Mein lieber Ernst! Konstanz, 21.8.41
Ich erhielt Deinen lieben Brief vom 16.8.
Mir scheint, auf die Sonntage freust Du Dich nicht besonders. Es ist ja auch
so, wochentags hat man wenigstens seine geregelte Arbeit, aber sonntags hat man
viel freie Zeit und weiß nicht, was man damit anfangen soll. Bei mir war es ja
in letzter Zeit so, daß die Sonntage in Leipzig ganz unterhaltend waren und am
vergangenen Sonntag habe ich mich gern etwas ausgeruht. Ich hoffe ja, daß es
nicht mehr so lange dauert, bis Du auf Urlaub kommst. Da können wir, soweit es
das Wetter halbwegs zuläßt, ja öfter mal ein bißchen ausfliegen und wenn es nur
ein Stück in den Wald ist.
Heute hat sich bei uns das Wetter wieder
etwas aufgehellt, nachdem es gestern den ganzen Tag gegossen hat. Heute ist die Margret wieder aus Stuttgart zurückgekommen,
da sitzen die Kinder nun den ganzen Tag
bei Steinmehls drüben und tauschen Ferieneindrücke aus.
Denk Dir, heute hat der Erich Büsing einem
kleinen Buben, der etwas einkaufen mußte, Geld aus dem Geldbeutel gestohlen. Er
hat zu dem kleinen Kerl gesagt, er soll sofort einmal seinen Geldbeutel
hergeben und hat ihm das Geld daraus gestohlen. Die Kinder entwickeln sich doch
wirklich gut.
Heute gibt es bei uns zum Abendbrot
Pflaumen. Sie waren gar nicht so teuer, 18 Pf. Natürlich kannst Du nun nicht so
viel kaufen, wie Du willst, sondern ein paar Pfund. Aber zum essen reichen sie
gut und einmachen tue ich jetzt doch keine. Apfelmus haben wir jetzt auch
öfter. An Obst fehlt es also nicht ganz. Gemüse haben wir ja auch. Viele
Tomaten haben wir bis jetzt noch nicht gehabt, es ist zu wenig warm bzw. es
fehlt die Sonne. Gestern war ich ja für den Regen ganz dankbar, da brauchte ich
die Setzlinge schon nicht angießen, die ich vorgestern gesetzt hatte.
Ist es eigentlich wahr, was man hier so
erzählt, daß die Franzosen öfter deutsche Soldaten umbringen und daß man die
Leichen meist in den Kanälen findet, die durch die Städte laufen. Wenn es wahr
ist, so sei nur vorsichtig und gehe gegen Abend nicht allein fort.
Nun schließe ich für heute wieder. Sei
recht oft und herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Mein lieber Ernst! Konstanz, den 22.8.41
Heute kam Dein lieber Brief vom 18.8. Ich
danke Dir sehr dafür. Gleichzeitig haben wir heute auf das Paket mit den
Schuhen von Deinem Kameraden erhalten. Auch dafür möchte ich Dir recht sehr
danken. Sie passen alle. Natürlich müssen wir sie erst ein bißchen einlaufen,
denn sie brennen, wie alle neuen Schuhe, noch an den Füßen. Gefallen tun sie
uns allen sehr gut. Jetzt haben wir alle wieder noch etwas Schönes. Ganz
richtig danken wir Dir dafür, wenn Du auf Urlaub da bist. Auch über die
Beilagen von Milch habe ich mich gefreut. Die Zigarren und den Tabak für Vater
hebe ich auf. Augenblicklich hat er soviel zu rauchen, daß er es nicht braucht.
Du kannst es ihm ja mitgeben, wenn Du selber da bist.
Von Vater soll ich Dir auch noch sagen,
daß Du die Schuhe nur schicken sollst, die Nummer wäre schon richtig.
Nun zu Deinem Brief. Inzwischen hast Du ja
sicher die Unterlagen bekommen, die ich Dir zugeschickt habe. Vielleicht sind
sie auch schon auf dem Wege zu mir. An die Stadt weitergeben kann ich sie ja
sowieso nicht vor kommenden Donnerstag, da ich da erst das Leumundszeugnis bekomme.
Erst nachdem die Unterlagen bei der Stadt sind, geben sie ja Anweisung an Deine
Dienststelle zur Ablegung des Diensteides. Vielleicht bis Du auch gerade hier,
wenn sie Dich vereidigen wollen. Im Beamtenrecht habe ich heute wegen dem
Treueid nachgesehen, er hat folgenden Wortlaut:
„Ich
schwöre: Ich werde dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes Adolf Hitler
treu und gehorsam sein, die Gesetze beachten und meine Amtspflichten
gewissenhaft erfüllen, so wahr mir Gott helfe.“
Ich muß Dir meine Bewunderung aussprechen,
daß Du so genau gewußt hast, so der Eid, bzw. Eidesformel steht. Da habe ich es
mit dem Suchen nicht schwer gehabt.
Daß doch die Franzosen nicht schlau werden
und immer noch den Engländern und Russen anhängen. Sie haben doch von dort her
nichts Gutes zu erwarten. Wenn wir sie noch grausam und ungerecht behandeln
würden, aber soviel ich davon verstehe, tun wir doch beides nicht. Aber der
Hass ist den Franzosen schon von Kind auf eingeprägt, daß man sie nicht so
schnell ändern kann.
Ich habe erst einmal ein frisches Farbband
rein tun müssen, denn die Schrift war ja bald nicht mehr zu lesen. Es ist aber
so, daß die Buchstaben ziemlich scharf sind und das Band bald durchschlagen.
Ich habe in Leipzig gesehen, da hielt das Band viel länger, ja man merkte ihm
den Gebrauch gar nicht viel an, während hier nach mehrmaligem Schreiben schon
kleine Löcher im Farbband sind.
Wir haben uns jetzt hier wieder gut
eingelebt, Als wir vor mehreren Jahren in Leipzig waren, kann ich mich gut
erinnern, daß mir Konstanz bei unserer Heimkehr fad und öde vorkam. Das war ja
diesmal nicht so. An die Stadt hatte ich mich gleich wieder gewöhnt und es
gefiel mir auch, als wir in unsere frisch gestrichene Küche kamen. Wir waren
eben doch wieder daheim. Das Selberkochen
kam mir ja komisch vor, wie ich Dir schon schrieb. Die Nebenumstände bei
unserer Heimkehr, wie der Krach im Hause, waren natürlich nicht nach meinem
Geschmack, aber inzwischen ist ja soweit Ruhe eingekehrt.
Etwas hat ja der Aufenthalt in Leipzig
schon ausgemacht. Während ich nach
meiner Krankheit, mit Sachen, 131 Pfund gewogen habe, waren es bei meiner
Abreise von Leipzig 135 Pfund. Ich schlafe jetzt auch wieder gut. Wenn ich
nicht den Wecker stelle, wache ich morgens nicht vor 1/2 8 auf.
Nachdem wir in Leipzig, ohne Schuld der Eltern,
mit Milch ziemlich knapp gehalten wurden, haben wir das jetzt nachgeholt. Ich
nehme jeden Morgen 2 Liter Magermilch, da trinken wir uns satt. Ich sagte
Vater, daß meine Eltern gesagt haben, sie wären froh, wenn sie auch so viel
Magermilch bekämen. Das will er nicht glauben. „Sie würden es schon bald satt haben,
wenn ihnen beim Kochen die Milch immer anbacken würde, daß man die Töpfe nicht
mehr sauber bekommt“ meint er. Ich sagte ihm, daß das absolut nicht der Fall
sei, denn ob sie nun den 1/2 ltr abkochen, den sie bekommen, oder 2 ltr, das
ist doch schließlich gleich. Aber über so etwas kann man sich mit Vater immer
noch rumkampeln, wenn man will. Ich will nur nicht, darum lasse ich ihn reden.
Denn wir haben doch wirklich nichts zu klagen. Wir bekommen regelmäßig unsere
Lebensmittel und sie sind schließlich auch nicht zu knapp bemessen, man muß
sich eben einteilen. Aber man weiß doch genau, das bekommst du nächste Woche.
Das ist doch meines Erachtens viel wert. Wir haben ja schließlich schon 2 Jahre
Krieg und in der Lebensmittelzuteilung hat sich nichts geändert.
Nächste Woche kommt ja nun auch Jörg in
die Schule, am 28. Da wirst Du sicher an ihn denken. Mit einer großen
Zuckertüte ist es ja diesmal nichts, aber vielleicht kaufe ich ihm ein Stück
Torte. Ein paar Bonbons bekommt er ja. Da habe ich noch welche von Kurt da.
Heute habe ich einen Pflaumenkuchen
gebacken. Hättest Du da nicht auch Appetit? Wir haben nämlich diesmal nicht
mehr so reichlich Brot, da wir ja schon eins allein auf der Bahn gebraucht
haben, aber Mehl hatte ich noch da, da gibt es morgen früh Pflaumenkuchen und
am Sonntag einen „Mond“, also einen gewickelten Kuchen mit Marmeladenfüllung,
den die Kinder wegen seiner Form Mond genannt haben. Das ist doch eigentlich
komisch, wenn man kein Brot hat, ißt man Kuchen. So schnell wird das ja nicht
vorkommen, da ich mir die Brotmarken in der neuen Zuteilungsperiode wieder
richtig einteilen kann.
Nun will ich für heute wieder schließen.
Viele, viele Grüße und Küsse von Deiner Annie.
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