Sonntag, 28. Juni 2015

Brief 24 vom 28./29.6.1940 und 1.7.1940


Mein lieber, lieber Ernst!                                        28.Juni 40.

 Das Abschiedsweh ist doch immer wieder groß und doch möchte ich um des Schmerzes willen nie die glücklichen Stunden missen, die wir an diesem einen Tag zusammen verlebt haben. Es war ein so glücklicher Tag, nicht wahr, mein lieber, lieber Ernst!
Wie große war die Überraschung und das Glück als Du kamst. Nun ist der Tag schon vorbei, aber es ist kein verlorener Tag gewesen, nein, wahrhaftig nicht. Wenn nur der Abschied nicht wär´, der schwere Abschied.
Aber ich werde wieder tapfer sein, damit Du stolz auf mich sein kannst. Ich will Dir doch nur Freude machen, nur Freude. Immer wieder sehe ich mir Dein liebes Bild an und immer wieder denke ich, vor wenigen Stunden hast Du noch neben mir gesessen, daß das Schöne alles so schnell vorbei geht.
Aber wir wollen ganz fest auf ein recht glückliches Wiedersehen hoffen, nicht wahr, mein lieber Mann, mein lieber, lieber Ernst.  Jetzt ist es gerade 11 Uhr und ich mache mich fertig, um schlafen zu gehen. Ich bin so lange munter geblieben, da Du doch um 11 Uhr von Stuttgart wegfährst. Meine Gedanken sind immer bei Dir. Bleib mir gesund, mein lieber Ernst und komm gesund wieder.


 Mein lieber Ernst!                                  29. Juni Es ist ¾ 5 Uhr.

 Gestern Nachmittag standen wir um diese Zeit auf dem Bahnhof. Schon wieder ein Tag vorbei. 
Ich bin gestern noch zu der Frau Gloger gegangen. Sie war daheim in der Richentalstraße. Als sie die Tür öffnete, sagte ich, daß ich einen Gruß von ihrem Mann ausrichten sollte. Sie war freudig erstaunt und ließ uns sofort eintreten. Ich mußte natürlich alles genau erzählen, dann zeigte sie mir das Bild von ihrem Mann. Ich mußte das Sofakissen und die Sofadecke bewundern, die ihr Mann geschickt hatte. Als ich ihr sagte, sie möchte mehr schreiben, erwiderte sie, sie schriebe doch zwei Briefe in der Woche und was solle sie auch immer schreiben. Diese Woche hätte sie sogar drei geschrieben und zwar immer 3 bis 4 Seiten lang.
Sie fragte, ob Du auf dem Fürsorgeamt wärst. Ihr Mann hätte da geschrieben, daß er immer mit Dir zusammen sei. Sie ist eine kleinere, rundliche Frau und sie war sehr freundlich, sie hat mir ganz gut gefallen.
Sie haben zwei kleine Kinder, der Bub hat sich immer ein bißchen vor uns gefürchtet. Er kann kaum 1 ½ Jahre alt sein. Frau Gloger sagte auch, daß sie ihren Buben photografieren will, damit ihr Mann auch von ihm ein Bild hat. 
Wir haben Dir heute einen Behälter für die Bilder zu Deinem Geburtstag gekauft. Es kommen immer 2 Bilder in eine Cellophanhülle.  Hoffentlich ist es das, was Du Dir gewünscht hast. Zu Deinem Geburtstag wirst Du das kleine Geschenk nicht mehr erhalten, aber wenn es auch etwas später ankommt, es ist mit genau derselben Liebe geschenkt. Ich freue mich so, daß Du wenigstens einen kleinen Wunsch hattest.
¾ 10 Uhr kam Deine liebe Karte aus Stuttgart. Recht vielen Dank dafür. Um 23.16 bin ich gerade im Begriff gewesen, ins Bett zu gehen. Hoffentlich ist Deine Magenverstimmung recht bald vorbei gegangen.  Die schönen Schuhe, die Du mir geschenkt hast, habe ich einstweilen versorgt. Die ziehe ich an, wenn Du wieder kommst, denn nur für Dich möchte ich mich recht schön machen. 
Gestern kam ein Brief von Siegfried und heute eine Karte von Leipzig von den Eltern. Sie bedanken sich für Dein schönes Bild. Es steht jetzt auf dem Tisch neben dem Bild von Siegfried.

1.7.               

Mein lieber Ernst!  Es war doch schön, daß Du wieder einmal bei uns warst. Wir haben und doch wieder richtig aussprechen können. Das ist noch schöner als schreiben. Wenn ich Dich nun nicht hier habe, so ist es meine größte Freude, wenn ich Dir wenigstens schreiben kann.  Gestern Abend war Vater da. Ich habe ihm Deine Grüße ausgerichtet. Er hat sich sehr gefreut. Gestern Nachmittag waren wir beim Gausportfest der H.J.  in der Kampfbahn. Es war sehr schön. Die Veranstaltungen kamen flott hintereinander. ¾ 8 Uhr waren wir wieder daheim.
Gestern Abend habe ich noch verschiedene Briefe geschrieben. Die Abschriften schicke ich Dir mit, d.h. natürlich die Durchschläge. 
½ 10 Uhr. Soeben kam Dein lieber Brief aus Köln an. Vielen, vielen Dank.
Nutze die paar Tage nur noch alle Annehmlichkeiten aus. Du hast ja einen prächtigen Titel erhalten. Du schreibst, von Stuttgart sind  w i r  ja die ganze Nacht gereist. Hast Du Deine zukünftigen Gefährten schon unterwegs getroffen? Hast Du wieder Militäruniform? Gell, ich frage viel auf einmal.
Morgen erhältst Du auch einen Brief von Helga. Sie ist heute nur noch nicht damit fertig geworden.  Nun lieber Ernst! Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

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