Lieber Ernst! 6.6.40
Vielleicht hast Du heute im Radio gehört, daß Schweizer
Gebiet an der Grenze bei Konstanz bombardiert worden ist. Ich wollte Dir erst
gar nicht schreiben, daß wir Alarm hatten, damit Du Dir keine Sorgen machst.
Nun ist es ja gleich. Wir hatten in der Nacht vom 4. zum 5. nun 2- ¼ 4Uhr Fliegeralarm. Über uns ist auch ein Flieger weggeflogen,
man hat es auch bumsen hören, aber wir haben gedacht, die Schweizer schießen.
Am nächsten Tag haben wir gehört, daß bei Tägerwilen Bomben gefallen sein
sollen. In den Rhein bei der Stadtmiste sollen auch welche gefallen sein, aber
das weiß ich nicht bestimmt. Bis jetzt ist wieder alles ruhig gewesen.
Nun mach Dir aber um uns keine Sorgen. Ich habe es Dir nur
geschrieben, weil es im Radio bekannt gegeben wurde und Du Dir‘s nicht
schlimmer vorstellst als es war.
Heute Nachmittag kamen Deine beiden Briefe vom 2. und 3.6.
Da ist mir gleich ein großer Stein vom Herzen gefallen. Gott sei dank bist Du
doch gesund. Du hast dort ja allerhand
zu tun, da glaube ich gern, daß Du redlich müde abends bist. Es hat mich recht
gefreut, daß die Blumen noch soweit frisch waren, so ist es doch ein kleiner
Gruß gewesen.
An das Getrenntsein haben wir uns schon soweit gewöhnt, aber
ich habe doch oft Sehnsucht nach Dir, wie wäre es auch anders möglich.
Es ist doch eigenartig, daß manche Tschechen noch so
gehässig sind, die sollten doch froh sein, daß sie so gut davon gekommen sind.
Da ist es aber wie bei Kindern, ehe sie nicht fest drauf gekriegt haben werden
sie nicht gescheit. Nur sind Kinder nicht so bösartig.
In den Film gehe ich von jetzt ab nicht mehr, ich habe nicht
die Ruhe, abends von den Kindern fortzugehen, auch wenn Vater da ist. Ich habe
ja die Verantwortung für die Kinder und ich möchte da auch bei ihnen sein.
Vielleicht schaue ich mir mal wieder vormittags mit den Kindern die Wochenschau
an.
Vater hat sich wieder erholt, er schafft nach wie vor
fest. Die Leute über uns sind bis jetzt
sehr nett und ruhig, das ist die Hauptsache.
Das habe ich mir denken können, daß der Uhink wieder Unsinn geschwätzt
hat, das macht der ja gern. Da sieht man aber, was für dummes Zeug geredet
wird.
Jetzt muß ich wieder ziemlich gießen, denn es ist
Sonnenschein und ziemlich windig. Der Wind trocknet alles aus. Vor allen Dingen
halte ich die Gurken feucht, aber auch die anderen Sachen gieße ich immer.
Gestern Abend habe ich 200 g Erdbeeren geerntet. die haben wir heute gegessen.
Helga hat schon gefragt, ob wir Dir nicht ein paar schicken könnten, das geht
ja nun leider nicht. Sie sagte, sicher haben sie dort auch einen Garten, wo sie
Erdbeeren haben.
Ich bin ganz glücklich, daß ich wieder Post von Dir habe, da
sieht die Welt gleich viel lustiger aus.
Wir essen jetzt gleich
Abendbrot, dann schaffe ich den Brief noch weg, damit Du ihn bald
erhältst. Sei für heute recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner
Annie.
Lieber Vater! Wir haben schon lang auf einen Brief
gewartet und waren so froh, daß heute gleich 2 Briefe gekommen sind. Ich bin
jetzt den ganzen Nachmittag unten gewesen, weil so schönes Wetter ist. Sei herzlich gegrüßt und gekußt von Deiner
Helga. Jörg.
Lieber Ernst! 6.6.40
Ich lege hier keinen Brief bei, weil Du ihn sonst so spät
bekommst. Ich weiß, daß Du Zimtsterne so gern ißt und habe Dir ein paar
gebacken. Ich habe Mandeln dagehabt und die kosten ja keine Marken, also kannst
Du gar nicht schimpfen. Laß Dir sie recht gut schmecken. Recht viel herzliche Grüße und Küsse von
Deiner Annie.
Lieber Ernst!
6.6.1940
Ich wollte Dir doch eine Freude machen und hatte vor ein
paar Tagen unsere Wohnung photografiert, davon waren aber nur die 2 Bilder von
der Stube und das Schlafzimmer ein bißchen etwas geworden. Das hat mich aber
nicht befriedigt und so habe ich es nochmals versucht. Die beiliegenden Bilder
sind das Ergebnis. Ich möchte Dir doch Dein Heim wenigstens im Bild nahe
bringen. Zwei Bilder von den Kindern sind auch noch dabei. Die Bilder, die ich
Dir vor ein paar Tagen geschickt habe, wirst Du inzwischen erhalten haben.
Hoffentlich habe ich Dir mit den Bildern auch wirklich eine kleine Freude
gemacht.
Ich möchte Dir gern Liebes tun, wo ich nur kann.
Heute war wieder hellster Sonnenschein und auch jetzt , es
ist ½ 10 Uhr, ist ganz klarer Himmel und ich kann noch ohne Licht
schreiben.
Kurt war vorhin mal einen Moment hier, er ist aber gleich
wieder fort zum schlafen gegangen, weil er morgen eine Stunde zeitiger im
Geschäft anfangen muß.
Mit Eiern werden wir jetzt gut versorgt, gestern haben wir
pro Person 5 Stück bekommen. Ich habe gleich wieder welche eingelegt.
Nun muß ich Dir noch etwas schreiben. Ich habe doch das
kleine Schränkchen von Dir für die Eßwaren. Nun kommt doch keine Luft zu den
Sachen und wir haben uns doch immer überlegt, was wir da machen.
Evtl. wollten wir doch in der Rückwand Löcher aussägen und
Drahtgaze davor nageln. Nun habe ich mir die Sache hin und her überlegt, denn
wenn es nun wieder heiß wird mußte etwas geschehen, da konnte ich doch nicht
mehr den Schrank öfter offen lassen, wenn jetzt die Fliegen kommen.
Nun bin ich auf eine Idee gekommen, höre und staune.
Ich habe bei der Türfüllung die Leisten vorsichtig entfernt,
habe die Türfüllung herausgenommen und statt dessen Drahtgaze dahinter
genagelt. Hinter die Gaze habe ich einen schönen Vorhang gespannt, jetzt sieht
es prima aus, als wäre Glas davor. Nun kommt genug Luft dazu, wir haben nichts
aussägen brauchen und die Türfüllung kann man jederzeit mit ein paar einfachen
Hammerschlägen wieder einsetzen.
Was sagst Du nun?
Mir war es zu schade, etwas auszusägen.
Ich muß gerade staunen, was Ihr alles putzen müßt, wenn ich
könnte, würde ich Dir gern einen Teil davon abnehmen, auch das Stiefel putzen.
Das ist doch nicht Deine Lieblingsbeschäftigung, oder hat
sich das geändert?
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