Mein lieber Ernst!
Konstanz, 15. Juni 40.
Heute vor einem Monat bist Du von uns fort gefahren. Schon
ein ganzer Monat.
Du hast ja schon viel in der Zwischenzeit leisten müssen.
Bist Du nicht schon recht verbrannt? Zum Ausruhen bist Du bestimmt nicht
gekommen.
Ich wartete heute auf einen Brief von Dir, aber es kam
keiner. So weiß ich nun nicht, ob du noch in Ung. Hradisch bist. Ich hoffe es
aber und schreibe Dir dorthin.
Ich habe bis jetzt 15 ½ Pfund Erdbeeren geerntet, aber noch
nicht viel eingekocht, weil mir der Zucker fehlt. Ich möchte doch wenigstens
die Stachelbeeren einmachen. Wir haben öfter Erdbeeren mit Milch gegessen, da
kann ich zum Süßen Süßstoff nehmen.
Morgen hole ich wieder Kohlrabi vom Garten. Das schmeckt
immer besser, als wenn man‘s kauft. Es hat in den letzten Tagen immer mal
geregnet, da ist auch alles gleich gewachsen, natürlich auch das Unkraut.
Am Montag muß ich mich wieder mal ans ausrotten machen,
sonst hat man gleich wieder mehr Unkraut als Gemüse da.
Vater hat sich vorgestern auch Setzlingen von uns geholt.
Ich habe auch Frau Nußbaumer welche gegeben und habe dafür Setzlinge von Blumen
bekommen. Es sind aber immer noch genug Setzlinge da.
Heute bekam ich von den Eltern wieder einige Zeitungen. Sie
schrieben kurz dazu, daß sie von Dir einen Brief bekommen haben. Kurt hat mir für’s Wäsche waschen noch 2
Marken gegeben.
Am Montag schreibe ich an Dora und lege ein paar Bilder von
den Kindern bei. Hat Dir Dora schon geschrieben und was?
Von Siegfried habe ich noch keine Nachricht.
Ich lege Dir heute noch den Brief von den Eltern bei. Ich schicke Dir noch ein paar Bilder mit.
Ich habe erst sehen müssen, ob sie etwas geworden sind, drum schreibe ich das
noch auf der Post.
Mich hat Kurt photografiert. Sei nun recht herzlich gegrüßt
und geküßt von Deiner Annie.
Mein lieber
Ernst! Konstanz, 15.6.40
Vorhin habe ich einen Brief mit Bildern an Dich
abgeschickt. Gefallen sie Dir?
Ich habe mir rechte Mühe gegeben, damit ich Dir auch was
Rechtes schicken kann. Ich hatte Kurt gebeten, mich noch zu pfotografieren, ehe
er fortfuhr. Ich wollte Dir doch gern
noch ein schönes Bild von mir schicken. Es ist doch ganz gut gelungen. Du
sollst mich doch auch vor Augen haben, damit Du mich nicht vergißt. Das tust Du
doch nicht, gell? Ich denke ja auch nur an Dich.
Vorhin hat es wieder Sondermeldungen gegeben, daß das Vaux
genommen, daß Stadt und Zitadelle Verdun in deutscher Hand ist und daß die
Maginotlinie in breiter Front bei Saarbrücken durchbrochen wurde. Das sind
große Erfolge, die nur durch übermenschliche Leistungen unserer Soldaten, zu
denen Du ja nun auch gehörst, erreicht werden konnten. Man lernt an Wunder
glauben, denn ist es kein Wunder, daß unsere Soldaten unermüdlich marschieren,
kämpfen, stürmen.
1918 war ich ja erst 7 Jahre alt und habe noch nicht viel
begriffen, aber heute kommt es einem so recht zum Bewusstsein, wie bitter, wie
furchtbar bitter es für unsere Soldaten gewesen sein muß, als sie nach 4 Jahre
Kampf heimkehrten und mit Verhöhnung und Verachtung empfangen wurden.
Auch das ist ein Wunder, daß sie dennoch die Energie
aufbrachten, weiter um Deutschland zu ringen. Dieses Ende wie 1918 darf nie
wieder vorkommen und wird auch bei unserer Führung nicht vorkommen, denn jetzt
haben wir auch Männer und keine Hampelmänner in der Regierung.
Und dann vor allen Dingen unser Führer, den wir alle lieben
und verehren.
Als ich heute die Meldung von Verdun kam, habe ich wieder an
das Buch „Sieben vor Verdun“ denken müssen, welches ich vor geraumer Zeit erst
wieder gelesen habe. Wie lange haben wir da nur um Verdun gekämpft, 10 Monate,
von Februar bis November 1916 und der Erfolg war uns doch versagt. Wie anders ist das heute. Und wenn man denkt,
welche Hoffnungen die Franzosen auf die
Maginotlinie gesetzt hatten. Wir
haben sie doch durchbrochen.
Sonntag, 16.6. 9
Uhr
Mein lieber Ernst!
Eben sind 2 Briefe, vom 11. + 12. von Dir gekommen. Ich
beantworte sie Dir heute Nachmittag.
Wir gehen jetzt die Wochenschau ansehen.
Sei Einstweilen herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner
Annie.
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