Samstag, 27. August 2016

Brief 209 vom 25./26.8.1941


Mein lieber Ernst!                                                                                        Konstanz, den 25.8.41        

Heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom 20.8. mit den Unterlagen. Außer dem Lebenslauf, den Du mir ja mit dem nächsten Brief angekündigt hast, hätte ich von Dir alles da. Nun fehlt nur noch das Leumundszeugnis und der Ahnenpaß. Bis zum Donnerstag werde ich ja alles zusammen haben.
Du mußt mir nicht böse sein, daß ich Dir nichts von dem Ärger im Haus geschrieben habe. Ich wollte Dir doch nicht auch noch das Herz schwer machen. Wenn ich nicht gerade in Leipzig davon gesprochen hätte, wüßten meine Eltern auch nichts davon. Inzwischen habe ich Dir ja geschrieben, daß es etwas besser geworden ist Ich bin froh, wenn es so bleibt.
Ich konnte mir schon denken, daß Du es noch nicht ganz genau weißt, wann Du auf Urlaub kommen kannst. Es ist ja schon manchmal so gewesen, daß es sich erst hingezogen hat und auf einmal hast Du fahren müssen. Wir werden ja sehen, wenn Du kommen kannst.
Vater war wieder beim Arzt. Ab nächster Woche sollte er eigentlich wieder schaffen gehen. Er  will aber sehen, daß er erst noch seinen Urlaub nehmen kann, denn das Bein ist doch noch nicht ganz gut.
Das Paket von Deinem Kameraden war unten drunter noch mit dem Paketpapier von Dir eingepackt, d.h. auch auf dem oberen Papier war die Adresse an mich von Dir geschrieben und auf dem unteren Papier war als Absender noch Graser angegeben. Ich weiß nicht, ob er es noch Mal umgepackt hat, es hat aber gar nicht so ausgesehen. Nur eine weiße Paketadresse war noch draufgeklebt.
Bei den Unterlagen habe ich das fehlende noch ausgefüllt. Die Eintrittsdaten kann die Stadt schon selber ausfüllen.
Die Karte von Gerhard ist ja ziemlich nichtsagend. Im Übrigen haben sie es ja von Anfang an gewußt, daß ich am 25.8. nach Leipzig fahren und 14 Tage dort bleiben wollte. Da hätten sie gleich im Kalender nachsehen können und hätten dabei festgestellt, daß bis zum Schulanfang nur 14 Tage angemeldet sind. Aber, wie gesagt, sie haben sich ja auch nur für 14 Tage angemeldet gehabt und morgen wären gerade die 14 Tage um. Da hätten sie noch 2 Tage bis zum Schulanfang gehabt. Es wird aber so sein. An den Schulanfang haben sie nicht gleich gedacht und haben gemeint wenn wir einmal in Konstanz sind, können wir auch ein bißchen länger bleiben, rausschmeißen kann sie uns doch nicht gut. Ich bin wirklich richtig froh, daß sie nicht mitgekommen sind. Ich habe jetzt wieder manchmal etwas Beschwerden, da kann ich mich doch, wenn wir allen sind, einmal ausruhen. Ich wollte doch wegen dem Durchleuchten noch zu Dr. Deeg gehen, aber der ist schon während unserer Ferien eingezogen worden, so daß ich schon wieder bei einem anderen Arzt anfangen müßte. Im Übrigen bin ich bald der Meinung, daß doch keiner richtig helfen kann. Da wurschtelt man sich am besten selber durch.
Vorm Mittagessen habe ich den Brief angefangen, jetzt um 1/4 4 Uhr schreibe ich weiter. Das kommt daher, daß Vater bis jetzt da war. Er kam heute Morgen gegen 9 Uhr und wollte mir sagen, daß es in der Wilhelmstraße Kartoffeln gibt. Ich bekomme ja aber schon von Webers welche und zur Not kann ich auch schon alle aus der Erde nehmen, denn man weiß noch nicht, wie es dieses Jahr mit dem einkellern ist, da haben wir auf jeden Fall etwas da. Vater wollte ja eigentlich gleich wieder gehen, aber dann hat er sich hinter die Zeitungen gesetzt. So ist es Mittag geworden. Um 12 Uhr wollte er nicht fort, weil da alle Leute aus den Betrieben kommen. Dann wollte er sich noch die Nachrichten anhören. Dann hatte er sich angezogen, kam aber noch ins Erzählen und so ist es nun 1/4 4 Uhr geworden.
Ich will, nachdem ich fertig geschrieben habe, noch in die Stadt fahren, an Kurt 2 Romanpäckchen aufgeben und Einmachzucker, Butter usw. holen. Ich will doch heute die Brombeermarmelade und die Pflaumenmarmelade kochen.
Ich hatte doch an meine Mutter ein Päckchen mit dem versprochenen Untersetzter geschickt. Nun erhielt ich heute eine Karte, daß das Päckchen gut angekommen ist und daß sie nun am Samstag nach Kamnitz gefahren sind. Von dort wollen sie mir wieder schreiben. Ich grüße und küsse Dich nun wieder herzlich Deine Annie.

Mein lieber Ernst!                                                                                  Konstanz, 26.8. 41

Einen Brief habe ich heute Vormittag nicht bekommen. Am Nachmittag war der Briefträger noch nicht da.
Wie ich Dir gestern schon schrieb, habe ich Brombeeren und Pflaumen zu Marmelade gekocht. Es hat 5 3/4 ltr. Gläser und 1/2 ltr. Glas ergeben. Das ist doch ganz schön. Heute habe ich wieder 1 1/2 Pfund Brombeeren abgemacht. Da will ich nachher gleich wieder Marmelade kochen.
Ich habe den Kindern heute Morgen 2 kleine Puppen aus Gras gemacht. Eine Frau und einen Mann, jeder hat eine Papierzipfelmütze auf. Dazu haben wir aus einer aufgeschnittenen Tüte ein Zelt gebaut und es mit Gras  bedeckt. Da spielen die Kinder jetzt damit. Weißt Du, woher ich die Anregung dazu hatte. Aus einem Buch, das ich mir in Leipzig gekauft hatte. „Was spielen wir“, ich habe es ganz vergessen in dem Trubel in Leipzig Dir zu schreiben, daß ich mir das Buch gekauft habe. Da sind alle Spiele drin, die wir früher auch gespielt haben, von denen ich aber die Hälfte schon wieder vergessen hatte. Auch Sachen zum ausschneiden mit Glanzpapier usw. sind drin. Auch solch ein Netz, wie es Deine Mutter immer für den Weihnachtsbaum gemacht hat.
Eben kam Dein Brief vom 21.8. Vielen Dank dafür. Mit Kleiderkarten hast du jetzt also auch zu tun. Weißt Du, die hängen Dir jetzt aber ziemlich viel Arbeit auf. Kannst Du denn das alles leisten ohne daß Du ganz kaputt wirst? Man sollte sich doch ein bißchen auf die Hilfskräfte verlassen können, daß sie einen Teil der Arbeit übernehmen.
Das ist ja schrecklich, wenn Ihr jetzt in Frankreich auch noch mit den Kommunisten zu tun habt. Diese Bande ist doch das Schlimmste was es gibt. Die kennen nichts als Mord und Totschlag, in welchem Land es auch sein mag. Und natürlich hetzt England dieses Gesindel auch noch auf. Es ist auch schrecklich für die Angehörigen der wieder dort erschossenen und verletzten Leute.
Euer Hund macht ja schöne Sachen. Da muß man ja alles wegschließen, damit er nur ja zu nichts dazu kann. Ist der eine Hausschuh ganz hin? Ob die Schläge was nützen werden?
Nanni hat an Vater hat geschrieben, daß sie seit 3 Wochen wieder zuhause sei und noch gar keine Nachricht von Kurt bekommen habe. Er möchte doch sofort Bescheid gaben, ob Kurt schon an ihn geschrieben habe.
Wir haben heute wieder regnerisches Wetter, so daß die Kinder sich die meiste Zeit oben beschäftigen müssen. Jörg hat sich den alten Metallbaukasten vorgenommen und Helga spiel ein Zusammensetzspiel. Da vergeht ihnen wenigstens auch die Zeit.
Nun Schluß für heute. Bleib uns gesund und sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

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