon wieder abgefahren. Ich kann nur immer wieder sagen, dass es sehr schöne 14 Tage waren, die wir hier verlebt haben. Erna hat mir Verschiedenes von Leipzig erzählt, hat aber nie auf Papa geschimpft, wie es Papa, nach seinem letzten Brief wieder zu urteilen, wahrscheinlich annimmt. Ich habe feststellen können, dass Erna wirklich in keiner Weise übertreibt, denn was sie erzählt hat, stimmt mit meinen Erinnerungen an das Wesen von Papa vollständig zusammen. Erna hat doch ihren Schrank mit den Sachen von Siegfried verschlossen. Aber sie gibt immer wieder etwas davon zu dem täglichen Essen dazu, einmal Ölsardinen, einmal etwas Butter, die sich Siegfried selber abgespart hat, einmal etwas Käse, was sie eben so von Siegfried manchmal hat. Erna sagt, sie ist froh, dass sie immer mal so was extra hat, da kann sie Papa ins Geschäft immer belegte Brote mitgeben. Dass sie nun die Sachen nicht offen stehen lässt, nimmt ihr Papa übel. Er selber schließt aber auch seine sämtlichen Schränke zu, so dass Erna auch Wäsche usw. nicht versorgen kann, sondern ihm ebene so hinlegen muss. Das hat sie ihm auch gesagt.
Einmal war Erna einen Tag bei Siegfried. Als sie heim kam, sagte eine Bekannte, ob sie nicht mit in einen besonders guten Film gehen würde. Sie hat es gern getan und hat Papa Brot, Butter und eine Dose Ölsardinen hingestellt. Als sie heim kam, saß Papa bei einer Schüssel Eingebrocktem. Als sie ihn fragte,  warum er nicht die Ölsardinen genommen und sich Brot geschmiert hätte, meinte er, das sei er nicht gewöhnt,  dass er sich das alles selber machen müsste. Er wäre abends kaputt, da wolle er nicht erst noch mit den Sachen anfangen. Außerdem sei das Brot hart gewesen. Erna hat ihm dann gesagt, da hätte er ja schließlich die Rinde abschneiden können. Dann hat Papa zu Erna gesagt, Lotte hätte den Kopf geschüttelt, dass sie gleich wieder ins Kino gerannt sei.
In Leipzig kommt doch der kleine Steffen von nebenan immer zu Erna, wie er früher schon zu Mama gekommen ist. Als das Frl. Ludwig einmal da war, fragte sie, was er denn hier wolle. Erna sagte, dass er sie öfter besuchen würde. „Das könnte ich nicht vertragen, Kinder machen mich nervös“, meinte darauf Frl. L. Erna sagte: mich nicht“, darauf sagte Frl. L. erbost „gehen sie erst mal so lange ins Geschäft, wie ich.“ In dem Haus verstehen sich doch alle Leute gut, und es besteht eine gute Hausgemeinschaft. Als Frl. L. zu Pfingsten mit ihrer Mutter kam, ging gerade eine Frau die Treppe herunter. Frl. L. meinte „aha, da kommt wohl gleich wieder die ganze Hausgemeinschaft angerannt“. Dass sie sich damit keine Freunde schafft, kannst Du Dir denken.
Als der kleine Steffen wieder mal da war, fragte er Papa: „Was ist das für eine Frau?“ Papa sagte: „ Das ist die neue Oma“. Da ist er gleich davon gerannt und hat gesagt: „Das ist keine Oma, meine Oma ist tot. Die Frau mag ich nicht.
Sorge hat Papa scheinbar wegen der alten Frau. Ins Altersheim will sie nicht, darum hat das Frl. gleich die Bedingung gestellt, dass die Mutter mit hin kommt. Nun ist die alte Frau so, überall dabei sein, ja alles hören und sehen. Auf´s Sofa legt sie sich nicht, weil sie Angst hat, sie könnte darauf sterben, darum sitzt sie lieber. Also lauter solche Eigenheiten. Da hab ich ja auch meine Bedenke, ob das lange gut geht. Und gerade, da sie sich so pflegt, nichts schafft, auch nicht das Geringste, kann sie noch lange leben. Das sind so einige Kleinigkeiten, die mir Erna erzählte. Im Übrigen sagt sie, sie habe sich jetzt mit allem abgefunden. Hoffentlich klappt es mit der Wohnung. Erna fährt ja nicht gerade gern wieder nach Leipzig zurück, da wir ja, wie ich dir schon schrieb, mit dem kurzen Brief von Papa, in dem er gleich wieder annahm, wir hätten vergessen, ihm bei der Ankunft von Erna eine Karte zu schreiben, eine kalte Dusche bekommen haben. Aus den kurzen Worten „na, gleich“, merkte man seine Verärgerung. Nun kam ja inzwischen wieder ein langer Brief an mich, über den ich mich auch nicht gefreut habe. Papa ist immer so verbiestert und misstrauisch. Ich weiß tatsächlich nicht, was er hat. Wir legen ihm doch gar nichts in den Weg. Aber ich finde, das Frl. hat keinen guten Einfluss auf ihn. Während Mama früher immer beschwichtigte, hetzt die scheinbar noch auf. Na, mir soll es gleich sein. Ich habe ja an Papa gleich wieder geschrieben und sende den Durchschlag mit. Ich bitte Dich, schreib Du in der ganzen Angelegenheit gar nichts mehr. Ich glaube, Papa weiß jetzt selber nicht, was er will.
Dass Papa wegen dem Schrank geschrieben hat „Trotzdem die Unkosten einschließlich Fracht doch immerhin beträchtlich sind, will ich absehen, Euch hierfür irgendetwas zu berechnen“ finde ich nicht schön. Darum habe ich auch geschrieben, er soll mir die Kosten ruhig aufgeben. Das zahlen wir auch noch. Weißt Du, wenn man schon etwas schenkt, dann nicht mit den Worten. Diese Art kränkt doch direkt, oder empfindest Du das nicht so? Papa hat den Schrank bahnlagernd geschickt. Ich kann ihn aber doch nicht gut transportieren, wenn er so schwer ist, darum war ich heute auf der Bahn und habe bestellt, dass mir der Schrank bei Eintreffen geschickt wird. Das wird auch nicht die Welt kosten, und ich tue mir wenigstens keinen Schaden.
Der Brief, in dem die Urkunden waren, war vollkommen offen. Der Umschlag war an beiden Seiten kaputt gegangen. Das war schon einmal der Fall, wo mehrere Schreiben drin waren. Das hält der Umschlag scheinbar nicht aus. Ich war erstaunt, dass die Urkunden alle noch da waren. Es waren 3 Urkunden, ein Brief von Bernburg mit handschriftlichen Bemerkungen, der Verssetzungsbefehl und ein Brief von mir drin. Ich denke, dass nichts verloren ging. Wenn Du einen stärkeren Brief schickst, dann nimm bitte einen anderen Umschlag. Es wäre schade, wenn mal etwas verloren ginge.
Der Geburtstagsbrief für Helga mit dem Geld drin ist gestern auch angekommen. Ich hebe ihn noch auf. Den Durchschlag davon habe ich gelesen. Du hast wieder sehr lieb geschrieben. Helga wird sich bestimmt sehr freuen. Auf den Geburtstag freut sie sich ja heute schon.
Im Garten hat das schlechte Wetter keinen Schaden gemacht. Im Gegenteil, der Regen war so gut, dass alles prima gewachsen ist, und gießen hat man fast nie brauchen. Das tut einem wohl. Bloß so ein ganz gutes Bohnenjahr ist nicht, aber für uns langt es schon. Hoffentlich ist das Wetter für die übrige Ernte genauso gut gewesen, denn das ist ja für die ganze Ernährung wichtig. Vom Apfelbaum haben wir bis jetzt so etwa 70 Pfund Fallobst gehabt. Da mache ich immer Apfelmus davon, das wir früh auf´s Brot streichen. Zum Sterilisieren ist es noch nichts, da es noch ziemlich sauer ist. Damit warte ich noch eine Weile. Apfelringe will ich später auch machen. Die haben sich vom vorigen Jahr sehr gut gehalten.
Die Adresse von Kurt ist wieder Feldpostnummer 19655. Ich hatte gedacht, ich hätte dir schon seine andere Adresse mitgeteilt. Aber viel Zweck hätte es sowieso nicht gehabt, denn sie hat sich ja drei Mal geändert. Erst die Adresse von der Genesungskompanie, dann von seiner richtigen Kompanie, und dann bald darauf die Feldpostnummer. Bis du die Adresse gehabt hättest, wäre sie schon nicht mehr gültig gewesen.
Wie ich dir schon schrieb, haben wir ja den Geburtstag von Jörg auf dem Hohentwiel und hinterher im Cafe bei Torte und Eis verlebt. Das war ja sein Wunsch. Ausführlicher habe ich dir ja schon in einem anderen Brief davon geschrieben. Ich denke, dass er dir sicher nachgeschickt worden ist.
Päckchen hast Du auch wieder für uns fertig gemacht. Ich danke dir recht herzlich dafür und hoffe auch,  dass alles gut ankommt. Du schreibst, du weißt, dass wir nicht zu viel zuhause zu essen haben. Es kommt mir vor, als ob du dir in dieser Beziehung besonders in letzter Zeit Sorgen machen würdest. Dazu ist aber kein Grund vorhanden. Wir bekommen ja immer noch dieselben Rationen, wie vorher und kommen gut aus. Besonders, da wir ja noch den Garten haben. Wenn es mit dem Brot ein wenig knapp war, so bessert sich das ja jetzt auch, nachdem Helga 10 Jahre alt wird. Die Kartoffelversorgung mit neuen Kartoffeln hat hier bei uns dieses Jahr auch richtig geklappt, so dass wir bisher noch nie ohne Kartoffeln gewesen sind. Für alle Fälle hätten wir ja auch noch unsere eigenen. Aber die lasse ich gern noch ein Weilchen in der Erde. Übrigens wegen Schweinemist war ich heute auf der NSV. Ich bekomme ein Kubikmeter, sobald sie wieder Mist haben. Das putzige ist nämlich, dass sie fast keinen Mist haben, da die Nachfrage so groß ist. Einen Schein dafür habe ich nun heute bekommen. Der Kubikmeter kostet wieder 4 Mk.
Gestern und heute habe ich mich wieder an die Gartenarbeit gemacht. Es war ja wieder nötig. Gestern habe ich alles aufgelockert und die kleinen Wege gleich nochmal umgegraben, damit das Unkraut unter die Erde kommt. Überall haben wir das Unkraut entfernt (die Kinder haben dabei feste mitgeholfen), besonders bei den Kartoffeln war es arg. Aber jetzt sieht alles wieder ordentlich aus. Die 4 oberen reihen Erdbeeren habe ich heute ausgeputzt und umgegraben. Morgen wollte ich mir die unteren Reihen vornehmen, aber ich muss eine kleine Pause einschalten, und setze einmal einen Tag aus. Dafür schaffe ich erst wieder mal im Haus. Es wird schon alles noch fertig werden. Grünkohl habe ich gestern auch noch gesetzt.

                                                                                                                        14.8.42
Mein liebster Ernst!

Weg geschickt habe ich den Brief nicht, weil ich meine, es ist besser, ich warte deine neue Adresse ab, da bekommst Du den Brief vielleicht schneller, als wenn er erst umgeleitet werden müsste. Heute habe ich die Briefe vom 3., 7., 8., 9.8 und den Brief  für Vater bekommen, den ich ihm am Geburtstag geben werde.
Briefe hast Du ja nun auch wieder von mir bekommen, nachdem die Umleitung in Gang gekommen ist. Mit den anderen, die ich inzwischen wieder geschrieben habe, wird es ja wohl länger gedauert haben, nachdem du nun abermals einen Ortswechsel vorgenommen hast. Gut ist ja, wenn der Wittenburg schreibt, dass deine Versetzung nach dem Osten eigentlich nur infolge eines Irrtums zustande gekommen ist. Du musst es ja jetzt ausbaden. Aber du wirst dich auch in das hineinfinden, denn du bist ja nicht so, dass du ewig etwas nachtrauerst, was nun einmal sich nicht ändern lässt.
Du wirst sicher schon gewartet haben, dass dir Jörg von seinem Geburtstag schreibt. Er hat sich´s auch schon vorgenommen und ich denke, dass er morgen schreiben wird.
Er ist ja jetzt immer nicht mehr zu halten und rennt von morgens bis abends draußen herum. Als Erna noch da war und wir öfter fortgefahren sind, meinte er manchmal „nicht mal mehr spielen kann man, immer muss man fort.“ Aber nun nutzt er es aus, dass er raus kann. Etwa über eine Woche habe sie ja noch Ferien.
Für Helga ist der Geburtstagsbrief auch gekommen. Ich hab nachgesehen, ob das Geld noch da war. Es ist aber alles in Ordnung. Da wird sich Helga zum Geburtstag auch freuen, denn sie war schon ganz traurig, und nur im Hinblick auf ihren Geburtstag zu trösten, dass sie noch nicht so viel Geld wie Jörg auf der Sparkasse hat. Jörg sagt doch immer: „Oh, über 100.-Mk. habe ich schon, 117 Mk. sogar, gell, so viel Geld hast Du noch nicht auf einmal zusammen gehabt.“
Die Familienzusammenstellung, die wir von Onkel Kurt noch hier haben, habe ich dir abgeschrieben und schicke sie dir mit. Ich denke, dass du die meinst, denn eine andere habe ich nicht gefunden.
Wenn Helga den neuen Lehrer ¼ Jahr hat, werde ich einmal hin gehen, und mit ihm sprechen. Vorher hat es keinen Zweck, weil er die Kinder ja noch gar nicht kennt.
Du fragst mich, ob ich Resi wieder einmal getroffen habe. Die Begegnung habe ich dir doch genau beschrieben. Wir haben uns doch im Omnibus getroffen, als wir ins Kino gehen wollten. In den Farbfilm. Da haben wir dann nebeneinander gesessen.
Bis das Geld, was ich nach Frankreich geschickt hatte, an seinem Bestimmungsort ist, hat es aber gute Weile. Ich dachte, das sei schon lange erledigt, derweil liegt es immer noch auf der Zahlmeisterei. Na, Hauptsache, es wird noch alles erledigt.
Für das Geld, das du mir zu meinem Geburtstag schenken willst, danke ich dir sehr. Ich werde es mir überlegen, ob ich jetzt etwas brauche. Wenn nicht, dann spare ich es mit. Geld wird ja nicht schlecht.

                                                                                                                        15.8.

Vorhin bekam ich deinen lieben Brief vom 10.8., aus dem ich ersehen habe, dass es dir doch recht ist, wenn ich die Briefe weiterhin einstweilen an Deine alte Adresse schicke, da sie dir auf dem Kurierwege nachgesandt werden und du glaubst, dass es doch verhältnismäßig schnell gehen wird. Also schicke ich jetzt diesen Brief fort. Ich habe noch einige Photografien von Erna´s Aufenthalt hier. Die schicke ich aber erst dann weg, wenn ich deine neue Nummer weiß. Ich hoffe, dass dir das recht sein wird. Vielleicht hast Du sie dann auch bald. Dein Geburtstagsbrief für mich kam vorhin auch mit an. Ich habe ihn zur Seite gelegt und öffne ihn erst am Geburtstag. Nun lass mich schließen. Ich hoffe, dass dich der Brief bald erreicht und grüße und küsse Dich recht, recht herzlich, Deine Annie.

Brief 401 vom 11.8.1942


Mein liebster Ernst!                                       Konstanz, 11.8.42

Nun ist Erna abgereist. Es kommt uns doch ein bißchen einsam vor, nachdem es die 14 Tage ganz fröhlich war. Ich muss wirklich sagen, wir haben uns gut vertragen. Erna ist gar nicht so ruhig, wie Siegfried erst dachte. Er hat auch schon zu Erna gesagt, sie entpuppe sich erst. Aber ihm ist´s recht. Wir haben uns manchmal geneckt. Während ich sonst jetzt immer ziemlich ruhig bin, habe ich während der 14 Tage auch meinen Schnabel gewetzt. Gelacht haben wir auch ziemlich. Erna war es auch recht, denn sie freut sich auch nicht gerade auf die Heimkehr nach Leipzig. Gestern war es wie eine kalte Dusche für uns, als ein kurzer Brief von Papa kam. Er schreibt so kühl. Wir haben ihm doch gleich am ersten Tag eine Karte geschrieben, dann einen Brief, dann eine Karte vom Hohentwiel und von Bregenz. In seinem kurzen Brief vom 7.8., in dem er einige eingegangene Briefe an Erna sandte, schreibt er am Anfang: „Gestern endlich ein Zeichen von der Ankunft von Erna, denn eine Karte habe ich nicht vorher erhalten, werdet es vergessen haben, zu schreiben, na, gleich, also herzlichen Dank für Euren Brief…“
Klingt das nicht verärgert und kühl? Ich habe ihm aber gleich eine Karte geschrieben, dass wir sogar gleich am 1.Tag geschrieben hätten und es nicht etwa vergessen haben.
Erna hat mir Verschiedenes von daheim erzählt, ohne aber über Papa herzuziehen. Ich schreibe dir so nach und nach immer etwas. Jetzt will ich erst mal was von Jörg berichten. Ich weiß ja nicht, ob bei dir die Wirkung die gleiche ist, wie bei uns. Jörg bringt halt alles so trocken raus. Wir sprachen gestern davon, wie Jörg als ein paar Tage alter Kerl sich schon im Bett durch die Gitterstäbe hochgestemmt hat. Da fängt Jörg an: „ Hätte ich einen Hammer in der Hand gehabt, hätte ich das ganze Bett zerschlagen.“
Siegfried hat doch geschrieben, dass er etwas zum Schlecken schicken wollte. Heute Nachmittag ist nun eine Zigarrenkiste mit Karamellbonbons angekommen. Etwas haben wir gegessen, das andere hebe ich auf.
Morgen fange ich nun wieder mit der Gartenarbeit an. Notwendig ist es wieder. Ich nehme mir jeden Tag etwas vor, da werde ich auch fertig.
Nun laß mich wieder schließen. Ich grüße und küsse dich recht herzlich und denke immer an dich, Deine Annie.

Brief 400 vom 10.8.1942


Mein liebster Ernst!                                       Konstanz, 10.8.42

Heute war nun der letzte volle Tag von Erna´s Hiersein. Wir waren am Nachmittag noch in der Stadt und haben gleich die Fahrkarten besorgt. Hinterher haben wir noch Geld auf die Sparkasse geschafft, Jörg seine 29.- Mk., so dass er jetzt 117.- auf seinem Buch hat. Ich habe 25.- auf unser Buch getan und wir haben jetzt 337.-Mk. drauf. Wir wollten nochmal Eis kaufen gehen, aber der Laden hat für dieses Jahr geschlossen. So sind wir wieder heimgegangen. Die Kinder liegen jetzt im Bett und wir schreiben und hören dabei Radio. Nachher will Erna noch ein Buch fertig lesen, das sie begonnen hat. Mir ist es eigentlich leid, dass sie schon wieder wegfahren will, bzw. muss, denn ein paar Tage will sie noch bei ihrer Mutter bleiben und dann will sie heimfahren, damit sie wieder da ist, wenn die neuen Lebensmittelkarten  zum Ausgeben und anmelden sind. Papa als Blockleiter muss für 7 Häuser und 10 Parteien die Karten austragen, was ihm Erna abnimmt. Außerdem kommen ja am 1. die Leute von drei Häusern und bringen die Miete, die Erna dann zur Bank schafft. Das kann sie eben nicht alles hängen lassen. Jedenfalls waren es schöne 14 Tage, die wir verlebt haben. Erna dürfte öfter kommen und ich würde sie immer gern aufnehmen.
Wie oft haben wir von Dir und Siegfried gesprochen und immer hieß es, da müsstet ihr dabei sein. Wenn ihr hier wäret, wäre es nochmal so schön gewesen. Im Geist haben wir Euch überall dabei gehabt.
Nun mein lieber Ernst, lass mich schließen und sei recht herzlich gegrüßt und geküsst von Deiner Annie.

Brief 399 vom 9.8.1942


Mein liebster Ernst!                                       Konstanz, 9.8.42

Heute haben wir einen schönen, ruhigen Sonntag verlebt. Am Vormittag waren wir daheim und haben gekocht. Es gab zu Mittag Kartoffeln, Schweinefleisch, Soße, Kohlrabi und Apfelmus. Am Nachmittag sind wir auf dem Tabor gewesen, haben dann unseren üblichen Spaziergang hinter dem Tabor am Wald entlang gemacht und sind noch auf den Bismarckturm gegangen. Von da aus heim, wo wir Abendbrot gegessen haben. Bratkartoffeln mit reingeschnittener Wurst und Gurkensalat, hinterher noch ein Wurstbrot und dann Pudding. Vorhin haben wir gleich noch abgewaschen und sitzen nun beim Schreiben. Gerade kam die Sondermeldung von der Einnahme von Krasnodar.
Nun fährt ja Erna bald wieder weg. Es waren aber wirklich schöne Tage, die wir zusammen verlebt haben. Wir haben uns gut verstanden und Erna hat sich in alles so gut eingefügt, dass es gar keine Last war, Besuch zu haben. In diesen Ferien, die es ja auch für mich waren, sind wir ja viel herum gekommen. Wir hatten auch manchen Spaß. Abends geht Erna meist zuerst in´s Bett, während ich noch nach den Kindern sehe. Wenn ich dann in der Küche das Licht ausmache, geht es im selben Moment im Schlafzimmer an. Gestern hat Erna mir sogar gleich die Decke aufgeschlagen, als ich in´s Bett kam.
Wir haben wegen dieser Sachen schon viel gelacht und ich sagte schon, jetzt, wo ich sie soweit gezogen habe, dass sie pariert, fährt sie ab.
Wie Ihr Euch Illusionen macht über das, wohin Ihr am Abend gehen wollt, so machen wir es wegen dem Essen. Vor allem möchten wir allerhand Kuchen backen. Aber auch Aal, Hummer, Lachs, Rostbratwürste, Pfannkuchen, gebrannte Mandeln, Sahneeis usw. kommen im Gespräch vor. Wir sind aber schon zufrieden, wenn wir die Kochbücher ansehen, in denen diese Sachen abgebildet sind. Aber wir haben uns auch über manche Sachen der Wirtschaft unterhalten und sind fast immer gleicher Meinung gewesen. Erna ist ein verständiges Mädchen, bzw. Frau.
Nun ist der Bogen wieder zu Ende. Ich schreibe dir ja morgen auch wieder, da berichte ich dir dann wieder mehr. Für heute grüße und küsse ich dich wieder recht herzlich, Deine Annie.

Brief 398 vom 8.8.1942


Mein liebster Ernst!                                       Konstanz, 8.8.42

Heute waren wir nun noch in Überlingen. ½ 11 sind wir weggefahren und waren ¼ 1 dort. Wir haben uns die Stadt gründlich angesehen, ebenso den Stadtgarten. Es war auch diesmal wieder schön. Erna hat Überlingen von allen Städten am See, die sie gesehen hat, am besten gefallen. Nach dem Ansehen sind wir in unsere Konditorei gegangen und haben einmal Eis, ein Stück Zwetschgenkuchen und ein Eisbecher mit Nougat und Früchten gegessen. Du siehst, schlecht haben wir nicht gelebt. Wir sind hinterher noch ein bißchen herumgestiefelt und dann mit dem Dampfer ½ 5 heimgefahren. Der nächste Dampfer fährt erst gegen 9 Uhr, das wäre zu spät geworden. Wir hatten ja auch soweit alles gesehen.
Ehe wir heute Morgen wegfuhren, bin ich noch Einkaufen gefahren. Dabei traf ich den Briefträger, den ich gleich nach Briefen gefragt habe. Und wirklich habe ich drei Briefe von Dir erhalten. Ich war ganz glücklich, denn Briefe vor Dir, das ist das Schönste, was mir der Tag bringen kann. Es ist so lieb von Dir, dass du immer schreibst, wenn es möglich ist. Wenn Du auf der Fahrt einige Tage nicht schreiben konntest, so verstehe ich das natürlich vollkommen. Dafür ist der Brief vom 25./26.7. besonders lang. Die anderen zwei Briefe sind vom 28.7. und 2.8. Ich danke dir für alle immer wieder recht sehr. Von Eurer Fahrt und Eurer Unterkunft hast Du mir ja nun erzählt. Trostlos muss es ja dort sein und es ist ganz gut, wenn man sich ein paar Illusionen vorgaukelt. Vielleicht wird es dadurch ein wenig erträglicher. Wie gut haben wir es doch noch hier daheim. Wir haben unser Heim und zu essen haben wir auch. Wenn wir uns vielleicht auch etwas einschränken müssen, so haben wir uns doch daran gewöhnt. Es ist ja schließlich Krieg.
Im Übrigen merkt man eigentlich von Einschränkungen nicht so viel. Du solltest nur den Fremdenverkehr hier sehen. So viele Fremde hat es hier, man glaubt es nicht. Und von ärmlicher Kleidung sieht man auch nichts, sondern alle sind gut, ja sogar sehr gut gekleidet. Und wenn die Leute hungern müssten, würden sie auch nicht reisen. Also nein, so schlecht, wie es Euch vielleicht manchmal erzählt wird, geht es uns in der Heimat nicht. Wie es in den bombardierten Gegenden ist, weiß ich natürlich nicht, aber meist maulen ja die am meisten, die nichts zu erdulden haben.
Hoffentlich schafft Ihr es noch, dass Ihr Eure Unterkunft bis zum Winter wohnlich einrichten könnt, vor allem auch Fensterscheiben und Türen bekommt. Es wäre ja sonst schlimm, denn wenn es dort kalt wird, dann gleich richtig. Hoffentlich tritt die Kälte ziemlich spät ein, damit unsere Truppen noch vorwärts kommen.
Mit Wanzen hast Du dort also auch schon Bekanntschaft gemacht. Hoffentlich hast Du persönlich noch nichts mit diesen Viechern auszustehen. Darauf verzichtet man ja gern.
Ich habe heute daran gedacht, als wir so durch Überlingen gingen, wie schön es doch wäre, wenn du hier wärst. Auch bei den anderen Ausflügen ist es mir so gegangen. Wie schöne Fahrten haben wir doch vor dem Krieg gemacht. Wir haben heute auch darüber gesprochen. Die Fahrten um den See, oder die Fahrten mit dem Zelt in Wangen, Klausenhorn usw. Ach, der Erinnerungen sind ja so viele. Man denkt doch immer wieder gern daran.
Du lieber Ernst, laß mich heute wieder schließen. Wir wollen den Brief noch wegschaffen, sonst käme er erst morgen Nachmittag mit. Erna ist mit ihrem Brief an Siegfried schon fertig und wartet.
Ich wünsche Dir, daß Du immer gesund bleibst und denke stets an dich. Sei recht herzlich gegrüßt und geküsst von deiner Annie.

Brief 397 vom 7./ 8.8.1942


Mein liebster Ernst!                                                 Konstanz, 7.8.42

Heute war wieder ein besonderer Tag. Wir waren in Bregenz. Wir hatten es uns schon am Abend vorher vorgenommen. ¼ 6 Uhr sind wir aufgestanden und haben nach dem Wetter gesehen. Und welch Wunder, - der Himmel war vollkommen wolkenlos. Das war eine Freude. Wir haben uns schnell fertig gemacht und sind um 7 Uhr fortgegangen. Um 8 fuhr das Schiff. Wir hatten einen guten Platz und haben die Fahrt richtig genossen. Um 12 waren wir in Bregenz. Wir haben uns die Stadt angesehen und sind dann zur Pfänderbahn gegangen. Bis unser Wagen an die Reihe kam (es waren Nummern ausgegeben worden), verging etwas über eine Stunde. Dann ging die Fahrt los. Es war sehr schön. Auf dem Pfänder haben wir uns die herrliche Aussicht angesehen. ¼ 4 Uhr ging unser Wagen wieder zur Talstation, so dass wir noch gut unser Schiff, welches ¼ 5 fuhr, erwischten. Da hatten wir dann wieder eine herrliche Heimfahrt. Nach ¼ 9 waren wir daheim, d.h. am Hafen und gegen 9 Uhr in der Wohnung. Ich habe gleich noch was zum Essen gekocht und nach dem Essen sind die Kinder in´s Bett gegangen. Die Pfänderbahnfahrt war für uns alle ein Erlebnis. Wenn Du mal Urlaub bekommst, erzähl ich dir alles genau.
Als wir heim kamen, fand ich deine lieben Briefe vom 29., 31.7. und 1.8. vor. Ich habe mich sehr darüber gefreut. Sie sind gar nicht lange unterwegs gewesen. Die vorhergehenden Briefe fehlen ja noch. Ich habe bisher die bis zum 19. Laufend, dann den Brief vom 22 und 27.7. erhalten.

                                                                                                                        8.8.
Gestern Abend konnte ich vor Müdigkeit nicht weiter schreiben. Aber jetzt will ich deine Briefe beantworten. Wie ich aus allem ersehe, seid ihr ja jetzt an einen ganz elenden Ort gekommen. Mit der Sauberkeit ist es dort also auch nicht weit her. Bei uns kommt es einem schon schmutzig vor, wenn man mal 1 oder 2 Tage nicht zum Kehren oder Wischen kommt. Dort machen sie es ja bedeutend einfacher, mit Spaten und Unkrautbesen. Es ist aber wohl besser, wir bekehren uns nicht zu der dortigen Arbeitsweise, meinst Du nicht auch? Mit Betten wie in Frankreich ist es dort auch nichts und ihr seid schon froh, wenn ihr ein richtiges Heulager habt. Wenn man noch elastisch genug ist, diese Wechsel ohne großes Murren zu ertragen, dann geht es immer noch. Sonst macht man sich ja das Leben noch schwerer. Auch bei mir taucht immer wieder der Wunsch auf, dass du bald einmal auf Urlaub kommen möchtest, aber wenn ich dann daran denke, dass du von den anderen Kameraden geschrieben hast, dass sie teilweise 17 Monate nicht daheim waren, dann vergeht mir das Wünschen. Bis zu 17 Monaten dauert es ja noch eine ganze Weile. Durch Sperrholzplatten lässt es sich ja schlecht hindurch sehen, und bei der sparsamen Verwendung der Glasscheiben, kann ich mir die Finsternis bei Euch gut vorstellen. Noch dazu, wenn Bäume um´s Haus stehen. Einen davon ahbt ihr ja nun gefällt, wenn auch nicht auf ganz vorschriftsmäßige Weise. Aber wenn nur der Zweck erreicht war.
Haben sie dir denn von der Einheit geschrieben, dass sie das Geld, das ich ihnen geschickt hatte, weitergeleitet haben? Und hast du noch Radioröhren besorgen lassen können? Die Luftpostmarken verwende ich bald wieder. Ich hatte ja noch eine da. Aber eine will ich immer Reserve haben, wenn mal was Eiliges zu schreiben ist.
Von Siegfried erhielt Erna gestern einen Brief, dass sie in Singen ausgeladen haben. Er wäre gern mit nach Konstanz gekommen, aber sie hatten nicht lange Aufenthalt. Das ist doch auch Pech, so nahe und man kann sich doch nicht sehen.
Nun, lieber Ernst, muß ich wieder schließen. Es geht bei uns jetzt alles ein bißchen im Tempo. Wir wollen noch nach Überlingen. Morgen, am Sonntag, ist zu viel Betrieb. Da wollen wir nur auf den Tabor gehen. Am Montag holt sich Erna die Fahrkarte und ich gehe einkaufen und am Dienstagmittag fährt sie fort. Da gehen wir ja nicht mehr so oft fort, denn mein Bedarf für diesen Sommer ist ja gedeckt. Ich freue mich auch wieder auf etwas Ruhe, d.h. Ruhe ist es ja nicht, weil ich viel im Garten zu tun habe. Aber du weißt schon, wie ich es meine. Es ist nicht mehr da viele Herumlaufen. Da soll aber nicht heißen, dass mich diese Tage nicht gefreut hätten.
Nun mein liebster Ernst, schicke ich dir nochmal recht herzliche Grüße und Küsse Deine Annie.

Brief 396 vom 6.8.1942


Mein liebster Ernst!                                       Konstanz, 6.8.42

Viel habe ich heute nicht zu berichten. Einen Brief habe ich auch heute nicht bekommen. Heute Nachmittag waren wir im Kino. Wir haben uns „Das große Spiel“ angesehen. Die Kinder waren ja schon mal drin, aber sie wollten es auch gern nochmal sehen. Vorher gab es einen Vorfilm über Seeadler, der sehr interessant war. Eis essen waren wir auch noch. Außerdem waren wir im Verkehrsamt und haben uns wegen der Fahrt von Erna nach Rehau erkundigt. Sie muss bis Friedrichshafen mit dem Schiff fahren und von dort über Nürnberg weiter. Mittags 1:45 Uhr fährt sie weg und ist früh 5 Uhr in Rehau. Leider hat sie nochmal einige Stunden Aufenthalt. Am Dienstag wird sie voraussichtlich fahren. Wir haben uns vorgenommen, morgen nach Bregenz zu fahren. Ob es wegen des Wetters was wird, ist noch nicht sicher. Schön wäre es ja schon. Nach Überlingen wollen wir auch nochmal, aber auf den Haldenhof geh ich nicht. Ein Plätzchen will ich auch noch haben, wo wir mit dir allein waren, und wo wir auch nur mit dir wieder hin gehen.
Zeitungen habe ich heute wieder besorgt und schicke sie morgen mit weg. Jetzt wirst Du sie wahrscheinlich noch später erhalten, als bisher.
Denkst Du nicht, dass wir sehr vergnügungssüchtig geworden sind, wo wir so viel herum fahren? Das hört ja nun bald wieder auf und dann schaffe ich wieder fleißig.
Doch nun gute Nacht, mein liebster, bester Mann. Wach ganz gesund wieder auf. Sei recht herzlich gegrüßt und geküsst von Deiner Annie.

Brief 395 vom 5.8.1942


Mein liebster Ernst!                                       Konstanz, 5.8.42

Wir sind heute einmal zuhause geblieben, vor allem auch wegen dem Wetter. Es regnet heute den ganzen Tag. Einmal ist es ganz gut, da habe ich mal wieder richtig aufräumen und auch im Garten nach dem Wichtigsten sehen können. Viel tun konnte ich ja im Regen nicht. Kohlrabi haben wir dieses Jahr im Garten ganz große und zarte. Das macht auch der Regen mit. Ebenso ist es mit den Gurken. Tomaten ernten wir auch schon fast jeden Tag. Zu kaufen brauche ich also nichts, denn Bohnen und Möhren haben wir ja auch, und das Kraut wird bald soweit sein.
Ich hatte leider schon gestern Abend und auch heute noch ziemliches Kopfweh. Das kommt auch davon, dass wir jetzt öfter fortgehen und fahren. Das bin ich nicht gewöhnt. Darum strengt es mich etwas an. Auch deshalb bin ich um den heutigen Ruhetag froh. Helga liegt heute ein bißchen auf dem Sofa und aalt sich, denn sie war auch ein wenig überanstrengt. Jörg macht es ja nichts aus. Er ist so munter und übermütig, wie immer. Vorhin haben wir alle gerade „Mensch ärger Dich nicht“ gespielt. Jörg hat sich zwar doch geärgert, weil es so aussah, als sollte er verlieren. Wie froh war er am Schluss, als mich dieses Los traf.
Von Dir kam heute das Päckchen Nr.22 mit Zigarren. Nun habe ich außer dem Päckchen Nr.17 alle laufend bis Nr. 25, bzw. 26 (da 2x Nr.25 ankam.) Von Siegfried kam ein Brief an Jörg mit 5.- Mk. er will noch ein Päckchen mit Bonbons fertig machen. Hoffentlich kommt es gut an. Einige Tage wird es ja wohl noch dauern. Aber die Kinder freuen sich schon sehr darauf. Bonbons können sie ja nie genug haben. Aber ich teile sie ihnen ein, wie es Siegfried auch geschrieben hat.
Nun lass mich schließen. Heute bringen wir die Briefe schon zeitiger fort, denn wir wollen heute Abend bald schlafen gehen. Die vergangenen Tage, wo Vater hier war, ist es jedes Mal so ½ 12 geworden.
Ich grüße und küsse Dich wieder recht herzlich und denke stets an Dich Deine Annie.

Brief 394 vom 4.8.1942


Mein liebster Ernst!                                       Konstanz, 4.8.42

Du siehst ja gleich am Datum, welch wichtiger Tag heute war, bzw. auch noch ist. Jörgs Geburtstag. Er ist gefeiert worden, wie nur ein Geburtstag gefeiert werden kann. Davon will ich Dir erzählen.
Am Morgen wache ich so gegen ½ 7 auf und schaue nach dem Wetter. Ich war ganz verdutzt. Gestern bis spät in die Nacht hinein Regen und heute schöner klarer Himmel, etwas abgekühlt, nicht mehr so drückend, wie gestern. Mit einem Wort: Wunderschönes Wetter, um auf den Hohentwiel zu gehen, was sich Jörg ja gewünscht hatte. Zuerst kam aber der Geburtstag an die Reihe. Wir haben uns alle schnell fertig gemacht, dann haben wir gratuliert und Jörg in die Stube geführt. Er war aber doch verdutzt und ganz, ganz begeistert über die vielen Geschenke, von denen ich dir ja gestern schon berichtete. Falls du den Brief noch nicht erhalten haben solltest, will ich sie dir nochmal aufzählen:
Von Dir 13.-Mk. und eine Hose sowie deinen Brief.
Von Helga 1 Priemel-Stock
Von Erna 1 Strauß Gladiolen, 1 Straß Nelken, 5.-Mk.
Von Papa 1 Buch „Englands Verbrechen an U 41“ und 1 Brief
Von Vater 5.-Mk. und heute will er noch Bonbons bringen. (das konnte ich gestern noch nicht aufführen, weil er sie erst vor dem Weggehen gestern Abend gab.)
Von Frau Diez 1 Paar Kniestrümpfe
Von mir 1 Buch „Gesundheitsfibel“, 2 Reiter, 1 Holzboot, Griffel, 1 Modellierbogen, Pralinen.
Nachdem das gratulieren vorbei war, haben wir Frühstück, Streuselkuchen, gegessen. Hinterher bin ich schnell einkaufen gefahren. Nachdem haben wir noch einige Brote fertig gemacht und sind ¼ 11 nach Singen gefahren. Es war so schön, auf den Hohentwiel zu steigen, nicht zu heiß, etwas windig. Es waren auch fast noch keine Leute oben, so dass wir uns alles in Ruhe besehen und überall rumkriechen konnten, was wir auch redlich getan haben. Es gibt wohl keinen Gang, kein Gewölbe, wo wir nicht gewesen sind. Wir haben sogar einige neue Gänge unter der Erde entdeckt, die wir noch nicht gesehen hatten. Aus einigen sind wir mit ziemlich verschmierten Schuhen heraus gekommen, aber fein war´s. Du, wenn Du mal wieder Urlaub hast, und wenn nicht gerade Winter ist, ginge ich gerne nochmal mit Dir hin. Die Aussicht ist dort oben ja einfach herrlich. So gegen 4 waren wir wieder in Singen unten. Da hatte Erna unserem Lauser schon versprochen, dass wir noch ins Cafe gehen wollten. Erst waren wir im Cafe Graf, wo wir ein Stück Torte gegessen haben. Eis gab´s da keins, und mehr als ein Stück Torte bekommt man ja nicht mehr in den Cafes. Also sind wir bald wieder aufgebrochen. Wir haben aber noch nach einem anderen Cafe Ausschau gehalten. Auf dem Weg sah ich in einen Laden, dass sie Schiefertafeln mit den neuen Linien hatten. Wegen so einer Tafel bin ich schon so oft in Konstanz vergeblich rumgelaufen. Jörg hat doch seine halb zerschlagen. Also sind wir reingegangen. Erna ha sich eine Tasche für ihre Kennkarte gekauft, und hat auch Jörg noch die Tafel geschenkt. Nahe beim Bahnhof haben wir noch ein anderes Cafe gesehen. Wir sind hinein und haben nochmals je ein Stück Torte und je zwei Eis gegessen. Den Jubel der Kinder kannst Du dir vorstellen. 5 Uhr 16 Min. sind wir dann mit dem Zug heimgefahren. Wir haben noch gegessen und haben die Kinder bald in´s Bett gesteckt, denn sie waren sehr müd.
Gerade ist Vater gekommen, es ist um 9 Uhr, und hat für Jörg noch Karamellbonbons gebracht, über die sich Jörg morgen bestimmt freuen wird.
Als wir heim kamen, lag auf dem Briefkasten Dein Päckchen Nr.21 mit Bonbons. Da haben wir uns sehr gefreut. Die Bonbons in der Tüte haben wir gegessen, da sie sehr weich waren, aber die Malzbonbons haben wir noch aufgehoben.
Bei der Fahrt heute haben wir uns eigentlich die Kosten so ziemlich geteilt. Ich habe die Fahrt bezahlt und Erna die Torten und Eis. Ich wollte da auch was bezahlen, aber sie hat es nicht gewollt.
Siegfried hat wieder eine neue Adresse: Unteroffizier Siegfried Michel, Lkz. 2675, über Arbeitsstab, Berlin S.W.11, Saarlandstr 48. Er hat es gerade gestern geschrieben.
Vater sagt gerade, ich soll dir auch noch viele Grüße bestellen.
Nun lass mich wieder schließen. Ich hoffe ganz fest, dass es dir gut geht, das ist doch mein großer Wunsch. Und viele, viele herzliche Grüße und Küsse sende ich Dir Deine Annie.

Brief 393 vom 3.8.1942


Mein liebster Ernst!                                       Konstanz, 3.8.42

Zwei Briefe habe ich heute vor dir erhalten, vom 19. Und 27.7. Letzterer kam mit Luftpost. Ich danke dir sehr dafür. Beim Schreiben des ersten Briefes seid ihr ja noch unterwegs gewesen und habt allerlei erlebt. Inzwischen erhielt ich den Brief, wo ihr gelandet seid und nach dem Brief vom 27. Baut ihr dort fest auf. Nötig wird es ja bestimmt sein, nachdem fast alles kaputt ist. Dort machen sich also auch die Partisanen bemerkbar.
Am besten ist es ja, man macht sie unschädlich, sie sind ja so heimtückisch. Wenn man sie nur alle fassen könnte.
3 Päckchen bzw. 4 kamen heute auch an. Nr. 20, 23 und zum zweiten Mal eine Nr.25 mit Brot und Zigarren, dazu ein Päckchen ohne Nummer mit Briefen. Jetzt habe ich bis 16 alle erhalten. Nr.17 (wahrscheinlich mit der Schokolade für Jörg) fehlt noch. Dann habe ich 18, 19, 20, 23, 24, 25 und 25 bekommen.
Ich war heute nochmal mit Erna in der Stadt. Für Jörg habe ich von Deinem Geld noch eine Hose bekommen. Das restliche Geld, 13.-Mk., habe ich mit auf den Geburtstagstisch gelegt. Für Helga´s Geburtstag hat Erna jetzt schon eine schöne Schürze gekauft, die noch bestickt werden muss. Nun will ich Dir noch den Geburtstagstisch beschreiben. Jörg wird ja wie im Frieden beschenkt.
Von Helga erhält er einen Stock Primeln, von Erna einen Strauß Gladiolen und Nelken, sowie 5 .-Mk. Von Frau Diez kamen ein Paar Kniestrümpfe an, Papa schickte durch Erna ein Buch, „England´s Verbrechen 1941“. Vielleicht wird er noch ein bißchen zu klein dazu sein, aber man kann es ja aufheben. Dazu noch ein Brief. Von Dir erhält er ja einen Brief, ein Paar Hosen, 13.-Mk., von mir 1 kleines Holzschiff, 2 Reiter, 1 kleines Buch „Gesundheitsfibel“, 1 Läufer, Modellierbogen, Griffel, Pralinen. Was sagst Du nun? Ist das nicht reichlich?
Dazu habe ich noch einen Streuselkuchen gebacken. Da es heute regnet und wahrscheinlich auch morgen noch nicht schön sein wird, so dass wir nicht nach dem Hohentwiel können, wollen wir in´s Kino und hinterher Eis und Torte essen gehen. Erna hat uns dazu eingeladen. Bei schönem Wetter gehen wir natürlich auf den Hohentwiel, das ist ja klar. Jörg ist schon voller Spannung wegen morgen. Um 6 will er schon aufstehen, das hat er schon angekündigt.
Erna sagte mir heute gerade, dass Papa den Wäscheschrank von Mama bald an mich auf den Weg bringen will. Er fragte mich doch beim Begräbnis, welchen Schrank ich später einmal haben wollte, und ich bezeichnete den von Mama, da an ihm viele Erinnerungen hängen. Da die Frau nun ins Haus kommt, fällt mir der Schrank jetzt schon zu. Gut brauchen kann ich ihn ja, nur muss ich mir erst einen geeigneten Platz dafür aussuchen. Aber erst muss er mal da sein. Lassen tue ich ihn der Frau ja nicht, wenn ich ihn bekommen kann.
Gestern konnte ich dir den Durchschlag des Briefes an Papa nicht mitschicken, weil ich damit bis ½ 5 nicht fertig war. Heute hole ich das nach.
Gegen 6 Uhr hatte es sich gestern aufgeheitert und wir sind noch auf den Tabor gegangen. Plötzlich zog wieder ein Gewitter heran und es fing an zu gießen. Glücklicherweise waren wir schon wieder im Wald, wo wir fast gar nicht nass wurden. Wir haben unter den Bäumen den Regen abgewartet und sind dann heimgegangen. Schön war der Spaziergang doch und wir hatten auf dem Tabor eine herrliche Aussicht.
Nun lass mich wieder  schließen. Ich denke immer an Dich und hoffe ganz fest, dass du gesund bleibst. Ich grüße und küsse dich recht herzlich Deine Annie.

Brief 392 vom 02.08.1942


Mein liebster Ernst!                                       Konstanz, 2.8.42

Ein Brief ist heute nicht angekommen, dafür das Päckchen Nr. 24 mit den Brisago für Vater. Ich hebe sie wieder auf.
Eigentlich wollten wir jetzt, wo ich schreibe, spazieren gehen und zwar auf dem Tabor. Es wird aber vorläufig nichts damit, denn es donnert und blitzt schon wieder. Erst hatten wir überhaupt die Absicht, wieder baden zu gehen, aber Erna ist von gestern ein bißchen verbrannt, da fürchtet sie die Sonne. Wir sind ja nicht mehr so empfindsam, da wir schon braune Farbe haben. Das schwimmen hat mir ja gestern besonders gut gefallen. Das ist immer wieder fein.
Wie gut ist es, dass wir vorhin nicht fort gegangen sind. Das Gewitter ist ganz schnell gekommen, und jetzt gießt es, was nur vom Himmel herunter will. Das ist dann mollig, wenn man im Trockenen sitzt.
Erna schreibt gerade an Siegfried und wir dann wollen beide noch an Papa schreiben, damit er auch zufrieden ist. Bisher hat er nur eine Karte bekommen, dass Erna gut angekommen ist. Das Fräulein wohnt während der Zeit von Ernas Abwesenheit nun doch nicht mit ihrer Mutter bei Papa, weil die alte Frau nicht will. In Mockau draußen könnte ihre Tochter mittags nicht nach ihr sehen.
Bei Siegfried und Erna ist es jetzt so, dass sie wahrscheinlich die Kücheneinrichtung und die Betten von Papa bekommen, da sie sonst eben verkauft werden müssten, da das Fräulein selber ihre Einrichtung mitbringt. Nur eine Stubeneinrichtung wollen sie sich selber kaufen. Mit der Wohnung hat es bis jetzt noch nicht geklappt, doch ist ihnen vom Bauverein versprochen worden, dass sie eine Kleinstwohnung bekommen, wenn eine frei wird. Zwar wäre evtl. ein Hausmannsposten damit verbunden, aber einstweilen wäre es ja die Hauptsache, dass sie eine Wohnung hätten.
Wir können jetzt wieder fast jeden Tag Falläpfel aus dem Garten holen und Apfelmus kochen, das wir dann auf´s Brot nehmen. Sterilisieren tue ich erst welches, wenn die Äpfel noch etwas süßer sind. Tomaten haben wir gestern auch wieder über ein Pfund aus dem Garten geholt. Das Weißkraut hat auch schon ziemliche Köpfe. Es wächst dieses Jahr eigentlich alles ziemlich gut. Diese Woche feiere ich ja noch, aber dann muss ich bald wieder im Garten schaffen und auch Bohnen einmachen. Aber ich werde schon alles nachholen.
Nun bin ich mit meiner Weisheit (wie du manchmal sagst) zu Ende und will deshalb schließen. Viel Wichtiges steht ja heute nicht im Brief, aber manchmal weiß man auch gar nichts Richtiges. Ich grüße und küsse Dich für heute wieder recht herzlich Deine Annie.

Brief 391 vom 01.08.1942


Mein liebster Ernst!                                                       Konstanz, 1.8.42

Nun bist du an einem neuen Ort, wie ich aus deinem lieben Brief vom 22.7. entnehme. Ein erhebender Ort scheint es ja nach Deiner Schilderung nicht zu sein. Da wird auch die Unterkunft noch schlechter geworden sein und ihr werdet Euch erst nach und nach etwas herrichten müssen.
Wo es dort so schlecht ist, kommt es mir gar nicht recht vor, dass wir es hier so gut haben, besonders jetzt, wo wir Ferien machen. Wir merken doch fast gar nichts vom Krieg.
Heute waren wir beim Baden draußen beim Wasserwerk. Es hat besonders Erna gut gefallen, die ja zum ersten Mal im See gebadet hat. Es waren gar nicht viele Leute da, was ihr besonders im Gegensatz zu den Leipziger Bädern gefallen hat. Unsere zwei Lauser waren wieder kaum aus dem Wasser zu bringen.
Jörg zählt die Tage bis zu seinem Geburtstag. Er hat sich gewünscht, dass wir an diesem Tag auf den Hohentwiel gehen. Wenn es mit dem Wetter geht, wollen wir ihm auch diesen Wunsch erfüllen. Wir backen zu diesem Ehrentag einen Hefestreuselkuchen, weil es ja kein Backpulver mehr gibt. Ich denke, es wird auch schmecken. Am Abend, wenn wir heim kommen, gibt es noch Pudding.  Das ist doch im Krieg noch ein sehr schöner Geburtstag, nicht wahr?
Siegfried hatte gehofft, dass sie vielleicht in der Nähe ausladen, damit er hier mit vorbei kommen könnte, aber bis jetzt hat es nicht geklappt. Sie haben in Trier ausgeladen, gerade an dem Abend, als die Engländer in Saarbrücken bombardiert haben. Sie haben scheinbar ziemlich gehaust, und das Gautheater ist auch zerstört. Aber das wird den Engländern nicht vergessen werden.
Nun laß mich wieder schließen. Bleib auch weiterhin gesund und denke an uns. Ich grüße und küsse Dich recht herzlich Deine Annie.
Ich bin auch immer mit meinen Gedanken bei dir, du mein lieber, guter, guter Ernst.

Brief 390 vom 31.7.1942


Mein liebster Ernst!                                                       Konstanz, 31.7.42

Heute erhielt ich gleich 4 Päckchen, Nr.15,16,18 und 25 mit Brot, 1 Dose Fisch, 1 Dose Fleisch, Schokolade und Bonbons. Ich danke dir für alles sehr. Wir haben uns recht gefreut. Jeden Tag sitzen jetzt Erna und ich zusammen und jede schreibt an ihren lieben Mann. Siegfried hatte schon zu Erna gesagt, sie solle sich von mir anstecken lassen und viel schreiben. Das wird aber auch besorgt. Wir erleben ja auch jeden Tag nun Sachen, denn das immerwährende Gleichmaß ist ja unterbrochen. Wir machen ja auch Ferien. Heute waren wir in der Stadt. Erst hat uns Erna im Cafe Adler zu einem Stück Kuchen, und dann im Cafe Müller in der Wilhelmstraße zu einem Eis eingeladen. Die Kinder waren sehr froh darüber. Zu morgen hat sie ihnen ein Eis aus der Eisdiele versprochen, denn sie wollen morgen mal allein in die Stadt gehen und evtl. noch was für mich einkaufen. Dazu hat ihnen Erna schon je 1,50Mk. geschenkt. Ich habe ja verschiedenes zu besorgen und kann sowieso nicht gut mit.
Aus dem Garten haben wir gestern und heute die roten Tomaten und Gurken geholt. Gestern gab es Kohlrabi und Möhren, morgen holen wir Bohnen. Zu kaufen brauche ich an Gemüse so gut wie nichts. Das freut mich immer wieder.
Unser Jörg ist ein richtiger Lausebengel geworden. Nie ist er um Antwort verlegen. Dabei überlegt er alles ganz genau. Da hat er seinen Bauernhof aufgebaut und sagt:
„Jede Henne hat jetzt ein Kind, bloß der Hahn nicht. Der braucht auch keins und kriegt auch keins. Ich kriege ja schließlich auch keine Kinder.“
Jetzt essen die Kinder immer von den Äpfeln, die runter fallen. Ich wollte gestern auch mal probieren. Mit hat´s den ganzen Mund zusammen gezogen, Erna ebenfalls. Ich sage zum Jörg: „Die sind ja ganz sauer!“ „Was“, sagt er „sauer? Saftig sind die und gut!“
Als die Kinder auf der Reichenau ohne Anzug badeten, sagte Jörg:
“ Ich brauche mich doch nicht schämen, schließlich sehen ja alle Menschen gleich aus.“
Solche Aussprüche tut er jetzt immer. Man vergisst sie nur immer wieder.
Ich hoffe, dass es dir gut geht und dass du gesund bist. Ich weiß ja nicht, wo du jetzt bist und ob ich bald Nachricht bekomme, ist auch nicht bestimmt. Jedenfalls denke ich immer mit viel Liebe an dich. Ich grüße und küsse dich recht herzlich Deine Annie.