Mein liebster Ernst ! Konstanz,
31.3.42
Auch heute bekam ich keinen Brief von Dir, wohl aber die
bisher noch fehlenden Päckchen Nr. 21, 23 und 26. Ich danke dir wieder sehr
dafür. Die Butter ist auch noch gut angekommen, so daß wir etwas davon essen
können, und das andere lasse ich aus. Da habe ich immer noch etwas Reserve.
Freuen würde ich mich, wenn ich morgen wieder einen Brief von dir bekäme. Der
letzte Brief vom 24. war ja etwas länger, aber deshalb bekomme ich gern am
anderen Tag wieder einen. Das ist mir doch das schönste des ganzen Tages.
Von Papa bekam ich heute zwei Pakete mit Zeitungen, Romanen,
1 Buch „Narvik“ (das habe ich beim Gess für 4.80 gesehen) 2 guten Bettüchern
von Mama, mehreren Heften mit Schreibpapier, 1 Stahllineal für die Kinder,
Leibwäsche und 1 paar Turnschuhe von Mama.
Von Frau Diez kam ein Malheft für Jörg zu Ostern. Ich werde
ihr zu Ostern auch noch kurz schreiben.
Gestern Abend kam Vater und brachte für Kurt 2 Stollen und ¼
Pralinen, die ich ihm verpackt und heute auf die Post gebracht habe. Vater bat
mich auch, dass ich ihm noch die Miete bezahle, die Rente hole und das Geld vom
Los, mit dem er mit dem Einsatz herausgekommen ist, abhole. Ich fahre nun heute
Nachmittag noch mal in die Stadt, denn ich hatte mir nicht überlegt, dass das
Lotteriegeschäft erst von 11 Uhr auf hat. Ich wollte heute auch bei der
Krankenkasse die 75 Pfg. bezahlen, da wurde mir gesagt, dass das ab 1.Januar
auch vom Reich bezahlt wird. Da habe ich für die ersten drei Monate sogar 2,25
zurück gezahlt bekommen. Das lässt man sich doch gefallen, nicht wahr?
Vater hat das Radio gestern Abend auch sehr gut gefallen.
Ich bin ja auch ganz begeistert davon
und kann gar nicht genug hören. Jörg und Helga sagen auch immer wieder
„das haben wir noch nie so schön gehört, wie man die Trommeln gut hört, wie man
die Geige gut hört“ usw. Und viele Sender bekomme ich. Außer allen Deutschen
Sendern den Soldatensender Paris, Belgrad und noch andere. Ich bin wirklich
ganz begeistert.
Vater sagte mir gestern, dass das Mädel von Schmidts, die
neben ihm wohnen, vor drei Wochen in aller Stille geheiratet habe. Außerdem
heirate der junge Berger. Ich weiß nicht, ob du ihn noch kennst. Ich kann mich
nicht mehr so erinnern. Er wohnt ja auch in der Rundburgstraße.
Wie Papa heute schrieb, ist der Arno Heller, der früher
neben uns wohnte, gefallen. Er ist in Siegfrieds Alter gewesen. Das tut mir
wirklich leid. Ich habe ihn zwar nur noch als Kind gekannt, aber da war er ein
netter Junge und immer fröhlich. Auch der sohn von Frau Auerswald ist gefallen.
Vielleicht kennst du ihn noch. Der Bruder von dem Arno Heller scheint auch
schon gefallen zu sein, denn unter den angehörigen, die bei der Todesanzeige
mit drin stehen, wäre nur der Name von dessen Frau dabei, schreibt Papa. So etwas
ist auch schwer.
Bei Helga geht doch das Stricken und Häkeln immer etwas
langsam. Nun tut sie es aber gern, darum geht sie jetzt schon öfter freiwillig
mit in andere Klassen, die Handarbeiten haben, um richtig mitzukommen. Heute
auch wieder. Sie hofft, heute mit ihrem gestrickten Waschlappen fertig zu
werden. Gestern kam sie ganz stolz heim, weil die Lehrerin ihr über´s Haar
gestrichen und sie gelobt hatte, weil sie so fleißig sei und gleich fertig sei.
Ich freue mich auch, dass sie mit solchem Eifer dabei ist und nicht einfach
alles hängen lässt.
Nun laß mich wieder schließen. Sei recht herzlich gegrüßt
und geküsst von Deiner Annie.
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