Mein lieber Ernst! Sonntag, 21. Juli 1940
Schon wieder ist eine Woche vorbei und ich hoffe, daß Du nun
endlich Post von uns bekommen hast.
Wie wirst Du nun den heutigen
Sonntag verbringen? Wir wollten heute
baden gehen, aber es wird wieder nichts werden, denn es ist sehr windig. Heute
Nacht hat es geregnet und da ist es auch etwas kühl. Vielleicht gibt es
wochentags einmal einen warmen Tag.
Wir sind gestern Nachmittag in
der Stadt gewesen. Da sind wir einmal mit der Fähre über den Rhein gefahren,
denn ich haben den Kindern eine Freude machen wollen. Die Freude ist auch sehr
groß gewesen. Am liebsten wären sie gar nicht wieder ausgestiegen.
Wir haben dann einen Brief und
ein paar Zeitungen an Dich abgeschickt. Hinterher habe ich mich nach den
Reden von Hans Fritsche erkundigt. Die
gibt es gebunden zu M 2, aber, das Buch wiegt über 250g, denn es hat über 190
Seiten. Da kann ich es also noch nicht schicken.
Als wir heimkamen, war ein
Päckchen von Dir da, mit einem wunderschönen Unterrock und einem Taschentuch.
Ich danke Dir vielmals dafür, so was Schönes würde ich mir ja hier nicht
kaufen. Das war wirklich eine Überraschung und ich habe mich riesig darüber
gefreut. Du bist doch ein recht lieber Kerl. Anziehen tue ich ihn ja noch
nicht, das wird alles aufgehoben, bis Du heimkommst. Denn nur für Dich möchte
ich besonders schön sein.
Jetzt, nachdem ich meine Figur so
ziemlich wieder in Ordnung habe und der Bauch auch fast ganz verschwunden ist,
habe ich auch wieder Freude an schöner Kleidung und nachdem ich mich
gesundheitlich wohl fühle und nie mehr Rückenschmerzen gehabt habe, fühle ich
mich gar nicht mehr alt, sondern ziemlich jung. Schließlich sind ja 29 Jahre
auch noch kein Alter.
Da Vater die ganze Woche nie oben
war, habe ich die Kinder mal runter geschickt, ob er vielleicht nicht ganz
gesund ist. Er hat aber nur viel Arbeit gehabt und kommt heute Abend rauf.
Ich warte noch auf den
Briefträger, ob ich heute auch was bekomme. Viel Hoffnung habe ich ja nicht, da
ich gestern erst 3 Briefe und 1 Päckchen bekommen habe.
Mein lieber Ernst! Ich muß Dir immer
wieder danken, daß Du so oft an uns schreibst und immer an uns denkst. Jetzt, um 12 Uhr ist im Westen der Himmel
ganz schwarz und es donnert auch schon. Wir wollten nachher noch den Brief
wegschaffen, da es mit dem baden doch nichts wird. Nun werden wir aber erst
noch das Gewitter abwarten.
Ich bin in der letzten Woche,
seit Helga Ferien hat, doch recht faul geworden. Die letzten Tage bin ich immer
erst so gegen 7 Uhr aufgestanden.
Einmal ist es sogar noch später geworden. Was sagst Du dazu? Jetzt will
ich damit wieder aufhören und wieder um 6 Uhr aufstehen. Am schönsten läßt es
sich nämlich doch am frühen Morgen schaffen.
Jörg freut sich schon auf seinen
Geburtstag. Er hat sich ein
Fernlenkauto gewünscht, das werde ich in den nächsten Tagen kaufen. Außerdem
haben wir ja noch die Kaserne da. Das Auto kostet 1,50 oder 2. Das kann ich ja
schon ausgeben. Außerdem werde ich ihm Obst kaufen und ein oder zwei Kuchen
backen. Dieses Mal bekommt Jörg auch
andere Lebensmittelkarten, da er 6 Jahre wird. Da muß ich mich wieder etwas
umstellen. Jetzt kann ich erst mal
nicht weiter über die Lebensmittelkarten schreiben, denn eben, um ¼ 1 Uhr kamen
Deine lieben Päckchen mit den Nummern 1 und 2.
Aber Ernst, da findet man
überhaupt keine Worte mehr. Du stattest mich ja fabelhaft aus. Das rosarote
Hemdchen, Höschen und Unterrock ist fabelhaft. Ebenso die Taschentücher,
Strümpfe und der schöne Kragen. Du hast Dir aber ganz große Ausgaben wegen mir
gemacht. So aussprechen kann man den Dank gar nicht richtig, da sollte ich Dich
da haben. Jedenfalls danke ich Dir recht, recht herzlich. Den mündlichen Dank
werde ich Dir aussprechen, wenn Du wieder einmal bei uns bist.
Gleichzeitig kam ein Brief von Herrn
K.V.OberInsp. Johann Naumann. Ich sende ihn Dir mit. Dabei waren drei Bilder
von Dir vor dem Rhein und vor dem Dom. Ich weiß nun nicht, ob die Bilder für
uns oder für Dich bestimmt sind.
Vorläufig behalte ich sie einmal da. Du kannst mir ja entsprechend
schreiben. Du siehst sehr gut darauf aus, vor allen Dingen auch sehr
braun.
Über Deine Käufe für mich muß ich
Dir sagen, daß Du einen sehr guten Geschmack hast. So zarte Wäsche bin ich gar nicht
gewöhnt, aber sie gefällt mir sehr gut. Wie schon gesagt, anziehen tue ich sie
erst, wenn Du da bist. Nun will ich
schließen. Morgen schreibe ich ja wieder. Sei für heute recht, recht herzlich
gegrüßt und geküßt von Deiner Annie, die Dich sehr lieb hat.
Ich hab Dich auch ganz fest lieb, auch Jörg hat dich lieb. Deine Helga.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen