Mein liebere Ernst! Konstanz, den 23.8.41
Heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom
19.8. Vielen Dank.
Die Unterlagen hast Du also erhalten. Die
Daten von Deiner Großmutter setze ich schon noch ein. Gerade als ich die Unterlagen
weggeschickt hatte, fiel mir ein, daß wir ja noch den Ahnenpaß von Paula da haben.
Ich habe mir nun überlegt, daß Kurt den später ja wieder der Paula bringen wird
und dann müssen wir uns die fehlenden Unterlagen erst wieder besorgen. Ich habe
nun einen Ahnenpass geschrieben, bzw. zwei. Einen so wie ich Dir das Muster
davon mitschicke und einen nach dem Ahnenpaß meiner Eltern für mich. Der
beiliegende Ahnenpaß ist also derjenige, den ich bescheinigen lasse. Den habe
ich schon auf dem Standesamt, sondern das ist derjenige, den ich zuerst
geschrieben hatte nach Deiner Aufstellung und nach den Unterlagen. Wie Du
siehst, habe ich mehrmals verbessern müssen und so habe ich die ganze Sache
nochmals rein in einen anderen Paß geschrieben. Bei meinem Paß habe ich von
meinen Eltern abgeschrieben und habe noch einiges dazugefügt, da wir ja noch
Unterlagen da hatten, die uns Tante Anna seinerzeit zuschickte. Ich hoffe ja,
daß es Dir recht ist, was ich gemacht habe. Ich dachte eben, man braucht jetzt
öfter einen Nachweis. So müßte man immer die ganzen Unterlagen mitschleppen,
andernfalls braucht man aber nur den Ahnenpaß vorweisen. Ich bekomme die beglaubigten Pässe am
Mittwoch wieder und kann sie dann zusammen mit den anderen Sachen der Stadt
vorlegen. Hoffentlich bekomme ich keinen zu festen Anranzer von Dir für meine
Eigenmächtigkeit. Die „Plackens“ gehen am weitesten zurück, bis Nummer 68, während
es sonst nur bis 34/35 zurückgeht.
Soviel ich gelesen habe, kostet das Bestätigen eines Passes bis zur Nr. 32
1,-Mk, alles weitere je 10 Pfg.
Die Flugblätter aus dem Schuhpaket habe
ich bereits aufgehoben. Das ist ja allerhand, was sich die Kommunisten dort
leisten.
Mit der Arbeit hier komme ich schon soweit
durch. Wenn es einmal nicht geht, lasse ich einfach etwas liegen.
Mit dem Zucker ist es leider so, daß Vater
genau so wenig hat wie ich. Er hat doch auch etwas Erdbeeren und ein paar
Brombeeren eingekocht. Am Montag bekommen wir ja wieder den Zucker im Voraus,
der sonst für Marmelade da wär. Den hole ich mir auch gleich und koche etwas
Brombeer- und evtl. etwas Pflaumenmarmelade. Viel sterilisieren tue ich dieses
Jahr nicht. Ich mache Salzbohnen, evtl. Essigbohnen, Sauerkraut ein. Außerdem
lege ich für den Winter wieder Möhren ein und hänge diesmal das Kraut mit einem
Bindfaden im Keller auf. Erst wollte ich wieder Senfgurken einmachen, aber es
ist ja so, du bist nicht da, ich kann soviel Saures nicht vertragen, Jörg ißt
auch wenig und Helga überhaupt keine. Die ich voriges Jahr eingemacht habe, sind auch nicht alle geworden. Zu was
soll ich mir da erst die Arbeit machen. Da essen wir lieber viel Gurken jetzt
frisch.
Ich bin sehr froh, daß Du mir noch Zucker
besorgen willst. Den kann ich auch noch gebrauchen, wenn ich nicht mehr einkoche,
denn ich möchte doch öfter einmal Grieß oder Pudding für die Kinder kochen,
backen möchte man auch, da habe ich nie zuviel Zucker da. Daß ich ihn nicht verschwende,
das kannst Du glauben.
Wo denkst denn Du hin, Du sollst doch
nichts mitbringen, wenn Du kommst, die Hauptsache ist doch, daß D U kommst.
Darauf freuen wir uns ja schon sehr.
Das ist natürlich nichts, wenn die Filme
schon so abgespielt sind, daß einzelne Stücke fehlen. Da hat doch so ein Film
gar keinen Zweck. Den Film „Der liebe Augustin“ haben wir ja zusammen gesehen.
Der war ja wirklich schön.
Für die Sandalen von Dir habe ich schon Eisen
geholt, damit sie nicht gleich von den Kindern schief getreten werden. Auf
meine Schuhe mache ich auch kleine drauf. Sie sollen doch solange wie möglich
schön bleiben. Morgen dürfen sie die Kinder zum ersten Mal draußen anziehen,
darauf freuen sich schon Beide. Sie sind auch schön zur Schule. Ihre alten
Sandalen waren schon so kaputt, daß wir sie fortwerfen mußten, natürlich nicht,
ohne vorher die noch guten Lederteile abzuschneiden. Man kann jetzt alles
gebrauchen.
Heute Nachmittag will ich noch in den
Garten gehen und Winterspinat und Wintersalat säen, ebenso Wirsing, da hat man
dann gleich etwas im Frühjahr. Mal sehen, ob alles richtig wächst.
Sei nun für heute wieder recht herzlich
gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Mein lieber Ernst! Konstanz, den 24.8.41
Heute ist ein verregneter Sonntag, da
fühlt man sich zuhause am wohlsten. Ich hatte gestern gegen Abend noch Bohnen
abgemacht, die ich heute Vormittag zu Salzbohnen eingestampft habe. Heute
Nachmittag will ich mich nun ans Schreiben machen. Außer an Dich will ich noch
an Frau Diez und an Kurt schreiben. Diese beiden werden auch schon lange auf
Antwort warten.
Wir haben jetzt fast jeden Tag ca. 2 Pfund
Falläpfel. Manchmal essen wir das Apfelmus als Kompott, manchmal als Marmelade
früh aufs Brot, alle wird es auf jeden Fall. Wenn die Äpfel noch etwas größer
sind, will ich die Apfelringe machen,
die jetzt runtergefallen sind aber auch noch zu madig.
Heute haben wir den ganzen Tag Besuch von
der Margret. Alle möglichen Sachen haben die 3 rausgeholt zum spielen. Sonntäglich
sieht die Küche ja nicht gerade aus, aber dafür haben sie wenigstens keine
Langeweile und können sich beschäftigen. An Spielsachen fehlt es ja bei uns wirklich
nicht.
Im Hinblick auf den baldigen Schulanfang
hat sich Jörg heute ohne Murren die Haare schneiden lassen. Er will doch
anständig aussehen, wenn er in die Schule kommt. Mit dem Schulanfang beschäftigen
sich seine Gedanken jetzt sowieso öfter. Ich will doch sehen, daß ich ihm eine
kleine Zuckertüte mache, denn Helga hat ja auch eine bekommen und er soll auch
nicht zu kurz kommen.
Ich habe mein Schreiben erst unterbrechen
müssen, da die Kinder im Radio das Märchenspiel von den Bremer Stadtmusikanten
hören wollten. Inzwischen hat sich das Wetter etwas gebessert, es regnet
wenigstens nicht mehr. Nun sind alle 3 gleich ausgeflogen, denn unsere Zwei
müssen doch ihre neuen Sandalen spazieren führen, das ist doch heute die
Hauptsache. Die Sandalen sehen auch wirklich gut aus.
Als Vater jetzt einmal da war, erinnerte
er mich daran, daß er doch recht gehabt hätte als er meinte, ich solle nicht „Du“
an Nanni schreiben. Sie wolle es doch nicht. Nanni hatte ja an Dich
geschrieben, daß sie diese Angelegenheit hier regeln würde, sie hat aber kein
Wort verlauten lassen. Ich hatte ihr ja auch gesagt, wenn wir fortfahren
wollten und sie sagte daraufhin, daß sie vorher noch einmal heraufkommen
wollte. Sie hat es aber nicht getan und hat auch bis jetzt nichts mehr von sich
hören lassen. Ich bitte Dich, schreibe von der ganzen Angelegenheit nichts mehr
an Nanni, ich will es jetzt gar nicht mehr, daß ich an sie schreibe, von mir
erhält sie keine Zeile. Ich mag keinen Verwandten nachkrieben.
Du schreibst in dem Brief, den ich gestern
erhielt, daß mir die Amaryllis schon viel Freude gemacht hat. Das ist wirklich
der Fall. Schon, daß sie so gut gewachsen ist, hat mich gefreut, viel mehr
noch, daß sie auch geblüht hat. Sie hat auch noch den Vorteil, daß sie nicht,
wie die Kakteen, stachlig ist. Eigenwillige Pflanzen sind es ja, erst wachsen
sie jahrelang nicht und dann treiben sie auf einmal ganz wild. Ich habe doch
von der großen Zwiebel 3 kleine abgemacht und extra eingepflanzt. Eins hat
schon 2 Blätter getrieben, eins hat ein Blatt. Bei der dritten Zwiebel sieht
man schon seit Monaten nur eine kleine Blattspitze, ohne daß sie weiter wächst.
Ich bin gespannt, wann sie losschießt.
Ich will nun noch die anderen Briefe
schreiben und schließe deshalb. Sei Du, mein lieber Schatz, recht herzlich
gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
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