Samstag, 15. April 2017

Brief 314 vom 12./13./14./15.04.1942


12.4.

Daß ich zwei Tage keine Post bekam, das hat sich ja nun dadurch erklärt, dass du zwei Tage hattest nicht schreiben können. Dafür erhielt ich aber heute, am Sonntag, gleich drei Briefe von dir, vom 5., 6. und 7. Am Karfreitag und Samstag bist du ja bei dem Reichsdeutschen scheinbar gut aufgenommen worden. Und zu essen hast du also reichlich bekommen. Das wird dir gut getan haben.
Arbeit habe ich jetzt schon ziemlich viel. Es ist im Garten eben die arbeitsreichste Zeit. Abends bin ich immer sehr müd´. Aber das macht nichts, und überanstrengen tue ich mich nicht, ich mache lieber jeden Tag etwas. Da werde ich auch fertig.
Ich werde nun doch in den nächsten Tagen schon Erbsen säen. Ende April kann ich ja noch mal welche rein tun. Ich hoffe, dass sie nicht erfrieren. Sehr freut es mich, dass du noch Sämereien bekommen hast. Da bin ich nicht so knapp damit.
Mit dem film „Die schwedische Nachtigall“ täuschst du dich. Den habe ich noch nicht gesehen. Du hast mir nur davon erzählt. Das macht ja aber nichts, wenn er dir nur gefallen hat.
Ich würde es an deiner Stelle auch nicht bereuen, dass du deine Arbeit immer gewissenhaft gemacht hast. Wie es die anderen machen, muss dich ja nicht kümmern.
Heute bin ich zuhause geblieben. Es ist in der Woche durch den Garten doch manches liegen geblieben. Einen Teil habe ich nun aufgearbeitet. Und ausruhen will ich mich auch noch. Damit ich wieder frische Kraft habe.
Bis jetzt waren Helga und Jörg hinterm Haus. Sie haben den Liegestuhl dabei. Jörg lässt sich noch von der Sonne bescheinen, während Helga gerade herauf gekommen ist und noch ein bisschen liest. Es ist jetzt kurz vor 6 Uhr.
Ich habe vorhin mit schreiben aufgehört und das Abendessen fertig gemacht. Dann habe ich noch etwas gebügelt und ausgebessert. Später sind die Kinder in´s Bett gegangen und ich habe noch in den Brüsseler Zeitungen gelesen. Es ist nun 10 Uhr geworden und ich gehe schlafen.

13.4.

Mein liebster Ernst !

Ich erhielt deinen lieben Brief vom 8.4., in dem du mir mitteilst, dass du nun bestimmt gestern weggefahren bist und heute Mittag in Marburg ankommst. Es war also doch richtig, dass ich nicht mehr nach Frankreich geschrieben habe. Nun werde ja auch ich bald erfahren, wo du hinkommst.
Ich hatte schon immer gedacht, ob du vielleicht noch einmal kurz Urlaub erhältst, damit wir uns noch einmal sehen. Wir hätten uns ja sehr gefreut, aber ich sehe auch ein, dass es für dich eine zu große Anstrengung gewesen wäre, um des einen Tages willen so lange auf der Bahn zu liegen.
Ich habe auch schon immer daran gedacht, dass ich noch gut Geld hätte hinschicken können. Aber man hat ja nicht gewusst, wann du fort musst. Jetzt lässt es sich ja sowieso nicht mehr ändern.
Über die Bilder hat sich Kurt schon gefreut. Er schrieb dazu: „Da sieht man doch, wer säuft.“
Über dein Lob wegen dem Handarbeiten hat sich Helga sehr gefreut. Am liebsten würde sie dir den Waschlappen zur Ansicht zuschicken. Ich habe ihr aber abgeraten.
Von Papa erhielt ich ein kleines Zeitungspäckchen vom 4.4. und ein kleines Päckchen mit 9 Abzeichen vom Sonntag. Er schreibt dazu, dass er hofft, und damit eine Freude zu machen. Auf meinen und deinen Brief komme er in den nächsten Tagen zurück.
Heute habe ich am Vormittag noch das restliche Stück im großen Garten umgegraben und Erbsen rein getan. Erst mal einen Beutel.

14.4.

Gestern Abend kam Vater und brachte uns den ersten Maikäfer mit. Er war ihm unterwegs angeflogen. Die Kinder haben ihn gleich in eine Schachtel gepackt. Ich muss mich immer erst wieder an das Viehzeug gewöhnen. Zuerst ekle ich mich immer wieder davor.
Vater hat einen Brief an Kurt geschrieben und ihm das Verwundetenabzeichen geschickt. Ich habe Grüße unter den Brief geschrieben und ihn heute als Einschreiben weggeschickt.
Heute Vormittag wollte ich zum Exerzierplatz fahren und wegen Tee nachfragen. Unterwegs kam ich aber nicht weiter, denn es stand ein Posten am Weg, da Scharfschießen war. So bin ich zu unserer Schlüsselblumenwiese gefahren. Aber dieser Tee ist noch nicht da. Also habe ich noch ein paar Zapfen gesucht und bin wieder heimgefahren. Am Nachmittag gehe ich nun mit den Kindern zum Exerzierplatz. Finden wir keinen Tee, so doch bestimmt Zapfen. Und schon allein auf den Wald freuen sich die Kinder.
Durch das Radio brauche ich doch jetzt ziemlich mehr Strom, als sonst. Sonst bin ich, außer in den Wintermonaten, nie auf 10 Kw gekommen. Diesmal waren es 18 Kw. Da ich glaube, dass ich bestimmt 10 brauche, sagte heute der Ableser, dass er verbilligten strom zu 8 Pfg. statt 43 Pfg. beantragen würde. Ich brauche also ab heute nur eine Grundgebühr von 3.10 Rm. (6 Lichtmarken) zu zahlen. Die Kw darüber kosten mich je nur 8 Pfg. Ich komme da bestimmt besser weg, denn diesmal machte es über 7 Mk. aus. Nach dem neuen Tarif wären es nur ca. 4 Mk. gewesen.

15.4.

Mein lieber Ernst! Eigentlich wollte ich gestern noch weiter schreiben, aber ich bin nicht mehr dazu gekommen. Am Nachmittag sind wir doch gleich ¾ 2 Uhr in den Wald gegangen. Wir hatten Glück und haben beide Kinderrucksäcke voll Lungenkraut heimgebracht. Wir haben aber auch alles gepflückt, was wir gesehen haben. Es hat Freude gemacht. Nach der Arbeit haben wir uns in die Sonne gesetzt und noch etwas gegessen, denn der Weg und das Pflücken machen Hunger. Ich hatte von Ostern gebackene Eier und Zwieback mit. Auf dem Heimweg haben wir etwas Erbsenreisig mitgenommen. Viel Freude hat es Jörg gemacht, dass er ca. 25 Patronenhülsen und einen Patronenschieber gefunden hat. Im Ganzen hat er jetzt 137 Hülsen. Die möchte er mal abgeben, wenn wieder mal eine Metallsammlung zum Führergeburtstag wär´.
Um 6 Uhr waren wir wieder daheim. Ich habe dann im Garten hinterm Haus die Erdbeeren geharkt. Später haben wir dann Abendbrot gegessen und dann bin ich an´s Tee schneiden gegangen. Hinterher bin ich dann gleich in´s Bett gegangen. Heute wollte ich am Morgen hinterm Haus umgraben, aber es weht so ein kalter Wind, dass ich´s noch aufgeschoben habe. Vielleicht ist´s am Nachmittag besser.
Es ist nun inzwischen Abend geworden und ich will weiterschreiben. Am Vormittag habe ich für Helga einen Roch genäht. Am Nachmittag habe ich den kleinen Garten umgegraben. Nun brauche ich in kurzer Zeit nur noch die Kartoffeln rein tun. Das wäre erst mal das Wichtigste.
Zwei Briefe habe ich von dir bekommen, vom 9. und 10. Ich danke dir sehr dafür. Also hast du es noch mal hingehen lassen, dass ich dir nicht rechtzeitig meine Wünsche zum Osterfest geschrieben habe. Das ist sehr lieb von dir und du verdienst direkt einen Kuß.
Von Zwiebeln werde ich also einige zu Samen stehen lassen. Ich hatte schon daran gedacht. Da hat man wenigstens für nächstes Jahr etwas.
Die Anschrift von Siegfried lautet: Leichtkrankenzug 2675, über Sa.-Lehrabteilung, Berlin-Reinickendorf, Tegeler weg.
Ich glaube dir gern, dass dir die Änderung, das Fortgehens von Frankreich nicht leicht fällt. Du bist eben doch schon ziemlich lange dort und man gewöhnt sich ein. Ich denke immer an dich, wo du wohl jetzt sein wirst. Denn seit 2 Tagen bist du doch schon von Frankreich fort. Ob du schon wieder auf Fahrt bist? Ich warte immer auf Nachricht von Dir und hoffe, sie wird nicht mehr lange auf sich warten lassen.
Etwas wollte ich dir noch schreiben, was dich sicher auch freuen wird. Als ich heute vom Garten kam, war ich natürlich ziemlich müde. Als ich nun in die Wohnung kam, gab es gleich eine Überraschung. Helga hatte schon Teller und Besteck, sowie Tassen und Brot, Butter und Käse hingestellt (übrigens noch der letzte von dir.) Und sogar die Bratkartoffeln hatte sie fertig gemacht. Die Kartoffeln geschält, geschnitten und gebraten. Auch Salz hatte sie richtig dran getan. Helga war sehr stolz auf ihr Werk und ich habe mich wirklich sehr gefreut. Das war doch lieb von ihr, nicht wahr?

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