Lieber Ernst! 22.Juli 1940
Heute habe ich erst Deinen lieben
Brief vom 15.7. erhalten. Die schönste Nachricht war ja, daß Du sicher Urlaub
bekommen kannst. Lieber Ernst, sobald Du Urlaub bekommst, so fahre. Warte nicht
erst bis zu meinem Geburtstag. Der Geburtstag ist nicht so wichtig, wenn Du nur
da bist. Ich freue mich ja schon riesig. Du wirst diesen Brief nun wieder erst
in einer Woche bekommen. Hoffentlich ist es da für die Entscheidung nicht zu
spät. Du hast ja viel für mich gekauft.
Wenn Du auf Urlaub kommst, kann ich Dir ja den Dank persönlich abstatten.
Vorläufig danke ich Dir jedenfalls recht, recht herzlich.
Eigentlich wollte ich ja noch
mehr schreiben, aber sei nicht böse, ich bekomme einfach meine Gedanken nicht
zusammen, es schwirrt mir immer im Kopf herum, daß Du bald mal Urlaub bekommst.
Ich freue mich einfach unbeschreiblich.
Ich beende jetzt den Brief und
schaffe ihn dann gleich weg, damit Du ihn bald erhältst.
Recht, recht viele Grüße und
Küsse, lieber Ernst, von Deiner Annie.
Mein lieber Ernst! 22.Juli 1940
Heute früh habe ich einen Brief
an Dich abgesandt. Ich konnte da einfach nicht viel schreiben, denn ich war
ganz zapplig, weil ich die Hoffnung haben kann, daß wir Dich bald mal wiedersehen.
Heute Nachmittag kam nun Dein
viertes Päckchen an mit einem blauseidenen Höschen und blauen Trikothemdchen.
Ich muß schon die Verkleinerungssilbe „chen“ wählen, da die Sachen alle so nett
und zierlich sind. Auch ein Paar Handschuhe waren dabei. Auch sie passen
ausgezeichnet. Ich muß mich gerade wundern, wie Du die Größen so weißt.
Ich muß Dir nur immer wieder
danken, daß Du so an mich denkst und mir so schöne Sachen besorgst. Mir ist es jetzt wirklich eine große
Beruhigung, daß Du jetzt Post von mir haben wirst, denn länger als 8 Tage
werden die Briefe von hier nach dort auch nicht brauchen. Du wünschst Dir in
Deinem Brief, daß ich immer an Dich denke. Diesen Wunsch habe ich schon
erfüllt, ehe Du ihn ausgesprochen hast, denn ich denke immer an Dich. Du weißt
ja gar nicht, wie lieb ich Dich habe.
Heute habe ich von einer Frau Brotmarken
für zwei Dreipfundbrote bekommen. Da haben wir diese Woche fünf Brote und ¾
Pfund Mehl. Das ist doch fein, was? Jetzt bekommt ja Jörg auch ein Pfund Brot
mehr pro Woche, d.h. ab nächster Woche, weil er jetzt 6 Jahre alt wird. Dafür
bekommt er 1 ¼ l Milch weniger und kein Mondamin mehr, aber mehr Fleisch. Uns
Erwachsenen ist 150g Brot gekürzt worden pro Woche zugunsten der Jugendlichen
zwischen 14 und 20 Jahren. Die Kinder bekommen nächstes Mal ¼ statt 1/8 Kakao.
Dafür kann man auch Schokolade nehmen.
Lieber Ernst! Auf den Bildern von
Köln siehst Du einfach prima aus. Ich habe sie immer noch neben mir auf dem
Tisch liegen. Da bist Du so natürlich
getroffen und so lieb. Du bist eben mein liebster, bester Ernst.
Als ich heute bei Tengelmann war,
hat die Elli mit mir gesprochen. Sie schreibt sich doch mit dem Pfluger. Er hat
ihr auch eine Aufnahme von sich geschickt. Elli sagte mir, daß die Mutter vom
Pfluger, nachdem sie gehört hat, daß Leute auf die Büros kommen ins besetzte
Gebiet, gleich zu allen Behörden in Konstanz gelaufen ist, um ihren Sohn vom
Militärdienst für eine Bürostelle frei zu bekommen. Es ist aber nicht gelungen
und da hat die Elli eine mächtige Freude. Sie sagte, für den Pfluger wäre es
ganz gut, wenn er mal festen Dienst machen müßte, denn zu hause würde er viel
zu sehr verwöhnt. Ein Mann müßte auch mal ein bißchen abgehärtet werden. Sie
hat es ihm auch geschrieben. Die Mutter darf ja nicht wissen, daß sie sich
schreiben, die würde sonst verrückt. Ich weiß nicht, ob‘s Dich interessiert,
ich habe es Dir halt mal mitgeschrieben. Der Pfluger kommt also doch nicht so
leicht von der Elli los.
8 Uhr abends. Heute gegen Abend
habe ich mich noch im Garten betätigt, ich habe wieder das ganze Kraut gehackt.
Dann habe ich das Erbsenbeet frei gemacht und das halbe Beet umgegraben. Dann
mußte ich aufhören, denn es fing an zu regnen. Ich habe heute sogar ein Lob von
Herrn Zahn erhalten, denk mal an. Man
würde sehen, daß ich immer im Garten schaffe, denn es sähe überall so
ordentlich aus. Es wäre gar nicht verunkrautet und es stände alles so gut da.
Na, was sagst Du nun?
Von Herrn Zahn habe ich auch
erfahren, daß Fritz Bautz in Colmar ist. Ach Ernst, ich freue mich schon so auf
Dein Kommen. Wenn es noch ein Weilchen dauert, ist es nun doch nicht mehr so
schlimm, wenn ich ganz genau weiß, daß Du doch kommst. Auf den Bildern von Köln
siehst Du so natürlich aus, daß man direkt das Gefühl hat, im nächsten
Augenblick würdest Du mit einem reden. Wir können uns gar nicht von den Bildern
trennen. Wir bekommen direkt noch mehr Sehnsucht, Dich hier zu haben, Du lieber
Ernst! Lach mich bitte nicht aus, daß ich Dich so lieb habe und so Sehnsucht
nach Dir.
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