Dienstag, 16. Juni 2015

Brief 19 vom 16./ 17.6.1940


Lieber Ernst!                                                                                 Konstanz, 16.6.40    

Gerade als ich Dir schreiben wollte, kam ein Telegramm an Dich, daß Du Dich in Lille zu melden hast. Ich habe es zu Dir schicken lassen. Ob Du da nun gleich fort mußt?
Ich bin ja sehr gespannt. Schreibe mir nur gleich. Was wirst Du dort machen müssen? Du kommst auch nicht zur Ruhe, immer geht es woanders hin. 
Heute früh kam ein Schreiben vom Ev. Pfarramt. Es sind 9,24 zu zahlen. Die Zusammenstellung habe ich Dir abgeschrieben. Das Original, was schließlich 9 Mk gekostet hat, wollte ich nicht schicken, andererseits wird es Dich aber doch interessieren. Es ist doch nicht gerade zu teuer. Ich schicke das Geld gleich morgen weg. 
Was wirst Du dazu sagen, daß Du dort fort mußt? Ob es Dir so recht sein wird. Du wirst mir‘s ja schreiben. Meine Gedanken kreisen jetzt  dauernd um Dich und das Telegramm.  Es ist einfach schrecklich, so dazusitzen und nicht zu wissen, was jetzt eigentlich los ist. 
Lieber Ernst!
Sei nicht böse, aber Wein habe ich noch keinen getrunken. Nicht aus bösem Willen, sonder weil ich kein Geld mehr hatte. Ich wollte Dir doch gern ein paar Photografien schicken, da ist das Geld drauf gegangen.
Jetzt habe ich ja wieder Geld, aber, offen gestanden, gar keine Lust dazu. Muß es wirklich unbedingt sein? Ich fühle mich gesundheitlich wirklich sehr wohl und habe auch keine Schmerzen. 
Es ist heute kein Wetter zum spazieren gehen, es regnet immer mal wieder.
Heute früh haben wir uns die Wochenschau angesehen, die werden immer gewaltiger. 

 Lieber Ernst!                                                                               17.6.40

 Eben kam Dein Koffer mit Deinen Sachen. Ich vermisse dabei Deinen Regenmantel. Hast Du ihn noch dort? Vielen Dank auch für die Käse. Der Briefträger sagte, es käme sicher noch Post, mal sehen, ob es was von Dir ist.
Der Schlüssel von Kurt hat doch an den Koffer gepaßt.  Nun kam noch ein Brief von Dir vom 13.6. wir haben alle gejubelt. Das ist doch jedes Mal ein Fest.
Es freut mich, daß Du Dich auch über unsere Briefe freust, wir denken doch immer mit großer Liebe an Dich. Das ist recht, daß Du Dich bei dem Ausgang mal ein bißchen erholt hast. 
Wie viele Stunden habt Ihr Ausgang?
Wenn wir hier die Soldaten spazieren gehen sehen, müssen wir immer an Dich denken.  Bis jetzt habe ich die Päckchen von Dir noch nicht erhalten. Sie werden schon noch kommen. Nur Geduld. Ich habe zur Kenntnis genommen, daß Du die Kommisgewohnheit in Bezug auf Putzen der Sachen und Stiefel zu hause nicht beibehalten willst. Ich bin direkt beruhigt, denn ich hatte schon so groooooße Angst, daß Du mir eines meiner Privilegien streitig machst.  Ich tue es ja so gern für Dich und Du brauchst wirklich keine Angst zu haben, daß ich Dich‘s zu hause machen ließe. Im Übrigen würdest Du‘s Dir ja auch gar nicht befehlen lassen, denn so werden sie Deinen Willen doch nicht gedrückt haben. Ich kann mir´s jedenfalls nicht vorstellen.
Es ist ja recht, wenn die Leute freundlich zu Euch sind. Sie müssen doch mit der Zeit einsehen, daß wir Deutschen jedem anständig entgegenkommen. Aber es gibt immer wieder Gehässige.  

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