Freitag, 5. August 2016

Brief 206 vom 18./19.20.8.1941


Mein lieber Ernst!                                                                          Konstanz, 18.8.41                                                    

Vielen Dank für Deinen lieben Brief vom 14.8., den ich gerade vor einigen Minuten erhielt.
Vor einer Woche waren wir den letzten Tag in Leipzig. Um diese Zeit, am Nachmittag, habe ich gerade die Fahrkarten besorgt.
Jetzt habe ich mich wieder ziemlich eingewöhnt. Da sich Büsings, seitdem ich bei Herrn Ganahl war, bis jetzt ruhig verhalten, ist man auch wieder lieber zuhause.
Euer Hund ist ja ein ziemlicher Strolch. Das könnten wir hier ja jetzt nicht gebrauchen, daß er Sachen zerfrißt, denn jetzt bekommt man solche Sachen doch nicht zu kaufen. Wenn einem die Neuanschaffung selbst nichts kostet, ist es ja nicht gar so schlimm.
Die Eltern sind diese Woche noch nicht verreist. Wir hatten uns alle getäuscht. Sie fahren erst am Samstag den 23. fort und kommen am 30.8. wieder. Am 1.9. fängt Papa dann bei der neuen Firma an. Papa sagte schon, wir sollten den Daumen halten, daß er sich gut eingewöhnt.
Bei uns ist es jetzt wieder ziemlich warm. Vielleicht hat sich das Wetter dort auch gebessert.
Der Tommy denkt doch immer wieder an dich. Also muß er dich doch ziemlich gut leiden können. Wahrscheinlich wirst Du ihn inzwischen schon wieder besucht haben. Da hast Du doch wenigstens immer jemand, mit dem Du Dich soweit verstehst.  Morgen hat ja Vater Geburtstag. Ich werde ihm die Zigarren von Dir bringen. Ich denke sicher, daß er sich darüber freut.
Von Kurt erhielten wir heute ein Bobon-Päckchen. Er hatte es mir schon vor ein paar Tagen angekündigt. Etwas habe ich verteilt, das meiste habe ich aber für Helga`s  Geburtstag  und zum Schulanfang von Jörg auf, denn Bonbons oder so etwas bekommt man ja jetzt nirgends, das wird für die Soldaten verwendet, die es ja schließlich bei ihren Märschen auch notwendiger brauchen, als wir.
Die Eltern haben mir heute den Ahnenpaß geschickt. Ich behalte ihn eine Weile, evtl. können wir uns selbst auch einen Ahnenpaß anlegen.
Ich muß noch einkaufen fahren und hinterher will ich evtl. noch nach dem Garten sehen. Einen Teil des Unkrautes an den Beerensträuchern habe ich schon heute Vormittag rausgerissen.
Sei für heute wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Mein liebster Ernst!                                                                       Konstanz, 19.8.41

Ich komme erst am Abend dazu, an Dich zu schreiben. Heute Morgen sind wir erst zu Vater  runter gegangen und haben ihm gratuliert. Die 50 Zigarren von Dir haben wir mitgenommen. Bei Vater war heute Morgen der Geburtstagsbrief von Dir und ein Zigarren- und Zigarettenpäckchen von Kurt angekommen. Er hat sich über beides gefreut.
Als wir heimkamen, habe ich Essen gekocht. Nachdem wir gegessen hatten, wollte ich in den Garten gehen. Es hatte aber inzwischen mit regnen angefangen. Da habe ich mir dann die Wäsche zum bügeln vorgenommen. Das war auch wichtig. Das brauche ich dann schon nicht machen, wenn schöneres Wetter wird. Am Abend kann man jetzt, wo man verdunkeln muß, auch nicht gut bügeln, denn ich brauche frische Luft dazu. So ist der Nachmittag vergangen. Nach 5 Uhr haben wir Abendbrot gegessen, da hörte dann auch das regnen auf. Ich bin natürlich gleich noch in den Garten gegangen. Da habe ich die Tomaten angebunden, Grünkohl gesetzt, einige Weiß-,  Rotkraut und Wirsingssetzlinge nachgesetzt, die restlichen Sämlinge von Kohl habe ich rausgerissen und das Stück umgegraben. Dann habe ich etwas Ackersalat gesät, Wintersalat und Spinat kommt in Kürze dran. Gestern Abend haben wir alle drei fest geschafft. Ich wollte ja eigentlich an den Erdbeeren nichts machen, aber da ich gesehen habe, daß das Unkraut so schrecklich hoch ist und auch dicht, daß man von den Erdbeeren überhaupt nichts sieht, habe ich mich doch drangemacht, das hauptsächlichste rauszureißen. Die Kinder haben alles auf den Misthaufen getragen. Jetzt sieht es wenigstens wieder einem Garten gleich und keinem Unkrautfeld. Das meiste ist jetzt getan. Jetzt kommen dann die Bohnen dran.  Vielleicht sterilisiere ich doch einige Gläser. Es brauche ja nicht viel zu sein. Die Tomatenstöcke hängen dick mit Tomaten voll. Eigentlich sind nur die Gurken nichts geworden. Kraut, Kohlrabi usw. stehen bis jetzt ganz gut da.
Vater sagte heute, er will Dir in den nächsten Tagen schreiben und will Dir alles wegen seiner Krankheit auseinander setzen, da brauche ich ja darüber nichts mehr schreiben.
Morgen will ich evtl. an Kurt, Alice und Erna schreiben. Mal sehen, wie weit ich komme.
Gestern habe ich den Schott gesehen, er muß es gewesen sein. Er kam mit einer etwas stärkeren Frau. Er ist doch bei der Marine? Du hättest ihn nur sehen sollen, wie würdevoll er daher kam. Ich hätte ihn beinahe nicht erkannt. Was doch die Uniform ausmacht.
Nun will ich wieder schließen. Ich will den Brief noch wegschaffen, hinterher muß ich noch Apfelmus fertig mache. Dann wird es auch für mich Zeit, schlafen zu gehen. Es ist jetzt schon 1/2 10. Sei nun recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Mein liebster Ernst!                                              Konstanz, 20.8.41

Heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom 15.8. Du kannst mir glauben, daß ich gar nicht  böse bin, wenn ein Brief so lang ist wie dieser. Ich kann ja von Dir gar nicht genug lesen.
Meinen Regenmantel habe ich in Leipzig schon brauchen können. Er hat auch meinen Eltern sehr gut gefallen. Es ist doch ein schönes Gefühl, wenn man etwas Anständiges anzuziehen hat. Am meisten habe ich in Leipzig das Strickkostüm gebraucht, das Du mir zu Weihnachten geschenkt hast.
Alice, Paul und Erna waren wirklich sehr nett zu uns und man hat gemerkt, daß es von Herzen kommt. Ehe wir uns kennen lernten hatte Erna etwas Angst vor mir, daß ich sie vielleicht nicht leiden könnte. Ich bin aber ganz unvoreingenommen an die Bekanntschaft rangegangen und bin Erna auch freundlich entgegengekommen. Ich muß sagen, daß sie mir gut gefällt. Sie ist keine Schönheit, das heißt natürlich nicht, daß sie häßlich ist. Sie hat aber ein freundliches Wesen. Über näheres können wir uns ja in Deinem Urlaub unterhalten.
Von Jörg soll ich Dir sagen, daß Du natürlich mit seinem Metallbaukasten spielen darfst. Er hat schon heute Pläne gemacht, was Du evtl. alles bauen könntest.
Wir sind froh, daß wir gestern wieder im Garten gearbeitet haben, denn heute regnet es wieder den ganzen Tag. Heute habe ich mir wieder Hausarbeit vorgenommen.
Mit dem Essen ist es bei uns jetzt so, daß wir meist das essen, was im Garten wächst. Wir haben schon öfter Bohnen und auch Kohlrabi gehabt. Zwischendurch gibt es mal Kartoffelstückchen, Kartoffeln und Gulasch, Kartoffelbrei und Hackfleisch, (das Lieblingsessen der Kinder) Kartoffelpuffer und Apfelmus und auch mal Klöße. Teigwaren gibt es bei uns selten, denn davon bekomme ich doch im Monat für uns drei nur 1 1/2 Pfund. Den Gries, den wir außerdem bekommen, essen die Kinder zum Abendbrot. Hoffentlich gibt es dieses Jahr auch wieder reichlich Kartoffeln, denn damit kann man sich überall helfen.
Laß mich nun für heute wieder schließen, denn ich weiß heute gar nichts weiter zu berichten. Da es immerzu regnet, muß man doch die ganze Zeit in der Wohnung bleiben.
Sei recht herzlich gegrüßt von Deiner Annie.

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