Lieber Ernst! Konstanz, 26. Juli 40
Gestern Nachmittag habe ich für
Dich und für Kurt die Marken von Eupen-Malmedy besorgt. Einmal ungestempelt,
ein Randstück und heute schicke ich zwei Briefe an dich mit je einer Marke zu 6+4
und 12+8, da die Marken so auf einem Papier nicht mehr abgestempelt werden.
Schreibe mir auch bitte, ob ich die Marke vom braunen Band in Berlin bestellen
soll. Die Adresse habe ich mir auf der Post geben lassen.
Heute früh sind wir auf den
Bismarckturm gegangen und ich habe zwei Einkaufstaschen voll Lindenblüten
gepflückt. Vielleicht gehen wir morgen früh noch mal, wenn das Wetter gut ist.
Heute tut mir erst mal das Genick
vom raufgucken weh. Wir sind um 8 Uhr fort und waren um 11 Uhr wieder da. Ich
habe aber auch in die Taschen hineingestopft was nur ging.
Als wir heimkamen, war Dein
lieber Brief vom 20.7. da, in dem Du den Empfang von 5 Päckchen und den Briefen
von Köln bestätigst.
Wer war die Kollegin, die Dir zum
Geburtstag gratuliert hat? Woher wußte sie Deine Adresse?
Ich bin so froh, daß Du endlich
von uns etwas bekommen hast. Mit den
Erdbeeren werde ich es so machen, wie
Du geschrieben hast. Wann muß ich die neuen Setzlinge setzen und wo? Die
Erdbeeren bei den Johannisbeerbäumchen müssen doch auch raus?
Deinen Brief aus Brüssel habe ich
bekommen und sogar schon nach zwei
Tagen. Der Bahnbeamte hat ihn also gut besorgt.
Von Kurt habe ich schon längere
Zeit keine Post, das ist aber nicht so schlimm. Kurt schreibt ja sowieso
selten. Gestern habe ich schon 1 ½ Pfund Stangenbohnen abnehmen können. Jetzt
dauert es nicht mehr lange, dann muß ich welche sterilisieren. Salzbohnen mache
ich auch ein, wenn es viele Bohnen gibt. Auch zwei rote Tomaten haben wir
geerntet. Einige Gurken sind schon so groß wie meine Hand. Es wird dieses Jahr
ziemlich viel geben, denn es ist noch alles voller Blüten.
Am Sonntag über 8 Tagen hat Jörg
nun Geburtstag. Ich kaufe ihm nun doch kein Fernlenkauto, denn die sind sehr
empfindlich. Er bekommt dafür einen Wasserflieger, den er sich auch gewünscht
hat.
Mein lieber Ernst! Ich sende Dir
nun recht herzliche Grüße und Küsse und bin immer Deine Annie.
Mein lieber Mann! Konstanz, 27.Juli 40.
Heute früh ist kein Brief von Dir
angekommen.
Wir sind um ½ 8 Uhr früh auf den
Bismarckturm gegangen und ich habe nochmals eine Tasche voll Lindenblüten
gepflückt. Es sind noch viel Lindenblüten da, aber leider für mich
unerreichbar. Da müßtest Du da sein, daß Du auf den Baum kletterst. Ich bin ja
froh, daß ich im Ganzen wenigstens 3 Taschen voll pflücken konnte, das ist doch
besser als nichts. Unsere ganze Stube riecht jetzt nach Lindenblüten.
Es hatte die ganze Nacht
geregnet, so daß ich ziemlich beim pflücken gewaschen worden bin. Das war aber
ganz erfrischend. Nicht so schön war es, daß ich aus Versehen eine Wespe in die
Hand bekommen habe. Die hatte so schön in der Blüte versteckt gesessen, daß ich
sie gar nicht gesehen habe. Beim Stechen habe ich es aber gemerkt. Ich habe
immer dran denken müssen, wie wir früher immer zusammen zum pflücken gegangen sind. Das war auch
fein.
Vom Siegfried ist heute früh ein
Brief gekommen aus Weimar. Ich muß ihm auch wieder mal schreiben, denn ich habe
seinen Brief vom 13.7. auch noch nicht beantwortet. Seine Briefe schicke ich
Dir dann mit.
Bei uns wird das Wetter nicht
besser. Jeden Tag gibt es mal Regen. Ich schicke Dir heute mal ein Bild mit.
Ist das Euer Beutewein?
½ 4 Uhr. Nachdem ich gestern
Deinen Brief vom 20.Juli erhielt, kam heute Dein lieber Brief vom 18. an, in
dem Du noch auf Post wartest. Inzwischen hast Du ja welche erhalten.
Ich habe nun aus Deinem Schreiben
ersehen, daß Du jetzt ein Lokal gefunden hast, wo deutsch gesprochen wird und
wo es Dir gefällt. Nachdem Du dort
soweit gut versorgt bist, Dein Auskommen hast und ziemlich ungebunden leben
kannst, zweifle ich tatsächlich immer mehr, ob es Dir später wieder bei uns
gefallen wird. Dort hast Du soweit Ruhe und freie Zeit, während man sich zu
hause doch öfter mal über die Kinder ärgern muß. Du weißt ja, sie machen
vielmals Lärm, wenn man Radio hören will usw. Na, wir werden ja sehen. Ich
komme mir ja oftmals sehr vereinsamt vor, denn ich habe ja niemand, der mir näher
steht.
Die Kinder sind wohl liebe Kerle,
aber über vieles kann man doch nicht mit ihnen reden. Manchmal kommt es mir
vor, als wärst Du für mich unerreichbar und es könnte nie mehr so werden, wie
es vor Deiner Einberufung war. Ich glaube, ich habe großes Heimweh nach Dir,
denn es tut im Herzen sehr weh. Du brauchst nicht immer etwas für mich zu
kaufen, wenn Du mich nur recht lieb behältst. Das ist mein einziger
Wunsch.
Lieber Ernst! Sei recht herzlich
gegrüßt und geküßt von uns allen, besonders aber von Deiner Annie.
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