Montag, 3. April 2017

Brief 302 vom 28.3.1942


Mein liebster Ernst !                                                                          Konstanz, 28.3.42     

Seit heute Morgen freuen wir uns wieder an unserem neuen Radio. Ja, das ist Musik, die man da hört. Heute spielten sie Musik aus „Hänsel und Gretel“. So gut hat mir das noch nie gefallen. Und wie schön ist es, wenn man alles laut und deutlich hört, was gesprochen wird. Ich freue mich sehr über den Apparat. Ich bin gespannt, was Vater heute Abend sagt, wenn er herauf kommt. Paß mal auf, er geht gar nicht wieder heim.
Es ist heute sonniges Wetter, und wir wollen nach dem Essen gleich in die Stadt, bzw. zur Rheinbrücke gehen. Die Kinder möchten doch Schlauchboot fahren. Sie freuen sich ja schon die ganze Woche. Als es heute Morgen erst regnete, gab es bei Beiden ein langes Gesicht. Sie meinten schon, mit dem fahren würde es nichts. Heute und Morgen werden wir wohl einige Mark verbrauchen, denn es gibt ja so viele Dinge, die die Kinder gerne mitmachen möchten. Aber es kommt ja nur einmal im Jahr vor.
An Papa habe ich heute eine kurze Karte geschrieben, damit er nicht so lange ohne Nachricht ist. Einen Brief schreibe ich nach Erhalt des Paketes. Davor graut es mir diesmal ein bisschen, denn ich weiß nicht recht, was ich schreiben soll. Ich möchte nicht gern gegen jemand Stellung nehmen, denn im Grunde genommen habe ich ja mit der ganzen Sache nichts zu tun. Na, es hat ja noch einige Tage Zeit.
Soeben brachte Jörg sein Zeugnis. Sie haben jetzt ganz andere Zeugnishefte. Da werden im ersten Jahr die einzelnen Fächer gar nicht einzeln aufgeführt, sondern es heißt nur: 1.Gestaltung: Gut, ist fleißig und aufmerksam.
2. Leistung: in allen Fächern gut.
Das Religionszeugnis steh auf einem einzelnen losen Blatt vermerkt. Jörg hat: gut.
Helga kam eben auch. Ihr Zeugnis lautet:
Betragen:                                    gut            1
Fleiß und Aufmerksamkeit:          gut            2
Lesen und Sprachlehre:               gut            2
Rechtschreiben:                          gut            2
Schönschreiben:           befriedigend            3
Deutsche Sprache (Gesamtnote) gut           2
Größenlehre                              gut            2
Erdkunde (Heimatkunde)          gut            2
Gesang                                     gut            2
Handarbeiten                            gut            2
Außer im Schönschreiben ist Helga nirgends schlechter geworden. In Religion hat Helga : Sehr gut.
Nun laß mich schließen, sei recht herzlich gegrüßt und geküsst von Deiner Annie.

Liebes Vaterle ! Freust Du dich über unser Zeugnis? Wir freuen uns über das neue Radio, da hört man so die Töne, wie Mutterle es immer wollte. Wir hören jetzt so gerne zu. Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga.
Liebes Vaterle ! Das ist fein, dass wir ein neues Radio haben. Das ist so schön laut. Viele Grüße und Küsse von Deinem Jörg.
Liebes Vaterle ! Das Zeugnis heißt bei uns Bollenquittung.

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