Dienstag, 23. Juni 2015

Brief 21 vom 20./21. und 22.6.1940


Mein lieber Ernst!                                                                      Konstanz, 20.6.40                

Schon wieder ist eine Woche vergangen und Du bist schon 5 Wochen fort. Ich warte immer auf Nachricht, ob du noch dort bist. 
Heute früh habe ich wieder im Garten geschafft. Die Johannisbeeren werden schon rot, die Brombeeren fangen an zu blühen, ebenso die Kartoffeln. Die ersten Eiszapfen, die wir hinter den Bohnen gesät haben, konnten wir heute ernten. Jetzt gibt es immer nach und nach welche. Bis gestern hatten wir 24 ½ Pfund Erdbeeren. Schade, daß ich nicht mehr Marmelade kochen kann wegen Zuckermangel. Es geht eben nicht zu ändern. 
Vorhin kamen Deine Briefe vom 16. und 17.6., beide am 18.6  24 Uhr abgestempelt.  Gleichzeitig kam 1 Brief von mir, vom 9.6. zurück mit dem Stempel von Batl. 470 und dem Vermerk „Empfänger versetzt, neue Anschrift noch unbekannt.“ Meine Briefe vom 10.und 11. hast Du noch bekommen und dieser kommt zurück. Wahrscheinlich ist er irgendwo liegengeblieben und inzwischen bist Du fortgekommen. Vielleicht bekomme ich morgen schon näheren Bescheid. 
Du schreibst, Du nimmst an, daß ich dafür Verständnis habe, daß Du öfter fort gehst. Das kannst Du doch tun, wie du willst. Ich habe nur ein bißchen Angst, ob Du auch zufrieden sein wirst, wenn Du zu hause nicht mehr so viel Geld zur Verfügung hast. Ich spare ja schon ein, wo es geht und lege auch jetzt jeden Pfennig, den ich entbehren kann, zurück. Aber ob es langen wird? Sonst ist es natürlich gut, wenn Du ein bißchen Zerstreuung hast und was sollst Du sonst dort anfangen.  Freuen tut es mich, daß der Kuchen so pünktlich am Sonntag eingetroffen ist, so hatte ich es mir ja auch vorgestellt. Hoffentlich hat er geschmeckt. 

                            21.6.40

Am Nachmittag erhielt ich Deinen lieben Brief vom 18. Nun kenne ich mich überhaupt nicht mehr aus. Gestern kommt ein Brief von mir, der zwar noch nach Göding adressiert, aber vom Batl. 470 abgestempelt wurde, zurück, und nun hast Du doch wieder 4 Briefe von mir erhalten.
Demnach hast Du das Telegramm überhaupt nicht erhalten, Vielleicht ist es, nachdem Du schon eingezogen bist, wieder zurück gegangen. Ich freue mich ja, daß Du die Bilder erhalten hast und daß sie Dir gefallen . 
Jetzt geht es mit der Erdbeerernte zurück. Heute hat es nur ca. ¾ Pfund gegeben. Aber 26 ½ Pfund ist doch auch ganz schön. 
Wir freuen uns schon sehr auf Dein Bild. Wir haben ja  eins vergrößern lassen, aber als Soldat sehen wir Dich doch gern, damit wir uns Dich immer vorstellen können. 
Heute früh kam eine Karte von den Eltern, daß sie meinen Brief erhalten haben und daß sie mir in Kürze wieder einen Brief mit Zeitungen schicken. Sie hätten Dir auch geschrieben und was zum Naschen beigelegt. Sie möchten auch Nachricht wegen Helga. Schreib mir doch bitte Deine Meinung.
Wie ist es nun mit Deinem Geburtstag. Kann ich Dir was schicken, oder kommt Ihr in der Zwischenzeit fort? Auch darüber gib mir bitte Bescheid.  Den zurückgekommenen Brief lege ich Dir bei. Vielleicht interessiert er Dich doch noch. 
Nun, lieber Ernst, will ich schließen. Sei recht oft herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.


Mein lieber Ernst!                                                                                Konstanz, 22.Juni 40 

Vorhin kamen Deine Bilder. Und ob sie mir gefallen, Du siehst ja so lieb darauf aus. Wenn ich Dich nicht schon so über alle Maßen lieb hätte, würde ich Dich direkt lieb gewinnen. Deine lieben Augen strahlen ja ganz. Wir kaufen heute noch einen Rahmen für das Bild. Du hast uns eine ganz große Freude damit gemacht. 
Das hätte ich auch nicht gedacht, daß Du so bald ausgebildet bist. Ich hatte mit ca. 8 Wochen gerechnet. Ich danke Dir aber, daß Du mir immer so regelmäßig schreibst.  Auf dem kleinen Bild habe ich Dich gleich erkannt. Ich werde doch meinen Mann kennen. Ich gebe von den Bildern eins an Vater und eins schicke ich den Eltern. Die anderen behalten wir, denn ich bin, mein altes Leiden,  auch eifersüchtig auf die Bilder. Hoffentlich bist Du mir deshalb nicht bös. Zwischen dem Schreiben habe ich mir Dein Bild schon mindestens 20 Mal angesehen, so gut gefällt es mir. Deine Haare sind so schön und Du siehst so jung aus. 
Von Kurt haben wir bis jetzt keine Nachricht. Vater fragt auch bald jeden Tag nach. Ehe Kurt fortgefahren ist, hatte er sich noch Feldpostbriefe gekauft und zwar erst die verkehrten,  a n  den Soldaten. Er hat sie mir geschenkt. Aber bei seiner wenigen Schreiberei werde ich nicht viel davon brauchen. Ich glaube, ich sende Dir mal welche davon. 
Mit dem Einmachzucker hat es sich so geregelt, daß man den Zucker, den man anstatt Marmelade nimmt, auf 4 Monate zusammen nehmen kann. Das sind für uns 3  ca,. 10 ½ Pfund. Das wird gerade für die Stachelbeeren reichen. Da habe ich die Sorge einmal los. 
Der Brief wird heute ein bißchen kurz, da ich mit den Kindern noch in die Stadt will. Wir haben erst noch auf den Briefträger gewartet, der ca. um 4 Uhr kommt und der ja auch Deinen lieben Brief gebracht hat. Nun, mein lieber Ernst, grüße und küsse ich Dich herzlich. Bleib gesund und denke immer an Deine Annie und an Helga und Jörg.

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