Mein lieber Schatz! 28.6.
Heute erhielt ich Deinen lieben Brief
22./23./24.6., der hat mich fest gefreut. Vor allen Dingen ist die Sorge, daß
Du böse sein würdest wenn wir verreisen, von mir genommen Ich habe direkt
aufgeatmet. Sehr freuen tue ich mich über den Brief von der Stadt. Es ist doch
wenigstens einmal ein Fortschritt. Man sieht doch einmal, daß sie nicht ganz
bockbeinig gewesen sind und Deine viele Mühe beim lernen wird doch wenigstens
belohnt.
Nun will ich den Brief erst einmal der
Reihe nach beantworten. Ich muß Dir offen sagen, daß ich sehr ungern ein Pflichtjahrmädel
nehmen würde. Du weißt, ich bin sehr gern allein und es würde mich quälen,
dauernd einen fremden Menschen um mich zu haben. Wegen Dora, das überlege ich
mir noch. Zuerst wollen wir einmal verreisen. Du meintest nun, wir sollten uns
mit den Eltern im Urlaub treffen. Das geht nicht gut, denn sie bleiben ja nicht
an einem Ort. Außerdem ist es mir lieber, wir fahren direkt nach Leipzig. Da
könnte ich mich doch auch einmal ausruhen, wenn es mir zu viel wird. Unterwegs
könnte ich das nicht. Außerdem möchte ich gern, daß die Kinder Leipzig ein
bißchen kennen lernen. In den Zoo und zum Völkerschlachtdenkmal möchte ich mit
ihnen gehen. Also, wenn Du nichts dagegen hast, fahren wir nach Leipzig.
Mein Aussehen ist jetzt nicht mehr so
schlecht. Da habe ich schon ziemlich aufgeholt. Auch so geht es mir ganz gut.
Nur darf ich noch nicht so viel schaffen oder mich aufregen, sonst tut es mir
das Rückgrad runter noch ziemlich weh. Das ist die Schwäche.
Bei Jörg werde ich es also nicht so
tragisch nehmen, wenn er noch so verspielt ist. Wenn es, wie Du schreibst, in
Eurer Art liegt, daß Ihr ein wenig länger braucht, bis Ihr Euch reingefunden
habt, so mache ich mir keine Sorgen mehr, denn Du bist ja auch ein so lieber
und rechter Kerl geworden. Aufmuntern tu ich ihn ja immer wieder, denn das kann
nichts schaden.
Wie ist das jetzt mit dem Gehalt?
Ausbezahlt werden 255,68. Dazu kommen 2 x 20 Mk = 295,68. Bis jetzt war der
Grundgehalt (nachdem die % wieder dazugekommen sind) 281,58. Das wären ca.
14,-Mk mehr. Wieso kommen nun die Beiträge zur Zusatzversorgung, Arbeitslosenversicherung
und Angestelltenversicherung in Fortfall? Müssen wir da etwas anderes zahlen?
Wenn Du später ja wieder als Angestellter gerechnet würdest, würde da die
Angestelltenversicherung, die wir bis jetzt bezahlt haben, mit angerechnet? In
derselben Krankenkasse können wir doch bleiben, nicht wahr?
Vielleicht sind einige dumme Fragen dabei,
aber ich möchte gern über alles Bescheid wissen.
Mit dem Einkochen der Marmelade mache ich
mir diesmal nicht so viel Arbeit, ich muß mich nach dem Zucker richten.
Auch so im Allgemeinen tu ich jetzt nur
das, was notwendig ist. Es hat ja keinen Zweck, daß ich mich überanstrenge und
dann liege ich wieder fest.
Wir müssen jetzt auch die Kartoffelfelder
nachsehen, denn auf der Reichenau haben sie Kartoffelkäfer gefunden. Die Viecher sind doch überall.
Die Bilder, die Du mir geschickt hast,
sind prima. Ich kann Dich darauf gar nicht oft genug ansehen. Fein siehst Du
darauf aus. Wie immer.
Heute Mittag ist nu die Küche fertig
geworden. Man erkennt sie gar nicht wieder. Alle Türen sind weiß gestrichen. Du
wirst staunen, wenn Du einmal auf Urlaub kommst.
Vorhin habe ich im Radio gehört, daß die
Postsperre, wenigstens für Briefe, aufgehoben ist. Bei Päckchen ist es ja nicht
sicher, ob sie angenommen werden.
Ich möchte Dir deshalb vor allen Dingen
wenigstens mit Brief alles Gute zum Geburtstag wünschen. Bleib immer gesund und
komm uns wieder. Das ist eigentlich jetzt das wichtigste. Verlebe auch Deinen
Geburtstag so froh wie möglich. Wir werden in Gedanken immer bei Dir sein. Ein
kleines Päckchen schicke ich am Montag an Dich ab. Ich werde ja sehen, ob es
mir abgenommen wird.
Sei für heute recht herzlich gegrüßt und geküßt
von Deiner Annie.
Ich bin so froh, daß ich wieder an Dich
schreiben kann.
Lieber
Vater! Auch wir wünschen Dir viel Glück und Freude, daß Du Dein Geburtstag
recht gut erlebst. Viele Grüße und Millionen Küsse von Deiner Helga und Jörg.
Gerade erhielt ich Deinen Brief, da ich in
die Stadt will, beantworte ich ihn morgen
Mein liebster Ernst! 29.6.
Heute komme ich erst am Abend dazu, an
Dich zu schreiben und Dir auf Deinen lieben Brief vom 25.6. zu antworten. Wir
waren nämlich auf dem Flugplatz. Es war ein Flugwerbetag. Zu sehen war ein
Bomber, ein Zerstörer, noch einige kleinere Flugzeuge, bei denen ich mich nicht
so auskenne. Auch einige Segelflugzeuge waren da. Jörg wäre am liebsten schon heute
Morgen gegangen, so war er auf die Flugzeuge gespannt. Wir haben aber erst
Mittag gegessen und dann habe ich noch 3/4 Stunde geschlafen, da ich sehr
kaputt war. das Schlafen hat mir gut getan. Hinterher war ich ganz frisch.
Gegen 3 Uhr sind wir fort. Es war interessant. Der Bomber, der Zerstörer, der Doppeldecker
und noch ein Flieger haben Flüge ausgeführt. Wenn der Zerstörer im Tiefflug
über den Platz gerast ist, hat man richtig den Kopf eingezogen.
Gestern ist leider beim fliegen ein
Unglück passiert. Ein Segelflieger ist beim Gottmannplatz abgestürzt. Soviel
ich gehört habe, soll es ihm ein Bein weggerissen haben. Vielleicht steht
morgen davon etwas in der Zeitung.
Heute haben wir Erbsen aus unserem Garten
gegessen. Das schmeckt gleich noch einmal so gut. Auch 2 Pfund Erdbeeren haben
wir wieder geerntet. Die Johannisbeeren werden schon rot. Da wird es bis zur
Ernte auch nicht mehr solange dauern. Nur fallen welche so ab. Herr Steinmehl
fragte mich schon einmal, ob es bei uns auch so sei, bei ihm fielen auch welche
ab, die seien erfroren. Ich weiß ja nicht, ob es der Fall ist.
Du hattest mir doch vor ein paar Tagen
Dein Gewicht mit 66,5 kg geschrieben. Da habe ich mich nun gestern auch gewogen
und habe feststellen müssen, daß ich mit Kleidern weniger wiege als Du ohne
Kleider, nämlich 65,5 kg. Im März habe ich noch 139 Pfund gewogen. 8 Pfund habe
ich während meiner Krankheit verloren. Da schadet es, glaub ich, nicht, wenn
ich wieder ein bißchen aufhole.
Du wirst sicher heute auch die verschiedenen
Sondermeldungen gehört haben. Was haben unsere Soldaten da wieder für
Leistungen vollbracht. Wenn die Russen zu uns ins Land gekommen wären, hätten
wir ja etwas erleben können. Wir können dem Führer und den Soldaten gar nicht
dankbar genug sein, daß wir das nicht durchmachen müssen.
Nun zu Deinem Brief. Ich war auch froh,
daß ich Dir vor der Postsperre noch mitteilen konnte, daß es mir besser geht.
So mußtest Du Dich nicht so lange sorgen.
Ich wollte ja morgen zum Geburtstag ein
Päckchen an Dich abschicken. Jetzt werde ich aber doch lieber morgen auf der
Post erst fragen, ob sie Päckchen annehmen. Sonst werde ich es, soweit möglich, aufteilen. Du wirst sicher nicht
böse sein, wenn das Päckchen einen Tag später ankommt. Rechtzeitig kommt es
doch nicht mehr hin.
Übrigens, diesen Monat habe ich den
Gehaltszettel noch gar nicht bekommen. Ich habe das Fräulein gestern angerufen,
ob er noch bei ihr ist. Ja, der sei noch da, ob sie ihn mir zuschicken sollte.
Ich sagte, das sei mir schon recht.
Ich will das nämlich nicht einführen, daß
ich ihn jedes Mal hole.
Nun schließe ich wieder für heute. Es ist
9 Uhr. Die Kinder gehen gerade ins Bett und ich will es nachher auch gleich
tun. Vorher schaffe ich nur noch den Brief fort. Da wird er gleich morgen früh
abgeholt.
Sei wieder recht herzlich gegrüßt und
geküßt von Deiner Annie.
Sollte dieser Brief zu Deinem Geburtstag
ankommen, so wünsche ich Dir nochmals, daß Du Deinen Geburtstag froh verlebst.
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