Mittwoch, 24. Mai 2017

Brief 333 vom 24.5.1942


Mein liebster Ernst!                                                   Konstanz, 24.5.42

Deinen lieben Brief vom 11.5. habe ich heute erhalten. Nun hast Du also ein festes Arbeitsgebiet bekommen. Wenn auch deine Tüchtigkeit für mich keiner Bestätigung bedarf, so habe ich doch eine große Freude an dem Lob des Oberinspektors und des Oberst und bin stolz auf dich, dass du die Aufgaben meisterst.
Du schreibst, dass es bei Euch nicht warm werden will. Nun hörte ich gestern im Radio, daß bei Charkow bis zu 30 Grad Wärme herrscht. Ist das jetzt bei Euch auch der Fall?
Den Brief an Kurt hebe ich auf, bis ich seine neue Adresse weiß, oder bis er her kommt.
Schönes Pfingstwetter herrscht bei uns nicht, es regnet. Aber ich bekam heute noch ein Zeitungspaket von Papa. Da habe ich ja zu lesen. Die zwei Bücher „Bodenseebuch“ und „Krieg im Westen“ von dir lagen auch bei. Von Erna, bzw. Erna und Siegfried, kam ein Buch an „Luftwaffe von Sieg zu Sieg“ mit einer Widmung „Unseren Lieben gewidmet Erna und Siegfried“. Eine Karte lag bei, in der Erna schreibt: “…dass ich noch nicht geschrieben habe, wirst du, glaube ich, verstehen. Nach den Feiertagen bekommst du dann einen ausführlichen Brief…“ Und darauf warte ich jetzt wirklich. Ich möchte gern wissen, was sie zu schreiben hat. Und damit komme ich nochmals auf die Heiratsgeschichte. Du hast ja sicher inzwischen Papa´s Brief und meine Antwort erhalten. Da wirst du ja gesehen haben, dass ich auf manches in Papas Brief nicht eingegangen bin. Und mit Absicht, denn es führt zu nichts und ich ärgere mich nur noch mehr. Aber mit dir möchte ich deshalb doch noch einmal davon reden. Hast Du eigentlich gefunden, dass mein vorhergehender Brief beleidigend gewesen ist? Hast Du gemerkt, dass er erst schreibt, er sei mit Siegfried überein gekommen, bis Ende des Krieges mit der Heirat zu warten (so schrieb mir auch Siegfried, Papa schreibt ja jetzt „evtl.“), und hinterher gleich schreibt er vom heiraten im Oktober oder November? Hast Du gemerkt, dass er schreibt, er hätte nicht an´s heiraten gedacht, wenn nicht alles anders gekommen wäre, als er dachte, denn Erna würde seit 1 – 2 Monaten nicht mehr so für ihn sorgen? Aber vom heiraten war ja schon vorher die Rede. Ich kann Erna einesteils auch verstehen, denn wenn man sieht, man wird so langsam zur Seite gedrückt, hat man auch zu nichts mehr die rechte Lust. Ich bin sicher, dass Papa auch mit daran schuld ist. Dann schreibt Papa, wie es uns passen würde, wenn man uns von vor herein verdammen würde, das würde uns auch weh tun. Ich glaube, daran hat es uns, vor allem auch dir, von seiner Seite aus nicht gefehlt. Was hat er dir alles vorgeworfen, trotzdem er dich noch gar nicht richtig kannte. Ich bin auf alle diese Sachen nicht eingegangen, weil ich, wenn es geht, einen offenen Bruch vermeiden will. Es gäbe doch ein ewiges hin und her und ich bin der ganzen Sache müde. Es ist jetzt wieder etwas besser, aber in letzter Zeit hatte ich jedes Mal, wenn so ein Brief kam, so Kopfweh, dass ich keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Ich werde ja nun sehen, was Papa schreibt. Sollte er mir wieder Vorwürfe machen, wo ich doch bestimmt friedfertig geschrieben habe, dann ist meine Geduld auch zu Ende. Solltest Du noch etwas schreiben wollen, so ist mir das, was du schreibst, natürlich jederzeit recht, denn ich gehöre zu dir. Im Allgemeinen bin ich der Meinung, dass das ganze reden gar keinen Zweck bei dieser Sache hat. Doch nun genug davon.
Dein erstes Päckchen mit Dauerbrot ist heute früh auch gut angekommen. Ich danke dir sehr dafür.
Von den Illustrierten Zeitungen, die Papa geschickt hat, sende ich dir auch einige hin. Wenn sie auch nicht ganz neu sind, interessieren werden sie dich vielleicht doch noch und vielleicht auch noch deine Kameraden.
Nun lass mich schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküsst von Deiner Annie.


Brief 332 vom 23.5.1942


Mein liebster Ernst!                                                   Konstanz, 23.5.42

Sehr spät fange ich heute zu schreiben an. Es ist bereits 10 Uhr durch. Aber schreiben muss ich noch, denn wir haben heute allerlei erlebt. Ganz verschwenderisch sind wir gewesen, so, wie lange nicht. Wir haben schon vorher Pfingsten gefeiert. Erst waren wir im Film „Zwei in einer großen Stadt“. Es war ein harmloser, lustiger Film, der uns gut gefallen hat. Auf dem Heimweg sind wir noch in ein Cafe gegangen, zum ersten Mal ohne dich, und haben ein Stück Torte und ein Eis gegessen. Bist Du da nicht erstaunt? Ich denke aber, du wirst uns nicht böse deshalb sein, denn wir werden über die Feiertage ja nichts mehr verbrauchen. Die Kinder waren ganz begeistert, dass wir einmal eingekehrt sind. Gleich kommt es ja nicht mehr vor.
Eine Unterlassungssünde muss ich dir noch beichten. Ich habe dir auch zum Pfingstfest keine Grüße gesandt. Beim Osterfest hast du mir ja noch verziehen, ob du es aber jetzt auch tust? Verlangen kann ich es eigentlich nicht, denn ich kann gar nicht versprechen, dass es nicht wieder geschieht. Ich vergesse jetzt alle Feiertage, erst wenn sie da sind, denke ich daran. Das kommt auch daher, weil ich mich nicht darauf freue. Da kann man nicht so schaffen, wie sonst, und da habe ich doppelt und dreifach Sehnsucht nach dir.
Heute Abend ist Vater hier. Er brachte uns ein halbes Pfund Pralinen mit, die wir uns teilen sollten. Jetzt liest er gerade die Zeitung von heute, die ich dir mitschicken will. Vielleicht interessiert sie dich ein wenig.
Heute schickte mir Papa den Durchschlag des Briefes an Dich. Da war ja für mich sehr interessant, zu lesen, dass es der Vater von Alice war, der im vergangenen Jahr an Mama geschrieben hat. Zwischen Papa und Alice kommt es also auch zum Bruch. Ich kann Alice einesteils verstehen, wenn sie Papa die Adresse nicht geben will. Denn wer weiß, was er evtl. schreiben würde, und sie ist vielleicht froh, mit ihm in Briefwechsel gekommen zu sein. Ich habe die Adresse des Mannes ja noch. Aber daran denkt Papa sicher nicht.
Heute früh brachte mir Jörg einen großen Wiesenstrauß. Ich habe ihn teilen und in zwei Vasen tun müssen. Wir haben jetzt alles voll Blumen stehen, aber besonders Jörg ist ja ein großer Freund davon. Er hat schon gesagt, wenn er mal groß ist, pflanzt er sich viele Blumen an.
Nun laß mich schließen. Vater nimmt den Brief gleich noch mit. Er geht dann sicher bald heim, denn es ist bereits ¾ 12 Uhr.
Nimm recht viele Grüße und herzliche Küsse von Deiner Annie.

Montag, 22. Mai 2017

Brief 331 vom 22.5.1942


Liebster, bester Ernst!                                       Konstanz, 22.5.42

Ich habe heute eine große Überraschung erlebt. Da kommt der Briefträger und gibt mir nach und nach 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7 Briefe in die Hand. 6 für mich und einer für die Kinder. Ich habe es gar nicht glauben können, dass alle für mich sind. Es sind die Briefe vom 7., 8., 9., 12., 13. und 14. Da hatte ich viel zu lesen und viel Freude. Wie schon oft, bin ich immer wieder froh, dass du mir deine Erlebnisse berichtest. Ich bekomme doch dadurch ein wenig einen Begriff, wie du dort lebst. Von Eurer Fahrt bist du also wieder in deinem jetzigen Aufenthaltsort gelandet. Du hast ja in diesen Tagen mancherlei gesehen und erlebt.
Ich habe mich wirklich gewundert, dass es dort auch mal fließendes Wasser und WC gibt. Ich wurde da auch an eine Geschichte erinnert. Ich weiß nicht, habe ich sie gelesen oder gehört -, - nein, gelesen habe ich sie. Da fanden Soldaten auch ein WC in Russland. Es entstand ein kleiner Streit, wer diesen Luxus zuerst benutzen durfte. Endlich war der glückliche ausgewählt. Als er nun den Wasserzug in Bewegung setzen wollte, kam wohl kein Wasser, aber der ganze Wasserkasten herunter und dem Soldaten auf den Kopf. Glücklicherweise ist dir das nicht passiert.
Das Rezeptbuch meines Großvaters würde mich schon interessieren. Aber wer weiß, ob es Papa noch rausrückt.
Für die Butter danke ich dir schon im Voraus. Mal sehen, wann sie ankommt. Ich denke bestimmt, dass ich sie noch zum kochen brauchen kann. Die Briefmarken hebe ich mit auf.
Daß du einen Jammerbrief geschrieben hättest, denke ich bestimmt nicht, und es ist auch keiner. Daß du mir schreibst, was dir am Herzen liegt, ist doch wohl selbstverständlich. Ich tue es doch auch. Wir stehen uns doch nächsten. Ich kann es dir auch sehr gut nachfühlen, wenn du dich manchmal einsam fühlst. Du hast ja auch niemand dort, den du kennst, und die Kameraden, mit denen du Freund warst, sind auch nicht bei dir. Dazu die öde Landschaft und die Menschen. Ich bin hier in der gewohnten Umgebung und habe die Kinder, und doch habe ich so große Sehnsucht nach dir. Du fehlst mir so. Ich möchte mich manchmal mit dir aussprechen, gerade in letzter Zeit wegen meinem Vater. Ich habe dir ja da auch geklagt, nicht wahr? Aber ich musste es dir schreiben, ich wusste nicht mehr aus und ein. Hoffentlich ist es dir auch recht, was ich geschrieben habe. Ich denke, wir streiten uns deshalb nicht mit Papa herum.
Wie gerne hätte ich dich hier, es ist manchmal so einsam. Aber wir müssen ja durchhalten und ohne Sieg gibt es keinen frieden. Wir haben es ja 1918 gesehen. Wir wollen aber ganz, ganz fest hoffen, dass wir uns gesund wiedersehen.
Von den Storchennestern habe ich Helga und Jörg erzählt. Am liebsten würden sie es selbst sehen. Sie können sich gar nicht vorstellen, dass es das wirklich gibt. Die anderen Vogelschilderungen haben mich auch erfreut.
Das ist echt sowjetisch, dass sie schon den Kindern ihre Parolen einhämmern. Man hat es ja früher bei uns gesehen, wie die Kommunisten die Kinder verhetzten. So haben es die Kinder eben gleich auf dem Teller stehen, was sie tun sollen. Aber es muss eben auch das nötige Essen da sein.
Du hast um Zeitungen gebeten und ich freue mich, dass ich schon vorher daran gedacht habe, denn gestern habe ich ja schon einige Zeitungen weggeschickt. Ich wollte es schon in der vergangenen Woche tun, da ich aber erst am Freitagnachmittag danach gefahren bin, war es schon zu spät. Es gibt Illustrierte Zeitungen ja nicht mehr so viel, wie früher, bzw. schicken viele Leute welche an die Front. Darum sind sie knapp. Diesmal bin ich schon eher gefahren und habe welche bekommen. 3 Stück schicke ich heute noch fort. Schimpf nicht, wenn es dir zu viel sind, du kannst dir ja das lesen einteilen, denn es ist ja nicht bestimmt, ob ich nächste Woche auch wieder welche erwische. Aber die Bodensee-Rundschau habe ich ab 1.6. für dich bestellt. Vorläufig für einen Monat. Ich hätte dir unsere geschickt, aber die liest Vater noch mit. Sollte die diese Zeitung nicht zusagen und du magst lieber eine andere, so schreibst du mir´s. Aber die Freude, dass ich dir eine Zeitung schicken kann, musst du mir schon lassen., du liebster, bester Kerl. Ich habe ja besonders in den letzten zwei Jahren so viel von dir genommen, dass es mich direkt froh macht, dir auch einmal einen kleinen Wunsch erfüllen zu können. Noch dazu, wo ich dir jetzt kein Geld mehr schicken soll. Da bin ich ja direkt wohlhabend. Aber du kannst mir glauben, verschwenden tue ich nicht. Ich kaufe, was wir brauchen und das andere lege ich zurück. Bis jetzt habe ich 253.-Mk auf der Kasse. 50.-Mk. gehen für das Kaspertheater ab.
Daß wir das Geld in Frankreich ausgegeben haben, brauchen wir wirklich nicht bereuen. Denn du hast mir wirklich sehr viel geholfen, mir manche Erleichterung verschafft und manchen Weg erspart. Den Nutzen spüre ich heute noch und wohl noch lange Zeit.
Die Dieterkarten schicke ich dir heute mit.
Es freut mich, dass dich der Oberst gelobt hat. So ist dir doch einmal eine kleine Anerkennung für deine Arbeit zuteil geworden. Anerkennungen sind ja meist so selten, wenn man auch sein bestes schafft.
Die Blumen zum Muttertag sind mir ja gebracht worden, wie ich dir schon schrieb, und es war eine wunderbare Überraschung. Eine größere Freude hättest du mir gar nicht machen können.
Dadurch, dass du einem Kameraden deine Briefe mitgegeben hast, sind sie nun schon nach 8 Tagen angekommen. Böse bin ich deshalb bestimmt nicht, es ist ja so fein, so schnell einen Brief zu erhalten.
Bekommt ihr eigentlich auch die Flugpostmarken, von denen in der Zeitung stand? 4 Stück sollte es doch geben, 2 für die Front, 2 für die Heimat pro Monat. Oder gilt das nur für die vorderste Front?
Mit deinen Erinnerungen an unsere früheren Fahrten hast du sie mir alle wieder ins Gedächtnis zurück gerufen. Schön waren die Fahrten ja alle, wenn wir uns auch damals von Schaffhausen ein ganzes Stück heimwärts quälen mussten.
Mit den großen Pfingstferien für die Kinder ist es ja nichts. Sie haben nur von Morgen, Samstag, bis einschließlich Dienstag frei. Ebenso sind die großen Ferien auf 4 statt 7 Wochen gekürzt worden, weil sie im Winter so lange frei hatten. Sie beginnen Ende Juli und enden im August.
Gestern habe ich ein Beet Weißkraut, 1 Beet Rotkraut und 1 Beet Wirsing gesetzt. In den nächsten Tagen kommt noch Salat und Rosenkohl dran. Grünkohl muß ich noch säen. Das hat ja auch Zeit.
Nun laß mich schließen. Ich grüße und küsse dich ganz herzlich, Deine Annie.
Etwas habe ich doch noch vergessen zu berichten, von der großen Freude der Kinder über deinen lieben Brief und die Karten. Helga und Jörg wollen dir in den nächsten Tagen schreiben. Die Bilder haben sie schon über ihr Bett gehängt.

Brief 330 vom 20./21.5.1942


Mein liebster Ernst!                                                                                    Konstanz, 20.5.42

Einen Brief habe ich heute nicht an Dich abgeschickt. Ich wusste gar nichts zu schreiben. Am Morgen habe ich nur die Seifenkarten geholt und dann habe ich die ganze Zeit an einem Kleid für Helga genäht. So ist der Tag vergangen.
Warm ist es jetzt augenblicklich. Die Kinder laufen schon barfuß und sind ganz leicht angezogen. Auch das Federbett ist nicht mehr erwünscht. Es geht doch dem Sommer zu.

21.5.

Gestern Abend bin ich gleich schlafen gegangen. In der Nacht war von 11 bis gegen 4 Uhr Gewitter. Ringsherum hat es geblitzt und gedonnert, und dazu hat es geregnet, was vom Himmel runter wollte. Auch heute am Tag ist noch kein schönes Wetter.
Ich bekam heute den Brief von Papa, von dem er dir ja auch einen Durchschlag geschickt hat. Sieh, ich finde mich da nicht mehr zurecht. Hat Erna wirklich so nachgelassen? Das wär ja nicht gerade schön. Aber wie dem auch sei, ich rede nicht mehr dagegen, wenn Papa heiraten will. Er tut ja schließlich doch, was er will. Oft sind wir ja nicht mit ihm zusammen und Siegfried hat soweit schon darauf eingerichtet, dass sie später ausziehen. Mama sagte mir ja seinerzeit auch, wir sollten nicht dagegen reden. Ein Bild habe ich mir erbeten, damit ich mir überhaupt mal ein Bild von dem Fräulein machen kann. Wieso ich mich zwar beleidigend in meinem letzten Brief ausgedrückt haben soll, ist mir nicht klar. Aber das ist jetzt auch gleich. Was meinst du, hätte ich schreiben sollen, er soll mit dem Fräulein kommen? Aber ich rege mich immer noch zu viel auf. Jedes Mal habe ich Kopfweh, wenn die Rede auf die Sache kommt. Es ist mir alles zu plötzlich gekommen. Ich muß mich erst langsam umstellen. Jetzt fehlst du mir auch sehr, dass ich mich mit dir aussprechen könnte. Schreibe an Papa bitte auch nicht mehr viel von all dem.
Doch nun von etwas anderem. Bei uns kommen im Garten jetzt alle Kartoffeln heraus. Die Setzlinge sind schon so groß, dass ich Salat und Gemüse setzen kann. Vielleicht mache ich nachher schon ein Stück, vielleicht ein Beet, und morgen das andere. Da es immer etwas regnet, wächst es gut an.
Hier spielen die Buben nichts mehr anderes, als Soldaten. Jörg hat sich eine schöne Zielscheibe gemacht, wie sie die Soldaten haben, ein liegender Soldat, dahinter ist ein Stock genagelt, den man in die Erde stecken kann. Darauf wird dann mit Steinen geworfen. Die Zündblättchen von dir hat Jörg bei seinen „Kämpfen“ auch fest in Gebrauch. Seine Soldaten hat er jetzt die ganze Zeit beim Wickel. Der Cowboy ist wieder gegen 2 marschierende deutsche Soldaten umgetauscht worden, da ein Cowboy doch nicht richtig kämpfen kann, nicht wahr?
Eben klingelte es, und deine beiden lieben Briefe vom 5. und 6. Mai kamen an. Ich habe mich wieder sehr gefreut, dass du auch auf deiner Dienstreise so regelmäßig an mich schreibst. Ich hatte gedacht, ich müsste längere Zeit warten. Vielseitige Erlebnisse hast du ja wieder gehabt. Die Fahrt auf der Bahn ist ja dort besonders schön. Und dann das stecken bleiben im Dreck. Als wir uns jetzt mal eine Wochenschau angesehen haben, da sah man auch, wie die Autos auf den Straßen durch den tiefen Dreck fuhren und zuletzt stecken blieben. Da habe ich auch an dich dort denken müssen. Dadurch, dass du mir doch immer ausführlich schreibst, bekommt man doch eine Ahnung, wie es dort ist, wenn ich auch gewiß bin, dass alle Vorstellung hinter der Wirklichkeit zurück bleibt.
Wir haben heute gerade daran gedacht, dass du wohl jetzt bald den ersten Brief von uns bekommen wirst, und dass dann für dich auch die Wartezeit vorbei ist. Lange genug hat sie ja gedauert.
Von Kurt erhielt ich vorhin auch eine Karte, dass er am Dienstag von Meiningen entlassen wird, bzw. worden ist. Wann er auf Genesungsurlaub kommt, weiß er noch nicht, da seine wunde noch nicht ganz verheilt ist. Wo er aber inzwischen hinkommt, hat er nicht geschrieben.
Nun laß mich wieder schließen. Ich hoffe, dass du gesund bist und grüße und küsse dich recht herzlich Deine Annie.

Da Du jetzt nicht viel zum lesen hast, schicke ich dir heute 3 Illustrierte Zeitungen zu.

Freitag, 19. Mai 2017

Brief 329 vom 19.5.1942


Mein liebster Ernst!                                                   Konstanz, 19.5.42

Ich schreibe heute am Abend. Wir hatten uns doch gestern vorgenommen, am Nachmittag in den Wald zu gehen. Am Vormittag regnete es nun. Da habe ich mir Rhabarber rüber geholt und habe 5 Flaschen voll eingemacht. Gegen Mittag heiterte es sich doch noch auf, da sind wir dann doch fortgegangen. Wir sind unseren bekannten Weg gelaufen, beim Tabor vorbei, dann durch den Wald über den Buckel, bei den Bierhöhlen vorbei und den Weg entlang, wo wir öfter Hauspäne gefunden haben. Dort beim Exerzierplatz haben wir den großen und die zwei Kinderrucksäcke voll Zapfen gesucht. Etwas Goldnessel haben wir auch gefunden. Unterwegs hatten wir verschiedene Erlebnisse. Erst sahen wir eine Blindschleiche, dann ganz nah ein Reh, dann schlängelte sich eine Ringelnatter über den Weg und zuletzt saß ein Häschen am Weg. Außer Zapfen und Tee haben wir auch noch Maiglöckchen und Waldmeister gefunden. Das erstere hat Helga besonders gefreut, denn selber hatte sie noch keine Maiglöckchen gepflückt. Gegen 6 Uhr waren wir wieder daheim. Da war am Nachmittag ein Paket von Kurt mit verschiedenen Büchern, Briefen und sonstigen kleinen Sachen angekommen. Ich hebe ihm wieder alles auf. Die Bücher lese ich aber erst einmal.
Tee haben wir dieses Jahr schon so viel gesucht, dass fast alle Dosen bereits gefüllt sind. Zu sehr brauchen wir also damit nicht sparen.
Mein lieber Ernst, ich schließe meinen Brief heute schon, ich bin nämlich etwas müd´. Sei recht herzlich gegrüßt und geküsst und behalte lieb Deine Annie.

Brief 328 vom 18.5.1942


Mein liebster Ernst!                                                   Konstanz, 18.5.42

Heute sende ich dir die Durchschläge der Briefe an Kurt, Elsa und Siegfried mit, sowie Siegfrieds Brief. Gestern Nachmittag habe ich mich noch zum schreiben hingesetzt. Gegen Abend bin ich mit den Kindern noch ein kleines stück spazieren gegangen, bis zum Wald hinter, den Weg zum Bismarckturm hinauf und durch den Friedhof heim. Gestern haben wir mal üppig gelebt, früh Kuchen (sonst gibt es jetzt sonntags Brötchen), zu Mittag Kartoffeln, eigener Spinat, Fleisch, grüner Salat, auch eigener Ernte. Am Nachmittag Pudding und noch Quarkkuchen. Heute hatten wir auch wieder Salat. Die Kinder sind ganz toll darauf. Denk mal, im Gemüsegeschäft kostet ein Salat 34 Pfg. Wenn wir ihn hätten kaufen müssen, wären heute allein 136 Pfg. futsch. Ein eigener Garten ist doch was wert.
Weil ich gerade beim Garten bin. Am Samstag hat Herr Leimenstoll den Weg zwischen ihrem und unserem Garten umgegraben. Er hat ihn etwas enger gemacht. Dadurch haben wir noch etwas Land mehr. Nun hatte Vater schon mal ein langes Brett von seinem Garten mitgebracht. Dazu habe ich mir von ihm noch eins erbeten (er zersägt sie sonst nur), und habe den Garten auch am unteren Ende eingefasst. Da ich nun die erde bis an´s Brett tun kann, macht der Landgewinn ca. 50 – 60 cm aus. Das ist doch ganz fein, nicht wahr? Dort unten wächst es ja gut, weil viel Sonne hin kommt, und so habe ich heute gleich noch Möhren und Erbsen hingesät. Gurken habe ich heute auch gesät.
Helga ist heute mit einer Schulfreundin und Jörg auf den Bismarckturm gegangen. Dort wollen sie spielen. Jörg ist heute zum ersten Mal barfuß. Die Haare habe ich ihm vorhin auch gleich noch geschnitten, damit er nicht so schwitzt.
Morgen gehen wir wahrscheinlich mal in den Wald und holen ein paar Zapfen. Zum anfeuern sind sie immer ganz gut. Tee suchen gehen wir auch mal wieder, denn den anderen haben wir bald fertig getrocknet, sodass wieder Platz da ist.
Der Strauß von dir steht in der Stube und duftet herrlich. Auch von meinem Platz in der Küche aus kann ich ihn sehen, dazu dein Bild. Ich freue mich immer wieder, dass du so lieb warst.
Ich muß nun noch in die Stadt fahren und schließe deshalb. Sei wieder recht herzlich gegrüßt und vielmals geküsst von Deiner Annie.

Brief 327 vom 17.5.1942


Mein liebster Ernst!                                                   Konstanz, 17.5.42

Gestern erhielt ich deinen lieben Brief vom 3.5. Mit deiner Erzählung von Eurem Essen machst du uns direkt Appetit. Es freut mich immer wieder, dass du es wenigstens mit dem Essen gut getroffen hast.
Zum Muttertag hat mich dein Brief gerade richtig erreicht, und ich danke dir sehr für deinen lieben Wünsche und den wunderschönen Strauß, den du mir hast bringen lassen. In meiner großen Freude habe ich dir gar nicht geschrieben, dass um den Fliederstrauß herum noch lauter rote Tulpen waren. Ich habe den Strauß in die schöne Vase von dir getan und es sieht so schön aus, dass man sich gar nicht satt sehen kann. Ich muß dir immer wieder sagen, dass du mir eine ganz große Freude gemacht hast. An diese Überraschung hatte ich bestimmt nicht gedacht. Über deine Anerkennung, die du mir hast zuteil werden lassen, habe ich mich sehr gefreut, wenn ich auch der Meinung bin, dass das, was ich tue, doch selbstverständlich ist, wenn ich Euch lieb habe. Aber dein Lob soll mir auch weiterhin ein Ansporn sein, Euch froh zu machen.
Nun will ich dir noch schreiben, wie mich die Kinder überrascht haben. Als ich heute Morgen aufwachte, hörte ich, dass die Kinder schon in der Küche waren. Ich durfte erst nach einer Weile aufstehen, da war der Tisch gedeckt, meine Tasse mit Veilchenblättern umkränzt und der Kaffee gekocht. Nachdem ich mich angezogen hatte, wurde ich in die Stube geführt. Da hatten beide einen Geschenktisch aufgebaut. Sie hatten mir ein großes Messer gekauft, das ich mir gewünscht habe. Dazu noch einen Glasteller und eine Wiesenblumenfibel. Außerdem hatten sie zwei Karten mit Wünschen und Gedichten geschrieben, Herzen ausgeschnitten und Bilder gemalt. Die 18 Pfg., die sie von ihren Einkäufen übrig hatten, bekam ich auch noch geschenkt. Über allem stand dein Strauß, der dem ganzen einen schönen Rahmen gab und Helga hatte auch dein Bild aus Frankreich dazu gestellt, weil du doch auch dabei sein solltest. Gewünscht haben mir die Kinder viel Glück, und dass du gesund zu uns heim kommst. Das ist auch mein größter Wunsch. Helga hat auch noch ein schönes Gedicht aufgesagt. Ich habe mich wirklich sehr gefreut. Helga malt dir am Schluß noch so ein Herz, wie sie es mir gemalt haben. Ich glaube, es wird dir auch gefallen.
Später haben wir dann unseren Quarkkuchen, an dem Helga das meiste gemacht hatte, gegessen. Ich habe mir noch zur Feier des Tages eine große Tafel Schokolade von dir genommen. Vater gab mir gestern Abend 2.- Mk. zum Muttertag.
Von Siegfried erhielt ich gestern einen Brief, in dem er auch über die Heiratssache schreibt. Ich schicke dir morgen den Brief mit, den ich heute noch beantworten will. Er wird dich sicher auch interessieren. Schreibt Siegfried doch z.B. auch, dass das Fräulein Lotte die Absicht hatte, mit Papa nach Konstanz zu kommen. Na, du kannst ihn ja bald selber lesen.
Mit gleicher Post schicke ich dir eine Bodensee-Rundschau in ihrem neuen Gewand. Ich dachte, dass es dich vielleicht interessiert.
Es ist nun Zeit, dass ich den Brief schließe, sonst kommt er nicht mehr mit fort.
Ich grüße und küsse dich herzlich, Deine Annie.

(Gemaltes rosa Herz mit der Inschrift: Dem lieben Vaterle)

Brief 326 vom 16.5.1942


Mein liebster Ernst!                                                   Konstanz, 16.5.42

Ich bin gestern in alle Geschäfte gegangen und habe nach einer Butterdose gefragt, konnte aber keine bekommen. In einem Geschäft soll ich aber in 1 – 2 Wochen noch mal nachfragen. Es tut mir Leid, dass ich sie dir nun nicht schicken kann.
Als ich gestern heim kam, habe ich mit Jörg im Garten geschafft. Wir haben Erbsen gehäufelt, bei den anderen Sachen den Boden gelockert und Busch- und Stangenbohnen gestupft. Bei den Stangenbohnen habe ich noch nicht alle in den Boden getan, die restlichen tue ich in ca. 2 Wochen hinein. Da sind nicht alle zur gleichen Zeit groß. Die Stachel- und Johannisbeeren haben gut angesetzt, von Radieschen kann ich nächste Woche holen, ebenso von Salat. Spinat haben wir ja schon diese Woche. Die Sämlinge sind auch gut gekommen. Ich habe gestern das Netz davon weggetan, weil sie schon durchwachsen. Die Erdbeeren blühen auch schön. Der Apfelbaum ist jetzt verblüht und Blütenblätter bedecken den ganzen Garten. Du siehst, es geht alles vorwärts. Manche Kartoffelkraut-Spitzen schauen auch schon aus der Erde.
Heute Nachmittag will Helga den Quarkkuchen zum Muttertag backen, ich soll nur zusehen und sagen, wie sie es machen soll.
Da fällt mir ein, du hattest doch aus Frankreich geschrieben, du wolltest zwei Röhren für den neuen Apparat kaufen. Hast Du das noch getan? Oder hast du gemeint, es sei nicht nötig?
Von Siegfried erhielt ich heute eine Karte zum Muttertag. Auf meinen Brief will er in den nächsten Tagen antworten.
Ernst, mein lieber Ernst, was bist du doch für ein lieber, lieber Mann. Ich stehe vorhin am Fenster, weil ich zusehen soll, wie das Windrad von Jörg läuft. Da kommt ein Fräulein mit einem wunderschönen Fliederstrauß, in weißem Seidenpapier eingeschlagen. Ich denke: „ Oh, ist der schön, wer wird den bekommen.“ Da ruft Helga plötzlich: „ Mutterle, Mutterle, schnell, schnell.“ Ich laufe in die Küche, da steht Helga mit dem Strauß, an dem ein Kärtchen steckt mit einem Glückwunsch zum Muttertag und einem Gruß aus dem Feld. So gefreut habe ich mich schon lange nicht. Ich habe nicht mal gedacht, dass ein Brief rechtzeitig kommen könnte und plötzlich so eine Überraschung. Wie soll ich dir nur danken, wie nur? Ich kann dir nur immer wieder sagen, wie ich mich freue. Ich bin ganz glücklich. Wie lieb du doch bist.
Ich kann jetzt gar nicht weiter schreiben, ich habe gar keine Ruhe dazu. Aber grüßen will ich dich und recht, recht herzlich küssen, du mein lieber Mann, Deine Annie.

Liebes Vaterle, wir danken dir 1000000 Mal für den Strauß. Ich wollte grade hinaus gehen, als eine Frau mit einem Strauß kam. Sie gab ihn mir. Ich wollte ihn erst gar nicht nehmen, da ich aber M.Rosche sah, nahm ich ihn, und das erste war, rüber zur Mutter. Die Mutter hat sich sehr gefreut. Viele Grüße und 100000 Küsse von deiner Helga.

Liebes Vaterle. Wir haben uns sehr über den Strauß gefreut. Viele Grüße und 100000 Küsse von deinem Jörg.

Montag, 15. Mai 2017

Brief 325 vom 15.5.1942


Liebster Ernst!                                                 Konstanz, 15.5.42

Nachdem ich bereits deinen Brief vom 4.5 erhielt, kam heute mit ziemlicher Verspätung der vom 26.4. Du schreibst darin, ich soll dir ja kein Gebäck schicken. Leider ist das nun schon geschehen. Du musst es nicht übel nehmen. Deinen Wunsch nach einem Besteck und einem Löffel habe ich heute gleich erfüllt. Das alte Eisenbesteck von dir habe ich aber nicht geschickt, sondern ein neues mit einem rostfreien Messer gekauft. Die Bestecke haben sie extra für Soldaten, und ich finde, sie sehen schöner aus, wie die Eisenbestecke, die immer rosten. Ich schicke das Päckchen heute weg. Die Butterdose konnte ich heute Vormittag nicht bekommen, da die einschlägigen Geschäfte nur von 2 – 7 Uhr verkaufen. Sicher ist es ja noch nicht, ob ich etwas bekomme, aber versuchen werde ich es.
Die letzte Strecke deiner Reise hast du ja in einem ganz besonderen Express zurückgelegt. Nur schade, dass du dich noch dabei erkälten musstest. Hoffentlich ist es wieder gut.
Ich hoffe, dass du diesmal richtige Vorgesetzte bekommen hast. Wie du schreibst, hat dir ja der Ober-Kriegsverwaltungsrat gleich einen guten Eindruck gemacht. Hoffentlich hält der Eindruck an.
Mit den Briefumschlägen habe ich es also recht gemacht, dass ich immer einige mitgeschickt habe. Ich werde es auch weiterhin so machen, nachdem du nun in deinem Brief darum gebeten hast.
Aus dem Ahnenpaß habe ich die Michel´sche Linie abgeschrieben. Das andere brauchst du doch wohl nicht. Der Pfarrer aus Groß-Rosenberg hatte zuletzt geschrieben, dass er weiter keine Angaben mehr machen könne. Was in den Büchern zu finden gewesen sei, habe er uns geschrieben.
Die Hälfte der Steine für Feuerzeuge habe ich dir heute mitgeschickt, die anderen sende ich morgen.
Ich will nun noch in die Stadt fahren und schließe deshalb heute schon. Sei recht herzlich gegrüßt und geküsst von Deiner Annie.

Brief 324 vom 14.5.1942


Mein liebster Ernst!                                                                                    Konstanz, 14.5.42  

Heute schreibe ich auch wieder am Abend. Am Vormittag habe ich neben verschiedenen Sachen, die ich geschafft habe, auch 15 Tomatenstöcke gekauft und eingepflanzt. Das Stück kostete 20 Pfg. Am Nachmittag bin ich mit den Kindern in´s Kino gegangen und hinterher haben wir eingekauft. Pralinen habe ich bekommen. Wir schicken sie dir morgen. Die Kinder haben für mich zum Muttertag etwas eingekauft und dann sind wir durch alle möglichen Geschäfte gepilgert und haben Steine für Feuerzeuge gekauft. Ich habe auch einige bekommen, die ich dir morgen mitschicke. Mehr gab es leider nicht.
Ich erhielt heute deine lieben Briefe vom 1. und 4.5. Die interessieren mich immer sehr, denn du hast ja jetzt so viel Neues gesehen, was du mir darin berichtest. Aus deinen Briefen kann ich jetzt erst richtig sehen, wie gut wir es doch hier haben. Man nimmt alles so selbstverständlich hin. Es ist aber gar nicht so selbstverständlich, dass wir hier in Ruhe leben, dass wir ein Zuhause und unser Essen haben. Es ist ganz gut, wenn man mal daran denkt.
Lieber Ernst, die Beurteilung von deiner letzten Dienststelle ist eine ganz große Gemeinheit. Wenn du tatsächlich unkameradschaftlich gehandelt und den Zwischenträger bei den Klatschereien gemacht hättest, hätten sie vielleicht etwas Gutes geschrieben. Auch im Militärdienst sollte ein Pfarrer eine anständige Gesinnung haben. Aber daran hapert es ja schon meist im Frieden. Wir haben ja in dieser Beziehung genug Erfahrung. Wenn du unkameradschaftlich wärst, hätte der Wittenburg bestimmt nicht geschrieben, du seist ein guter Freund von ihm und der Tommy hätte dich auch nicht so gern.
Es freut mich immer wieder, dass die Versorgung dort gut ist. Lege nur richtig vor für magerere Zeiten. Das Flicken musst du also jetzt auch allein besorgen, das wird dir sicher sehr ungewohnt sein. In dieser Beziehung hattest du es ja bis jetzt noch gut.
Eine Abschrift der Unterlagen von der Familienforschung von „Michel“ sende ich dir morgen mit. Heute Abend komme ich nicht mehr dazu. Ich sehe auch nach, was wir aus Groß-Rosenburg usw. zuletzt für Nachricht bekommen haben und gebe dir dann Bescheid.
Die alten Schulzeugnisse usw. habe ich in Leipzig auch gesehen. Ich erzählte dir doch im Herbst schon davon. Papa sagte mir damals, wir bekämen die Sachen später einmal.
Du denkst doch immer an uns. Jetzt hast Du uns sogar das Dauerbrot geschickt, das du von deiner Marschverpflegung übrig hattest. Es wird sicher bald bei uns eintreffen.
Jetzt wirst du ja schon von deiner Fahrt mit dem Oberst zurück sein. Hoffentlich ist alles gut gegangen
Als wir heute heim kamen, war eine Karte von Papa da. Er schreibt, er habe meinen Brief erhalten und sei immer mehr erstaunt, mich in eine Idee hinein geraten zu wissen, die er nicht verstehen könne. Er will mir zur Klärung in den nächsten Tagen einen Brief schreiben. Wenn er mich doch mit dieser ganzen Sache in Ruhe ließe. Ich will nichts mehr davon wissen. Ich halte es einfach nicht mehr aus. Es quält mich schrecklich. Ich habe ihm doch geschrieben, er soll wegen mir heiraten. Nur mich soll er in Frieden lassen. Ich will mit der Frau nichts zu tun haben. Auf jeden Fall jetzt noch nicht. Er soll mich doch nicht so quälen. Ein Unsinn war es nur von mir, zu schreiben, dass dann eine Entfremdung eintreten würde. Das ist ja nicht möglich, da sie schon längst besteht. Es st mir selber schrecklich, aber ich empfinde gar nichts für meinen Vater. Manchmal überlege ich mir, warum ich eigentlich gegen die Heirat geschrieben habe. Konnte ich denn eigentlich annehmen, dass mein Vater, der der Lebenden nicht einmal die Treue hielt, sie einer Toten halten würde? Doch eigentlich nicht, nicht wahr? Meine Mutter war ja auch einverstanden, dass er wieder heiratet. Also soll er doch. Nur mich soll er mit dieser Frau verschonen. Daran ändern auch alle Briefe nichts, die er schreibt. Das Elternhaus ist für mich mit meiner Mutter dahingegangen und lebt nur noch in Erinnerung. Mein letzter Brief an Papa muss wohl ziemlich kühl geklungen haben. Aber ich kann es nicht ändern. Es ist mir, als müsste ich an einen Fremden schreiben.
Lieber Ernst, laß mich für heute schließen. Ich bin heute über die Karte aufgeregt. Du glaubst nicht, was es für mich für eine Wohltat sein würde, wenn ich von der ganzen Heiratsgeschichte kein Wort mehr hören müsste.
Bleib mir gesund und sei recht herzlich gegrüßt und geküsst von Deiner Annie.

Ach lieber Ernst, wie schön wäre es jetzt, wenn ich in deinem Arm liegen könnte und du würdest mir gut zureden. Ich glaube, mir wäre alles nicht so schwer. Aber ich werde mich schon durchbeißen, ich bin doch kein schlapper Kerl, nicht wahr? Ich müsste mich ja vor dir schämen, wo du jetzt in einem so trostlosen Land bist und auch nicht den Kopf hängen lassen darfst.

Brief 323 vom 13.5.1942


Mein liebster Ernst!                                                                                    Konstanz, 13.5.42  

Heute schreibe ich erst am Abend. Am Vormittag habe ich genäht, am Nachmittag sind wir Tee suchen gegangen. Viel Goldnessel und Wegerich haben wir heim gebracht. Gestern hat Helga außer 2 Sträußen Taubnesseln auch noch eine ganze Tasche davon mit Jörg geholt und heute brachte sie auch noch eine Tasche voll heim. Die ganze Stube steht jetzt voller Goldnessel, weißer Taubnessel, Wegerich, Salbei, Gänseblümchen.
Als wir am Nachmittag heim kamen, waren drei Briefe von dir da, vom 28., 29.4. (abgestempelt 1.5.) und 30.4. (abgestempelt 2.5.) Das war eine Freude. Wir haben uns gleich an´s Lesen gemacht. Du wirst es ungefähr erraten haben, wenn du meinst, dass du in ca. vier Wochen Antwort auf deinen ersten Brief haben wirst. Es ist ja eine lange Wartezeit. Ich hatte ja versucht, dieselbe zu verkürzen, indem ich an deine evtl. Feldpostnummer geschrieben hatte. Aber leider war es die falsche.
Ich glaube dir gern, dass die Landschaft und die Leute dort einen niederdrückenden Eindruck machen. Laß es dir nicht zu nahe gehen, für immer musst du ja nicht dort bleiben, es muss ja einmal die Zeit kommen, wo auch die Soldaten wieder heim können. Aber vielleicht wirst du sagen, dass ich gut reden kann, wenn ich das alles nicht sehe. Es ist ja schrecklich, wenn du schreibst, dass es den Leuten gar nichts ausmachte, als ihnen ihr Kind auf der Straße starb. Die Leute müssen ja furchtbar abgestumpft sein. Es ist aber vielleicht in Russland ein Glück, nicht zu leben. Die Leute können ja auf nichts irgendwelche Hoffnungen haben.
Wie du auch schreibst, ist dort eigentlich das, was etwas vorstellen soll, alles Talmi. Man kann sich hier gar keinen Begriff davon machen. Man meint immer, es muss überall so ordentlich sein, wie bei uns.
Ich würde mich freuen, wenn die Verpflegung bei dir noch lange so gut bleiben würde. Das wäre wenigstens ein Lichtblick in all der Trostlosigkeit. Daß ihr etwas Radio habt, freut mich sehr. So seid ihr wenigstens nicht von aller Welt abgeschnitten.
Wegen Steinen für Feuerzeuge werde ich mich umsehen. Sollte ich welche bekommen, so werde ich sie dir schicken.
Ja, vor einem Jahr rechnete man mit einem baldigen Ende des Krieges. Das ist ja nun anders gekommen. Ich glaube, wir dürfen auch im nächsten Jahr noch nicht daran denken, denn in seiner letzten Rede sagte ja der Führer: „…wo wir im nächsten Winter auch im Osten stehen mögen…“ Da rechnen wir also damit, dass wir im nächsten Winter noch dort sind. Und dann kommt noch England daran. Also Friedensgedanken dürfen wir noch nicht haben. Aber wir müssen unsere Feinde erst schlagen, sonst lassen sie uns doch nicht in Ruhe.
Es ist schon recht, dass du dich den dortigen Verhältnissen anpasst, indem du dir Stahlhelm, Gewehr usw. anschaffst. Leichtsinnig muss man ja nicht sein, das ist kein Mut. Und dem Feind muss man es nicht leichter machen, indem man ihm wehrlos gegenüber tritt.
Du schreibst, ich bräuchte keine Angst zu haben, dass du in nächster Zeit Geld von mir verlangst. Warum sollte ich da Angst haben. So viel habe ich doch immer noch gehabt, dass ich mit den Kindern richtig leben konnte. Und die nötigen Anschaffungen habe ich auch immer noch machen können. Also Angst wäre da nicht nötig. Da ich im vergangenen Monat kein Geld an dich geschickt habe, aber die 65.-RM zurückgelegt hatte, habe ich diesmal nur 25.-RM zurück gelegt, sodass ich 90.-RM da habe. Dafür habe ich einige größere Käufe für die Kinder gemacht, habe Gardinen gekauft und 20.-Mk. bei uns und je 7,50Mk. bei den Kindern auf die Sparkasse eingezahlt. Ich werde ja nun sehen, ob Herr Wittenburg schreibt, wie viel wir noch an den Henkes zu zahlen haben. Vielleicht langen die 90.-. Sonst bekommt er das andere nächsten Monat.
Wahrscheinlich werde ich nächsten Monat auch die Kohlen bestellen. Jetzt sind sie doch immer noch etwas billiger und man bekommt sie eher.
Fein hast du dir den Briefumschlag geklebt, alle Achtung. Aber die Mühe möchte ich dir gerne abnehmen, darum schicke ich dir jetzt immer einige Umschläge mit. Über die blasse Tinte habe ich mich schon gewundert. Da ist also sowjetische Ware, also Schund, wie scheinbar alles dort.
Hoffentlich bist du von deiner Fahrt mit dem Oberst wieder gut zurück gekommen. Viele neue Eindrücke wirst du ja dabei bekommen haben.
Mineralwasser trinkst du jetzt also auch. Die ersten Wirkungen waren ja nicht gerade erfreulich, wenn es dir aber nur sonst nichts schadet.
Da du gerade von wenig Zucker im Tee schreibst, so will ich dir nochmals sagen, wie froh ich über den Zucker bin, den du mir geschickt hattest. Man bekommt nämlich seit einiger Zeit keinen Süßstoff mehr, mit dem ich mir doch auch immer geholfen habe. So bin ich doch mit dem Zucker nicht so knapp und konnte schon zwei Mal eine richtige Schüssel mit Rhabarberkompott machen.
Morgen gehen wir zusammen in die Stadt. Die Kinder wollen mir doch was zum Muttertag kaufen. Vielleicht bekomme ich sogar bei Tengelmann ein paar Pralinen. Da würdest du auch einige davon erhalten. Das haben wir uns schon ausgemacht. Du als lieber Vater musst doch auch ein bisschen gefeiert werden, nicht wahr, lieber Kerl?
Doch nun will ich schließen. Es ist schon 11 Uhr und ich will den Brief noch forttragen, damit er morgen früh gleich noch mit fort kommt.
Ich grüße und küsse dich ganz herzlich Deine Annie.

Brief 322 vom 12.5.1942


Mein liebster Ernst!                                                   Konstanz, 12.5.42

Gestern habe ich keinen Brief geschrieben, nur 4 kleine 100g-Päckchen an dich abgeschickt. Mit war der Kopf so benommen, dass ich gar nicht wusste, was ich schreiben sollte. Heute erhielt ich deinen lieben Brief vom 27. Nun bist du also an deinem Bestimmungsort angekommen. Wie ich aus manchen Sätzen des Briefes ersehe, hast du scheinbar auch am Tag zuvor geschrieben. Dieser Brief muss noch unterwegs sein.
Die Karte an Kurt schicke ich heute weiter. Sie geht noch an seine alte Adresse.
Den Ort, wo du bist, habe ich auch stenografiert lesen können. Ich habe ihn auf meiner Karte rot angestrichen.
Wieso brauchst du dort ein Kochgeschirr, Feldflasche usw. und eine Decke? Vielleicht steht das in deinem vorhergehenden Brief. In Frankreich brauchtest du das alles doch nicht? Wenn das Essen so bleibt, wie du es in deinem Brief beschreibst, wäre es ja ganz gut, nicht wahr? Hoffentlich ist dein Schnupfen wieder vorbei und du bist ganz gesund.
Bei uns vergeht ein Tag wie der andere. Augenblicklich habe ich viel zu nähen und zu stopfen. Gestern habe ich wieder einmal den Keller und Speicher aufgeräumt. Das ist auch immer mal nötig, damit alles in Ordnung bleibt. Dann müssen zwischendurch wieder Schuhe ausgebessert werden und so ist immer zu tun. Im garten werde ich in den nächsten Tagen Bohnen und Gurken stupfen und zusehen, dass ich Tomatenstöcke bekomme. So 12 -15 Stück würde ich nehmen, wenn ich sie bekommen kann. Die Sämlinge von den verschiedenen Gemüsen machen sich gut heraus, vom S0pinat kann ich in den nächsten Tagen holen, Möhren und Erbsen wachsen auch gut. Die Erdbeeren fangen zu blühen an. Vom Apfelbaum schrieb ich dir ja schon. Er blüht an allen Seiten gleichmäßig schön. Es ist eine Freude, ihn anzusehen. Nachdem ich den Zwiebelsamen von dir bekommen habe, habe ich davon ausgesät, damit ich im nächsten Frühjahr Steckzwiebeln habe. Ich bin sehr froh darum.
Helga und Jörg sind beide gesund und munter. Jörg „verkitscht“ augenblicklich mal alles. Gute Sachen, die wir ihm geschenkt haben, darf er ja nicht weg geben. Aber er hat ja noch andere Sachen. Für Zigarettenbilder hat er ein Modellbogen-Haus getauscht, das hat er jetzt wieder für eine Mühle weggegeben. Für einen Granateneinschlag hat er jetzt einen Unterstand bekommen, für einen englischen Soldaten vom Papa einen Cowboy. Ich achte nur immer darauf, dass sie ihn nicht über´s Ohr hauen. Im Allgemeinen bin ich ja wenig für das tauschen.
Auf der Wiese vorm Haus hat sich Jörg mit den anderen Buben vom Haus kleine Unterstände für die Soldaten gebaut. Gekämpft wird auch. Da schmeißen sie mit Steinen. Dabei ist auch das kleine MG, das er von Siegfried hatte, hin gegangen. Auf der Gegenseite ist ein Reiter vom Richard zerschossen worden. Da Jörg ja unsere Soldaten mit nur einem Arm oder Bein hat, braucht er unbedingt eine Krankenschwester. Die hat er gegen einen weiteren englischen Soldaten eingetauscht. Die meiste Zeit ist Jörg jetzt mit seiner Soldatenschachtel unterwegs.
Helga spielt mehr mit ihren Puppen. Damit unterhält sie sich stundenlang. Auch den Kreisel hat sie viel in Betrieb. Heute Nachmittag ist sie mit Margret zu deren Tante gegangen. Ab Freitag will sie ins KdF-Turnen in die Luisenschule gehen. Schaden kann es ihr ja nicht. Einen Turnanzug habe ich ihr gekauft. Helga geht mit mehreren Kindern aus ihrer Klasse hin.
Eine Neuanschaffung habe ich auch gemacht. Ich habe einen dazu geeigneten Kleiderstoff für Gardinen gekauft. Ich wollte es schon längst einmal tun, aber ich fand nie das richtige. Denn jedes Muster eignet sich ja nicht dazu. Wir haben nun in unserem Schlafzimmer und Kinderzimmer neue Gardinen. Es sieht gleich viel netter und freundlicher aus. Leider hat es schon wieder den Neid erregt. Ich hatte kaum die Gardinen einen Tag dran, da sehe ich, als ich im Kinderzimmer bin, wie die Gardi von Leimenstolls ans Fenster kommt, auf die Gardinen sieht und, ehe ich hingehen kann, rauf läuft. An diesem Tag hat Frau Leimenstoll den ganzen Tag rumgetobt. Sie ließ auch vernehmen, dass wir faul seien und auch schaffen gehen müssten, sie hätte auch gehen müssen. Es ist nur, ich rege mich gar nicht mehr auf.
Ich hatte dir auch noch nicht geschrieben, dass ich mit Herrn Schwehr Krach hatte. Eigentlich kann man es nicht Krach nennen. Ich höre eines Tages hinterm Haus Krach. Da unsere Kinder unten waren, sehe ich aus dem Fenster, und kaum habe ich das getan, brüllt Herr Schwehr, der erst Krach mit Frau Bolz gehabt hat, mich an. Ich war so verdutzt, dass ich gar nicht alles verstanden habe, nur so viel hörte ich, dass es mir jetzt auch besser ginge, als vor dem Kriege. Alle fragten mich hinterher, was Herr Schwehr denn mit mir gehabt hätte. Er soll noch gesagt haben, da könnte man gut immer Heil Hitler schreien. Das weitere haben auch die Leute nicht verstanden. Als er so brüllte, fragte ich: „Was haben sie denn mit mir?“. „Nichts, aber ich habe Ihnen mal was gesagt“ war die Antwort. Seitdem sehe ich den Mann gar nicht mehr, er kann mir direkt vor den Füßen herumlaufen. Ich hoffe, dass du dich nicht über die Sache ärgerst. Ich schreibe es dir nur, damit du weißt, was gelaufen ist. Es ist ja auch schon lange her, kurz nach deinem letzten Urlaub.
Gerade ist Helga heim gekommen. Sie hat zwei große Sträuße mit Taubnesseln heim gebracht, damit wir wieder Tee haben. Das ist doch lieb, dass sie daran gedacht hat.
Wir haben uns so an unser neues Radio gewöhnt. Zum Spaß hatte ich in der Stube mal den alten Apparat angeschlossen. Da hat man aber den Unterschied gemerkt. Man hat richtig die Ohren spitzen müssen, um etwas zu verstehen.
Vorgestern Nachmittag ist im Bettelgäßle der linke obere Kastanienbaum bis auf den Stamm abgebrochen. Er war ganz morsch. Einige Telegrafenstangen hat es gleich mit umgelegt.
Nun laß mich wieder schließen. Ich grüße und küsse Dich recht herzlich deine Annie.

Liebes Vaterle! Auf der Messe haben wir uns einen Kreisel gekauft, der geht jetzt so gut, wie noch keiner, den ich gekauft habe. Viele Grüße und 10000000000 Küsse von Deiner Helga.
Viele Grüße und 10000000000 Küsse von deinem Jörg.

Brief 321 vom 9./10./11.5.1942


Mein liebster Ernst!                                                               Konstanz, 9.5.42

Nun will ich dir auf deinen lieben Brief vom 22. weiter antworten. Heute Nachmittag hatte ich ja den anderen Brief bald abgeschlossen, da wir noch in den Wald gehen wollten zum Tee pflücken. Wir haben auch viel Spitzwegerich, Goldnessel und Salbei gefunden. Gänseblümchen sammeln wir jetzt auch, die Köpfchen davon. Die Kinder gehen mit ihrer Klasse auch jede Woche einen Tag zum Gänseblümchen sammeln. Wenn die Kinder jetzt heim kommen, bringen sie mir meist auch welche mit.
Nun zu deinem Brief. Die vielen Eier, die da an den Stationen von der Bevölkerung angeboten werden, könnten wir hier brauchen. D.h. ganz knapp sind wir in diesen Monaten auch nicht damit. Pro Person gibt es im Monat 5 – 6 Eier. Damit kann man schon auskommen.
Jetzt siehst du das Sowjetparadies also mit eigenen Augen und es macht keinen erhebenden Eindruck auf dich. Man kann es sich hier, wo doch Ordnung herrscht, gar nicht vorstellen, wie schlimm es dort sein muss.
Mit der Jüdin aus dem Elternverein wirst du wahrscheinlich die Marianne Weinhold meinen, die ist mit mir in einer Klasse gewesen. Das war der Clown unserer Klasse. Das hätte ich bestimmt nicht gedacht, dass die Jüdin sei.
Es ist ja allerhand, wenn jemand für 3 Zigaretten 5.-Mk. zahlen will. Aber das Geld hat halt für die Soldaten nicht den Wert wie im frieden, vor allen Dingen, wenn sie sich dort nichts kaufen können. Gerade wegen dem kaufen. Wenn du etwas brauchst, musst du mir schreiben. Vorläufig lege ich nur mal ein paar Briefumschläge bei, die du sicher brauchst.
Im letzten Brief habe ich dir doch auch den Durchschlag von Papas Brief und meiner Antwort mit gesandt. Hast du dich eigentlich über meinen Brief gewundert? Weißt du, ich habe die ganze Sache so satt. Papa soll machen, was er will. Schreibe du bitte auch nichts mehr. Ich würde dir deshalb gerne noch mehr schreiben, aber da sprechen wir wohl lieber später mal persönlich drüber. Was meinst du dazu, was Papa über Erna schreibt?
Es ist schon ½ 11 Uhr und ich will erst einmal schlafen gehen. Gute Nacht, mein lieber Mann.

10.5.

Lieber Ernst! Sonntag ist heute. Nachdem es gestern Abend noch ein Gewitter und Regen gab, ist es heute wieder sonnig und warm. Wir haben den ganzen Tag das Fenster weit auf und können immer unseren wunderbar blühenden Apfelbaum sehen. Er ist voller Blüten. Ein schöner Anblick, man muss immer wieder hin sehen. Die Kinder sind draußen und spielen. Fortgehen tun wir nicht. Ich bleibe sonntags gern daheim, denn jetzt läuft wieder alles in den Wald.
Das wollte ich noch schreiben, solltest du zum tauschen noch mehr Zigaretten brauchen, so musst du schreiben. Ich habe noch mehrere Schachteln da.
Nun laß mich schließen. Bleib gesund, behalte uns lieb und sei recht, recht oft herzlich gegrüßt und geküsst von Deiner Annie.

11.5.42

Liebster Ernst! 4 kleine Päckchen sind es die ich heute an dich abschicke. Vor einigen Tagen habe ich 5 Päckchen mit dem Ostergebäck für dich weggeschickt. In so kleine Kartons bringt man ja nicht viel hinein, das Gewicht ist immer gleich erreicht. Einige Stück Gebäck, mit den Buchstaben darauf, sind von dir. Du hattest sie aus Frankreich mit geschickt. Laß dir alles gut schmecken. Wir senden dir viele Grüße und Küsse Deine Annie, Helga, Jörg.

Brief 320 vom 8./9.5.1942


Mein lieber, guter Ernst!                                                      Konstanz, 8.5.42

Es ist heute etwas spät geworden, bis ich zum beantworten deiner Briefe komme, gerade 10 Uhr abends. Am Nachmittag waren wir in der Stadt. Da haben wir vor allen Dingen den ersten Brief an dich auf die Post gebracht. Dann sind wir auf die Messe gegangen. Vater hatte gestern Abend den Kindern je 50 Pfg. gegeben. Die wollten sie doch auch richtig verbrauchen. Jörg hat sich eine kleine Bombe gekauft, in die man eine Zündkapsel einlegen kann. Wenn man sie auf den Boden fallen lässt, kracht es. Helga hat sich einen Sonnenschutz gekauft. Dann gab es noch ein Eis, sie konnten 1 Mal Karussell fahren und futsch war das Geld. Als wir heim kamen habe ich noch an Papa, Siegfried und Herrn Wittenburg geschrieben. Die Durchschläge lege ich bei. Ebenso die anderen Durchschläge, die ich heute vergessen hatte. Hoffentlich ist dir alles recht.
Nun zu deinen Briefen. Russland zeigt sich dir ja gleich im richtigen Licht. Dreck, Elend, Wanzen. Das letztere wird Dir ja besonders unangenehm gewesen sein und du wirst es sicher noch oft erleben. Denn diese lieben Tierchen sind ja dort gerade keine Seltenheit. Das Kinoerlebnis ist ja auch selten schön. So eine Vorführung ist wenigstens ein Genuss.
Nun bleibst du doch nicht in Krakau. Vielleicht kannst du mir mal schreiben, wo du jetzt bist.
Wegen dem Geld habe ich an Herrn Wittenburg geschrieben. Vielleicht kann er mir den genauen Betrag schreiben, damit wir diese Schulden bald los werden. Da brauchst du dich später nicht noch darum kümmern.
Vielleicht schreibt er mir auch, an wen ich das Geld schicken kann, denn einfach an Nr. 38293 geht es doch wohl nicht. Vielleicht schreibst du auch bald mal an Herrn Wittenburg und dankst ihm für seine Bemühungen. Dann geht nicht alles von mir aus und er hat dir mehr einen Freundschaftsdienst erwiesen.
Auf Briefe von uns musstest du ja diesmal lange warten. Sechs Wochen werden es wohl gewesen sein. Das wird dir auch sehr lang vorgekommen sein.
Von Kurt erhielt ich heute einen Brief. Er hofft, kurz vor Pfingsten aus dem Lazarett entlassen zu werden. Er dachte, du seist noch in Marburg und hatte sich schon vorgenommen, dich später von Karlsruhe aus zu besuchen. Daraus wird ja nun nichts.

9.5.

Nachdem ich gestern deine Briefe vom 24. und 25. erhielt, kam heute der vom 22., den du noch auf der Fahrt geschrieben hast. Viele Erlebnisse hast du ja in letzter Zeit gehabt und es freut mich so, dass du mich durch deine Briefe daran teilhaben lässt.
Mit Zigaretten ist dort scheinbar ein ganz gutes Geschäft zu machen, wenn sie dir für 3 Stück gleich 5.-Mk anbieten.
Lieber Ernst, sei mir nicht böse, wenn ich jetzt erst mal schließe. Wir möchten noch Tee suchen gehen. Der Brief soll aber ½ 5 noch mit fort. Ich schreibe sicher heute Abend weiter.
Ich grüße und küsse dich vielmals recht herzlich Deine Annie.

Sonntag, 7. Mai 2017

Brief 319 vom 7./8.5.1942


7.5.

Mein liebster Ernst!  

Zwei Tage habe ich nicht geschrieben. Ich hatte aber immer zu tun. Am Montagnachmittag war es Helga nicht gut und am Abend hatte sie etwas Fieber und Kopfweh. Ich habe sie für 2 Tage in´s Bett gesteckt und heute ging es ihr wieder gut, sodass sie morgen wieder in die Schule gehen will. Einen tüchtigen Schnupfen hat sie noch. Im Garten habe ich auch etwas geschafft. Unkraut entfernt, bei den verschiedenen Sachen geharkt, die Dahlien ausgepflanzt. Seit gestern bin ich beim nähen, was ich auch morgen noch tun will.
Von Papa erhielt ich einen Brief, den ich dir mit einem durchschlag übersende. Den Durchschlag hatte er für dich mit beigefügt. Ich antworte ihm in den nächsten Tagen.
Der Koffer von Leipzig ist auch angekommen. Ich habe ihn gleich leer gemacht und zurück geschickt.
Von dir erhielt ich heute den Brief aus Lemberg vom 21.4. Ich habe mich mächtig darüber gefreut. Es ist so schön, dass du immer so lieb an uns denkst. Die besten Eindrücke hast du ja von dieser Stadt auch nicht bekommen. Das Elend muss ja sehr groß sein. Da merkt man erst doppelt, wie gut man es hier in Deutschland doch hat. Deine Schilderungen haben mich sehr interessiert.
Von Herrn Wittenburg erhielt ich heute eine Karte. Er schreibt, dass er den Spieß vertreten müsse und dadurch so viel Arbeit gehabt habe, dass er die Päckchen nicht eher fortschicken konnte. Am 25.4. habe er sie alle ab gesandt. Ich sollte dir viele Grüße ausrichten, und er hofft, dass er auch Nachricht von dir bekommt.
Die 11 Päckchen trafen heute auch ein. Alles war gut erhalten, bis auf zwei Apfelsinen. Also kein großer Verlust. Du hast wieder viele schöne Sachen geschickt, für die wir dir herzlich danken. In Gedanken gebe ich dir recht viele Küsse dafür.
Von den Zigarren und dem Tabak habe ich Vater einen Teil gegeben. Den anderen Teil hebe ich noch eine Weile auf.

8.5.
Mein liebster Ernst!  

Vorhin kamen deine lieben Briefe vom 24. und 25., in denen du mir deine neue Feldpostnummer schreibst. Ich beantworte dir die Briefe heute Abend und schicke erst das bisher geschriebene fort, damit Du bald einen Brief von uns erhältst.
Ich grüße und küsse Dich vielmals recht herzlich. Deine Annie.

Brief 318 vom 2./4.5.1942


2.5.

Heute habe ich einen Brief an Dich unter der Feldpostnummer 12960 geschickt. Diese Nummer hattest du als deine evtl. Adresse angegeben. Es kann ja nicht weiter werden, als dass der Brief zurück kommt.

Mein liebster Ernst!                                                                                    Konstanz, 2.5.42

Nachricht habe ich ja noch keine von Dir bekommen. Ich schreibe diesen kurzen Gruß auf gut Glück an die Nummer, die du mir als deine nächste Feldpostnummer angegeben hattest. Ich werde ja sehen, ob Dich der Brief erreicht.
Gesund sind wir alle. Hoffentlich ist das bei dir auch der Fall. Wir warten sehr auf den ersten Brief von dir. Ich habe jeden Tag an dich geschrieben, aber die Briefe lege ich heute nicht bei., da ich ja nicht weiß, ob sie dich da erreichen würden.
Papa schrieb mir am 27., dass er am nächsten Tag den Koffer mit den Sachen von dir fertig machen und per Express wegschicken würde. Er muss in den nächsten Tagen eintreffen.
Von den 11 Päckchen ist noch keins eingegangen. Ich habe deshalb an Herrn Wittenburg geschrieben, ob er mal nachsehen könnte, ob sie dort noch irgendwo liegen. Er hat doch auch Feldpostnummer 38293? Den genauen Text des Briefes habe ich dir in meinen anderen Schreiben mitgeteilt, die ich später wegschicke.
Hat dir Papa gesagt, dass Erhard Tillner am 22.12.41 gefallen ist? Nachdem Papa es geschrieben hatte, teilte es mir Elsa auch mit. Die Eltern sind ganz verzweifelt.
Ich war erstaunt, als ich von dir hörte, dass du zwei Tage in Leipzig gewesen bist. Nachdem du hinterher noch so lange auf der Bahn sein musstest, war der Aufenthalt für dich sicher ganz gut. Mit Papa hast du dich auch ausgesprochen. In meinem anderen Brief habe ich dir ausführlich geantwortet. Ich kann dir nur sagen, ich bin über meinen Vater sehr enttäuscht. Ich habe ja schon manches mit ihm durchgefochten, aber das entfremdet ihn mir noch ganz.
Im Garten habe ich alle Arbeit soweit getan. Auch die Kartoffeln sind in der Erde. Stachel- und Johannisbeeren haben gut geblüht, bzw. blühen noch. Hoffentlich hat es ihnen nichts geschadet, dass die letzten Tage so kalt waren und es heute Nacht sogar etwas geschneit hat.
Nun grüße und küsse ich dich für heute herzlich und hoffe, dass du gesund bist und es dir nicht gar so schlecht geht. Nochmals viele Küsse von Deiner Annie.

4.5.

Gestern waren wir auf der Messe. Eigentlich wollte ich gar nicht gehen, da es so trüb war und auch manchmal leicht regnete. Aber wir haben ja die Regenmäntel. Es war dann noch ganz nett. Die Kinder sind einige Male Karussell gefahren, wir haben 2 Mal Eis gegessen und haben uns die Buden angesehen. Ich habe auch einige Sachen für die Kinder gekauft. Schon im Winter wollte ich für Jörg lange Unterhosen, also mit Ärmeln, kaufen, konnte aber keine bekommen. Auf der Messe gab es nun welche. Ich habe drei Stück mitgenommen. Punktnot habe ich ja nicht, denn ich bin noch bei der zweiten Karte, wo die 3. schon bald abläuft. Aber bisher konnte ich fast immer alte Sachen verarbeiten, sodass ich für die Kinder noch nicht viel kaufen musste. 2 Kreisel und 2 Peitschen habe ich ihnen auch gekauft, denn zum spielen möchten sie doch auch was von der Messe. Am Abend bin ich schon vor 9 Uhr schlafen gegangen, denn an manchen Abenden fühlt man die Einsamkeit ganz besonders, wenn man so alleine am Tisch sitzt. Gestern und heute Nacht konnte ich wenigstens von dir träumen. Das sind die schönsten Stunden.

Brief 317 vom 27./28./30.4.1942


27.4.

Mein liebster Ernst ! Gestern habe ich mal mit schreiben ausgesetzt, denn das wird ja ein Paket, das ich dir bald gar nicht schicken kann. Das hat Übergewicht. Nun will ich dir aber weite berichten. Gestern sind wir daheim geblieben, da der Führer gesprochen hat. Vater ist auch hergekommen. Dann haben wir Abendbrot gegessen und uns noch ein wenig unterhalten. Vater ist gegen ½ 10 Uhr heim gegangen. Ich bin dann gleich schlafen gegangen. Heute Morgen habe ich Bohnenstangen angespitzt. Dann habe ich probiert, ob ich sie auch in die Erde tun kann, oder ob es zu schwer ist. Es ist aber gegangen. Ich hatte ja die Eisenstange von Vater da. Nun braucht es Vater gar nicht mehr machen. 37 Stangen habe ich rein getan.
Es ist nur gut, dass ich mich schon wieder an die Maikäfer gewöhnt habe und sie nicht mehr fürchte, denn die Kinder bringen sie jetzt massenhaft. Jörg hat augenblicklich 19, Helga 15 Stück. Vorhin hatte Jörg einen unpassenden Karton, da sind ein paar herausgekrabbelt, und als ich das Fenster öffnete, surrte plötzlich einer davon. Das sah Jörg von unten und kam gleich rauf gerannt. Nun habe ich erst für einen besseren Karton gesorgt. Seine große Sorge war, dass es ja nicht der König ist, der weggeflogen ist. Außer dem König hat er ja noch Prinzessinnen und Schornsteinfeger. Als Helga und Jörg erst nur zwei hatten, hieß einer Kribbele, der andere Krabbele. Jetzt haben sie die Namensgebung aufgehoben. Aber viel Vergnügen haben die Kinder damit. Die Käfer toben jetzt in ihren Kartons herum, dass man es trotz des nicht leisen Radios hört.
Unser Apfelbaum sieht schon schön hellgrün aus. Dazwischen leuchten auch kleine rosa Punkte, die Knospen. Die Stachel- und Johannisbeeren blühen immer noch. Die Erbsen und Möhren kommen jetzt gut heraus.
Von den Päckchen ist bisher immer noch keins angekommen. Ich habe deshalb heute an den Wittenburg geschrieben und hoffe, dass du es billigst. Ich habe geschrieben an den Gefreiten Wittenburg. Ich weiß nicht, ob es richtig ist.

28.4.

Gestern Abend kam Vater wegen den Bohnenstangen. Als ich ihm sagte, dass alles schon fertig ist, war er ganz verdutzt, aber böse war er deshalb nicht. Er ist aber noch in den Garten gegangen und hat an den Stangen gerüttelt, ob sie auch fest stehen und denk mal an, er hat nicht auszusetzen gehabt. Aber wenn ich schon was mache, dann wenigstens richtig, sonst lasse ich´s lieber sein. Heute habe ich einen ruhigeren Tag eingeschoben, wo ich nur gestopft und ausgebessert habe. Unter Mittag habe ich sogar eine Weile auf dem Liegestuhl geschlafen.
Lieber Ernst, weißt Du, was ich jetzt sehr vermisse? Die regelmäßigen Briefe von dir. Das war ja in Frankreich noch schön. Die Briefbeförderung dauerte nicht so lange. Das wird sich ja jetzt von dort aus sehr ändern. Jetzt empfinde ich es noch als ziemlich hart, so lange nichts von dir zu wissen. Aber ich muss mich auch wieder darein schicken. Die Hauptsache ist ja, dass wir in Liebe aneinander denken und dass du gesund bleibst. Du bekommst ja jetzt erst mal noch viel länger keinen Gruß von uns und es wird dir wohl auch schwer sein, vor allem, wo du wieder in eine ganz fremde Umgebung gekommen bist. Es ist ja eine große Umstellung.
Ich gehe nun schlafen und gebe dir im Geist viele, viele Küsse. Wie gerne täte ich es in Wirklichkeit.

30.4.

Gestern wollten wir eigentlich Tee suchen gehen. Aber es wurde nichts draus. Gestern wehte ein richtiger Ostwind, eigentlich kann man schon von stürmen reden. Es war so kalt, dass man Handschuhe anziehen musste. Zweitens, das Wichtigste, Jörg war krank. Gestern Morgen war ihm schwindelig und schlecht. Dazu hatte er Kopfschmerzen und 39,6° Fieber. Ich habe ihn gleich schwitzen lassen, Silargetten gegeben, und am Nachmittag haben wir nasse Socken gemacht. Heute war ihm wieder gut, aber ich habe ihn noch daheim behalten. Morgen geht er wieder in die Schule. Er ist schon wieder ganz übermütig.
Von Papa erhielt ich gestern eine Karte vom 27.4. er schreibt, dass er den Koffer fertig machen will und Erna würde ihn am 29. zur Bahn bringen. Er schickt ihn per Express zur Selbstabholung nach Petershausen. Papa schreibt, er will auch noch meinen Brief beantworten. Dass es noch nicht geschehen sei, liege daran, dass der Brief so viel Schweres enthalte. Er habe ja schon mit dir gesprochen, aber es solle Klarheit herrschen, darum wolle er auch mir antworten.
Von Siegfried erhielt ich eine Karte aus Königsberg. Von Kurt kam auch eine Karte. Er fragt nach deiner Adresse und schreibt, dass er sicher in einigen Wochen auf Erholungsurlaub Kommen würde. Ich habe ihm kurz geschrieben, dass ich deine Adresse noch nicht weiß, habe aber den Ort angegeben. Zugefügt habe ich noch, dass wir uns freuen würden, wenn er auf Urlaub kommt. Romane schicke ich morgen auch noch mal.