Dienstag, 20. Dezember 2016

Brief 263 vom 28./29.12.1941


Mein liebster Ernst!                                                                    Konstanz, 28.12.41                          

Heute erhielt ich Dein liebes Paket Nr. 43. Nun habe ich bis 45 alle bekommen. Ich war sehr erstaunt, daß sogar richtige Schokolade drin war. Du hattest wohl von Süßigkeiten gesprochen, aber daß es sogar Schokolade war, habe ich doch nicht gedacht. Ich danke Dir sehr dafür und werde sie mir gut einteilen. Von den kleinen Tafeln, die Du mir schon früher geschenkt hast, habe ich auch noch ein paar.
Du hast mir wieder eine große Freude gemacht. Die Bonbons habe ich den Kindern gegeben, weil sie die so gern essen.
Gestern Abend kam Vater herauf. Ich habe mich nach langer Zeit wieder einmal ein bißchen mit ihm gestrubbelt. Er wollte mich, allerdings erfolglos, davon überzeugen, daß wir uns doch nicht jeden Tag schreiben sollen. „Ihr belastet die Post zu sehr, ihr nehmt sie zu viel in Anspruch.“ Ich: „Wir nehmen sonst nichts in Anspruch, die Freude lasse ich mir nicht gleich nehmen.“ Vater: „Ich war ja schließlich auch fort, aber ich hätte nicht so viel Stoff gehabt, um jeden Tag  zu schreiben.“ Er führte dann noch einen Fall an, wo eine Frau auch jeden Tag geschrieben hat, wenn sie auch nicht wußte, was sie schreiben soll, nur damit geschrieben sei. Ich sagte darauf, daß wir ja wüßten, was wir uns schreiben sollen und daß wir uns so lange es geht schreiben. Das ging noch eine Weile hin und her und dann war er etwas ärgerlich geworden.
Du weißt doch sicher noch, daß sich Jörg früh immer langsam an und abends langsam auszieht. Du weißt doch sicher auch noch, daß wir manchmal geschimpft haben deshalb. Aber alles nützte nichts. Er kam immer wieder ins träumen und spielen. Damit ich nun nicht immer schimpfen muß, habe ich die Kinder abends immer ein bißchen zeitige ausziehen lassen. Jetzt in den Ferien bin ich darin ja nicht so streng, denn sie können früh ja ausschlafen. Wenn nun Vater in letzter Zeit rauf kam, sagte er immer: „Jetzt bummelt nicht so rum, macht Euch fertig, daß ich in die Falle kommt, ihr erkältet Euch bloß“ usw. Gestern sagte er nun: „Das  hätte es bei Ernst seiner Mutter  nicht gegeben, wenn sie gesagt hat „ausziehen“, da waren die Kinder in 5 Minuten fertig, sonst hätten sie ein paar hinter die Ohren gekriegt.“ Jetzt möchte ich Dich fragen, bin ich wirklich so dumm und kann die Kinder nicht erziehen? Muß ich doch lieber abends schimpfen oder soll ich sie lieber etwas zeitiger ausziehen lassen? Ich möchte es doch richtig machen. Drum möchte ich gern Deine Meinung wissen.
Heute, als der Blockwart die Spende für die Soldaten aufschrieb, brachte er für jeden, der Radio hat, eine Papptafel mit, die an einem Knopf vom Apparat befestigt werden muß. Darauf steht:  
- Denke daran, das Abhören ausländischer Sender ist ein Verbrechen gegen die nationale Sicherheit unseres Volkes. Es wird auf Befehl des Führers mit schweren Zuchthausstrafen geahndet. -    
Der Blockleiter muß sich davon überzeugen, daß diese Tafel tatsächlich am Radio befestigt wird. Da hat man also diese Warnung gleich vor Augen, die ja bei mir überflüssig ist, denn ich denke gar nicht daran, diese Sender zu hören.
Ich will nachher noch ein weiteres Paar Pulswärmer fertig machen, so daß ich also 3 Schals und 3 Paar Pulswärmer abliefere. Evtl. fertige ich aus dem alten Filzhut, den ich mit aus Leipzig gebracht hatte, ein Paar Filzsohlen an.
Wir hatten heute ziemliche Kälte: 10 Grad. Die Kinder waren am Vormittag draußen zum schusseln. Jetzt sitzen sie an ihrem Tischchen und spielen Domino und das neue Rennspiel.
Heute Mittag haben wir einmal den Pudding von Dir probiert. Er schmeckt prima,. Man merkt keinen Unterschied zwischen unserem und französischem.
Vater sagte mir gestern, daß er wahrscheinlich am Sylvester heraufkommen wird. Ihr werdet wohl dort im Kreise der Kameraden feiern, oder bist Du evtl. wieder in Lille?
Nun laß mich wieder schließen. Von Jörg hast Du ja auch noch einen Brief zu lesen.
Sei wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Mein liebster Ernst!                                                                 Konstanz, 29.12.41

Vielen Dank für Deinen lieben Brief vom 23./24.12.
Am Geburtstag von Deiner Mutter haben wir auch an sie gedacht und Du hast recht, wenn Du schreibst, daß ich vielleicht erst jetzt richtig ermessen kann, was Ihr durch den frühen Tod Eurer Mutter verloren habt. Ich habe in letzter Zeit oft daran gedacht. Als Vater bei uns war, hat er auch von Deiner Mutter erzählt.
Vor den Feiertagen war ich ziemlich hin, aber da ich einen Ruhetag eingeschoben hatte, war ich dann wieder etwas ausgeruht. Es ist immer wieder so, daß ich meine Kräfte überschätze.
Die Kinder haben sich ihre Freude nicht trüben lassen und ich habe mir auch in keiner Weise anmerken lassen, wie traurig mir zu Mute war. Ich habe Dir ja schon geschrieben, daß sie sich über den Baum und die Geschenke, überhaupt über Weihnachten sehr gefreut haben. Ich hatte leider die ganzen Tage fest Herzschmerzen, so daß ich am 2. Feiertag doch zu den Herztropfen gegriffen habe. Daraufhin ließ es etwas nach und seit gestern spüre ich nichts mehr.
Du Ernst, ich habe die Absicht, bei der Wintersachen-Sammlung auch meinen Trainingsanzug mit abzugeben. Es soll ja ein Opfer sein, nicht nur, daß man ganz überflüssige Sachen. schenkt. Ich ziehe ihn jetzt ja doch nicht oft an und zum Zelten kommen wir jetzt auch nicht. Bis dahin kommt wieder Rat. Viele Soldaten haben ja schon ihr Leben und ihre Glieder geopfert. Da wollen wir doch nicht so kleinlich sein. Wir leben hier ja fast noch wie im Frieden. Ich hoffe, daß Du damit einverstanden bist.
Heute bekam ich Dein Päckchen 36 mit den 2 Büchern. Das eine hatten wir ja schon, aber nicht in so schöner Ausführung mit Bildern. Sicher sind beide Bücher schön. Hast Du sie schon gelesen?
Wir haben auch heute wieder kaltes Wetter, wieder 10 Grad Kälte. Die Kinder sind wieder beim Schusseln. Jörg ist zwar ein bißchen erkältet, er ist etwas heißer, aber ich denke, die kalte, trockene Luft wird ihm nichts schaden. Sonst ist es ihm ja wohl.
Ob es wohl wahr wird, daß Du Mitte Januar auf Urlaub kommst? Das wären ja nur noch ca. 3 Wochen. Ich meine manchmal, ich kann es gar nicht erwarten, bis du wirklich hier bist. Aber dann muß ich mich immer zur Ordnung rufen, damit ich mich vorher nicht zu sehr freue. Ach, wie froh wäre ich, wenn Du wirklich bald auf Urlaub kämst. Diesmal kommt es mir vor, als wärst Du furchtbar lang nicht mehr zuhause gewesen.
So, jetzt will ich nun weiter schaffen. Ich habe heute noch viel zu tun, denn den ganzen Vormittag habe ich an den Pulswärmern usw. gesessen, damit ich alles sauber und ordentlich abliefern kann. Damit bin ich jetzt ganz fertig.
Heute erhielt ich den Gehaltszettel, auf dem steht, daß das Geld am 30.12. verfügbar ist. Da werde ich es morgen, wenn ich einkaufen gehe, mit holen und Dir gleich 66,- zuschicken. Ich hätte das Geld evtl. etwas später geholt, aber am 2. kann ich nicht wegen großer Wäsche und noch später kann ich Dir vielleicht vorm Urlaub nicht mehr rechtzeitig schicken.
Nun laß mich schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Brief 262 vom 27.12.1941


Mein liebster Ernst!                                                                          Konstanz, 27.12.41                         

Puh, ist aber heute ein scheußliches Wetter, kalt und dabei ein Schneetreiben, daß es einem fast zum Rad runter pustet. Daheim ist es heute schon schöner. Als ich heute vom einkaufen heimkam, war mir direkt die Lust alle. Gerade, als ich an der Haustür ankam, war auch der Briefträger da und brachte mir Deine beiden lieben Brief vom, 22.12, den einen mit Zeitungen und Deine Päckchen 42, 44, 45, mit Mandarinen, Puddingpulver und Mehl. Hab recht, recht vielen Dank dafür. Da kann ich öfter mal einen Pudding kochen, aber eingeteilt wird doch. Die Mandarinen erfreuen sich ja bei uns keines langen Lebens, die sind immer bald futsch. Wenn die Kinder welche sehen, bitten und betteln sie ja die ganze Zeit. Aber zum essen sind sie ja auch da. Mir munden sie auch.
Über die Sachen von meinem Vater habe ich mich gefreut. Deine Sachen wollte ich Dir ja gleich heute zuschicken, aber nun ist ja noch Sperre bis 4.1. Über den Kalender von Papa freust Du Dich also. Was wirst Du aber nun gesagt haben, als Du von mir zu Weihnachten auch noch einen bekommen hast? Ich konnte ja nicht wissen, daß Papa dieses Jahr wieder einen bekommen hat, nachdem es im vergangenen Jahr nicht klappte. Das war ja das kleine Geschenk von dem Du nicht mehr wußtest, daß Du Dir`s gewünscht hast.
Das Bild von Erna gefällt Dir also. Soweit ich sie kennen gelernt habe, kann man schon mit ihr auskommen. Sie ist ja am 18.12.  21 Jahre geworden. Also auch noch ziemlich jung. Wenn ich so mit ihr gesprochen habe, hatte ich gar nicht den Eindruck, viel älter zu sein, aber es sind ja immerhin 9 Jahre. Man muß nur immer die Kinder ansehen, da merkt man erst, daß man älter wird. Denke Dir, ich habe unsere Beiden gemessen. Jetzt fall aber nicht um, Jörg ist 1,33m  und Helga 1,44 m groß. Ist das nicht groß? Aber gesund sind sie und das ist das Allerwichtigste.
Die neue Regelung in der Stube kommt mir ganz praktisch vor. Hoffentlich gefällt es Dir auch. Den einen Vorteil hat es wenigstens jetzt gehabt, daß der Christbaum kein bißchen im Wege steht, so daß man sich überall gut bewegen kann.
Ich weiß auch nicht, ob es eine Schwäche oder Stärke von mir ist, das Räumen. Aber ab und zu kommen mir so die Gedanken, wie es vielleicht noch schöner und zweckmäßiger sein könnte. Da läßt es mir dann keine Ruhe, ich muß es versuchen. Klappt es, dann bin ich geneigt, die Räumerei als eine Stärke anzusehen, sieht es hinterher schlechter aus, dann empfinde ich es als eine große Schwäche, daß ich meiner Phantasie nachgegeben habe. Aber ich glaube, abgewöhnen kann ich es mir nicht gleich, wenn es mir manchmal auch quälend ist.
Ich glaube, der Salzmann läßt sich seine Einladungen auch dadurch bezahlen, daß er jetzt allerhand Wünsche äußert.
Vater kam gestern Abend herauf und brachte 2 kleine Kuchen für uns mit. Da hat er uns unseren Kuchen also eigentlich wieder zurück gegeben. Nur, daß er eben am 1.Feiertag dadurch etwas hatte. Von Frau Frick hat er 2 Pfund Fleisch und Kleingebäck geschickt bekommen. Das Letztere hat er uns mitgebracht, weil er zu viel Süßes nicht mag. Er hat noch zu dem Brief an Kurt etwas dazugeschrieben.
Du, mit den Kanonen hast Du ja Jörg eine Freude gemacht. Und die „Käpsele“, wie man hier sagt, knallen prima. Manchmal hört man hinterher überhaupt nichts mehr. Jetzt hat Jörg auch rausgefunden, daß die Granaten ja einen Schlitz haben, wo auch ein „Käpsele“ reingehört. Die Granate ist doch in der Mitte beweglich. Wenn Du sie nun mit der Spitze auf die Erde fallen läßt, schiebt sie sich zusammen und schlägt dabei auf die Kapsel, das knallt dann so schön, daß Jörg überhaupt nicht mehr damit aufhören möchte. Nur gut, daß ich noch ein paar Schachteln zurückgehalten habe, von denen er nichts weiß. Da teilt er sich`s ein bißchen ein und ich habe ein bißchen Ruhe. Von früh bis Abend sitzt Jörg ja jetzt bei seinen Soldaten.
Helga sitzt jetzt nur noch entweder bei den Puppen oder ihren Märchenbüchern. Da ist es gut, daß noch Ferien sind.
Als die Ferien anfingen, sagte Jörg: „Ich muß jeden Tag lesen und schreiben.“ Ich sagte: „Das ist recht, hoffentlich machst Du es auch.“ „Ganz bestimmt, sonst verlerne ich`s bloß.“ Jetzt versucht er sich aber doch immer zu drücken, und wenn er`s macht, dann aber so schnell und so wenig als möglich. Die Spielsachen sind doch noch stärker.
Nun laß mich für heute wieder schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von  Deiner Anni.

Brief 261 vom 26./27.12.1941


Lieber Ernst!                                                                       Konstanz, den 26.12.41                       

Nun ist auch bald der zweite Feiertag vorbei. Wir sind gerade heimgekommen. Wir sind ein bißchen in der Sonne spazieren gegangen. Wir haben uns die sonnigen Wegen im Wals rausgesucht. 2 Rehe sind uns über den Weg gelaufen. Die weißen Blumen haben weithin geleuchtet.
Gestern Nachmittag habe ich mich, wie ich Dir schon schrieb, ausgeruht. Gegen Abend habe ich noch aus 3 starken Strumpflängen Müffchen für die Soldaten fertig gemacht. Morgen fängt ja die Sammlung an. Die Kinder haben den ganzen Nachmittag über gespielt und gemalt. Gegen 1/2 9 sind sie dann ins Bett. Ich habe gestern auch nicht mehr so lange gemacht, da Vater ja nicht da war. Ich denke, daß er heute Abend wieder herauf kommt. Heute Morgen haben wir bis gegen 9 Uhr geschlafen. Schlafen tut mir immer gut. Dann haben wir Frühstück gegessen, dann habe ich aufgeräumt und Essen gekocht. Ich habe auch 1 Glas des von Dir eingekochten Apfelmuses heraufgeholt. Das hat gut geschmeckt. Nach dem Essen haben wir einmal mit dem neuen Spiel von Jörg gespielt und sind dann in den Wald gegangen. Es war ganz schön draußen. Wo die Sonne nicht hin schien, ist es ja ziemlich kalt, aber in der Sonne kann man es aushalten.
Heute Morgen haben mich die Kinder gebeten, daß sie etwas von den neuen Sachen anziehen dürfen. Jörg seine grauen Hosen und den Pullover, Helga ihr blaues Strickkleid. Sie haben sich in den Sachen genau so stolz gefühlt, wie wir als Kinder. Am liebsten hätten sie gar keinen Mantel angezogen, damit man die neuen Sachen auch sieht. Ich dachte, Jörg wären die neuen Hosen etwas zu groß. Das ist aber gar nicht der Fall. Sie passen gerade richtig.
Es ist jetzt 5 Uhr vorbei. Ich will nachher auch gleich noch an Papa schreiben. Ich will ihm noch für die Bücher danken und auch noch das Häkchen in der oberen Ecke nicht vergessen, damit er weiß, daß die Handtücher usw. angekommen sind.
Heute wurde ja keine Post ausgetragen, so daß ich auch keinen Brief von Dir bekommen konnte. Ich hoffe aber morgen bestimmt darauf, da ich ja jetzt ein paar Tage vergeblich warten mußte.
Nun kommt ja bald das neue Jahr heran. Ich weiß ja nicht, wie lange jetzt, wo besonders viel Post unterwegs ist, die Beförderung dauert. Damit aber meine Wünsche noch rechtzeitig eintreffen, möchte ich Dir heute schon ein recht gesundes Neues Jahr wünschen. Hoffentlich bleiben wir alle gesund und sehen uns immer gesund wieder. Mein nächster Wunsch ist dann, daß Du recht bald auf Urlaub kommst. Wir freuen uns ja schon so sehr darauf.
Ich denke, daß Vater am Sylvester heraufkommen wird, damit ich nicht ganz allein bin. Meine Gedanken werden immer bei Dir sein. Es ist schwer, ohne den liebsten Menschen, den man hat, ins Neue Jahr zu treten, aber es geht ja so vielen so, so daß wir nicht murren wollen.
Sei Du, mein liebster Mann, wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.
Ich habe vorhin gleich noch an Kurt und Siegfried geschrieben.

Mein liebster Ernst!                                                             Konstanz 27.12.41

Puh, ist aber heute ein scheußliches Wetter, kalt und dabei ein Schneetreiben, daß es einem fast zum Rad runter pustet. Daheim ist es heute schon schöner. Als ich heute vom einkaufen heimkam, war mir direkt die Lust alle. Gerade, als ich an der Haustür ankam, war auch der Briefträger da und brachte mir Deine beiden lieben Brief vom, 22.12, den einen mit Zeitungen und Deine Päckchen 42, 44, 45, mit Mandarinen, Puddingpulver und Mehl. Hab recht, recht vielen Dank dafür. Da kann ich öfter mal einen Pudding kochen, aber eingeteilt wird doch. Die Mandarinen erfreuen sich ja bei uns keines langen Lebens, die sind immer bald futsch. Wenn die Kinder welche sehen, bitten und betteln sie ja die ganze Zeit. Aber zum essen sind sie ja auch da. Mir munden sie auch.
Über die Sachen von meinem Vater habe ich mich gefreut. Deine Sachen wollte ich Dir ja gleich heute zuschicken, aber nun ist ja noch Sperre bis 4.1. Über den Kalender von Papa freust Du Dich also. Was wirst Du aber nun gesagt haben, als Du von mir zu Weihnachten auch noch einen bekommen hast? Ich konnte ja nicht wissen, daß Papa dieses Jahr wieder einen bekommen hat, nachdem es im vergangenen Jahr nicht klappte. Das war ja das kleine Geschenk von dem Du nicht mehr wußtest, daß Du Dir`s gewünscht hast.
Das Bild von Erna gefällt Dir also. Soweit ich sie kennen gelernt habe, kann man schon mit ihr auskommen. Sie ist ja am 18.12.  21. Jahre geworden. Also auch noch ziemlich jung. Wenn ich so mit ihr gesprochen habe, hatte ich gar nicht den Eindruck, viel älter zu sein, aber es sind ja immerhin 9 Jahre. Man muß nur immer die Kinder ansehen, da merkt man erst, daß man älter wird. Denke Dir, ich habe unsere Beiden gemessen. Jetzt fall aber nicht um, Jörg ist 1,33m  und Helga 1,44 m groß. Ist das nicht groß? Aber gesund sind sie und das ist das Allerwichtigste.
Die neue Regelung in der Stube kommt mir ganz praktisch vor. Hoffentlich gefällt es Dir auch. Den einen Vorteil hat es wenigstens jetzt gehabt, daß der Christbaum kein bißchen im Wege steht, so daß man sich überall gut bewegen kann.
Ich weiß auch nicht, ob es eine Schwäche oder Stärke von mir ist, das Räumen. Aber ab und zu kommen mir so die Gedanken, wie es vielleicht noch schöner und zweckmäßiger sein könnte. Da läßt es mir dann keine Ruhe, ich muß es versuchen. Klappt es, dann bin ich geneigt, die Räumerei als eine Stärke anzusehen, sieht es hinterher schlechter aus, dann empfinde ich es als eine große Schwäche, daß ich meiner Phantasie nachgegeben habe. Aber ich glaube, abgewöhnen kann ich es mir nicht gleich, wenn es mir manchmal auch quälend. ist.
Ich glaube, der Salzmann läßt sich seine Einladungen auch dadurch bezahlen, daß er jetzt allerhand Wünsche äußert.
Vater kam gestern Abend herauf und brauchte 2 kleine Kuchen für uns mit. Da hat er uns unseren Kuchen also eigentlich wieder zurück gegeben. Nur, daß er eben am 1.Feiertag dadurch etwas hatte. Von Frau Frick hat er 2 Pfund Fleisch und Kleingebäck geschickt bekommen. Das Letztere hat er uns mitgebracht, weil er zu viel Süßes nicht mag. Er hat noch zu dem Brief an Kurt etwas dazugeschrieben.
Du, mit den Kanonen hast Du ja Jörg eine Freude gemacht. Und die „Käpsele“, wie man hier sagt, knallen prima. Manchmal hört man hinterher überhaupt nichts mehr. Jetzt hat Jörg auch rausgefunden, daß die Granaten ja einen Schlitz haben, wo auch ein „Käpsele“ reingehört. Die Granate ist doch in der Mitte beweglich. Wenn Du sie nun mit der Spitze auf die Erde fallen läßt, schiebt sie sich zusammen und schlägt dabei auf die Kapsel. Das knallt dann so schön, daß Jörg überhaupt nicht mehr damit aufhören möchte. Nur gut, daß ich noch ein paar Schachteln zurückgehalten habe, von denen er nichts weiß. Da teilt er sich`s ein bißchen ein und ich habe ein bißchen Ruhe. Von früh bis Abend sitzt Jörg ja jetzt bei seinen Soldaten.
Helga sitzt jetzt nur noch entweder bei den Puppen oder ihren Märchenbüchern. Da ist es gut, daß noch Ferien sind.
Als die Ferien anfingen, sagte Jörg: „Ich muß jeden Tag lesen und schreiben.“ Ich sagte: „Das ist recht, hoffentlich machst Du es auch.“ „Ganz bestimmt, sonst verlerne ich`s bloß.“ Jetzt versucht er sich aber doch immer zu drücken, und wenn er`s macht, dann aber so schnell und so wenig als möglich. Die Spielsachen sind doch noch stärker.
Nun laß mich für heute wieder schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von  Deiner Anni.

Brief 260 vom 25.12.1941


Mein lieber Ernst!                                                               Konstanz, den 25.12.41                     

Gestern bin ich leider nicht zum schreiben gekommen, da Vater abends bis 1/2 1 da war. Danach hatte ich keine Lust mehr zum schreiben.
Nun will ich Dir erst noch von vorgestern erzählen. Wir sind vorgestern Abend noch in die Stadt gegangen und haben zuerst die Bilder abgeholt mit, die ich Dir gleich noch mitgeschickt habe. Bei Jörgs Bild mit der Zuckertüte hatte ich gar nicht darauf geachtet, daß mein Schatten mit auf`s Bild gekommen ist. Ein Bild ist ja nicht gut geworden, das ist in der Wohnung am Fenster gemacht. Sonst bin ich mit den anderen soweit zufrieden.
Wir sind noch auf die Marktstätte gegangen und haben uns den brennenden Tannenbaum angesehen. Ich glaube, in Deutschland ist Konstanz die einzige Stadt, die abends den Baum brennen lassen kann, denn die anderen Städte sind ja alle verdunkelt. Die Stadtkapelle hat gerade gespielt, da haben wir also auch noch Konzert gehabt.
Wir sind dann durch den Stadtgarten heim gegangen.
Gestern Vormittag erhielt ich die Zeitungen mit den Umschlägen von Dir. Ein Brief an mich war ja nicht dabei, nur die verschiedenen älteren Briefe zum aufheben. Am Nachmittag kam das Päckchen Nr. 40 mit Mandarinen. Ich danke Dir für Beides sehr. Die Mandarinen werden uns über die Feiertage munden.
Wie ich Dir schon vorher schrieb, haben wir um 3/4 6 beschert. Ich habe mich direkt davor gefürchtet, denn mir kam alles so kahl und unfestlich vor, aber den Kindern war es doch feierlich  und sie haben sich sehr gefreut. Wir haben zuerst ein Weihnachtslied gesunden und dann haben sich die Kinder die Geschenke angesehen. Zuerst haben sie nur die Püppchen und das Spiel beachtet. Das ist Tatsache und ich schreibe es nicht, weil Du es Ihnen geschenkt hast. Die anderen Geschenke kamen erst in zweiter Linie dran. Helga war ganz begeistert und hat die Puppen überhaupt nicht mehr hinlegen wollen. Jörg habe ich noch am Abend 3 Kanonen zusammenbauen müssen und er hat den ganzen Abend mit nichts anderem gespielt und spielt auch heute schon den ganzen Vormittag damit. Nach ihrer Bescherung haben sie mir meine Sachen gebracht und ich muß sagen, ich war ganz erstaunt, was sie alles gekauft haben. 2 Hefte Löschpapier, 3 Postkarten, 2 schöne, mit bunten Blumen bemalte Untersetzer und 1 Buch „Der Pomeranzenzweig“. Ich habe mich sehr gefreut. Man glaubt immer gar nicht, daß sie schon mit so viel Verstand einkaufen können.
Nach der Bescherung haben wir Stolle gegessen und als wir gerade fertig waren, kam Vater. Da haben wir nochmals den Baum angebrannt und die Kinder haben das Lied „O Tannenbaum“ gesungen. Dann haben wir Vater seine Geschenke gegeben, über die er sich auch gefreut hat. Er brachte uns dann noch Pralinen. Wir haben dann noch in der Küche gegessen und haben zuerst Jörg`s Kanonen zusammengebaut. Dann habe ich für Vater die Mandeln geschält und gerieben und die Rosinen ausgekernt. Wir hatten es am Tage vorher ausgemacht, daß er sie mitbringt. Er will heute backen. Zum ersten Feiertag hat er ja nun unseren Kuchen. Die Kinder haben bis 10 Uhr gespielt und sind 1/2 11 ins Bett. Vater war noch bis 1/2 1 da und wir haben uns unterhalten.
Von Papa habe ich die Bücher „Junge Mutter Randi“ von Lise Gast, „Mutter erzählt von Adolf Hitler“ von Johanna Haarer, „Der Mutterhof“ von Felicitas Rose, „Lonny, die Geschichte einer jungen Ehe“ von Günter Less erhalten.
Von Papa kam heute morgen noch ein Paket mit 12 neuen Handtüchern, 6 Wischtüchern, 2 Kartons Taschentücher, alles Sachen von Mama. Ich schicke Dir den Brief von Papa mit.
Von Kurt kamen 2 Päckchen. Einer mit Bonbon und einer mit Sachen zum aufheben. Er schreibt, daß wir ihm  die später nicht schicken sollen. „Das wird keinen Zweck haben, die Sachen wären nur überflüssig. Gründe möchte ich sonst keine anführen“ schreibt er wörtlich dazu. Wahrscheinlich kommt er, wie er schon ahnte, nach Rußland.
Lieber Ernst, ich weiß heute gar nichts mehr zu schreiben. Ich habe so gar keine Weihnachtstimmung. Es täte vielleicht gut, sich einmal richtig ausweinen zu können, aber das ist mir jetzt nicht mehr gegeben und so tut eben das Herz weh. Vielleicht ist es morgen schon wieder etwas besser. Vorhin haben sie gerade im Radio „Träumerei von Schumann“ gespielt, was ja beim Begräbnis von Mama gespielt wurde und heute ist sie ja auch gerade 1/4 Jahr tot. Das hat mich noch ganz traurig gemacht.
Sei bitte nicht böse, wenn Du heute gar keinen fröhlichen Brief erhältst, aber ich kann heute nicht anders. Sei für heute recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.
Es ist nun am Nachmittag. Ich habe alles aufgeräumt und Helga hat mir beim Abtrocknen geholfen. Nun haben mir unsere zwei lieben Kerlchen den Sessel aus der Stube geholt, haben Kissen darauf gelegt und wollen es mir ganz gemütlich machen. Da kann ich mich schön ausruhen. Das ist doch lieb, nicht wahr? Das will ich nun auch tun und mich über die Feiertage richtig ausruhen und faulenzen. Wo wirst Du heute sein?
Ich grüße und küsse Dich nochmals recht herzlich Deine Anni.

Brief 259 vom 23.12.1941


Mein lieber Mann!                                                                   Konstanz, 23.12.41                     

Viele liebe Grüße habe ich heute von Dir erhalten. Deinen Weihnachtsbrief, den Brief vom 19.12. und das Päckchen 41. Über alles habe ich mich sehr gefreut. Beim lesen Deines Weihnachtsbriefes habe ich die vergangenen Weihnachtsfeste direkt noch einmal erlebt. Es ist, wie Du schreibst, mit jedem Weihnachtsfest hatte sich unsere wirtschaftliche Lage etwas verbessert. Es erfüllt mich aber immer wieder mit Freude, daß wir auch in der schlechtesten Zeit nicht unzufrieden waren und uns mit Klagen das Leben schwer gemacht haben.
Eine wirkliche Überraschung hast Du mir bereitet, indem Du mir mitteilst, daß Du zum K.V.Assistenten ernannt worden bist. Das freut mich aber. Nun hatte doch Deine Mühe im Frühjahr auch dort einen Zweck. Fein ist das.
Du mußt keine Angst haben, daß ich den Kindern ihre Weihnachtsfreude verderbe. Ich weiß, daß es mir hart ist, ohne Dich das Fest zu verleben, aber das mache ich mit mir allein aus. Die Kinder sollen unbeschwert fröhlich sein können. Sie freuen sich ja schon so lange darauf. Ich habe schon alles soweit vorbereite. Auch den Weihnachtsbaum habe ich heute am Vormittag schon geputzt. Der Kuchen für Vater, ein Gewürzkuchen, ist auch schon gebacken, eingekauft habe ich auch. Da gibt es morgen gar keine Hetzerei und wir können vorher noch ein bißchen zusammen singen, spielen und von Weihnachten erzählen.
Meine Gedanken richten sich auch schon wieder auf Deinen Urlaub, der ja, wenn alles glatt geht, nicht mehr in allzu weiter Ferne liegt.
Da muß ich Dich gerade noch etwas fragen. Ich habe hier noch eine Kleinigkeit für Dich zu Weihnachten gekauft und wollte es Dir gleich nach den Feiertagen zuschicken. Nun ist aber die Feldpostsperre bis 4.1. verlängert worden. Soll ich es Dir nun nachher noch zuschicken, oder soll ich bis zum Urlaub warten? Und soll ich die verschiedenen Kartonstücken noch hinschicken?
Du hast ja wieder verschiedene Päckchen auf den Weg gebracht. Sag mal, behältst Du denn auch genügend Mandarinen für Dich dort? Du sollst doch nicht nur uns damit versorgen. Das Puddingpulver hast Du auch nicht vergessen. Ich muß schon sagen, Du machst Dir viel Mühe wegen uns und siehst zu, daß Du etwas für uns bekommst. Ich möchte Dir immer wieder dafür danken.
Die Puppen für Helga sind ja nun vorhin mit dem Päckchen auch noch rechtzeitig angekommen. Das freut mich und doch Dich auch. Sie gefallen mir gut und Helga wird eine große Freude damit haben. Das Buch „Sperrfeuer um Deutschland“ werde ich in nächster Zeit auch mit lesen.
Die Bücher von Papa habe ich nun doch nicht vorher ansehen brauchen. Ich habe sie mit geschlossenen Augen ausgepackt, habe die erste leere Seite aufgeschlagen, auf der die Widmung steht. Danach sind die 4 großen Bücher für uns Beide, bzw. für mich bestimmt. Nachdem ich das wußte, habe ich sie mit der Rückseite nach vorn auf meinen Weihnachtstisch gestellt und kann mich nun morgen noch überraschen lassen. Die Kinder wollen mich ja auch noch beschenken. Da werde ich nachher zu staunen haben.
Ich stelle mich vielleicht dumm an, aber ich weiß nicht genau, was ich Dir für Unterlagen von der Ahnenforschung schicken soll. Mehrere Schreiben? Vielleicht kannst Du mir an Hand des Ahnenpasses, den Du ja noch dort hast, schreiben, was Du brauchst. Etwas Größeres könnte ich jetzt nicht schicken, da die Briefe nur 50 g wiegen dürfen.
Der Schinken ist noch nicht schlecht. Ich habe ihn immer am offenen Fenster liegen. Jetzt, über Weihnachten, werden wir auch wieder davon essen. Zu teuer hast Du ihn damals bestimmt nicht bezahlt.
Ich gehe nachher noch mit den Kindern in die Stadt. Erst wollen wir die Photos abholen, die ich von den Kindern gemacht habe. Wenn sie etwas geworden sind, schicke ich sie Dir mit. Hinterher bringen wir den Brief noch auf die Post in der Stadt da Jörg so gern einmal den brennenden Baum auf der Marktstätte sehen möchte. Diesen Wunsch kann man ihm ja gern erfüllen. Aber ehe wir gehen, muß ich ihm erst noch seine Trainingshose stopfen, in die er vorhin gerade einen schönen Dreiangel gerissen hat. O, diese Buben, das sind doch Kerle. Diese Löcher kommen ja immer ganz von selbst, sie haben gaaaarnichts gemacht. Die Mädels sind da doch braver, meinst Du nicht auch?
Doch nun laß mich schließen. Sei recht, recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Brief 258 vom 21./22.12.1941


Mein liebster Ernst!                                                  Konstanz, 21.12.41                       

Einen Sonntagsgruß habe ich heute von Dir bekommen, Deinen lieben Brief vom 18.12.
Die Kinder sind sehr stolz, daß Du Dich über ihren Brief gefreut hast. Nicht wahr, Helga schreibt schon ganz gut. Es kommt eben durch die längere Übung. Mit Jörg seiner Schrift bin ich bis jetzt auch zufrieden.
Die Mandarinen sind wirklich eine willkommene Abwechslung. So etwas haben wir hier ja nicht. Die, die gestern angekommen sind, heben wir für Weihnachten auf. Da werden sie uns auch munden.
Die Essenkocherei für die Kinder ist nicht so schlimm. Ich habe mich schon daran gewöhnt. Es ist ja nur 3/4 Stunde Unterschied, da stelle ich den Topf mit den Kartoffeln mit dem Bügeleisenuntersetzer auf den Ofen. Da halten sie warm, brennen aber nicht an. Bei Eintopf ist es ja einfach.
In dem ersten Paket von Papa waren u,a. 1 Paar Lackschuhe von Mama, 1 Paar Lederhausschuhe, die Helga beide bald tragen kann. 1 weißer handgestrickter Unterrock, wieder einige Hemden, auch ein gestreiftes für Vater, 2 neue Schürzen, 1 Frottierhandtuch, die hohen Schuhe, 1 Hauskleid, 2 ältere Kleider. Aus einem habe ich Jörg Trainingshosen gemacht. Aus dem anderen kann sicher Helga noch was gemacht bekommen. Alte Schlüpfer, davon 2 gestrickte. Da sie so nicht mehr zu brauchen waren, habe ich aus einem für Helga`s größte Puppe 1 Strickkleid gemacht und habe es rosa umhäkelt. Es ist fein geworden. Aus dem anderen bekommt Jörg`s Bär einen Strampelanzug. Es findet alles seine Verwendung.
Nun will ich zum wichtigsten des heutigen Tages kommen, wenigstens für unsere Kinder, unser Theaterbesuch. Die Kinder waren wieder ganz begeistert. Ihnen ist Theater noch lieber als Kino. Es war wirklich ganz schön. Ich bin nur immer noch von Leipzig früher verwöhnt. Aber diesen Maßstab kann man ja an das kleine Theater nicht anlegen. Jedenfalls hat es den Kindern wunderbar gefallen und das ist ja schließlich die Hauptsache. 
Jetzt ist doch zur Sammlung von warmen Wintersachen aufgerufen worden. Die 2 bunten Schals von den Kindern wollte ich geben, da sie ja noch welche von Mama haben. Doppelt brauchen wir ja nicht, wenn die Soldaten draußen frieren müssen. Von den Pullovern werden wir ja keinen weggeben können, denn gut hast Du ja nur 1 mit und 1 ohne Ärmel. Schreibe mir darüber recht bald, da ja die Sammlung schon am 27. anfängt.
Was sagst Du zu dem Weihnachtsgeschenk von Vater. Denke Dir, 40 Mk. Ich habe es ihm auszureden versucht, aber er wollte es einfach geben. Er verdiene jetzt und habe seine Rente. Er spart übrigens als einziger in seinem Betrieb eisern, 26.- im Monat.
Ich will jetzt noch mit den Kindern zu ihm runter gehen. Sein Wecker ist nämlich kaputt und die Uhr geht nicht. Da will ich ihm den kleinen Wecker borgen. Er hat gestern vergessen, ihn mitzunehmen und zum öfteren Raufkommen tun ihm die Füße zu weh.
Laß mich darum für heute schließen. Verlebe die Feiertage noch recht froh und sei herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Mein lieber Ernst!                                                        Konstanz, 22.12.41

Einen Brief habe ich bis jetzt nicht bekommen. Vielleicht bringt der Briefträger nachher noch einen. Er kommt nämlich jetzt immer später, da er wegen der vielen Pakete nicht mit dem Rad, sondern mit einem Posthandwagen fährt. Das geht natürlich bedeutend langsamer. Heute bekam ich das Zeitungspaket von Papa mit einem schönen schwarzen Muff und einem Seidentuch von Mama.
Zu lesen habe ich über die Feiertage, es sind wieder Berliner Illustrierte, Koralle, Neue J.Z. Grüne Post usw. Es ist gerade richtig angekommen.
Das Weihnachtszimmer ist nun wieder für die Kinder gesperrt. Ich habe schon soweit vorgerichtet. Morgen schmücke ich den Baum. Für Vater werde ich morgen für Weihnachten noch einen Kuchen backen. Er weiß noch nicht, ob er zum Backen kommt, und wenn er es tut, kommt er doch vor den Feiertagen nicht dazu. Da haben wir mit dem Kuchen gleich noch ein Weihnachtsgeschenk für ihn.
Bei uns ist es seit Freitag kalt geworden, von mildem Wetter ist nichts mehr zu spüren. So kalt, daß es nicht gut auszuhalten ist, ist es natürlich nicht. Nach den milden Tagen vorher erscheint es nur kälter.
Ich fahre nachher noch in die Stadt und kaufe alles ein, damit ich mich nicht die zwei letzten Tage so rumdrängen muß. Viel ist es ja sowieso nicht, was ich noch zu besorgen habe, denn am Ende der Woche will ich auch noch was auf den Karten haben. Wir haben aber über die Feiertage etwas Wurst, Käse und noch Schinken von Dir. Das reicht gut. Von dem Schinken will ich auch Vater noch was geben, ich habe noch genügend da.
Von  Dora erhielt ich heute eine Weihnachtskarte. Sie schreibt, daß sie unseren Kindern etwas schicken wollte, daß sie aber nichts bekommen konnte.
Wenn Du diesen Brief erhältst, sind wahrscheinlich die Feiertage schon fast oder überhaupt vorüber. Ob Du wohl nach Lille gefahren bist. Nun, Du wirst es mir ja schreiben.
Gestern habe ich mich schön verhunzt. Als ich mir gestern den Clip an meinem Schal machen wollte, habe ich nicht den Schal sondern meinen Hals erwischt. Da habe ich nun eine schöne Blutblase. Das kann doch nur mir passieren, nicht wahr?
Laß mich nun schließen. Sei wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.
Der Großhändler Grießer ist zu 15 000,-Mk Strafe wegen Preistreiberei verurteilt worden. Außerdem ist ihm der Importhandel mit Obst und Gemüse entzogen worden. Daß diese Leute doch nie genug verdienen können.

Brief 257 vom 20.12.1941


Mein liebster Ernst!                                                               Konstanz, 20.12.41                  

Heute bin ich nun mit Briefen wieder verwöhnt worden. Gleich 3 Briefe bekam ich von Dir, vom 14., 16. und 17.12. Ich danke Dir recht sehr dafür. Als erstes mußte ich gleich lesen, daß Du bei rohen Klößen und Sauerkraut gern einmal dabei wärst. Schweinefleisch sollte auch nicht fehlen. Du lieber Kerl, diesen Wunsch werde ich mir merken und ihn Dir bei Deinem nächsten Urlaub erfüllen.
Alle Kleider für ihre Puppe habe ich Helga noch nicht gezeigt. Ich will sie damit zu Weihnachten überraschen.
Sobald die Feldpostsperre aufgehoben ist, schicke ich die verschiedenen Kartonstücke an Dich ab. Ich habe ja alle, die sich noch verwenden lassen, aufgehoben.
Gerade kamen Deine Päckchen 38 mit Mandarinen und 39 mit Knäckebrot, Bonbons und Fruchtstangen an. Von dem Knäckebrot habe ich den Kindern schon etwas gegeben, denn sie sind ja ganz wild darauf. Ich möchte Dir für alles wieder danken.
Wenn in einem weiteren Päckchen noch Tabak ist, so werde ich den vielleicht für Papa aufheben, denn er hat ja im Januar wieder Geburtstag.
Es freut mich, daß Ihr Euch auch einen Christbaum bestellt habt. Hoffentlich bekommt Ihr einen schönen. Es soll doch auch bei Euch weihnachtlich sein. Lieber Ernst, sei nicht so traurig und laß Dir das Weihnachten nicht verderben. Mit unseren Gedanken sind wir ja auch ganz besonders zu Weihnachten bei Dir und wenn Du auch an uns denkst, sind wir doch in Gedanken beisammen verbunden. Du erlebst nun ein Weihnachten bei den Soldaten. Vielleicht wird Dir das später auch eine schöne Erinnerung. Vielleicht erleben wir dann das kommende Weihnachten zusammen, daß Du da Urlaub bekommst, denn der Krieg wird ja wohl auch dann noch nicht zu Ende sein.
Nanni wird sich sicher über  das Kaffeepäckchen freuen. 50 g haben wir jetzt zugeteilt bekommen. Aber wenn dann davon der Appetit geweckt worden ist, kann sie dann zu Deinen Päckchen greifen.
Wir wollen uns nun nicht mehr ärgern, daß Du jetzt nicht auf Urlaub kommen kannst. Wenn Du wirklich Mitte Januar kommen könntest, wäre es fein und man könnte sich jetzt schon ein wenig darauf freuen. Aber nur erst ein wenig, damit man nicht so sehr enttäuscht ist, wenn es dann nicht so wird. Es ist wirklich nicht schön, daß Du erst Ärger haben mußt, bis man den Urlaub bewilligt. Es sollte doch eigentlich so sein, daß keiner vorgezogen und keiner benachteiligt wird. Aber so ideal wird man es wohl selten antreffen. Ich weiß wohl, daß Du Dich nach dem richten mußt, was Dir befohlen wird und ich sehe es auch vollkommen ein. Ich bin doch nicht unvernünftig, oder doch? Du bist mir doch wohl nicht böse, daß ich über Dein Nichtkommen so enttäuscht war. Ich wollte Dich bestimmt nicht ärgern.
Es war kein Roman, wie ich erst annahm, der in Eurer Zeitung von Überlingen stand, sondern nur eine Novelle. Da war auch vom Haldenhof die Rede. Da habe ich gleich wieder an unsere Fahrt dorthin denken müssen.
Das Spielzeug für Jörg ist nicht ganz. Ich bin gespannt, ob er die Kanone zusammen bekommt.
Du hast wirklich mit Deinem Mehlpäckchen Pech gehabt. Aber ich weiß es ja jetzt wieder aus unserem Keller, vor den Viechern, den Mäusen, ist nichts sicher. Wenn es nicht zu schicken geht, kannst Du das Mehl ja vielleicht bei Deinem nächsten Urlaub mitbringen. Es ist mir immer willkommen.
Wie ich Dir schon vorhin schrieb, laß Dir das Weihnachten dadurch, daß Du nicht heimkommen kannst, nicht ganz verbittern. Wenn Ihr dort Pfefferkuchen usw. bekommt, so freue Dich daran und laß es Dir gut schmecken. Es ist doch schön, daß wenigstens vom Militär aus auch für die Soldaten gesorgt wird, daß es etwas festlich ist. Natürlich ist es zuhause am schönsten, aber es geht ja nicht zu ändern und Du sollst deshalb nicht ohne Freude sein, Du mein lieber, lieber Ernst.
Von Siegfried erhielt ich heute einen Brief. Es kann nun doch sein, daß er zu Weihnachten daheim ist. Er ändert sich doch scheinbar etwas, seit er verheiratet ist. Er schreibt z.B. „Ich sehne mich tatsächlich jetzt wieder einmal nach Hause, denn wenn man jung verheiratet ist, möchte man doch ein bißchen was davon haben und wenn mich Erna zu hause so umsorgt, so bin ich wirklich glücklich.“ Er schreibt auch noch, daß er jetzt bis kurz vor Leningrad war und daß dort bis 30 Grad Kälte herrscht. Bei 20 Grad Kälte im Zug sind sie mal eingeschneit und 6 Stunden festgesessen. Da sie für ihren Heizkesselwagen kein Wasser mehr hatten und auch die Lokomotive nicht mehr am Zug war, hatten sie es im Zug so kalt. Jetzt fahren sie nach dem Entladen nach Dresden zur Reparatur. Dort muß auch der Zug entlaust werden, wie jedes Mal nach der Fahrt nach Rußland.
Eben kam Vater und brachte das Weihnachtsgeschenk für uns. 15 Mark für die Kinder und 25 Mk für uns. Ich wollte es gar nicht annehmen, aber Vater gibt nicht nach. Da ich für  die Kinder nichts mehr zu besorgen habe, werde ich das Geld sparen. Unseres sicher auch, denn mehr als 65,- kann ich Dir ja sowieso nicht schicken und das tue ich vom Gehalt. Bist Du damit einverstanden?
Wie Siegfried noch schrieb, hatte Erna am 18.12. Geburtstag. Ich werde Ihr sicher in den nächsten Tagen noch schreiben. Nun möchte ich Dir nochmals ein recht frohes Weihnachtsfest wünschen. Verlebe die Tage so froh als möglich. Sei nun recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.
Mein lieber Ernst! 
Da ich gerade hier bin, will ich Dir wenigstens meine Weihnachtsgrüße übermitteln. Da Du leider nicht hier sein kannst zu Weihnachten wünsche ich Dir vor allen Dingen gesunde und frohe Feiertage und wollen hoffen, daß wir nächste Weihnachten alle beisammen sein können und gesund sind und der Krieg zu Ende ist. Verlebe die Feiertage so gut es geht und wünsche Dir alles Gute. Herzliche Grüße Dein Vater.


Brief 256 vom 18./19.12.1941


Mein lieber Ernst!                                                            Konstanz, den 18.12.41                         

Post habe ich heute keine von Dir bekommen. Nur eine Karte von Papa, daß ein drittes Paket unterwegs ist mit Zeitungen, einem Muff und einem Tuch von Mama. Da habe ich also über die Feiertage etwas zu lesen, damit es mir nicht langweilig wird.
Heute Morgen habe ich für die Kinder noch je 1 Paar Socken gekauft, damit sie sie jetzt über die Strümpfe anziehen können und später, wenn sie wieder gewachsen sind, so an bloßen Füßen.
Jetzt sind alle Weihnachtsvorbereitungen soweit getroffen. Ich wollte ja eigentlich noch verschiedenes nähen, aber ich kann einfach nicht mehr. Ich bin so kaputt, daß ich am liebsten überhaupt nichts mehr tun möchte. So habe ich jetzt die Maschine weggestellt und mache nur noch die Sachen mit der Hand fertig, die ich soweit vorbereitet habe. Es sind dies 1 gestreiftes Kleid für die zweitgrößte Puppe, 1 Dirndlkleid mit 2 Blusen (die ich noch umhäkeln muß) für die größte, 1 Strampelhöschen und Mütze für die Babypuppe. Da habe ich auch so noch genug zu tun. Helga muß eben mit dem zufrieden sein.
Ich habe heute an Papa noch einen Brief geschrieben, von dem ich Dir den Durchschlag mitschicke. Außer einer Karte, wenn ich das 3. Paket erhalte, werde ich wohl vor Weihnachten nichts mehr schreiben. An Nanni will ich noch eine Weihnachtskarte schicken, damit sie nicht ganz beleidigt ist. Ich weiß einfach nicht, was ich ihr in einem Brief schreiben sollte. Das Briefschreiben machst Du ja. Sonst glaube ich, daß ich mit den Schreiben alles erledigt habe, damit keiner sich zurückgesetzt fühlt.
Laß mich nun für heute schließe. Ich kann heute gar keinen richtigen Gedanken mehr zusammenbringen.
Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Mein liebster Ernst!                                                      Konstanz, 19.12.41

Heute habe ich wieder keinen Brief von Dir bekommen. Von Papa kam einer, von dem Du sicher den Durchschlag bekommen hast, denn am gleichen Tag hat er an Dich geschrieben und ich erhielt den Durchschlag davon. Gleichzeitig kam ein Päckchen mit allen 10 Abzeichen, bzw. Kreiseln, die am kommenden Sonntag verkauft werden. Wir alle drei haben schon unsere Freude daran gehabt, denn sie tanzen richtig, und da es jeweils ein Pärchen mit verschiedenen Trachten ist, kann man sie zusammen tanzen lassen. Du hättest nur hören sollen, wie die Kinder heute schon darüber gelacht haben. Ich schrieb Dir ja vorgestern, daß sich die Kinder 25 Pfennig von dem fortgeschafften Papier gespart haben. Nun haben sie dazu wieder ihre Sparbüchse mit noch 30 Pfennig geplündert und sind heute Nachmittag in die Stadt gewandert, um mir noch etwas für Weihnachten zu kaufen. Sie wollen mich unbedingt beschenken. Helga wollte eigentlich Jörg um 3 Uhr von der Schule abholen, aber er kam schon 1/2 3 Uhr wieder. Es ist ihnen nur ihr künftiges Klassenzimmer in der richtigen Schule gezeigt worden, dann durften sie wieder nach hause gehen. Die Schule fängt am 6.1. wieder an. In der Schule ist jetzt große Räumerei, da können sie die Kinder die 2 Tage nicht noch brauchen. Böse sind sie ja deswegen nicht. Jörg ist ganz begeistert von dem neuen Zimmer und jetzt ist es schon 1 Treppe hoch, das ist doch was ganz besonderes.
Wie ich heute in der Zeitung gelesen habe, ist bei Uhink ein kleiner Werner angekommen.
Ich hatte mir ja gestern vorgenommen, nichts mehr vor Weihnachten zu nähen. Nun mußte ich diesem Vorsatz doch untreu werden. Ich ließ gestern Helga ihr gutes grünes Kleid anziehen, um zu sehen, ob alles für den Sonntag klappt. Da war es ihr doch vollkommen zu klein geworden. Sie hatte es längere Zeit nicht mehr angehabt. Was nun? Der Faltenrock, den sie sonst angezogen hätte, war ihr ja auch viel zu kurz geworden und ich habe ihn zum Mantel mit verarbeitet. Da habe ich mich an Deine blaue Hose, in die doch die Motten gekommen waren, erinnert. Ich hatte sie ja im Koffer verpackt liegen. Die habe ich vorgeholt und Helga ein sehr schönes Röckchen draus gemacht. Es hat gerade gereicht, damit die Mottenlöcher nicht stören. Viel größer hätte sie aber nicht sein dürfen. Das Röckchen reicht bis zu den Knien, so daß sie es auch noch nächstes Jahr tragen kann. Helga ist eben schon ziemlich groß, sie braucht bei Kleidern schon 90 cm Länge.
Mein lieber Ernst, ich weiß nicht, wie lange die Briefe jetzt kurz von Weihnachten unterwegs sind. Ich möchte Dir schon heute viele herzliche Weihnachtsgrüße senden. Verlebe die Feiertage gesund und denke recht oft an uns. Ich denke, daß wir am Heiligen Abend so zwischen ½ 6 und 6 Uhr bescheren werden. O Ernst, wie wirst Du uns fehlen. Ich kann es mir gar nicht vorstellen, daß es ein Weihnachten ohne Dich geben kann.
Vater wird wahrscheinlich wieder später am Abend heraufkommen.
Sei Du nun wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.


Samstag, 17. Dezember 2016

Brief 255 vom 17.12.1941


Mein liebster Ernst!                                                                    Konstanz, 17.12.41                               

Ich glaube fast, es bleibt dabei, daß ich immer erst abends zum schreiben komme. Heute haben wir am Nachmittag den Sack mit Papier und eine halbe Tasche mit Knochen weggeschafft. 65 Pfennig haben wir dafür bekommen. Davon haben die Kinder je 25 Pfennig und ich 15 Pfennig gespart. Heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom 13.12. Die Briefmarken hebe ich mit auf. Das ist fein, daß Du doch noch Puppen bekommen hast. Da sind ja dann alle Wünsche Helga`s erfüllt. Also Mehl schickst Du mir auch. Du bist doch ein ganz lieber Kerl. Für alles sorgst Du.
Als wir heute gegen Abend heimkamen, hatte der Briefträger bei Nußbaumers das Weihnachtspaket von Papa abgegeben. Es war ein großes Paket und auch der Inhalt ist sehr reichlich, so daß ich mit meinem kleinen Paket direkt beschämt bin. Aber es gibt bei uns wirklich nicht viel zu kaufen. Die Fremden haben soviel aufgekauft. Auch Bücher gibt es fast nicht. Du siehst ja, auch die Kuchenplatte konnte ich nicht bekommen. Ich kann es auch nicht ändern. Vielleicht kannst Du dort noch eine Kleinigkeit für Erna besorgen, aber da wirst Du mit der Kleiderkarte auch in Konflikt kommen. Ach, lassen wir es eben bis nach dem Kriege.

- In dem Paket waren drin: (ich schreibe es nach Papa`s Aufstellung:
1. 1 Stolle (Erna hat eine für uns, für Siegfried und für Papa und Erna gebacken)
2. 1 Einkaufstasche für mich
3. 1 Stück gute Seife
4. 3 Scheuertücher
5. 3 Gabeln 3 Messer, 6 große Löffel, 6 Kaffeelöffel, 1 Zuckerlöffel (noch als Erbe von Mama)
6. 1 silberner Drehbleistift für Dich von Papa
7. je 1 Taschenkalender für Dich und mich
8. Bleistifte für die Kinder und uns
9. 1 Bernsteinkette (von Mama)
10. 1 silbernes Kettchen für Helga (von Mama)
11  1 goldene Uhr von Mama für Helga (Papa schreibt: Mama hat es mir einmal gesagt, daß diese Helga als Erbe    haben soll. Du wirst sie sicher noch aufheben, denn sie ist sehr gut und wertvoll.
12. 1 Dominospiel für die Kinder
 13. 1 Sparkasse für Jörg zum zusammenbauen (Die ist noch von uns früher)
14. Zwei Albums für die Beiden (Papa hat die Bilder selber eingeklebt. „Deutsche Märchen“ „Tiere unserer Heimat“
15. 4 große und ein kleines Buch für uns und die Kinder. Ich hebe mir das Auspacken noch ein paar Tage auf. Bis zur Bescherung geht es leider nicht, da ich ja den Kindern die Bücher mit hinlegen will. Auf dem Papier steht nicht, welche für sie sind.
16. Einige kleine Beutel mit Gebäck, die Erna gebacken hat.
17. 1 Glasschale für mich von Erna.
18. 3 Taschentücher für Helga von Erna.
19. Einige Wasserfarben mit Pinsel für Jörg. (Die Farben sind ohne Kasten, eignen
sich also zum Nachfüllen des Kastens, den ich ihm schenken werde)

Erna hat noch ein Bild von sich mitgeschickt. Ich werde es später einrahmen. Erst schicke ich es aber Dir zur Ansicht mit. Das  Bild ist gut getroffen.
Die Sachen, die noch für Dich bestimmt sind, schicke ich Dir nach den Feiertagen zu. Als Papa das Paket wegschickte, wußte er noch nicht, daß Du zu Weihnachten nicht daheim bist.
Die Stolle, die sie uns geschickt haben, wiegt ca. 3 Pfund. Sie ist also ziemlich groß. Ich werde Dir sicher davon ein Stück mitschicken, wenn ich nach den Feiertagen ein Päckchen für Dich fertig mache.
Helga hat morgen vor den Ferien das letzte Mal Schule, während Jörg am Montag zum letzten Mal geht. Das kommt daher, weil sie wieder in die richtige Schule umziehen, da müssen am Freitag nur die 5.Klässler mithelfen, während die anderen heim bleiben können.
Nachdem es gestern Abend stürmte und regnete, hat es sich heute wieder etwas gebessert. Aber trüb ist es immer noch. Da man nicht weiß, wie es noch wird, sind wir heute mit unserem Papiersack mal losgezogen, es waren immerhin 30 kg. Ich wollte dieses Paket nicht noch mit ins neue Jahr reinschleppen. Am meisten Vergnügen hat es den Kindern natürlich gemacht, daß ich sie den ganzen Weg zurück gezogen habe. Wir hatten doch den Wagen von Vater mit. Da haben sie es sich richtig bequem machen können.
Jetzt habe ich bald die erste Flasche Rotwein alle. Heute Abend will ich noch etwas davon trinken.
Immer wenn ich an Weihnachten denke, muß ich auch daran denken, daß Du da nicht bei uns bist. Ich kann es immer gar nicht glauben. Nun geht es ja mit Riesenschritten dem Fest zu. Ich bin nur froh, daß sich die Kinder so freuen und daß ich weiß, daß sie von den Geschenken nicht enttäuscht sein werden. Denn sie bekommen doch noch reichlich geschenkt, nicht wahr? Nun will ich aber schließen. Es ist schon wieder nach 10 Uhr. Wenn ich jeden Abend so spät zum Briefwegschaffen gehe, gebe ich höchstens noch mal Anlaß zu Klatsch.
Sei nun für heute wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Brief 254 vom 15./16.12.1941


Mein lieber, lieber Ernst!                                                          Konstanz, 15.12.41                     

Aber heute habe ich viel von Dir bekommen. 3 Briefe, Zeitungen und die Päckchen 36 und 37. Das hat mich aber gefreut. Ich komme ja sonst auch nicht zu kurz, aber ich lasse mich auch gern mal so recht verwöhnen wie heute. Fein war das. Nun will ich Dir aber auch die Briefe beantworten. Vor allem erst mal, weißt Du, warum ich erst am Abend zum Schreiben komme? Ich war im Kino in „Das andere Ich“. Das war ganz lustig. Vielleicht siehst Du`s dort auch noch. Auf dem Heimweg, die Kinder hatten mich abgeholt, haben wir noch Karten für das Märchen „Aschenputtel“ im Theater besorgt, für Sonntag 14,30 Uhr. Da kannst Du an uns denken. Du wirst sicher auch denken, die gehen ja jetzt öfter fort, erst schon mal in einem Märchenfilm, jetzt in einen Film und nächsten Sonntag ins Theater. Aber das ist nur jetzt bei Weihnachten so, nachher hört es schon wieder auf.
Nun zu Deinen Briefen.
Du mußt nicht denken, daß ich Dir die Briefmarken nicht gern besorge. Wegen des Geldes ist es nicht. Aber früher konnte man sie auf dem Postamt besorgen, während man jetzt fortschreiben muß und da kenne ich mich nicht so aus.
Mit den Briefumschlägen war es gerade, als ob Du schon vorher, ehe ich geschrieben habe, die Schwierigkeiten geahnt hättest. Ich war ganz erstaunt, als so schnell welche ankamen.
Ob Dr. Thomas wohl zu Weihnachten Urlaub bekommt, oder ob Du evtl. zu ihm hinfahren kannst? Wie wirst Du die Weihnachtsfeiertage verleben, und Neujahr?
Meine Feststellung, daß wir dort schon viel Geld ausgegeben haben , ist nicht etwa eine Klage, sondern nur die Zustimmung zu Deinem Brief, in dem DU schreibst, daß wir schon viel Geld ausgegeben hätten und daß Du manchmal gar nicht weißt, wo es hingekommen sei. Erst wenn Du nachrechnest, stimmt es dann doch.
Warum sollen wir dem Geld auch nachweinen. Wir haben doch Gegenwerte dafür, die wir gut gebrauchen können und die teilweise auch sehr notwendig waren. Außerdem war es ja nicht so, daß wir wegen dieser Ausgaben anderweitig hätten Not leiden müssen.
Die Aufstellung, die ich gemacht hatte, war also auch für Dich ganz interessant. Man weiß eigentlich erst mal richtig, was man besitzt.
Warum haben Euch die Leute, bei denen Ihr immer so reichlich zu essen bekommt, so ins Herz geschlossen? Konntet Ihr ihnen schon eine Gefälligkeit erweisen oder kennen sie einen von Euch von früher? Jedenfalls, das Essen war immer ganz gut und eine willkommene Abwechslung.
Das ist schade, daß Euer Hund weggelaufen ist. Euch wird er sehr fehlen, wenn er auch manchmal ein frecher Kerl war und wir hätten ganz gern seine Abenteuer wieder gehört.
Ich glaube auch, daß wir noch mit einem längeren Krieg rechnen müssen. Daß wir siegen werden und müssen, darüber besteht ja kein Zweifel. Mit manchen Einschränkungen werden wir wohl noch rechnen müssen, da hast du recht. Wir werden ja sehen, wie alles kommt. Am besten ist es, man lebt nur von einem Tag zum andern. Da hat man dann keine unerfüllbaren Wünsche und Hoffnungen. Manchmal tauchen diese ja doch noch auf, denn so alt sind wir ja noch nicht. Man möchte sich dann strecken und den Druck, der auf einem liegt, abschütteln und einmal wieder richtig lustig, vielleicht auch ein bißl übermütig sein. Aber das geschieht immer seltener und ich glaube, wenn der Krieg noch lange dauert, werde ich vielleicht so sein, daß ich alles ruhig hinnehme, wie es kommt, ohne aufzumucken. Aber ohne dabei verbittert zu sein. Im Gegenteil, ich hoffe allem noch ein bißchen Humor abgewinnen zu können. Wie es mir jetzt manchmal bei den Kindern geht. Sachen, bei denen ich mich früher furchtbar aufgeregt habe, kommen mir gar nicht mehr so tragisch vor. Vielleicht ist ein bißchen von dem guten Geist meiner Mutter auf mich übergegangen.
Für Puppen willst Du also auch noch sorgen. Das ist lieb von Dir. Ich bin gespannt, ob Du sie noch rechtzeitig bekommst. Große Puppen hat ja Helga genug, da wollen wir ja keine mehr kaufen. Die brauchen bald mehr Platz wie die Kinder. Die kleinen sind für die Puppenküche bestimmt.
Es ist recht, daß Du die Päckchen noch nicht aufgemacht hast. Sonst hast Du ja gar keine Freude am Weihnachtsabend.
Deine Briefe, die ich heute erhielt, waren vom 7. und 2 Mal vom 11.12. Das hatte ich am Anfang zu schreiben vergessen.
Nun zu den Päckchen. Ich danke Dir für die Mandeln, den Käse und die Hausschuhe, sowie für den Tabak. Letzteren gebe ich Vater mit zu Weihnachten. Mit Hausschuhen bin ich jetzt gut versorgt. Da brauche ich die nächsten Jahre keine, was wahrscheinlich ganz gut ist. Da habe ich damit keine Rennerei. Der Käse schmeckt wieder gut. Die Mandeln hebe ich noch auf. Alle brauche ich ja nicht zu Weihnachten.
Da ist übrigens ein interessanter Fall hier passiert. Da hat ein Mann aus Frankreich seiner Frau öfter Lebensmittel geschickt. Nun hatte er, es war in Paris, auch eine Küche unter sich. Schon hat eine Frau hier verbreitet, der Mann würde diese Sachen aus der Küche entwenden und die Soldaten bekämen dafür weniger zu essen. Da wurde bei der Frau des Soldaten eine Haussuchung gemacht und außerdem in Paris Meldung erstattet. Glücklicherweise hatte der Mann alle Rechnungen aufbewahrt und konnte nachweisen, daß er alles für sich gekauft und bezahlt hatte. Die Frau, die den Klatsch aufgebracht hat, wurde, soviel ich noch weiß (es stand in der Zeitung) zu 1 Monat Gefängnis verurteilt.
Du kannst doch auch den Bäcker Thoma aus der Laube, so ein Rothaariger. Der ist jetzt zu Zuchthaus verurteilt worden, da er viele tausende Kilo Mehl zu Unrecht bezogen hat, indem er Bezugscheine fälschte. Ich schicke Dir den Artikel mal mit, wenn Vater die Zeitung wieder rauf bringt.
Ich hatte jetzt immer viel Kummer mit Jörg wegen seinem Dickkopf. Es war schlimm. Bei jedem bißchen dickschte er, warf alles hin und bekam Wut. Ich habe es erst im Guten, dann mit schimpfen versucht. Dann habe ich mal zugehauen. Das half noch am besten. Aber immer schlagen hat auch keinen Zweck. Als er mal wieder brav war, sagt er „Ich wär selber froh, wenn der Dickkopf weg wär. Der soll nach England fliegen“. Da habe ich dann mit ihm gesprochen, daß es doch nicht ginge, daß er immer so bös sein. Wir wollen den bösen Dickkopf ruhig nach England schicken. Er soll zu mir kommen, ich helfe mit. Wenn es aber gar nicht geht, müssen wir ihn doch herausschlagen. Damit war er auch einverstanden und so haben wir in letzter Zeit den Dickkopf mit Zuspruch schon öfter nach England geschickt, weil doch da alles Böse hin soll. Der Stock hat nur ein Mal drohen müssen. Es ging bis jetzt ganz gut und ich hoffe, daß es so bleibt, denn ich war manchmal ganz verzweifelt. Jede schöne Stunde wurde dadurch verdorben. Jörg kann ja vielleicht auch nichts dafür, das liegt so in ihm, aber zusehen kann man auch nicht. Man muß doch sehen, es soweit als möglich wegzubringen.
Unsere Maus im Keller haben wir in der vergangenen Nacht gefangen. Es war eine Feldmaus. Morgen stelle ich nochmals die Falle in den Keller, wenn ja noch eine da ist.
Jörg hat Dir heute auch wieder einen Brief geschrieben. Mit dem Christbaum, von dem die Rede ist, meint er den auf der Markstätte.
Ich hatte den Kindern doch im vergangenen Jahr einen Trainingsanzug mit 2 Hosen gekauft, eine Hose etwas größer. Da bin ich jetzt noch froh. Ich wollte, vor allem für Jörg, noch eine dazu kaufen, weil er sie ja oft anzieht, aber es gab dieses Jahr keine, oder doch so wenig, daß ich keine erhielt. Nun ist bei den Sachen, die Papa geschickt hatte, ein graues Kleid dabei aus Trikot wie die Anzüge. Als Kleid geht es absolut nicht mehr zu tragen, da mache in nun Jörg noch ein paar Hosen draus. Da kann er die Guten für die Schule aufsparen. Die halten dann schon noch länger.
Nun laß mich aber für heute  wieder schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.
Schreibe aber an Jörg bitte keine direkte Mahnung wegen seines Dickkopfs, er soll nicht erst wissen, daß ich`s Dir geschrieben habe. Du kannst ja später mal direkt mit ihm sprechen, wenn Du willst, nicht wahr?

Mein liebster Ernst!                                                           Konstanz, 16.12.41

Heute ist es sogar schon 1/4 10, bis ich zum schreiben komme. Aber heute war ich nicht im Kino, sondern habe Stollen gebacken von 4 Pfund Mehl. Es hat 3 1/2 Pfund und 3 Stück 1 Pfund Stollen ergeben. Ich habe mit Absicht kleinere gebacken, damit wir sie uns besser einteilen können und sie auch länger reichen. Ich hoffe, daß sie gut geworden sind. Der ganze Tag ist heute beim backen vergangen.
Aus Anlaß des Backens möchte ich Dir heute nochmals für alles danken, was Du uns dazu geschickt hast, Zucker, Mandeln und Rosinen. Ich war ja so froh, daß ich das alles hatte. Wenn ich den Zucker von Dir nicht gehabt hätte, wär es mit dem backen nicht so gut bestellt gewesen. Erstens hätte ich weniger backen können und dann hätte ich auch nirgends Zuckerguß drauf tun können, was ich jetzt auch bei den Stollen getan habe, damit sie sich schön frisch halten. Ohne den Zucker von Dir hätte ich auch weniger Kleingebäck backen können und gerade über dieses freue ich mich, da kann ich den Kindern zu Weihnachten einen richtigen Teller füllen.
Als ich heute Abend noch beim backen war, kam Frau Bolu und fragte, ob ich ein großes Backblech habe. Ich sagte, daß ich gerade selber beim backen sei und es ihr nicht borgen könnte. Da kam es dann heraus, daß sie ihre Springerle hier bei mir backen wollte. Nein, weißt Du, das fange ich nicht an. Soviel ich die Frau jetzt kenne, bekommt man sie fast nicht mehr los, wenn man sie einmal in die Wohnung gelassen hat. Als sie jetzt den Krach mit Schwehrs hatte, bei der ihr Frau Schwehr eine mächtige Ohrfeige runtergehauen hat (was ich ja gemein finde) ist sie auch immer ins Haus gelaufen gekommen. Sie hat allen erzählen wollen, aber wir alle haben sie vor der Wohnungstür abgefertigt. Alle haben wohl gesagt, daß das schlagen gemein ist, aber weiter geht uns ja die Sache nichts an. Wir haben ja nichts gesehen.
Heute hat sie ihre Kuchen noch bei Büsings backen lassen. Da ist ihr ja geholfen worden. Ich will so was gar nicht erst anfangen.
Wir hatten den ganzen Tag schönes Wetter, aber seit ca. 2 Stunden stürmt es draußen. Ich bin gespannt, ob es hinterher wieder regnet oder schneit. Mit schlechterem Wetter muß man ja jetzt immer rechnen. Die letzten Tage war es für diese Jahreszeit direkt ungewöhnlich schön, aber vertragen hat man es gut können.
Morgen will ich mich wieder ans Nähen setzen, damit ich auch da mit dem Wichtigsten bis Weihnachten fertig werde. Nun dauert es ja nur noch eine Woche.
Viel Wichtiges habe ich ja heute nicht geschrieben. Aber ich bin heute ein bißchen abgespannt und kaputt, da mußt Du es schon entschuldigen.
Ich will nur noch den Brief wegschaffen, dann gehe ich schlafen. Wie ich gerade festgestellt habe, hat es bereits mit regnen angefangen. Sei nun wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.

Mittwoch, 14. Dezember 2016

Brief 253 vom 14.12.1941


Mein liebster Ernst!                                                              Konstanz, den 14.12.41                                                       

Wie Du aus den beiliegenden Durchschlägen ersehen kannst, habe ich heute schon viel geschrieben. Ich habe mir mal alle meine Briefschulden vom Halse geschafft. Die Karten für Weihnachten schicke ich erst am 16. und 17. fort, damit sie nicht gar so zeitig ankommen. Aber geschrieben sind sie auf alle Fälle einmal. Ich habe ja in den Tagen bis Weihnachten noch so viel zu tun, da will ich das wenigstens erledigt haben. Vor allen Dingen will ich noch etwas backen und dann will ich auch noch verschiedene Puppensachen für Helga nähen. Die Zeit wird mir also nicht lang.
Heute haben Helga und Jörg einen Brief an Dich geschrieben. Jörg hat ihn auch allein geschrieben. Da ist es natürlich nicht zu vermeiden, daß Fehler drin sind, denn er hat ja kaum die Buchstaben gelernt. Aber er wollte Dir doch auch einen Brief schreiben und ich glaube, daß es Dich bestimmt freuen wird. Er hat ja so einen großen Stolz gehabt, daß er schon einen Brief fertig gebracht hat. Wahrscheinlich wird er schon vor meinem Schreiben dort sein, denn sie haben ihn schon am Nachmittag weggeschafft, während ich ihn erst am Abend fortbringen kann.
Wir hatten heute wunderschönes Wetter. Es war so warm. Ich habe, trotzdem ich zuhause war, doch frische Luft gehabt, da ich den ganzen Tag das Fenster offen haben konnte. Wir hätten ja vielleicht fortgehen können, aber ich habe jetzt immer so viel zu rennen gehabt, daß ich ganz froh war, mal sitzen zu können. Außerdem wollte ich eben unbedingt mal das Schreiben an die verschiedenen Verwandten und Bekannten erledigen. Das nimmt mir in der Woche ziemlich viel Zeit weg. Man weiß immer gar nicht, was man alles schreiben soll, so wird es fast immer dasselbe. Aber es geht ja an verschiedene Empfänger.
Ich habe mich heute ganz ausgeschrieben und weiß auch gar nichts mehr zu berichten. Sei mir deshalb nicht böse, wenn ich heute schon aufhöre.
Sei wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Anni.