Lieber Ernst! 7.6.
Ich habe noch
abgewartet ob Post von Dir kommt. Da nichts gekommen ist, mache ich mich jetzt
fertig und schaffe den Brief noch fort.
Dabei fahre ich gleich einkaufen.
Heute früh habe ich im Garten wieder gegossen, weil ich
gestern Abend nicht genug abgestandenes Wasser gehabt habe. Es hatte nur zu
einem Teil gelangt. Die Setzlinge stehen gut. Ich habe jetzt noch alle
Kartoffeln gehäufelt. Vom Gießen wird der Boden an der Oberfläche etwas hart,
das habe ich heute wieder gelockert. Morgen werde ich evtl. die restlichen
Stangenbohnen häufeln.
Du siehst, ich halte alles in Ordnung. Heute Nachmittag habe
ich mich erst wieder mal ans Strümpfe stopfen gesetzt. Mußt Du das auch schon
machen?
Heute ist wieder klarster Himmel und Sonnenschein, nur am
Rand des Horizonts stehen heute zum ersten Mal wieder Gewitterwolken.
Ich lege Dir wieder einen Zeitungsausschnitt bei, der Dich
sicher interessieren wird.
Nun mache ich Schluß, mein lieber, lieber Ernst. Vielleicht
bekomme ich von Dir morgen wieder Post, ich freue mich schon immer drauf. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von
Deiner Annie.
Mein lieber
Ernst! 8.6.40
Damit Du auch merkst, daß Sonntag ist, schicke ich Dir einen
Kuchen. Die Päckchen sind immer 6 Tage gegangen, und so hoffe ich, daß Du bis
Sonntag das Päckchen hast. Ich habe einen Zuckerguß drauf gemacht, damit der
Kuchen nicht austrocknet. Laß ihn Dir gut schmecken. Ich habe ihn mit viel
liebe für Dich gebacken. Viele
herzliche Grüße und Küsse von Deiner Annie.
Lieber Ernst!
Konstanz, 8.6.40.
Nun ist schon wieder der Samstag herangekommen und Du bist
schon 3 Wochen dort. Wie schnell doch die Zeit verfliegt. Meine Tage sind auch
mit Arbeit ausgefüllt und da ist man ganz erstaunt, wenn wieder eine Woche
vorbei ist.
Heute erhielt ich einen Brief von den Eltern. Denke Dir, ich
habe ganz vergessen, nach Leipzig zum Muttertag zu schreiben. Das waren nun die
ersten Tage, wo ich allein war, da habe ich immer nur an Dich gedacht und alles
vergessen. Es ist nun nicht mehr zu ändern und ich werde an die Eltern
entsprechend schreiben.
Siegfried hat am 4. im Brief von den Eltern geschrieben, daß
er am 5. oder spätestens 6. Juni wieder fort kommt. Er ist als GasUffz. in
einem Lazarettzug als Stammpersonal eingeteilt. Da muß er immer von der Heimat
an die Front und wieder zurück fahren.
Kurt fährt am 12., also am Mittwoch 19.40 Uhr wegfahren und
ist 22.12 Uhr in Immendingen. Von da an
geht´s im Sammeltransport weiter.
Ich war heute früh wieder im Garten und habe 44 Weißkraut
gesetzt. Die Setzlinge sind noch etwas klein, aber ich habe es bei den anderen,
die ich vorige Woche gesetzt habe, gesehen,
daß sie sehr gut anwachsen und fest dastehen. Ich habe sie auch sehr gut
angegossen. Die restlichen Stangenbohnen habe ich noch gehäufelt.
Heute Abend kann ich wieder Erdbeeren abnehmen, sie werden
jetzt schnell hintereinander rot. Die Tomatenstöcke haben schon viele Blüten
und auch schon winzige Tomaten. Sie wachsen sehr gut. Auch die Gurken gehen gut
voran. Die Erbsen sind etwas über ½
mtr. hoch. Es wächst alles wirklich gut.
Nun will ich erst mal weiterschaffen, denn am Samstag gibt
es immer zu tun. Ich habe heute auch die Treppe zu putzen.
Es ist Nachmittag ½ 5 Uhr. Der Briefträger ist wieder vorbei,
ohne mir was zu bringen. Ich hoffe auf morgen früh. Ich bringe nun den Brief
auf die Post. Dort ist übrigens jetzt der Eingang soweit fertig. Sie haben eine
Drehtür eingebaut. Inwendig sieht es ja noch etwas wild aus.
Wenn ich jetzt immer in die Stadt fahre, da ist mir schon
aufgefallen, daß sich gegen 5 Uhr so viel Leute auf der Marktstätte einfinden.
Die warten alle auf die Nachrichten, die durch Lautsprecher durchgegeben
werden. Da sind dann alle ganz still.
Nun, lieber Ernst, schließe ich für heute, sonst komme ich
zu spät und bekomme kein Brot mehr.
Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Mein lieber
Ernst! Konstanz, 8.6.40 abends
Heute will ich Dir
einmal ein bißchen von unseren zwei Lausern erzählen.
Daß sie gesund und guter Laune sind, wirst Du ja aus den
Bildern ersehen haben. ½ 8 Uhr früh ist Jörg schon draußen, wenn Helga keine
Schule früh hat, ist sie natürlich auch dabei. Helgas Leidenschaft ist
augenblicklich mal Ball spielen. Das
tut sie mit Begeisterung. Jörg fährt entweder Holländer oder er spielt im
Dreck. Da ich jetzt immer Wasser draußen stehen habe, ist das natürlich eine
gute Gelegenheit, davon etwas an den Sand zu schütten, das gibt dann „Mertel“.
Davon wird dann alles gebaut. Wie er dann heim kommt, das kannst Du Dir denken.
Heute Abend sagte Jörg: „Ich kann den Richard zwingen, daß
er gleich heult, ich kann nämlich Griffe, weißt, ich biege ihm so die Finger
nach hinten, was meinst, wie der heult.“
Dabei hat er so richtig frechfröhlich gelacht.
Heute Abend hat er mit mir Erdbeeren gepflückt, wir hatten
etwas über 1 Pfund. Da war er mit Begeisterung dabei. Wir haben sie heute mit
Milch gegessen, denn unsere Zwei haben
mir keine Ruhe gelassen. Wenn es dann mehr gibt, koche ich natürlich Marmelade.
Helga und Jörg sind schon richtig braun gebrannt, Jörg sogar
noch mehr, weil er in der Wohnung überhaupt nicht zu sehen ist. Helga hat natürlich weniger Zeit, denn wenn
sie Montag und Dienstag von 10.25 (nicht mehr 9.30) Schule hat, 1 Stunde, und Nachmittag
von 1.30 – 3.20 bez. Dienstag um 3 - ½
6, so hat sie nicht viel freie Zeit, da sie ja auch noch Aufgaben machen muß.
Mittwoch hat sie ja mal den ganzen Tag frei.
Beide laufen jetzt immer barfuß, in der Schule natürlich
nicht. Was Jörg nicht so ganz recht ist, das ist das Füßewaschen abends. Er
fragt natürlich auch noch jeden Abend, ob er sich die Zähne putzen muß.
Wenn beide jetzt barfuß gehen, brauche ich natürlich auch
keine Schuhe einzuschmieren und das ist für mich auch eine kleine Erleichterung,
ganz abgesehen davon, daß ja dabei auch keine Strümpfe kaputt gehen.
Das Ausziehen abends und das Anziehen früh geht natürlich
immer noch langsam, vor allen Dingen muß Jörg natürlich immer viel erzählen. Da
muß ich öfter aufmunternd dazwischen fahren. Im Allgemeinen sind sie aber brav
und folgen soweit.
Wenn´s mal nicht geht, da werde ich mal energisch. Heute
sollte mir Jörg z.B. mal die Hacke und den kleinen Schöpfer mit rübertragen, er
wollte aber spiele und hat dann einfach den Schöpfer fallen lassen. Aber da
hat‘s was gesetzt. Als er mir später noch was bringen sollte, ist er ohne
Maulen gleich gesprungen. Also, mit unseren zweien werde ich schon noch fertig
und wie gesagt, im Allgemeinen folgen sie.
Helga und Jörg reden oft von Dir und sie haben sich auch
vorgenommen, Dir morgen etwas zu schreiben und zu malen. Jörg wollte Dir sogar
den ganzen Tag was malen. Der Sonnenschein wird ihn aber bald
hinauslocken. Vielleicht gehe ich
morgen mit Beiden früh ins Kino, die Wochenschau ansehen. Sei also bitte nicht
böse, wenn sie nicht immer was dazu schreiben, sie gehen eben so gern zum
spielen. Ihre Gedanken sind doch oft bei Dir. Dafür schreibe ich Dir ja immer,
denn meine Gedanken sind immer bei Dir. Ich hätte Dich gern einmal hier, um Dir
sagen zu können, wie lieb ich Dich habe. Ich möchte Dir gern tausend
Zärtlichkeiten sagen, nur schreiben kann und will ich das nicht. Du weißt ja
auch so, daß ich Dir gehöre. Manchmal
sehne ich mich danach, Dich neben mir sitzen zu haben und Dein liebes Lächeln
zu sehen, das liebe ich doch so an Dir, das weißt Du doch, nicht wahr. Auch
über Dein Haar würde ich gern streichen oder wieder mal Zöpfe davon flechten.
Das sind alles kleine Sachen, die einem aber so fehlen, es waren halt liebe
Gewohnheiten.
Mich erinnert ja hier im Haus und im Garten alles an Dich
und Deine fleißigen Hände. Siehst Du, eigentlich wollte ich Dir das alles nicht
schreiben, aber Du weißt ja, wenn einem das Herz voll ist. Du bist ja auch der
einzige mit dem ich reden kann und vor allen Dingen auch will. Wir zwei gehören
doch zusammen.
Wenn von Dir Briefe kommen, bin ich den ganzen Tag fröhlich.
Ich warte schon immer auf den Briefträger und wenn ein Brief kommt, ist das
Glück groß.
Nicht wahr, lieber Ernst, wenn Du einmal einen Wunsch hast, so
schreibe ihn. Es ist mir eine Freude, wenn ich Dir etwas zulieb tun kann.
Es ist gleich 10 Uhr und Du wirst schon im Bett liegen.
Vielleicht denkst Du jetzt gerade auch an uns. Schlaf recht gut, mein lieber
Mann, und nimm recht herzliche Grüße
und Küsse von Deiner Annie.
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