Montag, 15. Juni 2015

Brief 18 vom 15.6.1940


Mein lieber Ernst!                                                               Konstanz, 15. Juni 40.

Heute vor einem Monat bist Du von uns fort gefahren. Schon ein ganzer Monat.
Du hast ja schon viel in der Zwischenzeit leisten müssen. Bist Du nicht schon recht verbrannt? Zum Ausruhen bist Du bestimmt nicht gekommen.
Ich wartete heute auf einen Brief von Dir, aber es kam keiner. So weiß ich nun nicht, ob du noch in Ung. Hradisch bist. Ich hoffe es aber und schreibe Dir dorthin. 
Ich habe bis jetzt 15 ½ Pfund Erdbeeren geerntet, aber noch nicht viel eingekocht, weil mir der Zucker fehlt. Ich möchte doch wenigstens die Stachelbeeren einmachen. Wir haben öfter Erdbeeren mit Milch gegessen, da kann ich zum Süßen Süßstoff nehmen.
Morgen hole ich wieder Kohlrabi vom Garten. Das schmeckt immer besser, als wenn man‘s kauft. Es hat in den letzten Tagen immer mal geregnet, da ist auch alles gleich gewachsen, natürlich auch das Unkraut.
Am Montag muß ich mich wieder mal ans ausrotten machen, sonst hat man gleich wieder mehr Unkraut als Gemüse da.
Vater hat sich vorgestern auch Setzlingen von uns geholt. Ich habe auch Frau Nußbaumer welche gegeben und habe dafür Setzlinge von Blumen bekommen. Es sind aber immer noch genug Setzlinge da.
Heute bekam ich von den Eltern wieder einige Zeitungen. Sie schrieben kurz dazu, daß sie von Dir einen Brief bekommen haben.  Kurt hat mir für’s Wäsche waschen noch 2 Marken gegeben. 
Am Montag schreibe ich an Dora und lege ein paar Bilder von den Kindern bei. Hat Dir Dora schon geschrieben und was?
Von Siegfried habe ich noch keine Nachricht.
Ich lege Dir heute noch den Brief von den Eltern bei.  Ich schicke Dir noch ein paar Bilder mit. Ich habe erst sehen müssen, ob sie etwas geworden sind, drum schreibe ich das noch auf der Post.
Mich hat Kurt photografiert. Sei nun recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.


 Mein lieber Ernst!                                                                    Konstanz, 15.6.40

Vorhin habe ich einen Brief mit Bildern an Dich abgeschickt.  Gefallen sie Dir?
Ich habe mir rechte Mühe gegeben, damit ich Dir auch was Rechtes schicken kann. Ich hatte Kurt gebeten, mich noch zu pfotografieren, ehe er fortfuhr.  Ich wollte Dir doch gern noch ein schönes Bild von mir schicken. Es ist doch ganz gut gelungen. Du sollst mich doch auch vor Augen haben, damit Du mich nicht vergißt. Das tust Du doch nicht, gell? Ich denke ja auch nur an Dich. 
Vorhin hat es wieder Sondermeldungen gegeben, daß das Vaux genommen, daß Stadt und Zitadelle Verdun in deutscher Hand ist und daß die Maginotlinie in breiter Front bei Saarbrücken durchbrochen wurde. Das sind große Erfolge, die nur durch übermenschliche Leistungen unserer Soldaten, zu denen Du ja nun auch gehörst, erreicht werden konnten. Man lernt an Wunder glauben, denn ist es kein Wunder, daß unsere Soldaten unermüdlich marschieren, kämpfen, stürmen.
1918 war ich ja erst 7 Jahre alt und habe noch nicht viel begriffen, aber heute kommt es einem so recht zum Bewusstsein, wie bitter, wie furchtbar bitter es für unsere Soldaten gewesen sein muß, als sie nach 4 Jahre Kampf heimkehrten und mit Verhöhnung und Verachtung empfangen wurden.
Auch das ist ein Wunder, daß sie dennoch die Energie aufbrachten, weiter um Deutschland zu ringen. Dieses Ende wie 1918 darf nie wieder vorkommen und wird auch bei unserer Führung nicht vorkommen, denn jetzt haben wir auch Männer und keine Hampelmänner in der Regierung.
Und dann vor allen Dingen unser Führer, den wir alle lieben und verehren. 
Als ich heute die Meldung von Verdun kam, habe ich wieder an das Buch „Sieben vor Verdun“ denken müssen, welches ich vor geraumer Zeit erst wieder gelesen habe. Wie lange haben wir da nur um Verdun gekämpft, 10 Monate, von Februar bis November 1916 und der Erfolg war uns  doch versagt. Wie anders ist das heute. Und wenn man denkt, welche Hoffnungen die Franzosen auf die  Maginotlinie  gesetzt hatten. Wir haben sie doch durchbrochen.
 
Sonntag, 16.6.      9 Uhr

Mein lieber Ernst! 
Eben sind 2 Briefe, vom 11. + 12. von Dir gekommen. Ich beantworte sie Dir heute Nachmittag.
Wir gehen jetzt die Wochenschau ansehen. 
Sei Einstweilen herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.


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