Donnerstag, 23. Juli 2015

Brief 33 vom 16./17./18.7.1940


16.7.                                                                                                                                             

 Gestern Abend hat es ein schweres Gewitter gegeben, eigentlich sind es drei gewesen. Seitdem hat es geregnet bis heute Mittag und auch heute Vormittag hat es gedonnert und geblitzt.
Ich bin froh, daß ich gestern noch das Kraut gehackt habe. Außerdem haben wir gestern die erste rote Tomate geerntet. Sie war vor den anderen ein Stück voraus. Ich habe auch das erste ½ Pfund Buschbohnen abgenommen.  Langsam werden auch die Äpfel groß. Himbeeren haben wir auch im Ganzen ca. 1 ½ Pfund geerntet, die haben wir aber so gegessen.
Ich freue mich immer wieder riesig über Deine lieben Briefe und lese sie öfter durch. Heute Abend werde ich sie wahrscheinlich auch Vater vorlesen, was aber für mich allein bestimmt ist, auch die Grüße und Küsse lese ich nicht mit vor. 
Soll ich Dir eigentlich das weiße Hemd und die lange Unterhose zuschicken, die ich gewaschen habe? Die braune Färbung bei den Socken ist nicht ganz weggegangen, das ist von den Stiefeln. 
Von Kurt kam heute ein Brief aus Hradisch zurück, ebenso habe ich einen Brief von Siegfried aus Apolda erhalten. Ich beantworte ihn und sende ihn Dir dann mit.  Nun schließe ich für heute.
Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.


Lieber Ernst!           Konstanz, 17.7.40

Da ich am Montag gleich drei Briefe bekommen habe, sind natürlich gestern und heute keine gekommen. Du wirst ja heute immer noch auf Post von uns warten, denn so schnell geht die Beförderung ja nicht. Dir wird es auch eigenartig vorkommen, wenn Du drei Wochen lang kein Lebenszeichen von uns erhältst.
Ich denke immer an Dich und ich möchte Dir auch heute nochmals danken für Deinen ausführlichen Brief.  Heute wird es ein ziemlich kurzer Brief, denn es ist schon ziemlich spät und ich will ihn noch auf die Post bringen.
Ich habe vormittags etwas gewaschen, dann habe ich Heidelbeeren in zwei Flaschen eingekocht. Ich habe drei Pfund sehr schöne gekauft, da braucht man nicht viel Zucker dazu. Nachher will ich noch Rhabarber in Flaschen einmachen, da brauche ich überhaupt keinen Zucker. 
Es regnet auch heute wieder fast den ganzen Tag. Jetzt dürfte es auch wieder mal schön werden.
Du sagtest doch bei Deinem Hiersein, Du wolltest Nanni auch ein Bild von Dir senden. Darf ich Dir‘s da schicken, denn ich schreibe mich doch mit Nanni nicht. 
Lieber Ernst! Die Engländer drohen doch mit Gasangriffen. Hast Du da eigentlich dort eine Gasmaske.  Sieh Dich nur vor, denn so Giftgaswunden sind ja schrecklich. 
Nun will ich schließen. Sei nicht böse, daß ich heute nur so wenig geschrieben habe. Nimm recht herzliche Grüße und Küsse von Deiner Annie.


 Mein lieber Ernst!          Konstanz, 18.Juli 40

Eben kam Dein lieber Brief vom 11.7. und ich will ihn gleich wieder beantworten. Als mir Jörg den Brief brachte, sagte er ganz enttäuscht: nichts vom Vaterle. Er ist durch den gelben Umschlag getäuscht worden. 
Aus Deinem Brief ersehe ich auch diesmal, daß es Dir in Bezug auf das Essen nicht schlecht geht. Das freut mich, so brauche ich mir deshalb also keine Sorge zu machen. 
Ich habe es mir in der letzten Zeit auch schon überlegt, daß Du wahrscheinlich wegen Deiner Meldung nach Polen dorthin berufen worden bist. Du schreibst: „Vielleicht habe ich das Glück, mit nach England zu kommen.“ Wäre Dir das so recht? Da wärst Du noch weiter von uns entfernt und wer weiß, wann Du da überhaupt mal wieder heim könntest. Denn ich glaube, die Verwaltung wird noch dort bleiben, wenn die Mehrzahl der Soldaten schon wieder in der Heimat ist. Na, ich will mir nicht schon vorher das Herz schwer machen. Es kommt doch alles wie es soll. 
Du schreibst: „Die Vorspeise, bestehend aus Pilzen und Kartoffelbrei . . .“ Da habe ich doch lachen müssen. Was bei Euch Vorspeise ist, ist bei uns das ganze Mittagessen, und sogar ein gutes.  Ernst, Ernst, wie wird es Dir ergehen, wenn Du mal wieder heimkommst? Ich glaube, Du rückst gleich wieder ab. 
Na, hör mal, Du! Wenn Du schreibst, ich würde in meiner Neugierde ja ganz ungenießbar, wenn Du Andeutungen machst, daß du mir etwas gekauft hast, so ist das ja allerhand. Wenn ich Dich hier hätte, würde ich Dich mal fest an den Haaren raufen. Ich glaube, mit meinem „erzieherischen Einfluß“, wie Du im Anfang Deines Briefes schreibst, ist es doch nicht so weit her, Du wirst schon wieder übermütig. Jetzt wirst Du sicher sagen, das ist nun der Dank, daß ich was gekauft habe. Aber Du wirst sicher auch einsehen, erst muß die Strafpredigt kommen und nun möchte ich Dir danken für Deine Liebe, daß Du immer an mich denkst und sogar auch dort etwas für mich kaufst.
Ach Ernst, manchmal kann ich‘s gar nicht begreifen, daß Du so weit von uns fort bist. Ich habe oft rechte Sehnsucht nach Dir. 
Die Schuhe von Herrn Gloger habe ich noch nicht erhalten. Ich schreibe Dir gleich, wenn sie kommen.
Heute Nachmittag gehen wir in die Wochenschau. 
Im Garten ist soweit alles in Ordnung. Ich kann jetzt nicht so viel drin schaffen, weil es immer regnet. Ich habe wieder 4 Pfund Erbsen geerntet. Ich wollte Vater welche davon geben, aber er ißt sie nicht gern. Jetzt sollte mal ein bißchen gutes Wetter kommen.
Lieber Ernst! Schreibe mir doch bitte auch mal, wann Du früh mit arbeiten anfängst, wann Du zu Mittag ißt, wann Du mit Arbeiten aufhörst und wann Du Abendbrot ißt, damit ich immer mit meinen Gedanken dabei sein kann. 
Da Helga jetzt Ferien hat, bin ich heute früh auch faul gewesen und bin erst ½ 8 Uhr aufgestanden. Was sagst Du zu so viel Faulheit. Um diese Zeit wirst Du schon lange aufgestanden sein. 
Warst du mal dort im Hallenbad und wie ist es? Da hast Du ja Deinen Badeanzug gleich benutzen können. 
Was hast du gesagt, daß ich mir das Kostüm gekauft habe? Die richtige Freude macht´s mir ja erst, wenn Du‘s sehen könntest. 
Beim Kaufen habe ich mich ja riesig gefreut, aber nun habe ich gar keine Lust es anzuziehen, da Du nicht da bist. Wenn du da bist, ziehe ich es mit großem Stolz an, denn darin werde ich Dir sicher gefallen. 
Nun lieber Ernst, muß ich Schluß machen.  Wir müssen noch essen und spätestens ¾ 2 Uhr müssen wir im Kino sein. Ich nehme diesen Brief gleich wieder mit auf die Post.  Sei nun recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.     Jörg. 18.7.40   Lieber Vater! Ich danke Dir für die Küsse die Du uns von der lieben Mutter immer geben läßt, du bist halt mein allerliebster von der Welt. Sei herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Helga. 

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