Montag, 3. April 2017

Brief 305 vom 31.3.1942


Mein liebster Ernst !                                                              Konstanz, 31.3.42          

Auch heute bekam ich keinen Brief von Dir, wohl aber die bisher noch fehlenden Päckchen Nr. 21, 23 und 26. Ich danke dir wieder sehr dafür. Die Butter ist auch noch gut angekommen, so daß wir etwas davon essen können, und das andere lasse ich aus. Da habe ich immer noch etwas Reserve. Freuen würde ich mich, wenn ich morgen wieder einen Brief von dir bekäme. Der letzte Brief vom 24. war ja etwas länger, aber deshalb bekomme ich gern am anderen Tag wieder einen. Das ist mir doch das schönste des ganzen Tages.
Von Papa bekam ich heute zwei Pakete mit Zeitungen, Romanen, 1 Buch „Narvik“ (das habe ich beim Gess für 4.80 gesehen) 2 guten Bettüchern von Mama, mehreren Heften mit Schreibpapier, 1 Stahllineal für die Kinder, Leibwäsche und 1 paar Turnschuhe von Mama.
Von Frau Diez kam ein Malheft für Jörg zu Ostern. Ich werde ihr zu Ostern auch noch kurz schreiben.
Gestern Abend kam Vater und brachte für Kurt 2 Stollen und ¼ Pralinen, die ich ihm verpackt und heute auf die Post gebracht habe. Vater bat mich auch, dass ich ihm noch die Miete bezahle, die Rente hole und das Geld vom Los, mit dem er mit dem Einsatz herausgekommen ist, abhole. Ich fahre nun heute Nachmittag noch mal in die Stadt, denn ich hatte mir nicht überlegt, dass das Lotteriegeschäft erst von 11 Uhr auf hat. Ich wollte heute auch bei der Krankenkasse die 75 Pfg. bezahlen, da wurde mir gesagt, dass das ab 1.Januar auch vom Reich bezahlt wird. Da habe ich für die ersten drei Monate sogar 2,25 zurück gezahlt bekommen. Das lässt man sich doch gefallen, nicht wahr?
Vater hat das Radio gestern Abend auch sehr gut gefallen. Ich bin ja auch ganz begeistert davon  und kann gar nicht genug hören. Jörg und Helga sagen auch immer wieder „das haben wir noch nie so schön gehört, wie man die Trommeln gut hört, wie man die Geige gut hört“ usw. Und viele Sender bekomme ich. Außer allen Deutschen Sendern den Soldatensender Paris, Belgrad und noch andere. Ich bin wirklich ganz begeistert.
Vater sagte mir gestern, dass das Mädel von Schmidts, die neben ihm wohnen, vor drei Wochen in aller Stille geheiratet habe. Außerdem heirate der junge Berger. Ich weiß nicht, ob du ihn noch kennst. Ich kann mich nicht mehr so erinnern. Er wohnt ja auch in der Rundburgstraße.
Wie Papa heute schrieb, ist der Arno Heller, der früher neben uns wohnte, gefallen. Er ist in Siegfrieds Alter gewesen. Das tut mir wirklich leid. Ich habe ihn zwar nur noch als Kind gekannt, aber da war er ein netter Junge und immer fröhlich. Auch der sohn von Frau Auerswald ist gefallen. Vielleicht kennst du ihn noch. Der Bruder von dem Arno Heller scheint auch schon gefallen zu sein, denn unter den angehörigen, die bei der Todesanzeige mit drin stehen, wäre nur der Name von dessen Frau dabei, schreibt Papa. So etwas ist auch schwer.
Bei Helga geht doch das Stricken und Häkeln immer etwas langsam. Nun tut sie es aber gern, darum geht sie jetzt schon öfter freiwillig mit in andere Klassen, die Handarbeiten haben, um richtig mitzukommen. Heute auch wieder. Sie hofft, heute mit ihrem gestrickten Waschlappen fertig zu werden. Gestern kam sie ganz stolz heim, weil die Lehrerin ihr über´s Haar gestrichen und sie gelobt hatte, weil sie so fleißig sei und gleich fertig sei. Ich freue mich auch, dass sie mit solchem Eifer dabei ist und nicht einfach alles hängen lässt.
Nun laß mich wieder schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküsst von Deiner Annie.

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