Donnerstag, 25. Juni 2015

Brief 23 vom 25./26.6.1940


Lieber Ernst!                                                                        Konstanz, 25.6.40

Nun ist Waffenruhe zwischen Frankreich und Deutschland. Das hätte Frankreich billiger haben können, wenn sie auf den Führer gehört hätten. Jetzt erhalten sie ja auch den Dank von England. Gestern Abend um 10 Uhr kam die Meldung, vielleicht hast Du sie auch gehört, daß um 1.35 Uhr Waffenruhe eintritt. Ich habe mir den Wecker gestellt und bin ½ 2 Uhr aufgestanden. Da kam erst das Signal „Das Ganze halt“, dann Glockenläuten, das Niederländische Dankgebet, das Deutschland- und Horst Wessel-Lied. Danach sprach der Sprecher einige Worte. Es war sehr feierlich.  Helga hatte das Radio gehört und sagte „ich bin aber noch fest müd“. Ich habe sie getröstet und ihr gesagt, daß sie noch die halbe Nacht schlafen kann.
Heute haben sie keine Schule und Helga, Jörg und Margret spielen den ganzen Nachmittag zusammen. Es regnet heute seit Mittag, was nur runter will. Da habe ich es wieder fein getroffen, denn ich habe gestern noch einige Setzlinge nachgesetzt, da ein paar eingegangen waren. Auch an dem schrägen Stück habe ich jetzt, nachdem ich Kohlrabi raus gemacht habe, neue Setzlinge gesetzt. An dem schrägen Stück wächst alles besonders gut. So ist auch der Salat, den ich schon gesetzt habe, fast groß.
Den Kindern habe ich in ihren Garten auch je 6 Kohlrabi gepflanzt. Auch Blumen haben sie jetzt ein paar drin. Die Brombeeren blühen jetzt alle.  Ich habe mir ein Vergrößerungsglas gekauft, damit ich Dich auch auf dem kleinen Bild richtig sehen kann. Ich verbrauche ja sonst nicht viel für mich und Du wirst mir hoffentlich nicht böse deshalb sein. Wie ich auf dem kleinen Bild auch gesehen habe, bist Du im Gesicht etwas schmaler geworden. Das wird auch das viele Laufen und Springen machen. Der schönste bist Du aber doch, mir gefällst Du jedenfalls am besten. 
Von Kurt haben wir immer noch keine Nachricht. Mir ist es ja eher gleich, aber Vater kommt immer rauf und fragt danach.  Vater hatte noch 10 alte 2 Mark-Stücke und wir glaubten, sie würden nicht mehr umgetauscht. Da sagte er, meinetwegen soll das ganze Geld hin sein, das gebe ich gerne, wenn nur Ernst und Kurt gesund wiederkommen.
Daran sieht man doch, daß er Euch gern hat, denn sonst trennt er sich doch nicht so gern von Geld.  Nun schließe ich für heute. Post ist heute keine gekommen. Sei nun, mein lieber Ernst, herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.


 Mein lieber Ernst!                                                                    Konstanz, 26. Juni 40.

 Heute früh waren die Kinder und ich im Krankenhaus, welches doch jetzt Lazarett. Es stand in der Zeitung die Bitte, man möchte Liegestühle für die Verwundeten leihweise zur Verfügung stellen, mindestens 100 Stück werden benötigt. Wir haben unseren nun hingeschafft. Ein Mann, der die Liegestühle mit abgenommen hat, kennt Dich, ich weiß aber nicht, wer‘s ist.
Frau Ehret hatte uns noch zwei Sträuße mitgegeben und ich habe ein paar Rosen mitgenommen. Zwei Sträuße haben wir leichter Verwundeten gegeben und einen Strauß hat Jörg in ein Zimmer bringen dürfen. Die Verwundeten haben sich so sehr gefreut. Helga und Jörg möchten jetzt jede Woche einen hinbringen, aber wir haben leider noch nicht so viele Blumen. Mich freut es ja auch, daß wir den Verwundeten etwas Gutes tun konnten. 
Von Dir ist heute noch keine Post gekommen, vielleicht kommt heute Nachmittag welche. Von Kurt kam heute ein Brief in dem er schreibt, daß er Dir auch einen Brief geschickt hat. Wenn ich den Brief beantwortet habe, schicke ich ihn Dir mit. Er hat mir auch noch 22 Brotmarken (Reisemarken) a 25 g mitgeschickt. Die Briefmarken, die Du mitgeschickt hast, habe ich in Dein Tischchen getan.
Gestern habe ich nochmals 4 Pfund Rhabarber, ¾ Pfund Erdbeeren und 1 Bund Eiszapfen geerntet. Bis jetzt habe ich geerntet: 30 ½ Pfund Erdbeeren, 17 Kohlrabi, 20 Salat, 4 Pfund Spinat, 14 Pfund Rhabarber, 2 Bund Eiszapfen.  Gestern und heute ist ziemlicher Wind. Das Pfirsichbäumchen und die Stütze stehen schon ganz schräg. Hoffentlich wird es nicht noch stürmischer.
Wir gehen heute Nachmittag in die Wochenschau, da Helga heute keine Schule hat.  Um 7 Uhr.
Wir waren heute Nachmittag in der Wochenschau. Man kann gar nicht genug staunen, was unsere Soldaten leisten. Als wir nach hause kamen, war wieder keine Post da. Jetzt warte ich eben bis morgen früh und hoffe das Beste.
Eben habe ich wieder die Brombeeren angebunden. Ich mache es eben so gut ich es kann. Die treiben ja, daß es einem ganz Angst und bange wird, wo man die Triebe alle unterbringen soll. Sie blühen auch sehr gut, natürlich 65 Pfund gibt es nicht. Der Regen hat allen Pflanzen wieder gut getan. Ich würde Dir gar zu gern mal alles zeigen. Das würde mich so freuen. Die Tomaten habe ich gut ausgeputzt und angebunden, es sind schon ganz große Tomaten dran, aber natürlich noch grün. Bis jetzt bin ich mit meiner Gärtnerkunst ganz zufrieden. Man sagt zwar meist, Eigenlob stinkt. 
Lieber Ernst! Heute früh kam Dein Brief vom 22. bez. 23. Wir sind ganz glücklich. Ich kann Dir leider nicht sagen, woher das Telegramm kam, denn ich habe es nicht in die Hand bekommen, es ist mir nur vorgelesen worden, nachdem ich gesagt habe, daß es mich interessieren würde und ich mir sonst auch Sorgen machte. Der Bote sagte, das ist komisch, die müssen doch wissen, daß Ihr Mann schon eingezogen worden ist. 
Den Käse haben wir gut verbrauchen können. Ich habe Vater welchen davon gegeben, der ihn erst unbedingt bezahlen wollte.  Ich danke Dir schon im Voraus für Dein liebes Päckchen. Es wird in einer Woche ungefähr ankommen. 
Hast Du den Regenmantel vielleicht schon im Zug hängen lassen? Du hast ihn doch Helga aus der Tasche  genommen und an Deinen Platz gehängt? Es ist jetzt nicht mehr zu ändern und Du mußt Dich nicht so ärgern. Die Hauptsache ist, Du bleibst gesund. 
Es freut mich, daß Dich die Abschriften interessiert haben. Deshalb habe ich die Urkunden ja auch abgeschrieben. Das Geld habe ich gleich hingeschickt.  Du schreibst heute, daß Du schmutzige Socken schickst. Da Du doch welche brauchen wirst, schicke ich Dir heute die schon gewaschenen wieder zu. Ist es so richtig?  Durch Deine Käsesendung war ich in der Lage, meine Käsemarken für Quark zu verwenden und damit habe ich vorigen Sonntag einen Quarkkuchen gebacken. Da danke ich Dir nochmals dafür. 
Lieber, lieber Mann! Nun höre ich auf mit schreiben, Du hast ja wieder viel zu lesen.
Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

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