Mein lieber Ernst! 24.Juli
1940
Heute früh kam kein Brief von
Dir. Das ist direkt eine Ausnahme und ich warte nun heute Nachmittag auf den
Briefträger.
Ich habe wieder ein bißchen im
Garten geschafft. Die Roten Rüben habe ich auseinander gesetzt, dann habe ich
noch das halbe Erbsenbeet umgegraben. Das wollte ich jetzt frei lassen für
Winterspinat und Wintersalat. Ist das richtig? Ich weiß nicht, ob Du Dich noch
erinnern kannst, daß zwischen dem Kraut eine einzelne Kartoffelstaude stand.
Die habe ich heute herausgemacht, weil das Kraut sonst im Wachstum gehindert
wird. Davon habe ich 4 Pfund Kartoffeln geerntet. Und was für Riesen. Ein paar
haben einen Umfang von 28 bezw. 25 cm.
Das hat mich gefreut. Das Pfund Kartoffeln kostet jetzt doch noch 10 bis
12 Pfg. Ein paar Tomaten werden auch
rot. 1 Pfund Buschbohnen habe ich wieder holen können. Du glaubst gar nicht,
was wir in der einen Reihe für riesige Möhren haben. Frau Steinmehl hat sie
schon mit Erstaunen betrachtet. Sie haben auch eine gewaltige Stärke. In der anderen Reihe sind längere Möhren,
die aber noch nicht ganz ausgewachsen sind.
Es ist aber gerade recht so, da haben wir jetzt und später welche. In
einigen Tagen muß ich wieder das Kraut nach Raupe absuchen, denn die Kohlweißlinge
fliegen viel rum. Wir haben doch noch ein zweites Beet Erbsen. Die haben sich
jetzt, nachdem sie anfänglich so windig aussahen, gut gemacht und tragen auch
reichlich. In 2 Wochen werden sie ausgewachsen sein. Die Schoten fangen an,
dick zu werden.
Heute Nachmittag ist auch kein
Brief von Dir gekommen. Ich schicke
heute die Hosenträger mit. Ein kleines Stück Schokolade lege ich dazu. Ich weiß
nicht, ob Du dort auch Schokolade erhältst, und wenn, dann wird sie Dir
trotzdem schmecken. Ich habe heute
Nachmittag noch ein bißchen gewaschen und nun ist es schon ¼ 5 Uhr. Da wird der
Brief heute wieder ein bißchen kurz, da ich ihn doch noch auf die Post bringen
will. Das nimmst Du mir bitte nicht übel. Mein lieber, guter Ernst! Sei recht
herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Lieber Ernst! Konstanz, 25. Juli 1940
Heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom 17.Juli.
Was heißt das, O.U., den 17. Juli?
Bisher hast Du doch immer Lille geschrieben?
Das war ja schon eine
Enttäuschung für mich, daß Du wahrscheinlich doch nicht auf Urlaub kommst. Ich
hatte mich schon sehr gefreut. Wollen wir aber froh sein, daß Du wenigstens
einen Tag bei uns sein konntest. So haben wir uns doch noch mal gesehen, ehe Du
dorthin gefahren bist.
Ich habe überhaupt vergessen, Dir
zu schreiben, daß ich mich über die Anfertigung eines Anzuges für Dich freue.
Sehr leid tut es mir, daß Du so von Schnaken geplagt wirst. Bei uns sind jetzt
in den Zimmern noch keine zu spüren, aber sie werden schon noch kommen. In St. Gallen ist jetzt schon der
Kartoffelkäfer festgestellt worden, da müssen wir uns bald darauf gefaßt
machen, daß er zu uns rüber kommt. In der Zeitung hat schon die Aufforderung
gestanden, daß zwei Mal wöchentlich die Kartoffeln und Tomatenblätter
abzusuchen sind. Das ist auch eine schöne Arbeit, aber immerhin besser, als
wenn dieser Käfer uns alles weg frißt.
Hört Ihr dort auch davon, wie
frech die französischen Zeitungen, Minister usw. schon wieder werden. Daß sie
behaupten, Frankreich wäre am Krieg schuldlos und daß sie eine schnellere
Heimbeförderung usw. für die Flüchtlinge von uns Deutschen fordern. Denen geht
es wahrscheinlich noch zu gut. Im vorigen Krieg haben sie überhaupt nicht
danach gefragt, wie wir versorgt waren, im Gegenteil, sie haben uns hungern
lassen. Alles was recht ist, aber die Franzosen sind doch ein hinterhältiges,
falsches Volk.
Lieber Ernst! Ist es Dir
eigentlich nicht lästig, wenn ich so viel vom Garten schreibe? Ich möchte Dir
nur gern immer zeigen, wie alles steht, damit Du Dir einen Begriff davon machen
kannst.
Im Allgemeinen geht ja ein Tag
vorbei wie der andere. Essen, schaffen, schlafen. Nur gut, daß es immer zu schaffen gibt. Ich bin so froh, daß ich
immer liebe Briefe von Dir bekomme. Ach Ernst, ich meine oft, ich müßte Dich
sehen und mit Dir reden können. Hinter aller Sehnsucht steht aber immer wieder
das Wort: Es geht nicht! Nein, es geht nicht.
Nun will ich schließen, mein lieber, lieber Ernst! Sei recht herzlich
gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
25.7.40. Lieber Ernst! Es ist
jetzt 11 Uhr.
Vor einer halben Stunde bin ich vom Garten gekommen, nachdem ich
das Erdbeerbeet (die 5 Reihen) umgegraben habe. Ich habe gleich um 6 Uhr
angefangen. ½ 8 Uhr sind die Kinder aufgestanden und wir haben gefrühstückt.
Dann habe ich weitergegraben. Außer denen von gestern habe ich noch 14
Engerlinge ausgegraben. An der Längsseite der Erdbeeren kann ich noch nicht
umgraben, da überall Rote Rüben dazwischen stehen. Nun habe ich mich inzwischen gewaschen und umgezogen und fühle
mich wieder frisch.
Nachdem ich gestern keinen Brief
von Dir bekommen hatte, dachte ich, es käme heute früh einer. Es war aber
wieder nichts. Mit dem Einkaufen warte ich heute bis der Briefträger am
Nachmittag vorbei ist. Vielleicht ist dann etwas für mich dabei.
¾ 3 Uhr. Jetzt kam Dein Brief vom
21., auch der an Helga. Ich danke Dir auch für das Taschentuch.
Den Brief von dem Herrn Naumann
wirst Du ja inzwischen erhalten haben.
Mit Herrn Kuster werde ich einmal
wegen der Briefmarke reden.
Helga hat sich sehr über Deinen
Brief gefreut. Sie hat ihn Jörg eben vorgelesen. Sie schreibt Dir bald wieder.
Heute ist gerade ein so schöner Tag, da sollen sie lieber draußen spielen. Jörg
hat sich nun doch ein Auto gewünscht, kein Fernlenkauto. Mal sehen, ob ich was
Nettes finde.
Ich freue mich, daß Du jemanden
gefunden hast, der Deine Wäsche versorgt. Danach hatte ich Dich auch schon
immer fragen wollen.
Pralinen und Schokolade werde ich
Dir also nicht mehr schicken, wenn Du dort welche bekommst, aber die aus dem
mir geschenkten Karton nimmst du doch bitte noch. Du machst mir damit eine große
Freude.
An dem Gerede von Resi war
insofern etwas wahres, als Deine Kameraden, die noch in G ö d i n g geblieben waren,
nach Krakau gekommen sind. Inzwischen sind sie aber schon wieder nach Göding
gekommen.
Frau Gloger hat es mir bei ihrem
Hiersein erzählt. Resi hat mich durch Helga (sie ist vorbei gefahren)
eingeladen, sie zu besuchen. Ich habe aber nicht viel Lust und meist auch keine
Zeit. Ich stricke nämlich einen Pullover mit halben Ärmeln für mich, da nutze
ich jede freie Minute dazu aus.
Schreib mir bitte, ob es Dir
wirklich nicht lächerlich vorkommt, wenn ich so viel von meiner Gartenarbeit
schreibe. Ich will nämlich wirklich nicht damit prahlen.
Nun, mein lieber, lieber Ernst!
Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
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