Mein lieber, lieber Ernst! 7.
Juli 40
Das war eine
Überraschung, als heute am Sonntag Dein lieber Brief von unterwegs kam. Ich
habe mir gleich die Orte, über die Du gefahren bist, in der Karte
eingezeichnet. Ich hatte, wie ich schon schrieb, erst am Dienstag mit einem
Brief gerechnet, da war die Freude nun umso größer. Wir haben uns heute gerade
die Karte angesehen. Seit Du beim Militär bist, hast Du schon weite Gebiete
durchfahren. Interessant wird es für
Dich ja schon sein. Wenn alles gut
gegangen ist, wirst Du wahrscheinlich heute schon in Lille sein. Hoffentlich
erwischst Du halbwegs gute Kameraden. Ich wünsche Dir jedenfalls, daß es Dir
gut gehen möge.
Wenn Du irgendwelche Wünsche hast, so schreibe mir nur. Wenn
es möglich ist, werde ich sie Dir gern erfüllen. Das glaube ich, daß die Verständigung mit den Leuten dort schwer
ist. Wenn Du länger dort bist, wirst Du sicher bald manches verstehen und auch
sprechen, denn Du hast doch eine gute Auffassungsgabe.
Von Siegfried kam heute früh vom 4.7. aus Maastricht eine
Karte an. Da wart ihr am 4. Juli gar nicht so weit von einander entfernt.
Das wollte ich Dir auch noch schreiben. Du brauchst keine
Angst zu haben, daß ich mich an andere Leute anschließe. Da ich gemerkt habe,
daß es Dir nicht so recht ist, habe ich auch mit Frau Ehret nicht mehr
gesprochen. Du bist also der einzige, mit dem ich rede, höchstens daß ich
gelegentlich mit Vater einmal ein paar Worte rede, das ist aber nicht viel,
denn er liest meist die Zeitung.
Wir wollten heute baden gehen, aber das Wetter sieht nicht
so gut aus. Vielleicht nähe ich heute Nachmittag mit der Maschine, denn dazu
bin ich jetzt nie gekommen.
¾ 7 Uhr abends. So, nun ist der Nachmittag
vorbei und ich habe meinen Teil geschafft. Ich habe aus dem Schlafsack von Kurt
aus olivgrünem Stoff für Jörg zwei Hosen, eine Arbeitsschürze und für Helga
einen Strandanzug gemacht. Die Hosen für Jörg sind Sporthosen zum spielen auf
dem Hof. Ich wollte eigentlich Gummizug hinein machen. Da man diesen aber nicht
so gut bekommt, habe ich die Hosen oben ziemlich anschließend genäht und
Schlaufen für einen Gürtel dran genäht. Hat aber Jörg jetzt einen Stolz. Das
war doch immer sein großer Wunsch, Hosen mit Gürtel. Den Strandanzug für Helga
habe ich bestickt, so daß er einen sehr freundlichen Eindruck macht. Ich habe
heute Nachmittag alles fertig bekommen können, weil ich schon alles
zugeschnitten hatte. Ich habe ja noch mancherlei zu nähen, aber es ist doch
wieder ein Teil, der fertig ist. Hoffentlich langweilt Dich meine Schilderung
von der Näherei nicht. Sollte es doch der Fall sein, so sei mir nicht böse
deshalb. Jetzt will ich die Kinder
herein holen, damit sie dann schlafen gehen.
8. Juli.
Gestern Abend ¼ 10
Uhr kam Vater noch und brachte Erdbeeren. Er war bis gegen 11 Uhr da. Ich war
dann wieder sehr müd´, das ist einfach nichts für mich, das lange Aufsein. Da
Helga heute früh erst später zur Schule mußte, habe ich heute früh bis ¾ 7 Uhr
geschlafen.
Eigentlich wollte ich heute früh im Garten schaffen, daraus
ist aber nichts geworden, denn es hat geregnet was vom Himmel runter wollte.
Ich habe da eben noch genäht.
½ 10 Uhr kam auch Dein Paket mit der Wäsche, Schuhen usw.
Meine Briefe, die ich noch nach Köln geschickt habe, sind bis jetzt gar nicht
zurückgekommen. Du hast sie Dir doch nicht nachschicken lassen können, denn Du
hast doch noch keine Adresse gewußt. Na, vielleicht kommen sie noch.
Helga hat Dir auch einen Brief geschrieben. Das macht sie
sehr gern. Ich will auch noch in die
Stadt fahren zum Einkaufen, aber ich warte erst noch auf die Post, ob evtl.
doch etwas von Dir kommt.
½ 9 Uhr Abends. Post ist heute keine mehr
gekommen. Ich bin noch einkaufen gefahren und habe Deine Urlaubsmarken mit
eingelöst. Ich danke Dir auch noch vielmals dafür.
Nachdem es einmal ein bißchen mit regnen aufgehört hat, bin
ich nochmals in den Garten gegangen. Nach dem Regen ist wieder alles fest
gewachsen. Das Kraut macht sich gut, die Stangenbohnen sind fast bis zur Spitze
geklettert, an den Buschbohnen sind schon kleine Bohnen dran und sie blühen
noch fest. Ebenso fangen die halbhohen und die Feuerbohnen zu blühen an. Die
Gurken blühen übrigens jetzt auch. Sie bedecken jetzt schon das ganze Beet bis
runter auf den Boden. Die Tomaten wachsen auch gut. Heute habe ich wieder 2 ½
Pfund Erbsen abgenommen. Die Kinder freuen sich schon wieder drauf.
Diese Woche hat es eine Sonderzuteilung an Butter von je ¼
Pfund gegeben. Jetzt habe ich diese Woche 1 ½ Pfund. Wir leben doch üppig,
nicht wahr?
Ich glaube, mit dem Siebenschläfer hat es doch etwas auf
sich. Da war‘s halb sonnig, halb regnerisch und so ist es jetzt fast jeden Tag.
Immer gibt es ein bißchen Regen.
Am Montag bekommt Helga Ferien. Sie freut sich schon sehr.
Am Freitag gehen sie wahrscheinlich mit der Spielschar zu den Verwundeten, aber
nur, wenn schönes Wetter ist, da sie weiße Kleider anziehen.
Helga schreibt Dir übrigens, daß ich nicht böse bin, daß sie
Dich am allerliebsten haben. Wie könnte ich das auch, wo ich Dich doch selber
über alles lieb habe. Da sind die Kinder und ich ganz der gleichen Meinung, daß
Du unser aller liebstes Vaterle, mein allerliebster Ernst bist.
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