Sonntag, 23. April 2017

Brief 316 vom 22./23./25.4.1942


22.4.

Mein liebster Ernst! Ich bekam deinen lieben Brief vom 19.4., den du auf der Fahrt geschrieben hast. Das hat mich sehr gefreut, dass du auch unterwegs noch an uns gedacht hast.
Den Koffer habe ich heute auf dem Bahnhof abholen können. Einen Schlüssel habe ich noch hier, sodass ich alle Sachen versorgen konnte. Es ist alles gut angekommen.
Am Geburtstag von Mama habt ihr also ihr Grab besucht. Das Grab von deiner Mutter und deinem Bruder konntest du ja auch mit besuchen. Wenn der Efeu auf dem Grab von deiner Mutter anwächst, wäre es ja gut. Dass er bisher einfach nichts werden wollte, ist dumm. Ein Grab sieht dadurch gleich schöner aus.
Scheinbar hat es dir in Leipzig gut gefallen, denn du bist ja voller Lob.
Von Siegfried erhielt ich einen kurzen Brief, eigentlich nur einen Gruß, den er wegen der Führermarke geschickt hat. Nun besitzt du sie gestempelt und ungestempelt.
Ich mache nun Schluß und gehe schlafen, denn mir tut schon den ganzen Tag der Kopf weh. Das Geld habe ich heute an Erna geschickt. Im Garten habe ich nichts geschafft, denn es hat immer etwas geregnet. Ich muß mich auch mal ausruhen.

23.4.

Mein liebster Ernst!
Heute bekam ich den zweiten Brief vom 19., den du in Krakau geschrieben hast. Ich habe mich sehr gefreut, dass du so lieb immer an uns denkst.
Nun weißt du also, wohin du kommst. Ich habe den Ort gleich auf der Karte gesucht und gefunden. Es ist ziemlich nahe der Front. Die Fahrt dauert ja reichlich lange, und wenn du nach 6 Tagen angekommen sein wirst, dann wirst du aufatmen. Du musst ja ganz krumm von der ewigen Fahrerei werden. Jetzt bist du ja gerade in die Schneeschmelze hinein geraten. Das wird die Straßenverhältnisse auch nicht verbessern. Es war eigentlich gut, dass du erst noch in Leipzig warst, da hast du die Fahrt mal für 2 Tage unterbrochen, sonst wärst du ja fast 2 Wochen nur auf der Bahn gewesen.
Für die gesparten Urlaubsmarken danke ich dir. Du hast doch sicher etwas davon in Leipzig abgegeben für´s Essen, nicht wahr? Oder wollen sie keine haben?
Wie ist das eigentlich, muss ich noch an einen Kameraden in Frankreich Geld schicken? Denn alles wirst du doch sicher nicht bezahlt haben. Von den 11 Päckchen ist übrigens bis jetzt noch keins eingetroffen. Entweder geht es diesmal so lange, oder sie haben es vergessen, mit wegzuschicken. Denn du wirst sie doch sicher jemand gegeben haben, da doch am Sonntag keine Päckchen weggeschickt wurden.
Von Elsa erhielt ich einen Brief. Erhard Tillner ist tatsächlich am 22.12.41 gefallen. Seine Eltern sind noch ganz verzweifelt.

25.4.

Zu einer etwas außergewöhnlichen Zeit schreibe ich jetzt, ½ 1 Uhr nachts bei Fliegeralarm. Also streng genommen ist eigentlich schon der 26. Bei Tag bin ich nicht zum schreiben gekommen. Am Nachmittag habe ich im Garten geschafft, die Erdbeeren nochmals vom Unkraut befreit, Spinat und Möhren nachgesät. Jörg war es nicht ganz gut. Ich habe ihn in´s Bett gesteckt. Scheinbar war es eine Magenverstimmung, denn er musste zwei Mal brechen. Im Laufe des Nachmittags ist ihm wieder besser geworden und jetzt ist er wieder wohlauf. Am Nachmittag habe ich mal wieder einen Kuchen gebacken, und zwar einen Rhabarberkuchen mit eigenem Rhabarber. Dann hatte ich noch allerhand andere Arbeit und so ist der Tag vergangen. Eigentlich wollte Vater am Nachmittag kommen und Bohnenstangen anspitzen und evtl. noch rein tun. Gegen 8 Uhr kam er an und wollte schaffen. Da habe ich aber gesagt, dass wir so spät nicht anfangen. Er hat sich dann noch den Garten angesehen und ist hinterher noch bis 11 Uhr hier gewesen. Ich bin ¼ 12 in´s Bett, um leider um 12 wieder raus zu springen. Wir waren erst im Keller, aber Herr Leimenstoll sagte, er riefe, wenn Flieger kämen, wir sollten nur in die warme Wohnung gehen. Das haben wir uns natürlich nicht zweimal sagen lassen. Inzwischen ist nun schon Entwarnung gewesen und wir gehen wieder schlafen

Donnerstag, 20. April 2017

Briefe 315 vom 16. - 21.4.1942


16.4.

Heute bekam ich den letzten Brief aus Frankreich von dir, den du kurz vor deiner Abreise geschrieben hast. Mit Sehnsucht warte ich ja auf deinen Brief aus Marburg, denn ich weiß ja gar nicht, wo du dich jetzt aufhältst und was entscheiden worden ist. Ich wünsche mir recht sehr, dass ich recht bald Bescheid bekomme. Ich denke immer an dich und weiß doch nicht, wo dich meine Gedanken suchen sollen. Du mein lieber, guter, lieber Ernst!
Ganz ohne Gartenarbeit ist dieser Tag doch nicht vorüber gegangen. Ich meinte ja gestern, ich sei für einige Tage fertig. Da siehst du mal, was ich für ein großartiger Gärtner bin, das Aussäen hätte ich bald vergessen. Heute habe ich´s nun getan. Die Radieschen, die ich gesät hatte, kommen schon heraus, ebenso der Spinat. Der Kopfsalat wächst schon gut, und bei den Stachelbeeren gehen bald die Blüten auf. Es geht alles vorwärts.
Ich habe heute für Helga eine Strickjacke und für Jörg einen Pullover für Sonntags gekauft. Für Helga blau mit bunten Streifen, für Jörg rot mit bunten Mustern. Die rote Jacke von Helga, die ihr fast zu klein ist, trenne ich noch mal auf und stricke sie mit einer anderen Wolle zusammen neu und größer. Jörg braucht ja keine Jacke, da er ja den Anzug hat. Helga kann die Jacke besser brauchen, da sie nur als „gut“ die rote hatte. Ich bin wegen diesen Sachen alle Geschäfte abgelaufen, aber geschafft hab ich´s doch. Ich denke, dass du gegen diese Anschaffungen nichts einzuwenden hast.

17.4.

Mein lieber Schatz !

Am Morgen bekam ich deinen lieben Brief vom 14.4. aus Marburg. Die Fahrt dorthin mit dem vielen Gepäck muß ja ziemlich beschwerlich gewesen sein. Und dazu hattest du auch noch das Pech, am Sonntag wieder umkehren zu müssen. Das ist dann nichts. Man hat doch zu nichts mehr richtig Ruhe. Den Abschied von Frankreich hast du ja nun hinter dir und es freut mich, dass dir das Land zuletzt noch ein freundliches Bild gezeigt hat. In der Erinnerung wird dir ja auch sonst manches freundlicher erscheinen, als es vielleicht war. Du hast dort doch auch manche schöne Stunde verlebt, vor allem in Lille mit dem Tommy und Graser.
Eigenartig muss es dir ja gewesen sein, als du nach Marburg kamst, und keiner wusste Bescheid, was werden sollte. Denn tagelanges untätiges Warten ist ja nichts für dich. Ansehen hast du dir ja Marburg einmal richtig können.
Am Nachmittag bekam ich nun dein Telegramm. Wenn ich es richtig verstanden habe, bist du auch weiterhin K.-V.-Assistent. Ich werde nun deinen Brief abwarten. Du hast mir eine große Freude gemacht, dass du gleich ein Telegramm geschickt hast. So weiß ich wenigstens, dass du unterwegs bist.
Da das Telegramm aus Leipzig kommt, dachte ich schon, ob du vielleicht Gelegenheit hattest, mit Papa zu telefonieren oder ihn zu sprechen. Vielleicht bist du aber auch nur durchgefahren.
Am Abend hatten wir auch ein seltenes Erlebnis. ½ 8 gab es plötzlich Fliegeralarm und über dem Wald, unserem Haus gegenüber kamen 8 englische Flieger. Wir meinten erst, es seien deutsche, aber wie Leute aus Wollmatingen sagten, sind es Engländer gewesen. Sie sind wieder über die Schweiz gekommen. Gegen 8 Uhr war Entwarnung und ¼ 9 neuerlich Alarm. 1 oder 2 sind zurück gekommen. Für Dich ist es ja nichts seltenes, aber wir haben feindliche Flieger noch nie so nahe gesehen.
Mein lieber Ernst, wo wirst du jetzt wohl sein? Es ist ¼ 11. Wahrscheinlich unterwegs. Wie gerne gäb ich dir dein oder mein Bett, dass du dich richtig ausruhen kannst. Leider kann ich dir gar nichts erleichtern, auch nicht die große Umstellung, die du jetzt durchzumachen hast. Ich wäre so gern bei dir.

18.4.

Dein Brief vom 13.4. kam heute noch an, sowie die zwei Pakete von Frankfurt mit den stiefeln, Schuhen und zwei Schachteln Keks. Es ist alles gut angekommen und ich danke dir sehr dafür. Ich erwarte nun noch die 11 Päckchen, die du mir angekündigt hast und hoffe, dass auch diese uns richtig erreichen.
Ich habe heute schon immer daran gedacht, ob du wohl dein Fahrtziel heute erreicht hast und ob du über den Eindruck niedergedrückt bist. Ich weiß ja zwar noch nicht, wo du nun hingekommen bist.
Die Flieger von gestern sind also nach Augsburg geflogen, wie aus dem Wehrmachtsbericht hervor ging. Dort haben sie auch die Bomben geworfen.
Gestern habe ich übrigens auch zwei Kleider von Helga verlängert. Es ist mir noch mal gelungen. Man muss es immer richtig ausklügeln, damit man es fertig bekommt.
Am Mittag kam Vater. Er fragte, ob wir die Bohnenstangen holen könnten. Wir sind dann gleich mit dem Wagen runter gefahren. Es sind 22 Stück schön lange Stangen. Als wir heim kamen, habe ich erst mal unseren Platz im Vorraum aufgeräumt. Überflüssiges kleines Holz zerhackt, andere Stücke aufgehoben, den alten Korb, der bald zusammenfiel, zerhackt. Nun ist mal wieder Ordnung.
Du schreibst in deinem Brief, dass du meine Briefe bis zum 8.4. erhalten hast. Das sind dann alle gewesen, denn vom 9. ab habe ich ja nicht mehr geschrieben.
Ich höre jetzt gerade Lilli Marlen. Da denke ich daran, ob du an dem neuen Platz wohl auch Radio hast. Es gehen mir so manche Fragen durch den Kopf, aber durch deine kommenden Briefe wirst du sie ja sicher beantworten.
Wenn ich so die Briefe dieser Tage überlese, sehe ich, dass ich eigentlich nur von den täglichen Arbeiten geschrieben habe. Das ist wohl ziemlich nüchtern, aber ich hoffe, dass du mir deshalb nicht böse bist. Du weißt ja, dass ich dich sehr lieb habe und immer an dich denke. Ich kann es nur nicht immer schreiben. Aber du kennst mich ja und weißt, dass ich in meinen Gedanken immer mit dir lebe.
Heute hatte ja Mama Geburtstag. Ich hatte an Papa 3.-RM geschickt für Blumen für ihr Grab.
Der Pfarrer Dr. Schaack ist gestern gestorben. Du kennst ihn ja, soviel ich weiß. In der Zeitung stand heute unter Geburtsanzeigen: Michael, Vater Hans Dickreiter, Kaufmann. Das ist doch sicher der vom Ellegast, den wir kennen.

19.4.

Mein lieber, guter Ernst! Dieser Sonntag ist auch wieder vorbei. Zum Ausruhen bin ich ja nicht viel gekommen. Aber das ist ganz gut so, denn ich habe sowieso immer nicht die nötige Ruhe dazu. Ich habe wieder für die kommende Woche vorgeschafft, damit ich im Garten weitermachen kann. Auch will ich in der kommenden Woche noch mal nach den Schlüsselblumen sehen. Die müssen doch bald soweit sein.
Am Nachmittag habe ich an Elsa einen Brief und an Papa eine Karte geschrieben. Die Durchschläge sende ich dir mit.
Nach längerer Zeit hat es heute Nacht und am Vormittag wieder einmal geregnet. Das ist für die Pflanzen sehr gut gewesen. Die Sämlinge habe ich die Tage vorher schon immer gießen müssen. Es war zu trocken.
Wo wirst du diesen Sonntag verlebt haben? Die Antwort auf meine Fragen wird wohl noch etwas auf sich warten lassen, denn vom Osten werden die Briefe wohl ziemlich lange unterwegs sein.

20.4.

Lieber Ernst ! Heute erhielt ich deinen lieben Brief vom 17.4. aus Leipzig. Ich war schon erstaunt, als ich das Telegramm von dort erhielt. Ich dachte allerdings nicht, dass du zwei Tage, also einen Tag länger, als eigentlich möglich war, dort geblieben bist. Hätte ich gewusst, dass das geht, hätte ich dich bestimmt gebeten, den einen Tag Urlaub, der dir von Douai aus angeboten wurde, zu nehmen, zu uns zu fahren und einen Tag später nach Marburg zu kommen. Jeder Tag mit dir zusammen ist doch ein Geschenk für uns. Aber es lässt sich nicht mehr ändern und wahrscheinlich bist du auch einmal ganz gern in Leipzig gewesen. Du hast nun Erna kennen gelernt und scheinbar gefällt sie dir ganz gut, sonst hättest du sie wohl nicht gleich in „unser“ Cafe ausgeführt und auch Familiensachen mit ihr besprochen. Die Wohnung hast du nun auch gesehen, und weißt, wo wir im vergangenen Jahr gewesen sind. Wir werden ja wohl nicht gleich wieder hinkommen.
Deine Geburtsstadt hat dich ja mit gutem Essen versorgt. Sie haben sicher gedacht, sie wollen auf dich einen guten Eindruck machen.
Das Geld schicke ich morgen an Erna weg. Am Nachmittag waren wir in Hegne, da bin ich heute nicht dazu gekommen. Wir haben eine ganze Menge Schlüsselblumen gefunden, wenn auch nicht so viele, wie in den vergangenen Jahren. Wir sind gerade heimgekommen, kurz bevor ein Gewitter losging.

21.4.

Heute Nacht hatten wir von 1 – 2 Uhr Luftalarm. Man ist es gar nicht mehr gewöhnt. Heute Morgen waren wir ganz verschlafen.
Mit dem Geld wegschicken ist es heute doch nichts geworden. Am Vormittag habe ich erst mal 20 Kohlrabisetzlinge geholt, damit man schon zeitig etwas hat. Hoffentlich schießen sie nicht auf. Am Nachmittag habe ich in beiden Gärten die Kartoffeln rein getan. Helga hat mir geholfen und hat sie in die Löcher geworfen. Nach dieser Arbeit wollte ich noch auf die Post fahren, aber ich hatte wieder so schlimme Kopfschmerzen, dass gar nicht daran zu denken war. Aber es wird ja morgen auch noch Zeit haben.
Unsere Stachel- und Johannisbeeren blühen jetzt alle. Um die Büsche summt es nur so von Bienen. Wenn alles gut bleibt, gibt es sicher viel Beeren. Die Büsche hängen dick voll.
Heute Morgen kam dein Brief vom 18.4. Ihr habt also einen ganz fröhlichen Abend verlebt, ehe ihr auf die Briefgeschichten zu sprechen gekommen seid. Wenn Papa meinen Brief als scharf empfindet, so kann ich es auch nicht ändern. Du weißt ja, ich habe eigentlich immer nur an Mama gehangen. Papa hat mir in letzter Zeit leid getan, weil ich meinte, er trauerte um Mama. Das war ja ein Irrtum meinerseits. Geschauspielert hat Papa eigentlich fein, das muss ich schon sagen. Tut immer, als wenn er ganz geknickt sei und denkt dabei schon beim Begräbnis an eine neue Heirat. Denn nur so kann ich es verstehen, wenn er sagt, er habe mit mir wegen Dora schon gesprochen. Wir saßen doch nach dem Begräbnis alle zusammen.
Ich sagte dir ja schon, dass mir Dora da ziemlich gefühlsroh vorgekommen ist. Sie wollte gleich alles Mögliche von Mama wegwerfen, was Mama in Ehren gehalten hatte. Ich war erst in der Küche beim Kaffe kochen. Als ich in die Stube kam, hatten sich alle unterhalten und Papa sagte zu mir, „Es ist gerade gesagt worden, ich soll Dora heiraten, was sagst du dazu?“
Ich habe gar nichts gesagt. Ich war doch so sehr traurig wegen Mama, dass ich schon gar keine fröhliche Unterhaltung hören konnte. Ich bin aus der Stube gegangen und habe heulen müssen. Papa kam dann auch heraus, auch er heulte und sagte, es sei doch nur Spaß gewesen, er dächte gar nicht daran, wieder zu heiraten. Daran, dass er überhaupt nicht an´s heiraten wieder denkt, habe ich ja von vornherein gezweifelt. Aber das habe ich ihm doch nicht zugetraut, dass er solche Gedanken schon beim Begräbnis hat. Dabei hat er immer traurige Briefe geschrieben und trübselige Gedichte gemacht, und ich hab´s für ernst genommen. So dumm kann man sein. Aber es ist eigentlich meine Schuld, ich sollte Papa von früher her besser kennen. Ich habe ja eigentlich mit ihm genug Erfahrung, meinst du nicht auch?
Er hat ja jetzt gesagt, er will vor Kriegende nicht heiraten. Ich würde mich nicht so sehr darauf verlassen. Ich muss auch sagen, mir ist es fast gleich, was er macht. Innerlich empfindet er ja doch nichts mehr für Mama, was nützt da das Äußerliche?

Samstag, 15. April 2017

Brief 314 vom 12./13./14./15.04.1942


12.4.

Daß ich zwei Tage keine Post bekam, das hat sich ja nun dadurch erklärt, dass du zwei Tage hattest nicht schreiben können. Dafür erhielt ich aber heute, am Sonntag, gleich drei Briefe von dir, vom 5., 6. und 7. Am Karfreitag und Samstag bist du ja bei dem Reichsdeutschen scheinbar gut aufgenommen worden. Und zu essen hast du also reichlich bekommen. Das wird dir gut getan haben.
Arbeit habe ich jetzt schon ziemlich viel. Es ist im Garten eben die arbeitsreichste Zeit. Abends bin ich immer sehr müd´. Aber das macht nichts, und überanstrengen tue ich mich nicht, ich mache lieber jeden Tag etwas. Da werde ich auch fertig.
Ich werde nun doch in den nächsten Tagen schon Erbsen säen. Ende April kann ich ja noch mal welche rein tun. Ich hoffe, dass sie nicht erfrieren. Sehr freut es mich, dass du noch Sämereien bekommen hast. Da bin ich nicht so knapp damit.
Mit dem film „Die schwedische Nachtigall“ täuschst du dich. Den habe ich noch nicht gesehen. Du hast mir nur davon erzählt. Das macht ja aber nichts, wenn er dir nur gefallen hat.
Ich würde es an deiner Stelle auch nicht bereuen, dass du deine Arbeit immer gewissenhaft gemacht hast. Wie es die anderen machen, muss dich ja nicht kümmern.
Heute bin ich zuhause geblieben. Es ist in der Woche durch den Garten doch manches liegen geblieben. Einen Teil habe ich nun aufgearbeitet. Und ausruhen will ich mich auch noch. Damit ich wieder frische Kraft habe.
Bis jetzt waren Helga und Jörg hinterm Haus. Sie haben den Liegestuhl dabei. Jörg lässt sich noch von der Sonne bescheinen, während Helga gerade herauf gekommen ist und noch ein bisschen liest. Es ist jetzt kurz vor 6 Uhr.
Ich habe vorhin mit schreiben aufgehört und das Abendessen fertig gemacht. Dann habe ich noch etwas gebügelt und ausgebessert. Später sind die Kinder in´s Bett gegangen und ich habe noch in den Brüsseler Zeitungen gelesen. Es ist nun 10 Uhr geworden und ich gehe schlafen.

13.4.

Mein liebster Ernst !

Ich erhielt deinen lieben Brief vom 8.4., in dem du mir mitteilst, dass du nun bestimmt gestern weggefahren bist und heute Mittag in Marburg ankommst. Es war also doch richtig, dass ich nicht mehr nach Frankreich geschrieben habe. Nun werde ja auch ich bald erfahren, wo du hinkommst.
Ich hatte schon immer gedacht, ob du vielleicht noch einmal kurz Urlaub erhältst, damit wir uns noch einmal sehen. Wir hätten uns ja sehr gefreut, aber ich sehe auch ein, dass es für dich eine zu große Anstrengung gewesen wäre, um des einen Tages willen so lange auf der Bahn zu liegen.
Ich habe auch schon immer daran gedacht, dass ich noch gut Geld hätte hinschicken können. Aber man hat ja nicht gewusst, wann du fort musst. Jetzt lässt es sich ja sowieso nicht mehr ändern.
Über die Bilder hat sich Kurt schon gefreut. Er schrieb dazu: „Da sieht man doch, wer säuft.“
Über dein Lob wegen dem Handarbeiten hat sich Helga sehr gefreut. Am liebsten würde sie dir den Waschlappen zur Ansicht zuschicken. Ich habe ihr aber abgeraten.
Von Papa erhielt ich ein kleines Zeitungspäckchen vom 4.4. und ein kleines Päckchen mit 9 Abzeichen vom Sonntag. Er schreibt dazu, dass er hofft, und damit eine Freude zu machen. Auf meinen und deinen Brief komme er in den nächsten Tagen zurück.
Heute habe ich am Vormittag noch das restliche Stück im großen Garten umgegraben und Erbsen rein getan. Erst mal einen Beutel.

14.4.

Gestern Abend kam Vater und brachte uns den ersten Maikäfer mit. Er war ihm unterwegs angeflogen. Die Kinder haben ihn gleich in eine Schachtel gepackt. Ich muss mich immer erst wieder an das Viehzeug gewöhnen. Zuerst ekle ich mich immer wieder davor.
Vater hat einen Brief an Kurt geschrieben und ihm das Verwundetenabzeichen geschickt. Ich habe Grüße unter den Brief geschrieben und ihn heute als Einschreiben weggeschickt.
Heute Vormittag wollte ich zum Exerzierplatz fahren und wegen Tee nachfragen. Unterwegs kam ich aber nicht weiter, denn es stand ein Posten am Weg, da Scharfschießen war. So bin ich zu unserer Schlüsselblumenwiese gefahren. Aber dieser Tee ist noch nicht da. Also habe ich noch ein paar Zapfen gesucht und bin wieder heimgefahren. Am Nachmittag gehe ich nun mit den Kindern zum Exerzierplatz. Finden wir keinen Tee, so doch bestimmt Zapfen. Und schon allein auf den Wald freuen sich die Kinder.
Durch das Radio brauche ich doch jetzt ziemlich mehr Strom, als sonst. Sonst bin ich, außer in den Wintermonaten, nie auf 10 Kw gekommen. Diesmal waren es 18 Kw. Da ich glaube, dass ich bestimmt 10 brauche, sagte heute der Ableser, dass er verbilligten strom zu 8 Pfg. statt 43 Pfg. beantragen würde. Ich brauche also ab heute nur eine Grundgebühr von 3.10 Rm. (6 Lichtmarken) zu zahlen. Die Kw darüber kosten mich je nur 8 Pfg. Ich komme da bestimmt besser weg, denn diesmal machte es über 7 Mk. aus. Nach dem neuen Tarif wären es nur ca. 4 Mk. gewesen.

15.4.

Mein lieber Ernst! Eigentlich wollte ich gestern noch weiter schreiben, aber ich bin nicht mehr dazu gekommen. Am Nachmittag sind wir doch gleich ¾ 2 Uhr in den Wald gegangen. Wir hatten Glück und haben beide Kinderrucksäcke voll Lungenkraut heimgebracht. Wir haben aber auch alles gepflückt, was wir gesehen haben. Es hat Freude gemacht. Nach der Arbeit haben wir uns in die Sonne gesetzt und noch etwas gegessen, denn der Weg und das Pflücken machen Hunger. Ich hatte von Ostern gebackene Eier und Zwieback mit. Auf dem Heimweg haben wir etwas Erbsenreisig mitgenommen. Viel Freude hat es Jörg gemacht, dass er ca. 25 Patronenhülsen und einen Patronenschieber gefunden hat. Im Ganzen hat er jetzt 137 Hülsen. Die möchte er mal abgeben, wenn wieder mal eine Metallsammlung zum Führergeburtstag wär´.
Um 6 Uhr waren wir wieder daheim. Ich habe dann im Garten hinterm Haus die Erdbeeren geharkt. Später haben wir dann Abendbrot gegessen und dann bin ich an´s Tee schneiden gegangen. Hinterher bin ich dann gleich in´s Bett gegangen. Heute wollte ich am Morgen hinterm Haus umgraben, aber es weht so ein kalter Wind, dass ich´s noch aufgeschoben habe. Vielleicht ist´s am Nachmittag besser.
Es ist nun inzwischen Abend geworden und ich will weiterschreiben. Am Vormittag habe ich für Helga einen Roch genäht. Am Nachmittag habe ich den kleinen Garten umgegraben. Nun brauche ich in kurzer Zeit nur noch die Kartoffeln rein tun. Das wäre erst mal das Wichtigste.
Zwei Briefe habe ich von dir bekommen, vom 9. und 10. Ich danke dir sehr dafür. Also hast du es noch mal hingehen lassen, dass ich dir nicht rechtzeitig meine Wünsche zum Osterfest geschrieben habe. Das ist sehr lieb von dir und du verdienst direkt einen Kuß.
Von Zwiebeln werde ich also einige zu Samen stehen lassen. Ich hatte schon daran gedacht. Da hat man wenigstens für nächstes Jahr etwas.
Die Anschrift von Siegfried lautet: Leichtkrankenzug 2675, über Sa.-Lehrabteilung, Berlin-Reinickendorf, Tegeler weg.
Ich glaube dir gern, dass dir die Änderung, das Fortgehens von Frankreich nicht leicht fällt. Du bist eben doch schon ziemlich lange dort und man gewöhnt sich ein. Ich denke immer an dich, wo du wohl jetzt sein wirst. Denn seit 2 Tagen bist du doch schon von Frankreich fort. Ob du schon wieder auf Fahrt bist? Ich warte immer auf Nachricht von Dir und hoffe, sie wird nicht mehr lange auf sich warten lassen.
Etwas wollte ich dir noch schreiben, was dich sicher auch freuen wird. Als ich heute vom Garten kam, war ich natürlich ziemlich müde. Als ich nun in die Wohnung kam, gab es gleich eine Überraschung. Helga hatte schon Teller und Besteck, sowie Tassen und Brot, Butter und Käse hingestellt (übrigens noch der letzte von dir.) Und sogar die Bratkartoffeln hatte sie fertig gemacht. Die Kartoffeln geschält, geschnitten und gebraten. Auch Salz hatte sie richtig dran getan. Helga war sehr stolz auf ihr Werk und ich habe mich wirklich sehr gefreut. Das war doch lieb von ihr, nicht wahr?

Sonntag, 9. April 2017

Brief 313 vom 9./10./11.4.1942


Mein liebster Ernst !                                                                                                  9.4.42           

Heute erhielt ich deinen lieben Brief mit den Durchschlägen der Briefe an Kurt und Papa. Du hast also doch geschrieben. Es ist richtig, was du geschrieben hast, aber ich bin nur gespannt, was das gibt, wenn der Brief jetzt ankommt, wenn Siegfried daheim ist. Der will doch sicher auch lesen, was du geschrieben hast.
Da muß sich jetzt dein Spruch bewähren, dass man alles an sich heran kommen lassen soll. Geschrieben hat mir Papa bisher noch nicht, trotzdem er meinen Brief doch schon 1 ½ Wochen hat.
Wie ich aus den Durchschlägen gelesen habe, kommst du also diesen Samstag dort weg. Ich schreibe nun gar nicht mehr nach Frankreich, sondern warte deine neue Adresse ab.
Es ist Pech, dass du den Keks (?) nicht mehr bekommen konntest, aber schließlich kannst Du ja nichts dafür. Du konntest doch nicht ahnen, dass die Leute diese Woche nicht mehr da sind.
Ich habe heute Möhren und Radieschen gesät. Das eine Päckchen Möhrensamen von dir habe ich vorläufig noch übrig gelassen. Mit den Erbsen warte ich noch bis ca. Ende April.

10.4.

Lieber Ernst ! Am Nachmittag gehe ich mit den Kindern in den Film „Der große König“. Ich hoffe, dass er gut ist. Es ist heute sehr stürmisches Wetter. Da gehe ich mal nicht in den Garten.
Ich schicke an Siegfried zum Geburtstag drei Schachteln Zigaretten. Es wiegt ja nicht viel, und so schicke ich es als Brief in einem festen Umschlag. Es ist ja dann schneller dort.

11.4.

Lieber Ernst! Gestern waren wir nun in dem Film, er war wirklich großartig. Ich wünschte dir, dass du ihn auch einmal ansehen könntest.
Am Abend kam Vater rauf. Ihm ist von der Feldpostnummer 19655 das Verwundetenabzeichen in schwarz für Kurz geschickt worden mit der Bitte um Weitersendung an ihn.
Im Geschäft hat Vater drei Pfund Stockfisch bekommen können, davon hat er mir zwei Pfund abgegeben. Weißt Du, das war eine Sammelbestellung für alle Betriebsangehörigen. Ich habe mich sehr gefreut, dass Vater da auch an uns gedacht hat.
Heute Mittag fahren wir zu ihm und holen die Bohnenstangen. Er hat mir schon versprochen, dass er sie mir mal an einem Samstag in die Erde tut.
Es ist heute so schönes Wetter, dass ich am liebsten im Garten geschafft hätte, aber am Vormittag war ich einkaufen, habe aufgeräumt und die Treppe gespritzt und nun will ich Essen kochen. Am Nachmittag geht die meiste Zeit mit dem Bohnenstangenholen verloren. Na, es wird ja noch weitere schöne Tage geben.
Nun ist es mit den Bohnenstangen doch nichts geworden. Vater kam zu Mittag und sagte, dass er am Nachmittag arbeiten müsse. Ich habe nur noch ein Brot für ihn besorgt und Fleisch bestellt. Dann bin ich in den garten gegangen und habe weiter umgegraben. Bis zu dem Weg bin ich gekommen, den ich auch mit umgegraben habe. Jetzt habe ich in dem einen Garten nur noch ein kleines Stück. Du, die Sträucher werden auch schon grün und beim Baum ist es auch bald soweit. Jetzt sorgt man sich schon bald wieder, dass kein frost in die Blüten kommt. Denn gerade im Krieg kann man Obst gut brauchen.
Von Papa erhielt ich heute eine Karte. Er habe meinen Brief erhalten und komme nächste Woche darauf zurück. Siegfried und Erna haben auch mit unterschrieben. Etwas schreibt Papa noch, was dir sicher sehr leid tun wird. Erhard Tillner ist gefallen. Ich habe es gar nicht glauben können. Ich frage erst noch mal bei Elsa an, ob es auch tatsächlich wahr ist.
Ich habe heute schon immer daran gedacht, wo du wohl sein wirst. Evtl. schon auf der Fahrt? Ich hoffe, dass ich bald Nachricht von dir bekomme.
Ich gehe nun schlafen. Ich bin sehr müde. Gute Nacht, mein lieber Ernst, wach gesund wieder auf.

Brief 312 vom 8.4.1942


Mein liebster Ernst !                                                    Konstanz, 8.4.42 

Heute habe ich eigentlich nicht viel zu berichten. Einen Brief habe ich von dir nicht bekommen. Dafür aber das restliche Päckchen Nr.34 mit dem Zwieback und Marmelade und Bonbons. Jetzt habe ich also alle Sendungen von dir bekommen. Ich habe alles gut versorgt, denn wir essen es ja jetzt noch nicht, sondern erst, wenn es mal knapp zugeht, dass wir etwas zum zusetzen haben.
Gestern konnte ich zwei Päckchen Möhrensamen und zwei Päckchen Radieschen bekommen. Wenn du nun noch das schickst, was du bekommen hast, so wird es mir reichen, evtl. kann ich für nächstes Jahr etwas aufheben, denn da wird es sicher genau so knapp zugehen.
Es regnet heute immer, da mache ich nichts im Garten und setzte mich dafür an´s stopfen. Da ist das dann auch wieder erledigt.
Heute früh hatten wir ein kleines Erlebnis. Jörg stand gerade mit mir am Fenster, um den Staren zuzusehen. Auf einmal schepperte ganz stark der Draht auf dem Trockenplatz, ohne dass jemand dort stand. Als wir hinschauten, sahen wir gerade noch einen kleinen Vogel in´s Gras fallen. Er war vom Baum im schnellen Flug gegen den Draht geflogen. Er rührte sich nicht und wir meinten schon, er sei tot. Als wir dann nach einer Weile runter gingen, saß e noch ganz betäubt da. Erst nach einer Weile flog er davon. Wir haben uns sehr gefreut, dass er wieder munter war.
Ich sende dir heute eine kleine Skizze von der Garteneinteilung mit. Ich denke, dass es dich interessiert.
Nun laß mich schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküsst von deiner Annie.

Brief 311 vom 7.4.1942


Mein liebster Ernst !                                                  Konstanz, 7.4.42                     

Eigentlich wollte ich schon heute Mittag schreiben, aber ich war zu schlapp dazu. Heute früh bin ich gleich in den Garten gegangen, habe Spinat gesät, noch drei Beete umgegraben und an der Seite bei den Beerensträuchern umgegraben. Beim Spinat habe ich Komposterde untergemischt, bei den drei Beeten, die für Kraut bestimmt sind, habe ich den restlichen Mist untergegraben. An die Beerensträucher habe ich auch Komposterde getan. Heute Mittag war ich dann ganz kaporus. Der Speck, den man im Winter angesetzt hat, macht einen eben noch bequem. Der muß erst wieder abgeschafft werden.
Am Nachmittag brachte mir der Briefträger zwei Päckchen, Nr. 33 und 36 (34 fehlt also noch), dazu deinen lieben Brief vom 1.4., von Papa ein kleines Zeitungspäckchen, von Tante Agnes 1 Karte, meinen Brief an Kurt vom 25.2. zurück.
Das war eine Überraschung, als in dem Zwiebackpäckchen neben Zahnpasta auch noch eine Tafel Schokolade drin war. Die Zwiebeln sind auch gut angekommen. Für alles vielen Dank. Die Schokolade hebe ich auch noch gut auf. Du bist doch ein lieber Kerl.
Nun zu deinem lieben Brief. Wenn du gleich auf einmal 4 Briefe bekommen hast, bis du ja für die vorhergehenden postfreien Tage entschädigt worden. Du schreibst nun, dass du die Sache mit Papa erledigen willst. Ich weiß nicht, ob du schon geschrieben hast, lieber wäre es mir fast, du hättest es nicht getan, damit Papa auf dich keinen Zorn bekommt. Ich kann es ja noch mit ihm ausmachen. Er soll aber nicht auf dich schimpfen.
Oh nein, mit den Truhen habe ich keine Schwierigkeiten. Ich habe ja so meine Freude daran und habe sie ja auch gut untergebracht. Sie stehen mir nicht im Wege. Und wenn ich dann noch deinen Namen darauf lese, freue ich mich noch mal so sehr.
Mit dem Radio hast du uns wirklich eine große Freude gemacht. Jeden Tag freuen wir uns von neuem. Er klingt auch so gut. Die Kinder hören doch gern Märchen. Bei dem anderen Apparat verstanden sie es nie richtig und mussten dabei schrecklich aufpassen. Das fällt jetzt weg. Heute haben sie im Münchner Sender ein Märchen gehört und waren ganz begeistert, wie gut sie es gehört haben.
Das kannst Du glauben, dass auch alle anderen Sachen, die du geschickt hast, bei uns Anklang gefunden haben. Du hast dir ja auch immer Mühe gegeben, dass du uns etwas schicken konntest und hast uns schon viel Freude damit gemacht.
Mit dem Zeugnis der Kinder können wir schon zufrieden sein. Die 3 ist ja nicht so schlimm, denn das wäre bei uns früher ja 2 – 2b gewesen, denn die Zeugnisse gehen ja jetzt bis 6.
Nein, wegen der Lebensmittelzuteilung mache ich mir vorläufig keine Sorgen. Es müssen ja alle damit auskommen, da werde ich es doch auch können. Bis jetzt ist es noch nicht so schlimm, wie im letzten Krieg. Und wegen der nochmaligen Kürzung warten wir erst mal ab, ob es den Tatsachen entspricht. Sorgen brauchst du dir also keine machen.
Wegen dem Geld werde ich also warten, bis du mir Bescheid gibst. Es ist ja gut, dass wir es an jemand schicken können. Es war eben zu schnell gegangen, dass du dort fort musst.
Ich habe mich übrigens sehr über die Zwiebeln gefreut. Ich werde sie im Keller aufhängen, da es dort kühl ist. So kann ich sie mir gut einteilen.
Es war gut, dass ich heute Morgen schon im Garten geschafft habe, denn seit dem Nachmittag regnet es, was vom Himmel will.
Ich überlege mir heute schon den ganzen Tag, ob du wohl schon unterwegs bist, oder ob es sich noch ein paar Tage hinauszögert. Ob es richtig ist, dass ich noch dorthin schreibe, oder nicht. Jedenfalls werde ich ja gleich Bescheid bekommen.
Sei nun recht herzlich gegrüßt und geküsst von deiner Annie.

Donnerstag, 6. April 2017

Brief 310 vom 6.4.1942


Mein liebster Ernst !                                                              Konstanz, 6.4.42        

Heute wird ja keine Post ausgetragen, da konnte ich natürlich auch keinen Gruß von Dir bekommen. Da ich nichts zu beantworten habe, will ich dir von uns erzählen.
Vater hatte Anfang der vergangenen Woche gesagt, dass er Ende der Woche nochmals herauskommen würde. Wir hatten nun immer gewartet, auch gestern. Da er nicht kam, hatte ich gestern Abend keine Ruhe mehr und bin mit den Kindern zu ihm hinunter gegangen. Ich habe immer ein bisschen Angst, dass er krank sein könnte. Wir trafen ihn aber beim Fensterputzen. Er hörte gleich damit auf und wir haben uns in der Küche noch unterhalten. Vater gab uns dann noch ½ Pfund Pralinen, die wir uns teilen sollen, dazu mir 1 Pfund Mehl und den Kindern je 25 Pfg. Auch Kuchen hat er uns noch eingepackt. Ich hatte ihm ein paar Zeitungen mitgebracht. Gegen 9 Uhr sind wir heim gegangen. Ich habe ihm gesagt, er möchte doch heute Nachmittag herauf kommen. Er hört ja Musik gern, und das kann er ja bei uns haben, besonders seit wir den neuen Apparat haben. Die Kinder wollen gerade zu ihm gehen und ihn abholen. Lieber Ernst, du glaubst gar nicht, wie gern ich jetzt immer Radio höre.
Heute Vormittag habe ich noch einen ganzen Teil der großen Wäsche gebügelt, sodass ich morgen nicht mehr viel damit zu tun habe. Ich will doch wieder im Garten weiter schaffen.
Heute haben wir schönes, sonniges Wetter. Ich habe die ganze Zeit das Fenster auf. Das Doppelfenster habe ich ja schon seit einer ganzen Weile raus. Gestern und heute habe ich mich mal etwas ausruhen können, sodass ich morgen wieder frisch an die Arbeit gehen kann.
Für Kurt habe ich wieder zwei Zeitungspäckchen fertig gemacht. Die schicke ich morgen mit weg.
Ich schreibe nun am Abend weiter. Um ½ 5 haben die Kinder Vater mitgebracht. Wir haben uns erst unterhalten, dann haben wir Abendbrot gegessen, und nun, nachdem die Kinder im Bett sind, lesen wir noch. Dabei läuft natürlich das Radio. So sind auch diese Osterfeiertage vorbei gegangen. Im vergangenen Jahr war es ja noch schöner, weil du da warst. Aber diesmal ging es ja leider nicht. Aber es geht ja vielen so.
Bei Kurt hatte ich dir doch geschrieben, dass er in ca. 6 Wochen denkt, entlassen zu werden. Das war ein Irrtum von mir. Er hat von 2 – 3 Wochen geschrieben. Das wollte ich noch richtigstellen.
Nun laß mich schließen. Vater nimmt nachher den Brief gleich mit. Sei recht herzlich gegrüßt und geküsst von Deiner Annie.

Mein lieber Ernst!
Nun will ich dir einige Zeilen dazu schreiben. Die Feiertage habe ich meine Beschäftigung zuhause gehabt. Heute Nachmittag sind Helga und Jörg zu mir gekommen und haben so lange gewartet, bis ich fertig war zum mitgehen. Morgen geht es wieder los damit man nicht uns der Gewohnheit kommt. Wir sind gespannt, was aus dir nun wird, vielleicht klappt es mit einem anderen Posten. Bei Kurt habe ich schon immer Bedenken gehabt und wollen hoffen und wünschen, dass er wieder hergestellt wird. Bei mir geht es so einigermaßen. Was so vorliegt, teilt dir ja Annie mit. So wüsste ich nicht, was ich dir noch mitteilen sollte, oder was ich dir mitteilen könnte, interessiert dich weniger. Nun wünsche ich dir alles Gute und vor allen Dingen du bleibst gesund. Sei recht herzlich gegrüßt von deinem Vater.

Mittwoch, 5. April 2017

Brief 309 vom 5.4.42


Mein liebster Ernst !                                                                          Konstanz, 5.4.42    

Nun ist Ostern, der Tag, auf den sich die Kinder schon so gefreut haben. ½ 7 kamen sie schon an und fragten, ob wir nicht aufstehen. Das haben wir dann auch getan. Die Kinder haben sich gleich in ihrem Zimmer angezogen, damit sie ja nichts gesehen haben. Dieser Gefahr wollten sie sich nicht aussetzen. Dann ging´s gleich an´s suchen. Jörg war zuerst damit fertig. Keinen Platz hat er undurchsucht gelassen. Als beide fertig waren, haben sie verglichen, ob jeder das gleiche hatte. Da wussten sie, dass sie alles gefunden hatten. Nun musste ich in ihrem Zimmer suchen. Da sie doch nichts kaufen konnten, haben sie lauter Zettel mit Osterbildern bemalt und diese versteckt. An die Tür hatten sie einen Zettel mit Reißzwecken befestigt und darauf stand: “Der Mutter-Osterhase war da.“ Beim suchen konnte es Jörg immer gar nicht abwarten, bis ich wieder einen Zettel gefunden hatte. Die Zettel hatten sie vor einigen Tagen in ihrem Zimmer gemalt. Ich habe mich wirklich über die kleinen Kerlchen gefreut. Über ihre Geschenke haben sich Helga und Jörg auch sehr gefreut und immer wieder gesagt, dass sie nicht geglaubt hätten, dass sie so viel bekämen. Am Vormittag haben sie schon mancherlei gegessen. Hatte ich dir schon geschrieben, dass ich für Jörg zu Ostern noch einen Modellierbogen für ein Haus gekauft habe? Er hat heute Vormittag alles ausgeschnitten und ich habe es ihm zusammengeklebt. Er hat eine große Freude daran.
Heute Mittag habe ich rohe Klöße gemacht, das ist für uns schon ein Sonntagsessen. Am Nachmittag waren die Kinder zusammen auf dem Fürstenberg, vorhin sind sie gerade wiedergekommen. Ich habe Radio gehört. Das ist ja jetzt auch immer ein Genuß, bei dem neuen Apparat.
Von dir erhielt ich deinen lieben Brief vom 31.3. es tut mir leid, dass du schon einige Tage so schlecht mit Post versorgt wirst. Aber an mir liegt es nicht, denn ich habe immer geschrieben.
Das glaube ich, dass du dort auch immer deine Pflicht getan hast, und es ist ein beruhigendes Gefühl, wenn einem niemand etwas nachsagen kann.
Von Kurt habe ich dir ja gestern einen Brief mitgeschickt. An mich schrieb er, dass er denkt, in ca. 6 Wochen nach Karlsruhe entlassen zu werden.
Von Siegfried erhielt ich einen kurzen Brief. Er lässt dich grüßen. Direkt habe er nicht an dich geschrieben, weil er nicht wusste, ob du noch dort bist. Er hat bis 13.4. Urlaub.
Ja, lieber Ernst, vorige Ostern waren wir zusammen. Da dachten wir auch, wie es wohl in einem Jahr sein würde. Diesmal haben wir dich nun nicht hier. Aber wir wollen froh sein, dass du vor kurzem wenigstens noch Urlaub hattest. Diese Ostertage werden ja dort auch bald die letzten sein, denn du wirst wohl bald dort wegfahren. Laß es dir nur nicht zu schwer werden. Es wird ja auch mal wieder anders werden, dass du auch wieder daheim sein kannst. Daran willen wir immer denken. Nicht wahr, du mein liebster Mann!
Nun laß mich wieder schließen. Ich mache mir jetzt auch noch einen Sonntag, laß alle Arbeit liegen und lese ein bisschen. Sonst tue ich das ja nicht mehr bei Tage, das habe ich mir fest vorgenommen und bisher auch gehalten. Du weißt ja, lesen ist meine Schwäche. Aber gerade deshalb habe ich begonnen, mich in dieser Beziehung zu erziehen. Ich möchte dich doch immer mit meinen Gedanken behüten, aber wie könnte ich das, wenn ich mich nicht mal selber beherrschen kann. Darum muß ich auch streng gegen mich sein.
Ich grüße und küsse dich recht herzlich, deine Annie.

Brief 308 vom 4.4.42


Mein liebster Ernst !                                                              Konstanz, 4.4.42            

Heute bekam ich deinen lieben Brief vom 30.3. Du tust ja gerade, als müsstest Du dich entschuldigen, dass du in dieser Woche nur ein Päckchen wegschicken konntest. Du hast doch schon immer so lieb für uns gesorgt. Heute habe ich gerade wieder 5 Päckchen bekommen, Nr. 29, 30, 32, 32, und 35. Es fehlen also nur noch 33 und 34. Die Apfelsinen waren auch mit dabei. Die werde ich morgen mit verstecken. Vom verstecken lassen die Kinder ja absolut nicht ab. Jörg will wieder in der Stube, Helga in der Küche suchen. Da Jörg von Frau Diez ein Malheft bekommen hat, habe ich für Helga ein kleines Märchenbuch gekauft.
Heute ist es mir auch eingefallen, dass ich dir noch gar kein frohes Osterfest gewünscht habe. Ich hole es hiermit nach. Als ich es heute den Kindern sagte, meinte Jörg: „Diesmal wird es Vaterle sicher noch mal durchgehen lassen, aber nächstes Mal kriegst du geschimpft.“ Was meinst du dazu?
Mit den Sämereien werde ich schon auskommen. Das Wichtigste sind mir erst mal die Möhren. Und davon hast du ja etwas, wie du gestern geschrieben hast.
Ich hatte Siegfried doch bei seinem Hiersein 20.-Mk. geborgt. Die hat mir Erna heute zurück geschickt und dazu geschrieben, dass Siegfried auf Urlaub zuhause ist.
Von Kurt erhielt ich auch einen Brief. Einer für Dich lag auch dabei, den schicke ich dir mit. Heute habe ich an ihn wieder Romanen weggeschickt. Er schrieb mir, dass die anderen gerade zur rechten Zeit angekommen sind, und dass sich auch seine Kameraden darüber hergemacht haben. So machen sie doch mehrmals Freude.
Wir haben heute richtiges Aprilwetter, einmal Regen, einmal Sonnenschein. Der April macht seinem Namen wirklich alle Ehre.
Da fällt mir gerade ein. Da Siegfried jetzt in Urlaub ist, wird er doch hoffentlich den Brief an Papa nicht in die Hände bekommen haben. Da gäbe es ja einen Mordskrach. Na, warten wir ab.
Ich weiß nun nicht, wie ich es mit dem schreiben an dich machen soll. Ich schreibe eben mal weiter an deine bisherige Adresse, bis ich Bescheid von dir bekomme. Du wirst ja jetzt bald dort fortfahren müssen.
Ich grüße und küsse dich nun herzlich und bleibe immer Deine Annie.

Montag, 3. April 2017

Brief 307 vom 3.4.1942


Mein liebster Ernst !                                                              Konstanz, 3.4.42               

Heute erhielt ich deinen lieben Brief vom 29.3. Du schreibst darin, dass ein Brief von mir erst an Nr. 38243 gegangen ist. Habe ich denn so undeutlich geschrieben? Ich prüfe es doch immer erst nach. Und ausgerechnet der der Brief ist es gewesen, worin ich wegen Sämereien geschrieben habe?  Na ja, Pech muß man haben. Aber ganz groß ist es ja nun nicht, da du ja inzwischen schon Möhrensamen besorgt hast und das ist mir das allerwichtigste, denn gerade Möhren konnte ich bisher überhaupt nicht bekommen.
Für Ostern habe ich dir ja eine Kleinigkeit zurückgelegt, ich muß nur erst noch wissen, wohin ich es nun schicken muß, denn es noch an deine alte Adresse zu schicken hat doch keinen Zweck, nicht wahr?
Große Sprünge kann man mit den Lebensmittelzuteilungen ja wirklich nicht machen, aber solange man noch Kartoffeln hat, kann man sich einteilen. Die ja keine eingelagert haben, sind schlimmer dran. Da bekäme ich die Kinder ja gar nicht satt, denn die haben immer Hunger und soweit reicht das Brot doch nicht.
Das Schlauchbootfahren war für Jörg schon ein großes Erlebnis. Er hat sich auch alles genau angesehen und jetzt baut er dauernd mit Plastellina und Holz Schlauchboote, in die er seine kleinen Soldaten setzt.
Heute Vormittag habe ich Kuchen für Ostern gebacken und jetzt wollen wir in´s Waschhaus zum baden gehen. Es ist also bisher alles programmgemäß verlaufen. Weniger programmgemäß ist es, dass mir von dem kalten Wind gestern, jetzt die ganze linke Gesichtshälfte weh tut, Nase, Augen und Stirn. Vielleicht wird es beim baden besser.
Interessieren wird es dich sicher, dass wir hier keine französische Gefangene mehr haben, da sie zu schnell abrücken können. Dafür sind jetzt lauter Serben da. Das sind meist große Leute und mit ihren Uniformen sehen sie bedeutend ordentlicher aus, als die Franzosen. Das macht sicher auch, dass sie alle gleiche Uniformen und gleiche Kappen haben. Bei den Franzosen hatte eben einer einen Umhang, der andere einen Mantel, der Eine eine Kappe, der andere eine Baskenmütze usw.
An Kurt habe ich heute kurz geschrieben. Den Durchschlag lege ich bei. An Papa, Alice und Frau Diez habe ich eine Karte zu Ostern geschrieben. Davon habe ich noch Durchschläge gemacht.
Nun laß mich schließen, damit ich zum baden kann. Sei recht herzlich gegrüßt und geküsst von Deiner Annie.

Brief 306 vom 2.4.1942


Mein liebster Ernst !                                                              Konstanz, 2.4.42    

Auch heute komme ich erst am Abend zum schreiben. Heute Vormittag habe ich Lebensmittelkarten geholt und bin, da wir keine Salbe für Helga mehr haben, mit den Kindern noch zum Arzt gegangen. Er ist mit dem Fortschritt bei Helga zufrieden, sagte aber gleich, dass es noch einige Wochen dauern würde, bis der Knoten vollkommen verschwinden würde. Als wir heim kamen, habe ich das Mittagessen gekocht und wir haben gegessen. Hinterher bin ich gleich in den Garten gegangen und habe die Erdbeeren geharkt, nachdem ich vorher Komposterde um die Pflanzen gestreut habe. Als ich damit fertig war, habe ich mich noch an´s umgraben gemacht und bin bis an die oberen Erdbeerbeete gekommen. Dabei habe ich auch das Gurkenbeet mit fertig gemacht. Jeden Tag komme ich also ein Stück weiter. ½ 5 machte ich im Garten Schluß und bin in die Stadt gefahren, um die Lebensmittelkarten anzumelden, die ich inzwischen ausgefüllt und geordnet hatte. Bei Tengelmann habe ich doch noch mal kleine Eier bekommen und auch ¼ Pralinen.
Die Kinder hatten ja heute den ersten Ferientag. Nächsten Mittwoch beginnt wiede die Schule.
Morgen werde ich wahrscheinlich 2 Kuchen für Ostern backen und am Nachmittag wollen wir baden. Da geht dieser Tag auch wieder vorbei.
Es war heute ein sehr stürmischer Tag und ich habe von dem starken Wind, der mir immer so an die Stirn gepeitscht hat, furchtbare Kopfschmerzen bekommen. Vorhin konnte ich es kaum aushalten. Jetzt hat es ein wenig nachgelassen. Da bin ich sehr froh. Aber du wirst es sicher verstehen, dass ich da heute nicht so viel schreiben kann.
Ich schließe deshalb jetzt und grüße und küsse dich recht herzlich, Deine Annie.

Brief 305 vom 31.3.1942


Mein liebster Ernst !                                                              Konstanz, 31.3.42          

Auch heute bekam ich keinen Brief von Dir, wohl aber die bisher noch fehlenden Päckchen Nr. 21, 23 und 26. Ich danke dir wieder sehr dafür. Die Butter ist auch noch gut angekommen, so daß wir etwas davon essen können, und das andere lasse ich aus. Da habe ich immer noch etwas Reserve. Freuen würde ich mich, wenn ich morgen wieder einen Brief von dir bekäme. Der letzte Brief vom 24. war ja etwas länger, aber deshalb bekomme ich gern am anderen Tag wieder einen. Das ist mir doch das schönste des ganzen Tages.
Von Papa bekam ich heute zwei Pakete mit Zeitungen, Romanen, 1 Buch „Narvik“ (das habe ich beim Gess für 4.80 gesehen) 2 guten Bettüchern von Mama, mehreren Heften mit Schreibpapier, 1 Stahllineal für die Kinder, Leibwäsche und 1 paar Turnschuhe von Mama.
Von Frau Diez kam ein Malheft für Jörg zu Ostern. Ich werde ihr zu Ostern auch noch kurz schreiben.
Gestern Abend kam Vater und brachte für Kurt 2 Stollen und ¼ Pralinen, die ich ihm verpackt und heute auf die Post gebracht habe. Vater bat mich auch, dass ich ihm noch die Miete bezahle, die Rente hole und das Geld vom Los, mit dem er mit dem Einsatz herausgekommen ist, abhole. Ich fahre nun heute Nachmittag noch mal in die Stadt, denn ich hatte mir nicht überlegt, dass das Lotteriegeschäft erst von 11 Uhr auf hat. Ich wollte heute auch bei der Krankenkasse die 75 Pfg. bezahlen, da wurde mir gesagt, dass das ab 1.Januar auch vom Reich bezahlt wird. Da habe ich für die ersten drei Monate sogar 2,25 zurück gezahlt bekommen. Das lässt man sich doch gefallen, nicht wahr?
Vater hat das Radio gestern Abend auch sehr gut gefallen. Ich bin ja auch ganz begeistert davon  und kann gar nicht genug hören. Jörg und Helga sagen auch immer wieder „das haben wir noch nie so schön gehört, wie man die Trommeln gut hört, wie man die Geige gut hört“ usw. Und viele Sender bekomme ich. Außer allen Deutschen Sendern den Soldatensender Paris, Belgrad und noch andere. Ich bin wirklich ganz begeistert.
Vater sagte mir gestern, dass das Mädel von Schmidts, die neben ihm wohnen, vor drei Wochen in aller Stille geheiratet habe. Außerdem heirate der junge Berger. Ich weiß nicht, ob du ihn noch kennst. Ich kann mich nicht mehr so erinnern. Er wohnt ja auch in der Rundburgstraße.
Wie Papa heute schrieb, ist der Arno Heller, der früher neben uns wohnte, gefallen. Er ist in Siegfrieds Alter gewesen. Das tut mir wirklich leid. Ich habe ihn zwar nur noch als Kind gekannt, aber da war er ein netter Junge und immer fröhlich. Auch der sohn von Frau Auerswald ist gefallen. Vielleicht kennst du ihn noch. Der Bruder von dem Arno Heller scheint auch schon gefallen zu sein, denn unter den angehörigen, die bei der Todesanzeige mit drin stehen, wäre nur der Name von dessen Frau dabei, schreibt Papa. So etwas ist auch schwer.
Bei Helga geht doch das Stricken und Häkeln immer etwas langsam. Nun tut sie es aber gern, darum geht sie jetzt schon öfter freiwillig mit in andere Klassen, die Handarbeiten haben, um richtig mitzukommen. Heute auch wieder. Sie hofft, heute mit ihrem gestrickten Waschlappen fertig zu werden. Gestern kam sie ganz stolz heim, weil die Lehrerin ihr über´s Haar gestrichen und sie gelobt hatte, weil sie so fleißig sei und gleich fertig sei. Ich freue mich auch, dass sie mit solchem Eifer dabei ist und nicht einfach alles hängen lässt.
Nun laß mich wieder schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküsst von Deiner Annie.

Brief 304 vom 30.3.1942


Mein lieber Ernst !                                                  Konstanz, 30.3.42                  

Einen Brief habe ich heute nicht von Dir bekommen, dafür aber die Päckchen Nr.24, 25, 27 und 28 mit Zucker. Ich habe mich wieder sehr darüber gefreut und danke dir dafür.
Von Nanni kam beifolgender Brief. Der Krieg macht sie scheinbar ganz kaputt, jedenfalls kommt es mir nach dem Brief so vor.
Nun habe ich dir gestern zwei Briefe geschrieben, aber bei jedem habe ich vergessen, zu sagen, dass ich mit Deinem Brief die Umschläge und die Durchschläge der Briefe an Papa und Kurt bekommen habe. Das mit dem Mantelstoff hast du also schon entschieden. Erna wird sich zwar ärgern, aber das können wir nicht ändern.
An Kurt will ich für Ostern auch noch schreiben. Ich habe von den Urlaubsbildern, wo wir mit Vater zusammensitzen und von 2 Bildern von dir noch Abzüge machen lassen, die ich mit einem Bild von mir zusammen ihm hinschicken werde. Von den Kindern hat er ja erst vor kurzem welche erhalten. Ich hoffe, dass er sich freuen wird.
Ich habe heute etwas Oster-Kleingebäck gebacken. Davon schicke ich ihm auch ein paar Stück. Viel ist es ja nicht, aber man kann eben nicht im gewohnten Umfange backen. Dir kann ich ja jetzt nichts zuschicken, da es so ungewiß ist, ob es dich dort noch antrifft. Aber aufheben tue ich dir deinen Teil. In einer Blechdose hält es sich ja und sicher ergibt sich die Gelegenheit, wo ich es dir schicken kann.
Die Woche habe ich heute Morgen gleich mit dem Klopfen der Matratzen und dem putzen der Betten begonnen. Morgen hoffe ich mit der Gartenarbeit beginnen zu können und übermorgen habe ich Wäsche. Dann kommen ja bald die Feiertage. Heute Nachmittagmuss ich noch zum einkaufen fahren. Ich will nur noch warten, ob der Briefträger noch etwas bringt.
Es ist nun ¼ 5 Uhr und der Briefträger hat nichtsgebracht. Inzwischen habe ich das kleine Päckchen für Kurt fertig gemacht. Ich nehme es gleich mit in die Stadt.
Nun laß mich schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküsst von Deiner Annie.

Brief 303 vom 29.3.1942


Mein ganz lieber Ernst 1                                                                                  Konstanz, 29.3.42           

Es ist Sonntagmorgen und in einer Stunde wollen wir in die Cherisy-Kaserne und später evtl. in die Klosterkaserne gehen. Schön ist das Wetter ja nicht gerade, ziemlich bedeckt und dabei weht Ostwind.
Vorher will ich aber noch an dich schreiben. Vorhin erhielt ich deinen lieben Brief vom 24.3., für den ich dir sehr danke.
Es war schon eine Überraschung, als Siegfried so plötzlich angerückt kam. Ich habe mich aber gefreut. Er ist mit seinem Lazarettzug bis hierher gekommen, wo sie nach Donaueschingen und Singen die letzten 30 Mann ausgeladen haben.
Wie ich dir schon schrieb, brauchst du dir über die Kürzungen in der Lebensmittelzuteilung keine Sorgen zu machen. Wir werden schon durchkommen. Viele andere müssen es ja auch. Und wie ich dir schon schrieb, wenn es dir irgendwo fehlt, wir haben immer etwas für dich da. Wir gehören doch zusammen und wollen auch zusammen teilen, nicht wahr!
Den Film „Jakko“ hast du nun doch gesehen. Mit hat er ganz gut gefallen. Man muss sich nur immer erst daran gewöhnen, dass die H.J. usw. mit im Mittelpunkt stehen.
Ich bin gespannt, wie weit du mit deinem Geld gekommen bist. Vielleicht hat dir ein Kamerad etwas geborgt und wir können es ihm oder seiner Frau wieder schicken? Du wirst mir schon darüber schreiben.
Vater ist gestern Abend nicht herauf gekommen. Vielleicht kommt er heute. Beim letzten Besuch brachte er übrigens wieder 1.64 Mk. Kupferpfennige für die Kinder mit. Wenn ich das Gehalt hole, tausche ich sie mit um.
Nun will ich mich fertig machen. Das Mittagessen für heute Abend kocht schon. Für Mittag nehmen wir ein paar Brote mit, die ich auch noch fertig machen will. Die Kinder sind schon angezogen und warten.
Sei nun wieder recht herzlich gegrüßt und geküsst von Deiner Annie.

Die Adresse von Kurt lautet jetzt:
Gefr. K.Rosche, Meiningen/Thüringen. Res. Lag. 2, Barbarakaserne, Block A III


Mein liebster Ernst !                                                                                                  Konstanz, 29.3.42               

Vor einer Viertelstunde sind wir gerade aus der Kaserne wieder heim gekommen. Da wir noch nicht Abendbrot essen, es ist gleich 5 Uhr, will ich dir vorher noch unsere Erlebnisse berichten.
Zuerst von gestern. Dazu bin ich in meinem Brief heute Morgen nicht gekommen, da die Zeit zu knapp war. Wir sind also gestern Nachmittag in die Stadt gegangen. Am Bootssteg vom Neptun lagen die Schlauchboote an, d.h. zuerst jedenfalls mal. Aber da war so ein Gedränge, dass sich der Steg soweit senkte, dass die Leute, die unten standen, eine handbreit im Wasser standen. Unserer Helga ging es auch so, als sie aus dem Boot aussteigen wollte. Als die Soldaten merkten, dass es so nicht ging, haben sie am Weg, der schräg in´s Wasser führt, angelegt. Ich habe die Kinder zwei Mal hin und zurück über den Rhein fahren lassen. Darüber haben sie sich sehr gefreut. Während ich am Ufer wartete, wurde an der Rheinbrücke ein Bub, ca. 3-4 Jahre alt, von einem Auto angefahren. Er war ohnmächtig und wurde in den Neptun gebracht, von wo er dann mit dem Krankenauto abgeholt wurde. Die Mutter war dabei, aber ein Kind reißt sich eben schnell von der Hand los. Wir haben uns nach dem fahren die Tauchergeräte angesehen, was ganz interessant war. Aber 30 Pfg. haben sie nicht verlangt, wie es erst hieß, sondern sie sind so mit der Büchse sammeln gegangen. Einmal ist auch ein Zivilist in den Taucheranzug und in´s Wasser gestiegen. In´s Wasser natürlich nur bis kurz unter die Oberfläche. Bei den Tauchern nimmt man´s immer so selbstverständlich hin, dass sie einfach in´s Wasser steigen, aber bei dem Zivilisten hat man erst gesehen, dass es gar nicht so einfach ist. Man hätte Tränen lachen können, wie der herum getapst ist. Erst hat er die Leiter nicht gefunden, dann ging das steigen mit den schweren Stiefeln nicht. Wie ein Häufchen Unglück ist der an der Leiter gehängt. So viel Heiterkeit haben die Taucher selbst noch nie verursacht.
Es war gegen ¼ 6, als wir heim gingen. Wir haben noch eingekauft, haben zuhause gegessen und sind bald in´s Bett gegangen.
Heute Morgen sind wir gegen ¾ 7 aufgestanden. Nach dem frühstück hat Helga noch Schulaufgaben gemacht. Jörg macht sie Morgen, da er erst ¾ 12 Uhr Schule hat.
Gestern sind beide nicht dazu gekommen, da wir ja gleich in die Stadt sind. Ich habe inzwischen Essen gekocht und aufgeräumt, sowie an dich geschrieben. ¼ 11 Uhr sind wir fortgegangen. Wir sind doch nur in der Cherisykaserne gewesen. Da gab es ja so viel zu sehen. Zuerst haben wir beim reiten zugeschaut, dann haben wir die Ställe angesehen, dann sind wir in´s Fronttheater gegangen. Da war es ganz lustig. Als die Vorstellung zu Ende war, gingen wir zum „Alarm in der Unterkunft“. Da waren die Betten einer ganzen Stube auf dem Hof aufgebaut, sogar ein paar Schränke dazu. Dann wurde Feierabend geblasen und alle zogen sich aus. Dabei wurde allerhand Unsinn gemacht. Einer kam zu spät und schlich sich rein, wurde aber vom Unteroffizier gesehen. Da musste er dann auf den Schrank steigen, einen Spruch sagen und Kniebeugen dazu machen. Alle Sachen kann man gar nicht schreiben, so viel Unsinn haben sie gemacht. Dann kam der Alarm. Das Anziehen ging nicht schnell genug, halb angezogen kamen sie an, der Unteroffizier hat einen Mordskrach gemacht. Da ging es dann. Nun sind alle zu ihren Gewehren und auf den Hof gesprungen und nun ging das Gefecht los. Sehr interessant war das Stoßtruppunternehmen. Hinter dr Kaserne sind Schützengräben ausgebaut, dazu waren zwei Strohhäuser aufgebaut. In den Schützengräben, die uns am nächsten waren, lagen Russen mit einem Kommissar, in Russenuniform. Vorn arbeiteten sich unsere Soldaten näher und nebelten sich zuletzt ein. Als sie soweit heran waren, dass die Handgranaten in die Gräben und dahinter fielen, zogen sich die Russen in die Häuser zurück und unsere Soldaten nahmen die Gräben. Sie setzten dann mit Handgranaten oder so was die Häuser in Brand (sie brannten richtig lichterloh) und stießen nach. 2 Russen waren tot, 2 Deutsche verwundet, die anderen Russen wurden gefangengenommen. Vorher wurde alles erklärt und gesagt,, dass die Kämpfe eben sehr schwer sind, besonders solange der Kommissar nicht unschädlich gemacht worden ist.
Bei der Besichtigung feindlicher Bunker mit dem Scherenfernrohr konnte man die Schweizer Bunker sehen.
Mit einem MG-Fahrzeug sind die Kinder 3 Mal gefahren. Am Nachmittag waren wir noch mal im Fronttheater. Auch war das ein Gedränge. Ich bin froh, dass ich heil wieder herausgekommen bin. Ich habe immer Schutzstellung für unsere Kinder bezogen, damit sie nicht so gedrängt wurden.
Nach ¼ 5 Uhr sind wir heim gegangen. Ich habe natürlich das Radio gleich angestellt. Ich kann mich gar nicht satt hören, so gefällt es mir. Nun habe ich erst gleich geschrieben. Ich weiß nicht, ob dich alles interessiert, aber du sollst doch auch wissen, was wir alles erlebt haben. Ich habe doch immer an dich gedacht, wo du heute wohl gerade sein wirst. Das Wetter hat gut ausgehalten. Es war zwar verhängt, aber es hat doch keinen tropfen geregnet. Es war auch kühl. Aber wir hatten uns ja ganz warm angezogen. So ging es mir nicht, wie mehreren bekannten Frauen, die ich traf, die ganz durchgefroren waren, weil sie sich schon zu sommerlich angezogen hatten.
Nun ist es mit dem schreiben schon ¼ 7 Uhr geworden und ich will nun an´s Abendessen denken. Die Kinder werden heute auch müde sein, und sollen nicht zu spät in´s Bett. Jetzt sind sie noch auf der Straße und spielen Kreidspiel, oder „Himmelhuppe“, wie wir früher so schön gesagt haben.
Nimm wieder recht herzliche Grüße und Küsse entgegen von deiner immer an dich denkenden Annie.

Brief 302 vom 28.3.1942


Mein liebster Ernst !                                                                          Konstanz, 28.3.42     

Seit heute Morgen freuen wir uns wieder an unserem neuen Radio. Ja, das ist Musik, die man da hört. Heute spielten sie Musik aus „Hänsel und Gretel“. So gut hat mir das noch nie gefallen. Und wie schön ist es, wenn man alles laut und deutlich hört, was gesprochen wird. Ich freue mich sehr über den Apparat. Ich bin gespannt, was Vater heute Abend sagt, wenn er herauf kommt. Paß mal auf, er geht gar nicht wieder heim.
Es ist heute sonniges Wetter, und wir wollen nach dem Essen gleich in die Stadt, bzw. zur Rheinbrücke gehen. Die Kinder möchten doch Schlauchboot fahren. Sie freuen sich ja schon die ganze Woche. Als es heute Morgen erst regnete, gab es bei Beiden ein langes Gesicht. Sie meinten schon, mit dem fahren würde es nichts. Heute und Morgen werden wir wohl einige Mark verbrauchen, denn es gibt ja so viele Dinge, die die Kinder gerne mitmachen möchten. Aber es kommt ja nur einmal im Jahr vor.
An Papa habe ich heute eine kurze Karte geschrieben, damit er nicht so lange ohne Nachricht ist. Einen Brief schreibe ich nach Erhalt des Paketes. Davor graut es mir diesmal ein bisschen, denn ich weiß nicht recht, was ich schreiben soll. Ich möchte nicht gern gegen jemand Stellung nehmen, denn im Grunde genommen habe ich ja mit der ganzen Sache nichts zu tun. Na, es hat ja noch einige Tage Zeit.
Soeben brachte Jörg sein Zeugnis. Sie haben jetzt ganz andere Zeugnishefte. Da werden im ersten Jahr die einzelnen Fächer gar nicht einzeln aufgeführt, sondern es heißt nur: 1.Gestaltung: Gut, ist fleißig und aufmerksam.
2. Leistung: in allen Fächern gut.
Das Religionszeugnis steh auf einem einzelnen losen Blatt vermerkt. Jörg hat: gut.
Helga kam eben auch. Ihr Zeugnis lautet:
Betragen:                                    gut            1
Fleiß und Aufmerksamkeit:          gut            2
Lesen und Sprachlehre:               gut            2
Rechtschreiben:                          gut            2
Schönschreiben:           befriedigend            3
Deutsche Sprache (Gesamtnote) gut           2
Größenlehre                              gut            2
Erdkunde (Heimatkunde)          gut            2
Gesang                                     gut            2
Handarbeiten                            gut            2
Außer im Schönschreiben ist Helga nirgends schlechter geworden. In Religion hat Helga : Sehr gut.
Nun laß mich schließen, sei recht herzlich gegrüßt und geküsst von Deiner Annie.

Liebes Vaterle ! Freust Du dich über unser Zeugnis? Wir freuen uns über das neue Radio, da hört man so die Töne, wie Mutterle es immer wollte. Wir hören jetzt so gerne zu. Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga.
Liebes Vaterle ! Das ist fein, dass wir ein neues Radio haben. Das ist so schön laut. Viele Grüße und Küsse von Deinem Jörg.
Liebes Vaterle ! Das Zeugnis heißt bei uns Bollenquittung.

Brief 301 vom 27.3.1942


Mein liebster Ernst !                                                                                   Konstanz, 27.3.42                

Gerade erhielt ich deine beiden lieben Briefe vom 23.3. Ich danke dir vielmals dafür. Es hat mich gefreut, dass du beim Thomas einige schöne Tage verlebt hast. Wenn du nun bald dort fort kommst, werden schöne Tage wohl recht selten werden. Ich kann mir jedenfalls nicht denken, dass du in Russland viel Freude erleben wirst.
Wenn du schreibst, dass du am anderen Tage wahrscheinlich für deine ganze militärische Dienstzeit zum letzten Mal OvD hast, so heißt das doch wohl, dass du zur Truppe zurück musst. Ist das jetzt endgültig entschieden?
Das glaube ich, dass dort viel gehamstert wird. Wenn eben nicht richtig verteilt wird, sucht jeder anderweitig etwas zu erwischen. Wenn die Franzosen selber kein Interesse an gerechter Verteilung haben, können ja die deutschen Behörden auch nicht alles allein tun.
Die Kürzungen in den Lebensmittelzuteilungen sind ja jetzt eingetreten, bzw. treten am Ostermontag ein. Gedanken musst du dir aber deshalb nicht machen. Wir werden schon durch kommen. Wir müssen eben noch mehr einteilen, es wird schon gehen.
Den Film „Wetterleuchten um Barbara“ hast du ja nun gesehen. Ich bin auch der Meinung, dass es ganz schön ist, dass er aber über dieses Thema noch schönere gegeben hat. Den Film „Jakko“ wirst du dir ja nicht angesehen haben, da du OvD hattest. Aber der hat mir wirklich gut gefallen.
Es ist nun also fast genau bestimmt, wann du von dort weg musst. Das ist ja nur noch ganz kurze Zeit. Ich würde diesen Termin gerne noch hinausschieben, wenn ich könnte, denn wenn es dort auch nicht schön ist, besser als in diesem Russland, diesem Ungezieferland in menschlicher und tierischer Form, wird es doch sein. Aber wir müssen eben alles gehen lassen und warten, was kommt.
Ja, der vorige Brief von Papa war ziemlich sanft und nachgiebig. Es hält nur immer nicht lange an. Der Brief von gestern, den ich dir schickte, hat eine ganz andere Tonart. Ich muß schon sagen, ich habe mich gestern geärgert. Erst große Töne von „nie mehr heiraten“. Das habe ich ja nie ganz ernst genommen. Aber kaum ist ½ Jahr vorbei, heißt es „… müsste evtl. eine Änderung eintreten, die ich um euretwillen noch nicht in´s Auge gefasst hatte.“ So ähnlich heißt es doch, nicht wahr?
Ich gebe ja zu, dass es nicht gerade ein Vergnügen ist, abends in eine kalte Stube zu kommen, aber es ist ja schließlich nicht immer so. Das hätte er sich doch vorher sagen können, dass Siegfried nicht heiratet und sagt: So, das ist nun dein Dienstmädchen.“ Ich finde es nicht schön, dass er schreibt, ich sollte mal mit Siegfried reden, damit Papa nicht eines Tages zu Erna sagen müsste, sie müsste sich ein anderes Unterkommen suchen. Aber ich bin fast der Meinung, Papa hat den Entschluss zum heiraten schon gefasst und will es mit irgendwas entschuldigen. Es kann ja auch sein, ich sehe das falsch, aber mit dem Bild, das mir Siegfried gemacht hat, stimmte es zusammen. Schreib mir doch bitte mal deine Meinung, es wäre mir sehr lieb.
Ich bin gespannt, ob du noch Samen bekommen konntest. Von Rot- und Weißkraut, sowie von Salat, konnte ich je ein Päckchen bekommen, auch von Kohlrabi. Mehr aber nicht. Von Möhren bekommt man scheinbar überhaupt nichts. Der Gauggel hat gleich bis 7.April wieder zu gemacht, weil er nichts mehr hat. Da soll man mehr Gemüse pflanzen und bekommt keine Samen.
Von Kurt erhielt ich heute einen Brief vom 23.3. er schreibt, dass er sich über den Kalender und das Briefpapier gefreut hat, weil man beides dort nicht bekäme. 2 Briefe von mir hat er am Tage nach seiner Verwundung erhalten. Seine beiden wunden, die sich in der rechten Schulter befinden, sind geröntgt worden. Sie sind splitterfrei. Am 21. sind seine wunden noch ausgeätzt worden. Beim bewegen des Armes hat er noch etwas Schmerzen. Kurt schreibt noch: „Hoffentlich kommt Ernst gesund und heil wieder zurück. Ich empfinde es erst jetzt so richtig, wie es ist, wenn man jemand dort weiß.“
Aber wir denken ja alle mit so viel Liebe und Sorge an dich, du musst doch gesund wiederkommen, nicht wahr, du mein lieber Ernst!
Kurt bittet noch um einige Zeitungspäckchen mit Romanen, dort sei es so langweilig. Seit einigen Tagen geht er schon etwas spazieren.
So, nun habe ich dir fast den ganzen Brief abgeschrieben.
Ich weiß nicht genau, ob ich dir schon geschrieben habe, dass die Kinder morgen Zeugnisse bekommen. Aber mir ist es so, als hätte ich es dir schon gestern mitgeteilt.
Nun laß mich schließen. Ich muß noch das Essen kochen, bis die Kinder heim kommen. Beim einkaufen nehme ich gerade noch den Brief mit.
Sei nun recht herzlich gegrüßt und geküsst von Deiner Annie.

 Mein liebster, bester Ernst !                                                                       Konstanz, 27.3.42                               

Trotzdem erst vor wenigen Stunden mein heutiger Brief fortgegangen ist, muß ich in meiner Freude doch noch einen schrieben. Vorhin wollte ich Romane und eine Karte an Kurt fortschaffen, da sehe ich im Riesenbergweg den Briefträger stehen, der seit dieser Woche auch am Nachmittag wieder austrägt. Ich fahre schnell hin und frage, ob er was für mich hat. Und wirklich, 4 Päckchen waren da. Du kannst dir meine Freude denken. Schnell bin ich noch mal heimgefahren und zuerst haben wir den Widerstand ausgepackt und das Radio angeschlossen. Das war noch mal eine Freude. Wie schön das klingt und wie lautstark der Apparat ist! Noch viel schöner klingt´s, als damals im Radiogeschäft. Ein paar deutsche Sender habe ich sofort bekommen. Die Kinder sind wie toll vor Freude im Zimmer herumgetanzt. Aber etwas muß ich dich noch fragen, nimmst du es nicht übel, dass wir uns den Apparat nun doch in die Küche gestellt haben? Immer kann man die Tür noch nicht auf haben und wir möchten so gern hören.
Ich möchte dir nochmals recht, recht fest danken, dass du so sehr lieb warst und den Apparat gekauft hast. Du hast uns eine ganz große Freude gemacht. Es ist schade, dass du jetzt nicht auch hören kannst, du würdest auch deine Freude daran haben. Das hören ist jetzt direkt ein Genuß.
Nun möchte ich dir aber auch für die anderen Päckchen, Nr.19, 20, 22 danken. Auch darüber freuen wir uns sehr. Es hilft mir doch alles so sehr. Ich habe immer eine gewisse Reserve da. Jörg freut sich besonders auf die Marmelade, Helga auf den Zwieback und ich mich über alles, besonders auch über den Zucker.
An Kurt habe ich heute folgende Karte geschrieben:
Lieber Kurt!
Heute erhielt ich deinen Brief vom 23. Es freut mich, dass dich das Päckchen erreicht hat und dass du Freude daran gehabt hast. Deinen Wunsch nach Romanen habe ich gleich erfüllt und sende dir heute zwei Zeitungspäckchen. Hoffentlich erhältst du sie bald. In der nächsten Woche bekomme ich wieder Zeitungen und Romane. Sobald ich welche ausgelesen habe, sende ich sie dir zu. Das Ausätzen der Wunden wird auch wenig schön gewesen sein. Es ist nur gut, dass die wunden splitterfrei sind. Da hast Du später vielleicht keine Beschwerden damit. Ernst ist nun auch schon wieder zwei Wochen in Frankreich. Wie er heute schrieb, kommt er wahrscheinlich Mitte oder Ende nächster Woche fort. Wir hoffen auch von ganzem Herzen, dass er gesund wieder heim kommt.
Es folgen dann noch die Grüße.
Die Romane habe ich seinem Wunsch zufolge als Zeitungspäckchen, bzw. Drucksache in Kreuzband geschickt, da sie dann als Brief befördert werden und das Gewicht 1 Pfund sein darf. Er möchte sie recht schnell haben.
Übrigens ernst, dass der Widerstand heiß wird, das macht doch nichts? Wenn ich mich recht erinnere, hatte der Radiohändler davon gesprochen. Das Radio läuft jetzt gerade wieder und ich muß immer wieder staunen, dass es unser Apparat ist, der so schön spielt. Die tiefen Töne hört man auch so gut. Also einfach fein, ganz fein. Und das gehört nun uns, weil du so lieb warst und ihn gekauft hast. Ich kann dir gar nicht genug danken.
Nun will ich schließen. Ich will noch die Schulaufgaben der Kinder nachsehen und dann wollen wir Abendbrot essen.
Ernst, ich denke jetzt immer daran, dass du fast den gleichen Apparat hast und am Abend vielleicht auch so hörst, wie ich. Wenigstens noch die nächsten Tage. Wenn ich das Radio sehe, so freue ich mich, und doch bin ich auch wieder etwas traurig, denn er erinnert immer an deinen Urlaub, der nun schon wieder vorbei ist. Aber viele schöne Erinnerungen haben wir doch, nicht wahr, mein lieber Mann. Nun grüße und küsse ich dich recht herzlich, Deine Annie.