Freitag, 5. August 2016

Brief 204 vom 14./15.8.1941


Mein liebster Ernst!                                                           Konstanz, den 14.8.1941                                         

Heute habe ich mich hingesetzt und habe die Fragebogen von der Stadt soweit als möglich ausgefüllt. Den Rest mußt eben Du dazuschreiben.
Wenn ich die Fragebogen zurückbringe, muß ich doch die Unterlagen dazu mitbringen. Bei den mit einem Häkchen versehen Namen habe ich die Unterlagen, bei den mit einem Kreuz versehen habe ich nur unbestätigte Abschriften. Ich glaube, da haben wir die bestätigten Unterlagen wieder an die Eltern zurückgeschickt. Von meinen Eltern und Deiner Großmutter habe ich überhaupt nichts da. Was soll ich da machen? Soll ich die unbestätigten Abschriften an meine Eltern schicken, damit sie sie bestätigen lassen und soll ich schreiben, daß sie doch bitte auch von sich die Unterlagen schicken? Vorläufig frage ich einmal in diesem Sinne bei den Eltern an.
Ich habe gestern ganz vergessen Dir zu schreiben, daß Du auch noch einen Lebenslauf schreiben mußt. Außerdem muß ich hier für Dich ein Leumundszeugnis von der Polizei beschaffen. Ich muß schon sagen, das Beamten werden ist ziemlich umständlich.
Der Tag heute ist ziemlich mit Arbeit ausgefüllt. Es dauert doch eine Weile, bis man wieder richtig im Gleis ist. Da ist manches, was man schmutzig wieder mit heimgebracht hat. Das kann man auch nicht so lange liegen lassen. Zum Garten bin ich heute noch nicht gekommen, aber wäre ich heute noch in Leipzig, hätte es auch gehen müssen.
Heute haben wir wieder ein wunderschönes Wetter, vollkommen blauen Himmel und wirklich schön warm. Da können wenigstens die Kinder runter. Die letzten 14 Tage soll es hier ziemlich geregnet haben. In Leipzig war es ja nicht so schlimm, es war nur meist trüb. Schöne Tage waren es aber doch.
Von Kurt habe ich heute einen Brief bekommen. Er hat jetzt die 2 Zeitungspäckchen erhalten. Da schicke ich ihm nun auch noch das Zurückgekommene hin. Ich möchte nur wissen, warum sie das damals zurückgeschickt haben. Da hat jemand nicht aufgepaßt.
Nachher will ich noch an die Eltern schreiben, damit sie auch ausführlichere Nachricht von mir haben, denn ich habe doch nur eine kurze Karte an sie geschickt.
Heute haben wir aus unserem Garten Kohlrabi gegessen, sie waren butterweich. An dem schrägen Stück hinterm Haus wächst doch immer alles gut. Im Herbst wollen wir ja Erdbeeren hinsetzen, vielleicht bekommen wir dann auch wieder mehr. Die Äpfel am Baum werden auch schon gelblicher, aber so groß wie voriges Jahr sind sie nicht. Es hat auch nicht so viel dran. Wahrscheinlich dauert es ja nicht mehr so lange, bis Du auf Urlaub kommst, da kannst Du ja alles selber anschauen.
Heute wird der Brief ein bißchen kurz, Du nimmst es mir bitte nicht übel. Sei für heute wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Unsere Amaryllis hat, während wir fort waren, einen Stengel mit 3 Knospen getrieben, heute geht eine auf. Es ist eine rote Blüte. Das freut mich, daß sie zum blühen gekommen ist.

Mein lieber Ernst!                                                                  Konstanz, den 15.8.41

Heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom 11.8., für den ich Dir herzlich danke. Inzwischen  sind wir ja schon wieder eine halbe Woche zuhause. Eingewöhnt haben wir uns so halbwegs. Heute habe ich den Garten hinterm Haus wieder in Ordnung gebracht, denn man konnte es gar nicht mehr mit ansehen, wie das Unkraut gewuchert hat. Bergeweise habe ich es rausgehackt. Die Kinder haben mir geholfen und haben alles auf den Misthaufen geschafft.
Du schreibst wegen Alice. Ach weißt Du, viel Lust habe ich nicht zum schreiben, denn wir sind uns, trotzdem ich in Leipzig war, doch ziemlich fremd. Aber ich habe gesehen, was sie sich für Mühe gegeben hat, es uns gemütlich zu machen, und welchen Wert sie darauf legt, mit uns wenigstens in Schriftwechsel zu kommen, daß ich ihr doch den Gefallen tun will.
Die Karte von Gerhard lag ja nicht bei, wahrscheinlich wirst Du sie dem nächsten Brief beifügen. Ich weiß darum auch heute nicht, was er geschrieben hat, aber das eine weiß ich, daß ich wirklich froh bin, daß Elsa mit den Kindern nicht mitgekommen ist. Über diese Sachen können wir uns ja vielleicht aussprechen, wenn Du auf Urlaub bist.
Jetzt haben wir ja wieder wunderbares Wetter und ich hoffe nur, daß Du es auch so antriffst, wenn Du auf Urlaub kommst. Dein Rad werde ich auch herrichten, damit Du wenigstens auch einmal damit fahren kannst. Vor allen Dingen werde ich ein Rücklicht besorgen, das ist das wichtigste.
Ich dachte heute schon daran, Du wirst Dich bei dem Brief, den ich gestern an die Eltern geschrieben habe, gewundert haben, daß ich über Büsings geschrieben habe. Das kommt aber daher, daß Papa in Leipzig mich fragte, warum ich denn so furchtbar aufgeregt und nervös bin. Ich sagte ihm, daß das  zumeist von dem vielen Ärger kommt, den wir hier im Haus haben. Ich erzählte dann noch Einzelheiten und Papa wollte mir daraufhin ein Schreiben aufsetzen, mit dem ich mich an die Partei wenden sollte, die ja für solche Streitigkeiten jetzt auch zuständig ist. Sie hatten in Leipzig einen ähnlichen Fall und die Frau ist zum Schluß aus dem Haus geflogen. Ich habe mich nun aber erst an Herrn Ganahl gewendet, der der Frau  Büsing heute eine Verwarnung geschrieben hat. Wir werden ja jetzt sehen, was wird. Ich habe es bestimmt nicht mehr ausgehalten. Ich habe die beiden letzten Tage wieder Schmerzen gehabt, wie die ganze Zeit vorher nicht mehr. Ich mache mich ja wegen den Leuten ganz kaputt. Wenn der Ärger auch nicht die Ursache meiner Krankheit ist, so tut mir die Aufregung doch absolut nicht gut. Ich hätte Dir ja vielleicht schon öfter davon schreiben können, aber wozu soll ich Dir auch noch den Kopf warm machen, Du kannst ja jetzt auch nicht helfen.
Heute sind auch die 3 Pakete angekommen, die ich in Leipzig aufgegeben hatte. Es ist alles tadellos angekommen. Erst hatte ich ein bißchen Sorge, daß auch nichts weg kommt, aber jetzt bin ich froh, daß ich das nicht auch noch schleppen mußte.
Die 40,- Mk an Dich habe ich heute aufgegeben. Jetzt habe ich, nachdem ich 20,- auf die Sparkasse geschafft habe, noch 10,- freies Geld zu hause. Da will ich sehen, daß ich Helga noch etwas zum Geburtstag kaufen kann. Vielleicht warte ich damit noch, bis Du kommst, wenn Du ja ein paar Tage  vorm Geburtstag eintriffst. Ich freue mich ja schon so sehr auf Deinen Urlaub, Du kannst es Dir gar nicht vorstellen. Du hast doch vor einiger Zeit vom Bürgermeister ein Schreiben bekommen, daß Du zum Beamten ernannt werden sollst, wie hoch Dein Gehalt wird und daß dann Angestelltenversicherung wegfällt usw. Dieses Schreiben bringe doch bitte mit, wenn Du auf Urlaub kommst. Wegen der freiwilligen Versicherung braucht die Krankenkasse eine Abschrift davon, muß aber das Original einsehen. Vergiß es also bitte nicht, damit das auch geregelt wird. Zahlen brauchen wir ja vorläufig nichts weiter als die 75 Pfg, die wir  bisher auch schon gezahlt haben.
Gestern und heute haben wir zusammen 8 Pfund Falläpfel aufgelesen, da hat es heute Apfelmus gegeben. Es schmeckt schon ganz gut. Zum Apfelringe trocknen sind die Äpfel aber noch zu klein und grün.
Ich will heute wieder schließen, es ist schon 1/2 10 Uhr und ich will den Brief noch wegschaffen, damit er gleich morgen früh mit wegkommt. Sei für heute wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen