Samstag, 13. Juni 2015

Brief 17 vom 13.06.1940


Lieber Ernst!                                                       Konstanz, 13.6.40   

 Heute Vormittag haben wir Deinen lieben Brief vom 7.6. erhalten.  Der ist aber lang gegangen. Ich danke Dir vielmals dafür. 
Da habt Ihr ja schön zu tun gehabt, nachts ¾ 4 Uhr aus dem Bett und eine Übung bis ½ 12 Uhr. Dank schön, Ihr werdet schön hin gewesen sein, als Ihr wieder in der Kaserne wart. Mit Gasmaske marschieren muß doch sehr beschwerlich sein. 
Deine Sachen im Koffer werde ich natürlich nachsehen und fertig machen.  Du fragst, welches Kleid ich auf der Photografie anhabe. Das ist doch das helle, zu dem Du mir voriges Jahr den Stoff geschenkt hast. Du hast mich doch beim Schlüsselblumensuchen auch schon drin photografiert. Sieht es auf dem Bild so fremd aus?
¼ 5 Uhr. Soeben ging Dein Brief vom 8.6., abgestempelt am 10.6.  24 Uhr ein.
Da war ich doch ganz paff, daß Du jetzt nicht mehr in Göding bist. Wo wirst Du jetzt sein?
Ich habe außer dem Päckchen mit Zimtsternen noch einen Kuchen an Dich geschickt. Hoffentlich erhältst Du ihn nun auch. 
Euch schlaucht man ja richtig. Aufs Marschieren legt man ja jetzt besonderen Wert, weil man jetzt gesehen hat, wie wichtig das ist. 
Von Deinem Päckchen ist noch keins angekommen, das geht immer ziemlich lang.  Ich kann ja nun den Brief nicht wegschicken, aber schreiben tue ich Dir doch. Vielleicht kommt bald Deine neue Adresse. 
Ich habe an die Elter und an Elsa Legler geschrieben, eine Abschrift schicke ich Dir mit.
Einen Brief habe ich heute auch von Tante Elsbeth bekommen. Ich werde ihr auch wieder schreiben. Sie hat von Dora erfahren, daß Du eingezogen bist.
 
Mein lieber Ernst!

Heute früh kamen Deine beiden lieben Briefe vom 9. +10.6.  und die Karte.
Du bist also nun in Ung. Hradisch. Du schreibst, daß Ihr behelfsmäßig in einer Schule untergebracht seid. Heißt das, daß Ihr jetzt schon an die Front kommt?
Ich danke Dir, daß Du mir gleich geschrieben hast. Vergiß bitte nicht, mir den Kofferschlüssel zu senden, damit ich die Sachen nachsehen kann.
Kurt hat mir einen Schlüssen dagelassen, aber der gehört, soviel ich weiß, zu seinem anderen Koffer, den er mitgenommen hat.
Was soll ich denn für Bilder einlösen für die Schecks? Schreib mir‘s doch bitte noch. 
Auf dem Haldenhof war es wirklich schön. Der ganze Tag kommt mir jetzt wie ein Märchen vor. Es war doch schön, daß wir da noch zusammen fort waren, wer weiß, wie lange es dauert, bis wir wieder einmal zusammen fort können.
Lieber Ernst! Sei bitte nicht böse, wenn ich heute nicht so viel schreibe, aber ich kann meine Gedanken beim besten Willen nicht zusammenhalten.
Ich muß immer dran denken, ob Du noch dort bist oder was jetzt weiter mit Euch geschieht.. Ich bin einfach ein bißchen aufgeregt. 
1 Uhr  An Dora werde ich natürlich schreiben.
Jetzt kam die Sondermeldung, daß unsere Truppen in Paris einmarschieren, Ernst, denke, Paris. Unsere Freude ist ohne Grenzen. Unsere Truppen in Paris.
4 Uhr Vorhin ist der Gehaltszettel gekommen, er lautet
                                   bisher                          jetzt 
                                     247,50                       234,45          
Gehalt                               7,o2                         7,02          
Einkommensteuer              2,                             2.            
Bürgersteuer                    37,70                        37,70          
Miete                                 6,                           6,            
Angestelltenvers.                 3,40                                        
Arbeitsfront                         3,51                         3,51          
Kriegszuschlag z. Eink.      59,63                       61,69                         
 Zusatzversorgung             187,87                    172,76 

Ich werde 30 Mk auf die Sparkasse schaffen, dann komme ich noch gut aus.
Auch Du kannst ruhig noch Wünsche äußern, es reicht  mir gut. 
Anläßlich des Einmarsches in Paris, hat Helga heute keine Spielschar gehabt, worüber sie ganz froh ist. Sie spielt wieder unten. Die Schulaufgaben hat sie schon gemacht und zwar ganz ordentlich. Ich schaffe den Brief noch fort. Vielleicht bekommst Du ihn noch dort. Ehe Deine Briefe bei mir und meine wieder bei Dir sind, vergeht eben immer eine ganze Zeit und dazwischen kann schon manches sich ändern.  Nun, mein lieber Mann, mein lieber Ernst, sei herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie. Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga. Ich hab Dich ganz fest lieb, so lieb wie niemand.   Jörg 14.6.40 

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