Montag, 8. Juni 2015

Brief 14 vom 7./8.6.1940


Lieber Ernst!                                                                                           7.6.

 Ich habe noch abgewartet ob Post von Dir kommt. Da nichts gekommen ist, mache ich mich jetzt fertig und schaffe den Brief noch fort.  Dabei fahre ich gleich einkaufen. 
Heute früh habe ich im Garten wieder gegossen, weil ich gestern Abend nicht genug abgestandenes Wasser gehabt habe. Es hatte nur zu einem Teil gelangt. Die Setzlinge stehen gut. Ich habe jetzt noch alle Kartoffeln gehäufelt. Vom Gießen wird der Boden an der Oberfläche etwas hart, das habe ich heute wieder gelockert. Morgen werde ich evtl. die restlichen Stangenbohnen häufeln.
Du siehst, ich halte alles in Ordnung. Heute Nachmittag habe ich mich erst wieder mal ans Strümpfe stopfen gesetzt. Mußt Du das auch schon machen? 
Heute ist wieder klarster Himmel und Sonnenschein, nur am Rand des Horizonts stehen heute zum ersten Mal wieder Gewitterwolken.
Ich lege Dir wieder einen Zeitungsausschnitt bei, der Dich sicher interessieren wird.
Nun mache ich Schluß, mein lieber, lieber Ernst. Vielleicht bekomme ich von Dir morgen wieder Post, ich freue mich schon immer drauf.  Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
 

 Mein lieber Ernst!                                                                                  8.6.40

Damit Du auch merkst, daß Sonntag ist, schicke ich Dir einen Kuchen. Die Päckchen sind immer 6 Tage gegangen, und so hoffe ich, daß Du bis Sonntag das Päckchen hast. Ich habe einen Zuckerguß drauf gemacht, damit der Kuchen nicht austrocknet. Laß ihn Dir gut schmecken. Ich habe ihn mit viel liebe für Dich gebacken.  Viele herzliche Grüße und Küsse von Deiner Annie.  
 

Lieber Ernst!                                                                          Konstanz, 8.6.40. 

Nun ist schon wieder der Samstag herangekommen und Du bist schon 3 Wochen dort. Wie schnell doch die Zeit verfliegt. Meine Tage sind auch mit Arbeit ausgefüllt und da ist man ganz erstaunt, wenn wieder eine Woche vorbei ist.
Heute erhielt ich einen Brief von den Eltern. Denke Dir, ich habe ganz vergessen, nach Leipzig zum Muttertag zu schreiben. Das waren nun die ersten Tage, wo ich allein war, da habe ich immer nur an Dich gedacht und alles vergessen. Es ist nun nicht mehr zu ändern und ich werde an die Eltern entsprechend schreiben. 
Siegfried hat am 4. im Brief von den Eltern geschrieben, daß er am 5. oder spätestens 6. Juni wieder fort kommt. Er ist als GasUffz. in einem Lazarettzug als Stammpersonal eingeteilt. Da muß er immer von der Heimat an die Front und wieder zurück fahren.
Kurt fährt am 12., also am Mittwoch 19.40 Uhr wegfahren und ist 22.12 Uhr in Immendingen.  Von da an geht´s im Sammeltransport weiter. 
Ich war heute früh wieder im Garten und habe 44 Weißkraut gesetzt. Die Setzlinge sind noch etwas klein, aber ich habe es bei den anderen, die ich vorige Woche gesetzt habe, gesehen,  daß sie sehr gut anwachsen und fest dastehen. Ich habe sie auch sehr gut angegossen. Die restlichen Stangenbohnen habe ich noch gehäufelt.
Heute Abend kann ich wieder Erdbeeren abnehmen, sie werden jetzt schnell hintereinander rot. Die Tomatenstöcke haben schon viele Blüten und auch schon winzige Tomaten. Sie wachsen sehr gut. Auch die Gurken gehen gut voran.  Die Erbsen sind etwas über ½ mtr. hoch. Es wächst alles wirklich gut. 
Nun will ich erst mal weiterschaffen, denn am Samstag gibt es immer zu tun. Ich habe heute auch die Treppe zu putzen.
Es ist Nachmittag ½ 5 Uhr. Der Briefträger ist wieder vorbei, ohne mir was zu bringen. Ich hoffe auf morgen früh. Ich bringe nun den Brief auf die Post. Dort ist übrigens jetzt der Eingang soweit fertig. Sie haben eine Drehtür eingebaut. Inwendig sieht es ja noch etwas wild aus.
Wenn ich jetzt immer in die Stadt fahre, da ist mir schon aufgefallen, daß sich gegen 5 Uhr so viel Leute auf der Marktstätte einfinden. Die warten alle auf die Nachrichten, die durch Lautsprecher durchgegeben werden. Da sind dann alle ganz still. 
Nun, lieber Ernst, schließe ich für heute, sonst komme ich zu spät und bekomme kein Brot mehr.
Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
 

 Mein lieber Ernst!         Konstanz, 8.6.40 abends

 Heute will ich Dir einmal ein bißchen von unseren zwei Lausern erzählen.
Daß sie gesund und guter Laune sind, wirst Du ja aus den Bildern ersehen haben. ½ 8 Uhr früh ist Jörg schon draußen, wenn Helga keine Schule früh hat, ist sie natürlich auch dabei. Helgas Leidenschaft ist augenblicklich mal Ball spielen.  Das tut sie mit Begeisterung. Jörg fährt entweder Holländer oder er spielt im Dreck. Da ich jetzt immer Wasser draußen stehen habe, ist das natürlich eine gute Gelegenheit, davon etwas an den Sand zu schütten, das gibt dann „Mertel“. Davon wird dann alles gebaut. Wie er dann heim kommt, das kannst Du Dir denken.
Heute Abend sagte Jörg: „Ich kann den Richard zwingen, daß er gleich heult, ich kann nämlich Griffe, weißt, ich biege ihm so die Finger nach hinten, was meinst, wie der heult.“
Dabei hat er so richtig frechfröhlich gelacht.
Heute Abend hat er mit mir Erdbeeren gepflückt, wir hatten etwas über 1 Pfund. Da war er mit Begeisterung dabei. Wir haben sie heute mit Milch gegessen,  denn unsere Zwei haben mir keine Ruhe gelassen. Wenn es dann mehr gibt, koche ich natürlich Marmelade.
Helga und Jörg sind schon richtig braun gebrannt, Jörg sogar noch mehr, weil er in der Wohnung überhaupt nicht zu sehen ist.  Helga hat natürlich weniger Zeit, denn wenn sie Montag und Dienstag von 10.25 (nicht mehr 9.30) Schule hat, 1 Stunde, und Nachmittag von 1.30 – 3.20 bez. Dienstag um 3 -  ½ 6, so hat sie nicht viel freie Zeit, da sie ja auch noch Aufgaben machen muß. Mittwoch hat sie ja mal den ganzen Tag frei.
Beide laufen jetzt immer barfuß, in der Schule natürlich nicht. Was Jörg nicht so ganz recht ist, das ist das Füßewaschen abends. Er fragt natürlich auch noch jeden Abend, ob er sich die Zähne putzen muß. 
Wenn beide jetzt barfuß gehen, brauche ich natürlich auch keine Schuhe einzuschmieren und das ist für mich auch eine kleine Erleichterung, ganz abgesehen davon, daß ja dabei auch keine Strümpfe kaputt gehen.
Das Ausziehen abends und das Anziehen früh geht natürlich immer noch langsam, vor allen Dingen muß Jörg natürlich immer viel erzählen. Da muß ich öfter aufmunternd dazwischen fahren. Im Allgemeinen sind sie aber brav und folgen soweit.
Wenn´s mal nicht geht, da werde ich mal energisch. Heute sollte mir Jörg z.B. mal die Hacke und den kleinen Schöpfer mit rübertragen, er wollte aber spiele und hat dann einfach den Schöpfer fallen lassen. Aber da hat‘s was gesetzt. Als er mir später noch was bringen sollte, ist er ohne Maulen gleich gesprungen. Also, mit unseren zweien werde ich schon noch fertig und wie gesagt, im Allgemeinen folgen sie. 
Helga und Jörg reden oft von Dir und sie haben sich auch vorgenommen, Dir morgen etwas zu schreiben und zu malen. Jörg wollte Dir sogar den ganzen Tag was malen. Der Sonnenschein wird ihn aber bald hinauslocken.  Vielleicht gehe ich morgen mit Beiden früh ins Kino, die Wochenschau ansehen. Sei also bitte nicht böse, wenn sie nicht immer was dazu schreiben, sie gehen eben so gern zum spielen. Ihre Gedanken sind doch oft bei Dir. Dafür schreibe ich Dir ja immer, denn meine Gedanken sind immer bei Dir. Ich hätte Dich gern einmal hier, um Dir sagen zu können, wie lieb ich Dich habe. Ich möchte Dir gern tausend Zärtlichkeiten sagen, nur schreiben kann und will ich das nicht. Du weißt ja auch so, daß ich Dir gehöre.  Manchmal sehne ich mich danach, Dich neben mir sitzen zu haben und Dein liebes Lächeln zu sehen, das liebe ich doch so an Dir, das weißt Du doch, nicht wahr. Auch über Dein Haar würde ich gern streichen oder wieder mal Zöpfe davon flechten. Das sind alles kleine Sachen, die einem aber so fehlen, es waren halt liebe Gewohnheiten.
Mich erinnert ja hier im Haus und im Garten alles an Dich und Deine fleißigen Hände. Siehst Du, eigentlich wollte ich Dir das alles nicht schreiben, aber Du weißt ja, wenn einem das Herz voll ist. Du bist ja auch der einzige mit dem ich reden kann und vor allen Dingen auch will. Wir zwei gehören doch zusammen. 
Wenn von Dir Briefe kommen, bin ich den ganzen Tag fröhlich. Ich warte schon immer auf den Briefträger und wenn ein Brief kommt, ist das Glück groß. 
Nicht wahr, lieber Ernst, wenn Du einmal einen Wunsch hast, so schreibe ihn. Es ist mir eine Freude, wenn ich Dir etwas zulieb tun kann. 
Es ist gleich 10 Uhr und Du wirst schon im Bett liegen. Vielleicht denkst Du jetzt gerade auch an uns. Schlaf recht gut, mein lieber Mann, und nimm recht herzliche  Grüße und Küsse von Deiner Annie. 

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