Lieber Ernst!
Konstanz, 16.6.40
Gerade als ich Dir schreiben wollte, kam ein Telegramm an
Dich, daß Du Dich in Lille zu melden hast. Ich habe es zu Dir schicken lassen.
Ob Du da nun gleich fort mußt?
Ich bin ja sehr gespannt. Schreibe mir nur gleich. Was wirst
Du dort machen müssen? Du kommst auch nicht zur Ruhe, immer geht es woanders
hin.
Heute früh kam ein Schreiben vom Ev. Pfarramt. Es sind 9,24
zu zahlen. Die Zusammenstellung habe ich Dir abgeschrieben. Das Original, was
schließlich 9 Mk gekostet hat, wollte ich nicht schicken, andererseits wird es
Dich aber doch interessieren. Es ist doch nicht gerade zu teuer. Ich schicke
das Geld gleich morgen weg.
Was wirst Du dazu sagen, daß Du dort fort mußt? Ob es Dir so
recht sein wird. Du wirst mir‘s ja schreiben. Meine Gedanken kreisen jetzt dauernd um Dich und das Telegramm. Es ist einfach schrecklich, so dazusitzen
und nicht zu wissen, was jetzt eigentlich los ist.
Lieber Ernst!
Sei nicht böse, aber Wein habe ich noch keinen getrunken.
Nicht aus bösem Willen, sonder weil ich kein Geld mehr hatte. Ich wollte Dir
doch gern ein paar Photografien schicken, da ist das Geld drauf gegangen.
Jetzt habe ich ja wieder Geld, aber, offen gestanden, gar
keine Lust dazu. Muß es wirklich unbedingt sein? Ich fühle mich gesundheitlich
wirklich sehr wohl und habe auch keine Schmerzen.
Es ist heute kein Wetter zum spazieren gehen, es regnet
immer mal wieder.
Heute früh haben wir uns die Wochenschau angesehen, die
werden immer gewaltiger.
Lieber Ernst! 17.6.40
Eben kam Dein Koffer
mit Deinen Sachen. Ich vermisse dabei Deinen Regenmantel. Hast Du ihn noch
dort? Vielen Dank auch für die Käse. Der Briefträger sagte, es käme sicher noch
Post, mal sehen, ob es was von Dir ist.
Der Schlüssel von Kurt hat doch an den Koffer gepaßt. Nun kam noch ein Brief von Dir vom 13.6. wir
haben alle gejubelt. Das ist doch jedes Mal ein Fest.
Es freut mich, daß Du Dich auch über unsere Briefe freust,
wir denken doch immer mit großer Liebe an Dich. Das ist recht, daß Du Dich bei
dem Ausgang mal ein bißchen erholt hast.
Wie viele Stunden habt Ihr Ausgang?
Wenn wir hier die Soldaten spazieren gehen sehen, müssen wir
immer an Dich denken. Bis jetzt habe
ich die Päckchen von Dir noch nicht erhalten. Sie werden schon noch kommen. Nur
Geduld. Ich habe zur Kenntnis genommen, daß Du die Kommisgewohnheit in Bezug
auf Putzen der Sachen und Stiefel zu hause nicht beibehalten willst. Ich bin
direkt beruhigt, denn ich hatte schon so groooooße Angst, daß Du mir eines
meiner Privilegien streitig machst. Ich
tue es ja so gern für Dich und Du brauchst wirklich keine Angst zu haben, daß
ich Dich‘s zu hause machen ließe. Im Übrigen würdest Du‘s Dir ja auch gar nicht
befehlen lassen, denn so werden sie Deinen Willen doch nicht gedrückt haben.
Ich kann mir´s jedenfalls nicht vorstellen.
Es ist ja recht, wenn die Leute freundlich zu Euch sind. Sie
müssen doch mit der Zeit einsehen, daß wir Deutschen jedem anständig
entgegenkommen. Aber es gibt immer wieder Gehässige.
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