Lieber Ernst!
Konstanz, 13.6.40
Heute Vormittag
haben wir Deinen lieben Brief vom 7.6. erhalten. Der ist aber lang gegangen. Ich danke Dir vielmals dafür.
Da habt Ihr ja schön zu tun gehabt, nachts ¾ 4 Uhr aus dem
Bett und eine Übung bis ½ 12 Uhr. Dank schön, Ihr werdet schön hin gewesen
sein, als Ihr wieder in der Kaserne wart. Mit Gasmaske marschieren muß doch
sehr beschwerlich sein.
Deine Sachen im Koffer werde ich natürlich nachsehen und
fertig machen. Du fragst, welches Kleid
ich auf der Photografie anhabe. Das ist doch das helle, zu dem Du mir voriges
Jahr den Stoff geschenkt hast. Du hast mich doch beim Schlüsselblumensuchen
auch schon drin photografiert. Sieht es auf dem Bild so fremd aus?
¼ 5 Uhr. Soeben ging Dein Brief vom 8.6., abgestempelt am
10.6. 24 Uhr ein.
Da war ich doch ganz paff, daß Du jetzt nicht mehr in Göding
bist. Wo wirst Du jetzt sein?
Ich habe außer dem Päckchen mit Zimtsternen noch einen
Kuchen an Dich geschickt. Hoffentlich erhältst Du ihn nun auch.
Euch schlaucht man ja richtig. Aufs Marschieren legt man ja
jetzt besonderen Wert, weil man jetzt gesehen hat, wie wichtig das ist.
Von Deinem Päckchen ist noch keins angekommen, das geht
immer ziemlich lang. Ich kann ja nun
den Brief nicht wegschicken, aber schreiben tue ich Dir doch. Vielleicht kommt
bald Deine neue Adresse.
Ich habe an die Elter und an Elsa Legler geschrieben, eine
Abschrift schicke ich Dir mit.
Einen Brief habe ich heute auch von Tante Elsbeth bekommen.
Ich werde ihr auch wieder schreiben. Sie hat von Dora erfahren, daß Du
eingezogen bist.
Mein lieber Ernst!
Heute früh kamen Deine beiden lieben Briefe vom 9.
+10.6. und die Karte.
Du bist also nun in Ung. Hradisch. Du schreibst, daß Ihr
behelfsmäßig in einer Schule untergebracht seid. Heißt das, daß Ihr jetzt schon
an die Front kommt?
Ich danke Dir, daß Du mir gleich geschrieben hast. Vergiß
bitte nicht, mir den Kofferschlüssel zu senden, damit ich die Sachen nachsehen
kann.
Kurt hat mir einen Schlüssen dagelassen, aber der gehört,
soviel ich weiß, zu seinem anderen Koffer, den er mitgenommen hat.
Was soll ich denn für Bilder einlösen für die Schecks?
Schreib mir‘s doch bitte noch.
Auf dem Haldenhof war es wirklich schön. Der ganze Tag kommt
mir jetzt wie ein Märchen vor. Es war doch schön, daß wir da noch zusammen fort
waren, wer weiß, wie lange es dauert, bis wir wieder einmal zusammen fort
können.
Lieber Ernst! Sei bitte nicht böse, wenn ich heute nicht so
viel schreibe, aber ich kann meine Gedanken beim besten Willen nicht
zusammenhalten.
Ich muß immer dran denken, ob Du noch dort bist oder was
jetzt weiter mit Euch geschieht.. Ich bin einfach ein bißchen aufgeregt.
1 Uhr An Dora werde
ich natürlich schreiben.
Jetzt kam die Sondermeldung, daß unsere Truppen in Paris
einmarschieren, Ernst, denke, Paris. Unsere Freude ist ohne Grenzen. Unsere
Truppen in Paris.
4 Uhr Vorhin ist der Gehaltszettel gekommen, er lautet
bisher jetzt
247,50 234,45
Gehalt 7,o2 7,02
Einkommensteuer 2,
2.
Bürgersteuer
37,70
37,70
Miete 6, 6,
Angestelltenvers.
3,40
Arbeitsfront
3,51
3,51
Kriegszuschlag z. Eink.
59,63 61,69
Zusatzversorgung 187,87 172,76
Ich werde 30 Mk auf die Sparkasse schaffen, dann komme ich
noch gut aus.
Auch Du kannst ruhig noch Wünsche äußern, es reicht mir gut.
Anläßlich des Einmarsches in Paris, hat Helga heute keine
Spielschar gehabt, worüber sie ganz froh ist. Sie spielt wieder unten. Die
Schulaufgaben hat sie schon gemacht und zwar ganz ordentlich. Ich schaffe den
Brief noch fort. Vielleicht bekommst Du ihn noch dort. Ehe Deine Briefe bei mir
und meine wieder bei Dir sind, vergeht eben immer eine ganze Zeit und
dazwischen kann schon manches sich ändern.
Nun, mein lieber Mann, mein lieber Ernst, sei herzlich gegrüßt und
geküßt von Deiner Annie. Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga. Ich hab Dich
ganz fest lieb, so lieb wie niemand.
Jörg 14.6.40
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