Lieber Ernst! Konstanz, 19.7.40 ½ 2
Uhr
Heute ist endlich einmal schönes
Wetter und so habe ich im Garten gleich mal nach dem Rechten gesehen. Etwas
Unkraut habe ich entfernen müssen, aber so schlimm war es nicht, da ich immer
hinterher bin. Ich habe wieder 1 Pfund Buschbohnen abnehmen können. Der Salat
an dem schrägen Stück ist jetzt alle, dafür habe ich jetzt noch Kraut
hingesetzt. Vorhin habe ich die Brombeeren wieder angebunden. Die treiben ja,
daß einem Angst und Bange wird. Beim Apfelbaum drückt‘s die Zweige ganz runter.
Bei dem Wäscheplatz kann man die Äpfel mit der Hand greifen. Die Zwiebeln sind
schon sehr groß. Muß man da jetzt den Lauch abknicken? Die erste Dahlie ist
auch aufgegangen, eine dunkelrote. Vorhin habe ich wieder ½ Pfund Himbeeren
abgemacht. die haben wir gegessen. Wir
essen jetzt meist Erzeugnisse aus unserem Garten. Morgen gibt´s Bohnen, am
Sonntag Erbsen und Möhren und am Montag Kohlrabi, am Dienstag gibt´s
wahrscheinlich Salatgemüse (Salat wie Spinat gemacht). Bei den Setzlingen
stehen nämlich noch Salate, nur keine großen Köpfe. Ab nächste Woche will ich
sehen, daß ich möglichst jede Woche ½ Pfund Zucker wegtun kann, damit ich ein
bißchen Brombeermarmelade kochen kann. Marmelade ist doch notwendiger als Kompott.
Wir trinken jetzt jeden Abend Kaffee, um den Zucker zu sparen. Kaffee und Milch
haben wir ja genug.
3 Uhr. Eben ist Frau Gloger
wieder fortgefahren. Sie hat mir die Holzschuhe gebracht. Gestickte sind es
nicht, aber sonst sind sie sehr schön. Es ist ein geblümter Stoff.
Aber an etwas hat es gehapert.
Wir haben Zoll zahlen müssen. Auf meinen Anteil entfallen 4,40Mk, also fast
soviel, wie die Schuhe kosten. Das läßt sich nicht ändern. Ich bin jetzt froh,
daß ich sie habe. Sie sind vorn geschlossen. Da kann ich sie auch ohne Strümpfe anziehen, was mich freut. Sie
sehen wirklich sehr schön aus, der Grund ist weiß mit bunten
Blumenkränzchen.
Frau Glober hat bei Ricks nach
unserer Adresse gefragt. Sie kennt mich auch, sie war früher in der Expedition im
Neuwerk. Frau Glober sagte, Du sollst
froh sein, daß Du nicht mehr in Hradisch bist, dort wär‘s miserabel, vor allem
das Essen. Herr Glober hat geschrieben, daß sie wahrscheinlich in 14 Tagen nach
hause kämen. Ich weiß ja nicht, ob‘s wahr ist, daß sie kommen. Sie freut sich jedenfalls schon sehr.
Ein Brief ist heute nicht
gekommen. Ich schließe deshalb und fahre nun in die Stadt. Die Schuhe weihe ich
gleich ein. Sei nun vielmals herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Mein lieber, lieber Ernst! 20.Juli 1940
Heute kamen Deine drei lieben Briefe vom 10., 12. und 14. Juli an.
Als Du die Briefe geschrieben hast, wartetest Du schon auf Post von mir,
derweil hatte ich ja überhaupt noch keinen Brief von Dir. Der erste kam ja am
13. erst an. Du armer Kerl tust mir ja so leid, daß Du so lange warten mußtest,
denn ich habe auch gemerkt, wie man wartet, wenn man längere Zeit keine Briefe
bekommt und Dir geht es ja noch viel schlimmer. Nun will ich Deine Briefe
beantworten.
Ich danke Dir für die
Beschreibungen von dort. Das interessiert mich alles sehr. Solche Zustände, daß
man jahrelang mitten in der Stadt zerschossene oder verfallene Häuser stehen
läßt, gibt‘s bei uns doch nicht. Bei uns beginnt gleich der Aufbau.
Hoffentlich hat das Fräulein bei
Dir keine anderen Absichten damit, daß sie so besorgt ist, denn
Deutschfreundlichkeit wird es wohl kaum sein.
Ich habe feststellen müssen, daß
Du Dein Mittagessen in ganz erlauchter Gesellschaft einnimmst. Aber das glaube
ich gern, daß Du Dich da gleich dran gewöhnt hast.
Ich danke Dir schon im Voraus für
Deine lieben Päckchen. Ich werde genau darauf achten, wie alles ankommt. Wie wir den Sonntag verbracht haben, hast du
ja aus meinen früheren Briefen ersehen. Jetzt ist es die ersten Tage wieder
schön und vielleicht ergibt sich die Gelegenheit, daß wir wieder mal baden
können im See.
Ich habe gestern die neuen
Holzschuhe zu meinem hellen Kleid angehabt und habe gesehen, daß ich auch sehr
nett aussehen kann, wenn ich nette Sachen zum anziehen habe. Schön lustig sind
die Schuhe.
Ich sende Dir in den nächsten
Tagen immer ein paar Zeitungen mit und nach den Reden von Hans Fritsche werde
ich mich erkundigen.
Wenn wir hier manchmal so französische
Zeitungsstimmen lesen oder im Radio hören, bekommt man den Eindruck, als ob die
Franzosen unsere Anständigkeit ausnutzen würden. Daß da nicht viel von
Dankbarkeit der Bevölkerung zu spüren ist, glaube ich danach gern. Das kann ich
mir gar nicht vorstellen, daß jemand sich schön anziehen, anmalen und
schmutzige Strümpfe oder zerrissene dazu anziehen kann. Das sieht man ja hier
höchst selten und dann sind sie im Ganzen schmuddlig. Dafür sind wir aber auch
Deutsche, die im Allgemeinen mehr auf Ordnung halten.
Sehr interessiert hat mich auch
Deine Schilderung über die Franzosen im Allgemeinen. Wie stolz bin ich immer
wieder, daß wir Deutsche sind. Wenn es auch einzelne unverbesserliche gibt, so
ist doch die Mehrzahl einsatzfreudig. Das sieht man auch immer wieder hier bei
den Sammlungen. Alle geben, nur einzelne, meist geschminkte und übermodern
angezogene Dämchen fühlen sich nicht verpflichtet, ihr Opfer für unsere
Verwundeten zu geben. Das sind aber nur die, die nur für ihr eigenes Ich leben.
Eigentliche Not gibt es ja bei uns gar nicht, denn wer es notwendig hat, wird
doch reichlich unterstützt.
Heute Nachmittag mache ich mal
einen faulen Nachmittag. Die Treppe habe ich schon geputzt, gebacken habe ich
auch schon und heute Nachmittag gehe ich mit den Kindern in die Stadt und kaufe
ein und hole die Lebensmittelkarten. Dabei frage ich gleich nach den Reden von
Fritsche.
Heute haben die Kinder für morgen
nochmals 3 Pfund Erbsen abgemacht. Jetzt ist die eine Reihe bez. das eine Beet
fertig. Es hat 11 ½ Pfund gegeben. Du
glaubst gar nicht, wie die Gurken blühen und wie sie sich ranken. Nach der
einen Seite sind sie schon in dem kleinen Erbsenbeet und auf der anderen Seite
wollen sie schon zu den Tomaten. Die Tomaten sind auch groß und es hängen
richtige Trauben dran. Da lacht einem der Herz im Leibe. Wenn sie erst rot
sind, da werden wir aber essen. Heute gibt´s bei uns Buschbohnen und ich muß
jetzt auch mit dem Kochen anfangen, aber erst wollte ich doch an Dich
schreiben, denn ich habe mich so sehr über Deine lieben Briefe gefreut.
Um nochmals auf meine Schuhe
zurück zu kommen. Herr Gloger hat doch für sein Mädel auch ein Paar dazugelegt,
da hat es doch über zwei Pfund gewogen. Hätte er jedes Paar extra als
Feldpostpäckchen geschickt, ich glaube, wir hätten keinen Zoll zahlen brauchen.
Meinst du nicht auch?
Nun will ich aber schließen. Ich
hoffe, daß Du heute, am 20. auch einen Brief von mir erhalten hast. Sei nun
recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Lieber Vater! Heute haben wir Drei Briefe von Dir bekommen. Heute Mittag
haben wir Buschbohnen, das schmeckt mir. Bubele hat jetzt grad Bohnenkraut
raufgeholt. Mutterle hat Jörg heut die Haar geschnitten. Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga. Jörg20.7.40
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