Mein liebster Ernst! Konstanz, den 14.8.1941
Heute habe ich mich hingesetzt und habe
die Fragebogen von der Stadt soweit als möglich ausgefüllt. Den Rest mußt eben
Du dazuschreiben.
Wenn ich die Fragebogen zurückbringe, muß
ich doch die Unterlagen dazu mitbringen. Bei den mit einem Häkchen versehen
Namen habe ich die Unterlagen, bei den mit einem Kreuz versehen habe ich nur unbestätigte
Abschriften. Ich glaube, da haben wir die bestätigten Unterlagen wieder an die
Eltern zurückgeschickt. Von meinen Eltern und Deiner Großmutter habe ich
überhaupt nichts da. Was soll ich da machen? Soll ich die unbestätigten
Abschriften an meine Eltern schicken, damit sie sie bestätigen lassen und soll
ich schreiben, daß sie doch bitte auch von sich die Unterlagen schicken?
Vorläufig frage ich einmal in diesem Sinne bei den Eltern an.
Ich habe gestern ganz vergessen Dir zu
schreiben, daß Du auch noch einen Lebenslauf schreiben mußt. Außerdem muß ich
hier für Dich ein Leumundszeugnis von der Polizei beschaffen. Ich muß schon
sagen, das Beamten werden ist ziemlich umständlich.
Der Tag heute ist ziemlich mit Arbeit
ausgefüllt. Es dauert doch eine Weile, bis man wieder richtig im Gleis ist. Da
ist manches, was man schmutzig wieder mit heimgebracht hat. Das kann man auch
nicht so lange liegen lassen. Zum Garten bin ich heute noch nicht gekommen,
aber wäre ich heute noch in Leipzig, hätte es auch gehen müssen.
Heute haben wir wieder ein wunderschönes
Wetter, vollkommen blauen Himmel und wirklich schön warm. Da können wenigstens
die Kinder runter. Die letzten 14 Tage soll es hier ziemlich geregnet haben. In
Leipzig war es ja nicht so schlimm, es war nur meist trüb. Schöne Tage waren es
aber doch.
Von Kurt habe ich heute einen Brief
bekommen. Er hat jetzt die 2 Zeitungspäckchen erhalten. Da schicke ich ihm nun
auch noch das Zurückgekommene hin. Ich möchte nur wissen, warum sie das damals
zurückgeschickt haben. Da hat jemand nicht aufgepaßt.
Nachher will ich noch an die Eltern
schreiben, damit sie auch ausführlichere Nachricht von mir haben, denn ich habe
doch nur eine kurze Karte an sie geschickt.
Heute haben wir aus unserem Garten
Kohlrabi gegessen, sie waren butterweich. An dem schrägen Stück hinterm Haus
wächst doch immer alles gut. Im Herbst wollen wir ja Erdbeeren hinsetzen,
vielleicht bekommen wir dann auch wieder mehr. Die Äpfel am Baum werden auch
schon gelblicher, aber so groß wie voriges Jahr sind sie nicht. Es hat auch
nicht so viel dran. Wahrscheinlich dauert es ja nicht mehr so lange, bis Du auf
Urlaub kommst, da kannst Du ja alles selber anschauen.
Heute wird der Brief ein bißchen kurz, Du
nimmst es mir bitte nicht übel. Sei für heute wieder recht herzlich gegrüßt und
geküßt von Deiner Annie.
Unsere Amaryllis hat, während wir fort
waren, einen Stengel mit 3 Knospen getrieben, heute geht eine auf. Es ist eine
rote Blüte. Das freut mich, daß sie zum blühen gekommen ist.
Mein lieber Ernst! Konstanz, den 15.8.41
Heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom
11.8., für den ich Dir herzlich danke. Inzwischen sind wir ja schon wieder eine halbe Woche zuhause. Eingewöhnt
haben wir uns so halbwegs. Heute habe ich den Garten hinterm Haus wieder in
Ordnung gebracht, denn man konnte es gar nicht mehr mit ansehen, wie das
Unkraut gewuchert hat. Bergeweise habe ich es rausgehackt. Die Kinder haben mir
geholfen und haben alles auf den Misthaufen geschafft.
Du schreibst wegen Alice. Ach weißt Du,
viel Lust habe ich nicht zum schreiben, denn wir sind uns, trotzdem ich in
Leipzig war, doch ziemlich fremd. Aber ich habe gesehen, was sie sich für Mühe
gegeben hat, es uns gemütlich zu machen, und welchen Wert sie darauf legt, mit
uns wenigstens in Schriftwechsel zu kommen, daß ich ihr doch den Gefallen tun
will.
Die Karte von Gerhard lag ja nicht bei,
wahrscheinlich wirst Du sie dem nächsten Brief beifügen. Ich weiß darum auch
heute nicht, was er geschrieben hat, aber das eine weiß ich, daß ich wirklich
froh bin, daß Elsa mit den Kindern nicht mitgekommen ist. Über diese Sachen
können wir uns ja vielleicht aussprechen, wenn Du auf Urlaub bist.
Jetzt haben wir ja wieder wunderbares
Wetter und ich hoffe nur, daß Du es auch so antriffst, wenn Du auf Urlaub
kommst. Dein Rad werde ich auch herrichten, damit Du wenigstens auch einmal
damit fahren kannst. Vor allen Dingen werde ich ein Rücklicht besorgen, das ist
das wichtigste.
Ich dachte heute schon daran, Du wirst
Dich bei dem Brief, den ich gestern an die Eltern geschrieben habe, gewundert
haben, daß ich über Büsings geschrieben habe. Das kommt aber daher, daß Papa in
Leipzig mich fragte, warum ich denn so furchtbar aufgeregt und nervös bin. Ich
sagte ihm, daß das zumeist von dem
vielen Ärger kommt, den wir hier im Haus haben. Ich erzählte dann noch
Einzelheiten und Papa wollte mir daraufhin ein Schreiben aufsetzen, mit dem ich
mich an die Partei wenden sollte, die ja für solche Streitigkeiten jetzt auch
zuständig ist. Sie hatten in Leipzig einen ähnlichen Fall und die Frau ist zum
Schluß aus dem Haus geflogen. Ich habe mich nun aber erst an Herrn Ganahl
gewendet, der der Frau Büsing heute
eine Verwarnung geschrieben hat. Wir werden ja jetzt sehen, was wird. Ich habe
es bestimmt nicht mehr ausgehalten. Ich habe die beiden letzten Tage wieder
Schmerzen gehabt, wie die ganze Zeit vorher nicht mehr. Ich mache mich ja wegen
den Leuten ganz kaputt. Wenn der Ärger auch nicht die Ursache meiner Krankheit
ist, so tut mir die Aufregung doch absolut nicht gut. Ich hätte Dir ja
vielleicht schon öfter davon schreiben können, aber wozu soll ich Dir auch noch
den Kopf warm machen, Du kannst ja jetzt auch nicht helfen.
Heute sind auch die 3 Pakete angekommen,
die ich in Leipzig aufgegeben hatte. Es ist alles tadellos angekommen. Erst
hatte ich ein bißchen Sorge, daß auch nichts weg kommt, aber jetzt bin ich
froh, daß ich das nicht auch noch schleppen mußte.
Die 40,- Mk an Dich habe ich heute
aufgegeben. Jetzt habe ich, nachdem ich 20,- auf die Sparkasse geschafft habe,
noch 10,- freies Geld zu hause. Da will ich sehen, daß ich Helga noch etwas zum
Geburtstag kaufen kann. Vielleicht warte ich damit noch, bis Du kommst, wenn Du
ja ein paar Tage vorm Geburtstag
eintriffst. Ich freue mich ja schon so sehr auf Deinen Urlaub, Du kannst es Dir
gar nicht vorstellen. Du hast doch vor einiger Zeit vom Bürgermeister ein
Schreiben bekommen, daß Du zum Beamten ernannt werden sollst, wie hoch Dein
Gehalt wird und daß dann Angestelltenversicherung wegfällt usw. Dieses
Schreiben bringe doch bitte mit, wenn Du auf Urlaub kommst. Wegen der
freiwilligen Versicherung braucht die Krankenkasse eine Abschrift davon, muß
aber das Original einsehen. Vergiß es also bitte nicht, damit das auch geregelt
wird. Zahlen brauchen wir ja vorläufig nichts weiter als die 75 Pfg, die
wir bisher auch schon gezahlt haben.
Gestern und heute haben wir zusammen 8
Pfund Falläpfel aufgelesen, da hat es heute Apfelmus gegeben. Es schmeckt schon
ganz gut. Zum Apfelringe trocknen sind die Äpfel aber noch zu klein und grün.
Ich will heute wieder schließen, es ist
schon 1/2 10 Uhr und ich will den Brief noch wegschaffen, damit er gleich morgen
früh mit wegkommt. Sei für heute wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von
Deiner Annie.
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