Donnerstag, 23. Juli 2015

Brief 34 vom 19./20.7.1940


Lieber Ernst!                                           Konstanz, 19.7.40       ½ 2 Uhr               

Heute ist endlich einmal schönes Wetter und so habe ich im Garten gleich mal nach dem Rechten gesehen. Etwas Unkraut habe ich entfernen müssen, aber so schlimm war es nicht, da ich immer hinterher bin. Ich habe wieder 1 Pfund Buschbohnen abnehmen können. Der Salat an dem schrägen Stück ist jetzt alle, dafür habe ich jetzt noch Kraut hingesetzt. Vorhin habe ich die Brombeeren wieder angebunden. Die treiben ja, daß einem Angst und Bange wird. Beim Apfelbaum drückt‘s die Zweige ganz runter. Bei dem Wäscheplatz kann man die Äpfel mit der Hand greifen. Die Zwiebeln sind schon sehr groß. Muß man da jetzt den Lauch abknicken? Die erste Dahlie ist auch aufgegangen, eine dunkelrote. Vorhin habe ich wieder ½ Pfund Himbeeren abgemacht.  die haben wir gegessen. Wir essen jetzt meist Erzeugnisse aus unserem Garten. Morgen gibt´s Bohnen, am Sonntag Erbsen und Möhren und am Montag Kohlrabi, am Dienstag gibt´s wahrscheinlich Salatgemüse (Salat wie Spinat gemacht). Bei den Setzlingen stehen nämlich noch Salate, nur keine großen Köpfe. Ab nächste Woche will ich sehen, daß ich möglichst jede Woche ½ Pfund Zucker wegtun kann, damit ich ein bißchen Brombeermarmelade kochen kann. Marmelade ist doch notwendiger als Kompott. Wir trinken jetzt jeden Abend Kaffee, um den Zucker zu sparen. Kaffee und Milch haben wir ja genug.
3 Uhr. Eben ist Frau Gloger wieder fortgefahren. Sie hat mir die Holzschuhe gebracht. Gestickte sind es nicht, aber sonst sind sie sehr schön. Es ist ein geblümter Stoff.
Aber an etwas hat es gehapert. Wir haben Zoll zahlen müssen. Auf meinen Anteil entfallen 4,40Mk, also fast soviel, wie die Schuhe kosten. Das läßt sich nicht ändern. Ich bin jetzt froh, daß ich sie habe. Sie sind vorn geschlossen.  Da kann ich sie auch ohne Strümpfe anziehen, was mich freut. Sie sehen wirklich sehr schön aus, der Grund ist weiß mit bunten Blumenkränzchen. 
Frau Glober hat bei Ricks nach unserer Adresse gefragt. Sie kennt mich auch, sie war früher in der Expedition im Neuwerk. Frau Glober  sagte, Du sollst froh sein, daß Du nicht mehr in Hradisch bist, dort wär‘s miserabel, vor allem das Essen. Herr Glober hat geschrieben, daß sie wahrscheinlich in 14 Tagen nach hause kämen. Ich weiß ja nicht, ob‘s wahr ist, daß sie kommen.  Sie freut sich jedenfalls schon sehr. 
Ein Brief ist heute nicht gekommen. Ich schließe deshalb und fahre nun in die Stadt. Die Schuhe weihe ich gleich ein. Sei nun vielmals herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.


 Mein lieber, lieber Ernst!                 20.Juli 1940

 Heute kamen Deine drei lieben Briefe vom 10., 12. und 14. Juli an. Als Du die Briefe geschrieben hast, wartetest Du schon auf Post von mir, derweil hatte ich ja überhaupt noch keinen Brief von Dir. Der erste kam ja am 13. erst an. Du armer Kerl tust mir ja so leid, daß Du so lange warten mußtest, denn ich habe auch gemerkt, wie man wartet, wenn man längere Zeit keine Briefe bekommt und Dir geht es ja noch viel schlimmer. Nun will ich Deine Briefe beantworten.
Ich danke Dir für die Beschreibungen von dort. Das interessiert mich alles sehr. Solche Zustände, daß man jahrelang mitten in der Stadt zerschossene oder verfallene Häuser stehen läßt, gibt‘s bei uns doch nicht. Bei uns beginnt gleich der Aufbau. 
Hoffentlich hat das Fräulein bei Dir keine anderen Absichten damit, daß sie so besorgt ist, denn Deutschfreundlichkeit wird es wohl kaum sein. 
Ich habe feststellen müssen, daß Du Dein Mittagessen in ganz erlauchter Gesellschaft einnimmst. Aber das glaube ich gern, daß Du Dich da gleich dran gewöhnt hast. 
Ich danke Dir schon im Voraus für Deine lieben Päckchen. Ich werde genau darauf achten, wie alles ankommt.  Wie wir den Sonntag verbracht haben, hast du ja aus meinen früheren Briefen ersehen. Jetzt ist es die ersten Tage wieder schön und vielleicht ergibt sich die Gelegenheit, daß wir wieder mal baden können im See. 
Ich habe gestern die neuen Holzschuhe zu meinem hellen Kleid angehabt und habe gesehen, daß ich auch sehr nett aussehen kann, wenn ich nette Sachen zum anziehen habe. Schön lustig sind die Schuhe. 
Ich sende Dir in den nächsten Tagen immer ein paar Zeitungen mit und nach den Reden von Hans Fritsche werde ich mich erkundigen. 
Wenn wir hier manchmal so französische Zeitungsstimmen lesen oder im Radio hören, bekommt man den Eindruck, als ob die Franzosen unsere Anständigkeit ausnutzen würden. Daß da nicht viel von Dankbarkeit der Bevölkerung zu spüren ist, glaube ich danach gern. Das kann ich mir gar nicht vorstellen, daß jemand sich schön anziehen, anmalen und schmutzige Strümpfe oder zerrissene dazu anziehen kann. Das sieht man ja hier höchst selten und dann sind sie im Ganzen schmuddlig. Dafür sind wir aber auch Deutsche, die im Allgemeinen mehr auf Ordnung halten. 
Sehr interessiert hat mich auch Deine Schilderung über die Franzosen im Allgemeinen. Wie stolz bin ich immer wieder, daß wir Deutsche sind. Wenn es auch einzelne unverbesserliche gibt, so ist doch die Mehrzahl einsatzfreudig. Das sieht man auch immer wieder hier bei den Sammlungen. Alle geben, nur einzelne, meist geschminkte und übermodern angezogene Dämchen fühlen sich nicht verpflichtet, ihr Opfer für unsere Verwundeten zu geben. Das sind aber nur die, die nur für ihr eigenes Ich leben. Eigentliche Not gibt es ja bei uns gar nicht, denn wer es notwendig hat, wird doch reichlich unterstützt. 
Heute Nachmittag mache ich mal einen faulen Nachmittag. Die Treppe habe ich schon geputzt, gebacken habe ich auch schon und heute Nachmittag gehe ich mit den Kindern in die Stadt und kaufe ein und hole die Lebensmittelkarten. Dabei frage ich gleich nach den Reden von Fritsche.
Heute haben die Kinder für morgen nochmals 3 Pfund Erbsen abgemacht. Jetzt ist die eine Reihe bez. das eine Beet fertig. Es hat 11 ½ Pfund gegeben.  Du glaubst gar nicht, wie die Gurken blühen und wie sie sich ranken. Nach der einen Seite sind sie schon in dem kleinen Erbsenbeet und auf der anderen Seite wollen sie schon zu den Tomaten. Die Tomaten sind auch groß und es hängen richtige Trauben dran. Da lacht einem der Herz im Leibe. Wenn sie erst rot sind, da werden wir aber essen. Heute gibt´s bei uns Buschbohnen und ich muß jetzt auch mit dem Kochen anfangen, aber erst wollte ich doch an Dich schreiben, denn ich habe mich so sehr über Deine lieben Briefe gefreut. 
Um nochmals auf meine Schuhe zurück zu kommen. Herr Gloger hat doch für sein Mädel auch ein Paar dazugelegt, da hat es doch über zwei Pfund gewogen. Hätte er jedes Paar extra als Feldpostpäckchen geschickt, ich glaube, wir hätten keinen Zoll zahlen brauchen. Meinst du nicht auch? 
Nun will ich aber schließen. Ich hoffe, daß Du heute, am 20. auch einen Brief von mir erhalten hast. Sei nun recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.  
Lieber Vater! Heute haben wir Drei Briefe von Dir bekommen. Heute Mittag haben wir Buschbohnen, das schmeckt mir. Bubele hat jetzt grad Bohnenkraut raufgeholt. Mutterle hat Jörg heut die Haar geschnitten.  Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga.   Jörg20.7.40

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