Mein lieber Ernst! 18.6.40
Ich weiß gar nicht, ob ich den Brief wegschicken soll, denn
wenn Du nicht mehr dort sein solltest, ging es ja lang, bis Du ihn
nachgeschickt erhältst.
Wir hatten erst gedacht, daß Du vielleicht ein Telegramm
schicken würdest, wenn Du dort fort kommst. Aber Du weißt ja sicher gar nicht,
daß das Telegramm zuerst zu mir gekommen ist.
Ich bin wirklich gespannt, wie sich die Sache entwickelt
hat.
Heute habe ich im Garten an den Kohlrabi Raupen vernichtet.
Das mache ich ja nun am liebsten.
Von den Eltern habe ich heute wieder ein paar Zeitungen
geschickt bekommen. Am 12. wurden sie weggeschickt und am 18. sind sie
angekommen. Da brauchen die Päckchen von Dir sicher etwas länger.
½ 5 Uhr.
Ich komme gerade vom Garten, wo ich Braunkohl und Rosenkohl
gesetzt habe, Braunkohl 20 Stück, Rosenkohl ein paar mehr. Ich möchte da
vielleicht noch ein paar setzen, aber ich muß erst wieder Platz haben.
Unkraut habe ich auch vertilgt. Die Setzlinge von dem Braun
und Rosenkohl sind schon so groß, daß ich sie setzen mußte.
Also, ich wage es und schicke den Brief fort.
Sei nun, lieber, lieber Ernst, recht vielmals gegrüßt und
geküßt von Deiner Annie.
Mein lieber, lieber Ernst! Konstanz, 19.6.40
Heute früh kamen Deine lieben 5 Päckchen an.
Da muß ich direkt in den heimatlichen Dialekt verfallen und
Dir sagen: Menschenskind, Du bist ja närrsch, Dir solche Ausgaben zu machen. Da
brauchte ich mich nicht wundern, wenn Du mich anpumpen müßtest. Pumpe nur, aber
ich verlange ungeheure Zinsen. Unter 100 Küssen pro Mark kommst Du nicht davon.
Schreckt Dich das nicht ab?
Als der Briefträger heute früh mit den 5 Päckchen erschien,
umwehte ihn eine Wolke von Käseduft, der alles andere verdeckte. Ich habe
direkt lachen müssen.
Also, lieber Ernst! Ich habe mich über alles riesig gefreut,
besonders schön ist die Pralinen Bastschachtel. Ich mache sie nicht gleich auf,
denn schon das Anschauen ist ein Genuß. Von der Schokolade haben wir schon
versucht.
Zur Tröstung für das Haarschneiden habe ich sie heute auch
schon verwendet. Nimm recht herzlichen Dank von uns entgegen, Du lieber
Kerl.
Auch Dein Brief vom 13.6. ist gekommen, das wirst Du ja
schon bald auch meiner Andeutung wegen des Pumpens ersehen haben. Ich habe
daraus auch ersehen, daß Du jetzt öfter Ausgang hast. Das wirst Du ja dankbar
begrüßen.
Wie wird es jetzt sein.
Ob du schon dort fort bist. Wenn ja, ist es Dir da nicht ein bißchen
schwer gefallen, von Deinen Kameraden fortzugehen?
Frau Meßmer, die von der NSV sammelt, läßt Dich grüßen. Ihr
einer Sohn ist bei den Stukas, ihre Tochter bei dem Roten Kreuz. Bei Wettsteins uns gegenüber war vorgestern
eine Frau. Die hat sich nach deren Sohn erkundigt, ob sie Nachricht haben. Als
sie sagten, längere Zeit jetzt nicht, sagte sie, so im Wegfahren, sie habe
gehört, er solle gefallen sein. Ist das nicht eine Gemeinheit. Du kannst Dir
denken, was die sich jetzt für Sorgen machen.
Bei den Leuten über uns, Leimenstolls, ist jetzt der Mann
auf Urlaub gekommen. Nach dem Aussehen zu schließen, ist es ein ganz
anständiger Mann, man hört und sieht nicht viel von ihm. Er ist beim Zoll, jetzt in Polen.
Ich war heute beim Zahnarzt. Er hat den Zahn heute
fertiggemacht. Jetzt hat es nicht ein bißchen mehr weh getan. Mal sehen, wie
lange es hält, evtl. muß man eine Krone
drüber machen.
Deine Unterhosen usw. habe ich heute mit gewaschen. Da sieht
man, wie Ihr mit den Knien im Dreck gelegen seid. Soll ich Dir Hemd, Hose und
Taschentücher wieder zuschicken?
Ich wollte Dir auch wieder einen Kuchen schicken, aber da
ich nicht weiß, ob Du noch in Hradisch bist, laß ich es vorerst lieber.
Mein lieber Mann, ich danke Dir nochmals für alle die
gesandten schönen Sachen und gebe Dir im Geist recht herzliche Küsse.
Sei nun für heute herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner
Annie.
Mein lieber, lieber
Vater! Ich hab mich sehr gefreut auf Deine Päckchen, daß gleich 5 angekommen
sind. Die Schokolade schmeckt gut. Ich bin stolz auf Dich. Das habe ich nicht
gewußt, daß Du im Krieg so viel schicken kannst. Jetzt grad ist ein Flieger vorbei gefahren, der war schön. Sei
herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Helga. Jörg.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen