Donnerstag, 23. Juli 2015

Brief 35 vom 21.7.1940


Mein lieber Ernst!                                                                 Sonntag, 21. Juli 1940

 Schon wieder ist eine Woche vorbei und ich hoffe, daß Du nun endlich Post von uns bekommen hast.
Wie wirst Du nun den heutigen Sonntag verbringen?  Wir wollten heute baden gehen, aber es wird wieder nichts werden, denn es ist sehr windig. Heute Nacht hat es geregnet und da ist es auch etwas kühl. Vielleicht gibt es wochentags einmal einen warmen Tag. 
Wir sind gestern Nachmittag in der Stadt gewesen. Da sind wir einmal mit der Fähre über den Rhein gefahren, denn ich haben den Kindern eine Freude machen wollen. Die Freude ist auch sehr groß gewesen. Am liebsten wären sie gar nicht wieder ausgestiegen.
Wir haben dann einen Brief und ein paar Zeitungen an Dich abgeschickt. Hinterher habe ich mich nach den Reden  von Hans Fritsche erkundigt. Die gibt es gebunden zu M 2, aber, das Buch wiegt über 250g, denn es hat über 190 Seiten. Da kann ich es also noch nicht schicken. 
Als wir heimkamen, war ein Päckchen von Dir da, mit einem wunderschönen Unterrock und einem Taschentuch. Ich danke Dir vielmals dafür, so was Schönes würde ich mir ja hier nicht kaufen. Das war wirklich eine Überraschung und ich habe mich riesig darüber gefreut. Du bist doch ein recht lieber Kerl. Anziehen tue ich ihn ja noch nicht, das wird alles aufgehoben, bis Du heimkommst. Denn nur für Dich möchte ich besonders schön sein. 
Jetzt, nachdem ich meine Figur so ziemlich wieder in Ordnung habe und der Bauch auch fast ganz verschwunden ist, habe ich auch wieder Freude an schöner Kleidung und nachdem ich mich gesundheitlich wohl fühle und nie mehr Rückenschmerzen gehabt habe, fühle ich mich gar nicht mehr alt, sondern ziemlich jung. Schließlich sind ja 29 Jahre auch noch kein Alter. 
Da Vater die ganze Woche nie oben war, habe ich die Kinder mal runter geschickt, ob er vielleicht nicht ganz gesund ist. Er hat aber nur viel Arbeit gehabt und kommt heute Abend rauf. 
Ich warte noch auf den Briefträger, ob ich heute auch was bekomme. Viel Hoffnung habe ich ja nicht, da ich gestern erst 3 Briefe und 1 Päckchen bekommen habe. 
Mein lieber Ernst! Ich muß Dir immer wieder danken, daß Du so oft an uns schreibst und immer an uns denkst.  Jetzt, um 12 Uhr ist im Westen der Himmel ganz schwarz und es donnert auch schon. Wir wollten nachher noch den Brief wegschaffen, da es mit dem baden doch nichts wird. Nun werden wir aber erst noch das Gewitter abwarten. 
Ich bin in der letzten Woche, seit Helga Ferien hat, doch recht faul geworden. Die letzten Tage bin ich immer erst so gegen 7 Uhr aufgestanden.  Einmal ist es sogar noch später geworden. Was sagst Du dazu? Jetzt will ich damit wieder aufhören und wieder um 6 Uhr aufstehen. Am schönsten läßt es sich nämlich doch am frühen Morgen schaffen. 
Jörg freut sich schon auf seinen Geburtstag.  Er hat sich ein Fernlenkauto gewünscht, das werde ich in den nächsten Tagen kaufen. Außerdem haben wir ja noch die Kaserne da. Das Auto kostet 1,50 oder 2. Das kann ich ja schon ausgeben. Außerdem werde ich ihm Obst kaufen und ein oder zwei Kuchen backen.  Dieses Mal bekommt Jörg auch andere Lebensmittelkarten, da er 6 Jahre wird. Da muß ich mich wieder etwas umstellen.  Jetzt kann ich erst mal nicht weiter über die Lebensmittelkarten schreiben, denn eben, um ¼ 1 Uhr kamen Deine lieben Päckchen mit den Nummern 1 und 2.
Aber Ernst, da findet man überhaupt keine Worte mehr. Du stattest mich ja fabelhaft aus. Das rosarote Hemdchen, Höschen und Unterrock ist fabelhaft. Ebenso die Taschentücher, Strümpfe und der schöne Kragen. Du hast Dir aber ganz große Ausgaben wegen mir gemacht. So aussprechen kann man den Dank gar nicht richtig, da sollte ich Dich da haben. Jedenfalls danke ich Dir recht, recht herzlich. Den mündlichen Dank werde ich Dir aussprechen, wenn Du wieder einmal bei uns bist. 
Gleichzeitig kam ein Brief von Herrn K.V.OberInsp. Johann Naumann. Ich sende ihn Dir mit. Dabei waren drei Bilder von Dir vor dem Rhein und vor dem Dom. Ich weiß nun nicht, ob die Bilder für uns oder für Dich bestimmt sind.  Vorläufig behalte ich sie einmal da. Du kannst mir ja entsprechend schreiben. Du siehst sehr gut darauf aus, vor allen Dingen auch sehr braun.  
Über Deine Käufe für mich muß ich Dir sagen, daß Du einen sehr guten Geschmack hast. So zarte Wäsche bin ich gar nicht gewöhnt, aber sie gefällt mir sehr gut. Wie schon gesagt, anziehen tue ich sie erst, wenn Du da bist.  Nun will ich schließen. Morgen schreibe ich ja wieder. Sei für heute recht, recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie, die Dich sehr lieb hat.        
Ich hab Dich auch ganz fest lieb, auch Jörg hat dich lieb. Deine Helga.


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