Mein lieber Ernst Konstanz,
den 13.6.41
Gerade, als ich den gestrigen Brief an
Dich zugeklebt hatte, kam der Briefträger. Er brachte mir Deinen lieben Brief
vom 7.6. Heute früh erhielt ich noch dazu Deine lieben Briefe vom 8. und 9.6.
Ich danke Dir für alle recht sehr.
Deine Vermutung, daß es mich diesmal
richtig gepackt hat, ist richtig. Das siehst du ja schon daran, dass ich jetzt
noch nicht ganz auf der Höhe bin. Ich wäre vielleicht schon eher gesund
geworden, aber dazu hätte ich Ruhe gebraucht und die hat mir, wie Du Dir denken
kannst, vollkommen gefehlt. Die Kinder sind immer noch nicht verständig genug,
um zu verstehen, was es heißt, krank sein. Die ersten 2 Tage kann man ja etwas
still sein, aber dann wird es langweilig. Die notwendigsten Arbeiten habe ich
ja sowieso machen müssen. Dazu haben dann die Kinder täglich hunderte von
Fragen. Dann wird rumgetobt, dann händeln sie sich auch einmal, so daß man
dazwischen fahren muß. Zum runtergehen haben sie sich ja jetzt immer einen
Schlüssel mitgenommen, damit sie nicht immer klingeln müssen. Das hat den
Vorteil, daß ich nicht immer aufstehen muß. Aber Du weißt ja, wie es ist. Alle
5 Minuten haben sie etwas anderes. Da wird die Türe zugeschmissen, daß man in
die Höhe fährt, wenn man gerade ein bißchen beim einschlafen ist. Sagt man
ihnen dann etwas, dann fangen sie an zu heulen vor lauter Reue und nach einigen
Minuten habe sie es schon wieder vergessen. Sie tun es auch bestimmt nicht aus
Bosheit, sondern sie sind noch zu dumm. Wenn Vater da ist, hat er sie schon ein
paar Mal gründlich runtergeputzt und gesagt, daß sie doch Rücksicht auf mich
nehmen sollen. Es hat ja alles nicht viel Zweck. Na, das Schlimmste ist ja
vorbei und ich will mich beeilen, daß ich bald gesund bin.
Hoffentlich ist Dein Zahn nun tatsächlich
in Ordnung; Es wäre ja zu wünschen.
Die mit gesandten Bilder hebe ich auf. Du
bist doch gar nicht so schlecht getroffen, daß Du mir erst eine genaue
Beschreibung von Dir geben mußt. Ich habe Dich jedenfalls auf jedem Bild
erkannt.
Wenn alles so gekommen ist, wie Du
schreibst, bist du ja nun schon 1 /2 halbe Woche in Deinem neuen Zimmer.
Hoffentlich gefällt es Dir dort auch.
Die Beschreibung Deiner verschiedenen
Arbeiten hat mich sehr interessiert. Ich habe daraus entnommen, dass sie Dich
auch befriedigt. Da macht man ja alles noch einmal so gern.
Die Briefe an Kurt, Nanni und Legler sind
gut. Es ist mir nur ein bißchen peinlich, daß Du nun doch an Legler geschrieben
hast, daß Du einen Kurs mitgemacht hast, während wir doch ausgemacht hatten,
nichts davon zu erwähnen und ich daraufhin doch an Elsa nur von einem 3 tägigen
Urlaub geschrieben habe. Aber es ist ja jetzt gleich.
Wenn Du Gardinen besorgen kannst, ist es
mir schon recht. Ich könnte drei Paar brauchen. Zwei oder ein Paar tun es auch.
Es wäre für das Schlafzimmer, das Kinderzimmer und die Küche. Für Vorhänge zum
zuziehen wäre nötig je 4 mtr80 cm breit(das ist am günstigsten) oder 2 mtr.140
bzw. 150cm breit. Solltest Du aber Scheibengardinen bekommen können, so müßten
sie je Scheibe 135 cm lang und 50 cm breit sein. (Also je Fenster, wenn es sich
um Stückware handelt, wie es bei uns ist, 270 cm) Stores sind ja auch sehr
schön, aber da müßte ich erst eine ganze Zugeinrichtung dazu kaufen und die
werde ich jetzt kaum bekommen.
Die Socken von vorigem Jahr, die Du den
Kindern geschickt hattest, tragen sie jetzt noch. Sie sind sehr gut. Nur werden
sie ihnen bald zu klein. Die Größe war von der Ferse bis zu Spitze 23 cm.
Die Photographie von den zwei Männern hebe
ich auf.(Wie die Namen geschrieben werden, weiß ich nicht mehr genau, drum
schreibe ich sie gar nicht erst) Der
Dicke gefällt uns allen nicht so gut.
An Alice habe ich noch nicht wieder
geschrieben. Ich habe ja an meine Eltern geschrieben, daß ich krank bin und daß
sich Alice noch etwas gedulden soll. Wegen Geld für Jörg werde ich nichts
schreiben, vielleicht kommen sie selber drauf, daß sie da etwas geben können.
Wenn Du so verwundert feststellst, daß die Pralinen schon aufgegessen sind,
komme ich mir wahrhaft wie ein Freßsack vor. Wir haben sie doch nicht in einem
Tag gegessen, daß wir hätten Leibweh bekommen können. Außerdem waren wir ja zu
dritt. Ich kann Dir aber sagen, daß dafür fast noch alle Schokolade da ist und
daß ich sie auch gut aufheben werde. Hat es Dich geärgert, daß wir die Pralinen
schon aufgegessen haben?
Die 5,- von den Eltern hebe ich auf. Es
wird wohl noch eine Weile dauern, bis ich mich zu einem größeren Ausflug
entschließen werde, aber Geld wird ja nicht schlecht.
Nun will ich wieder schließen. Die Kinder
fahren nachher in die Stadt zum einkaufen und nehmen den Brief gleich mit. Es
ist heute ganz schlechtes Wetter. Den ganzen Tag regnet es.
Sei nun recht herzlich gegrüßt und geküßt
von Deiner Annie.
Mein lieber Ernst! Konstanz, 14.6.41
Zuerst möchte ich Dir heute von mir
erzählen. In der letzten Zeit ist es mir ganz verschieden gegangen. Einmal war
es sehr gut, ein andermal ging es wieder schlechter. Das hing mir bald zum
Halse heraus. Das Atmen ging ja schon ganz gut, d.h. wenn ich nicht viel
schaffte. Die letzten Nächte habe ich auch sogar schon durchschlafen können.
Aber das richtige war es doch nicht. Da hab ich mir vorgenommen, wenn ich heute
Geld holen ging, (denn wen sollte ich sonst schicken) da gehe ich gleich mit
zum Doktor. So habe ich es auch gemacht. Es ist ja nicht viel dabei
herausgekommen, nur weiß ich jetzt, daß es eine Art Asthma ist. Der Arzt hat
mir etwas verschrieben, das den Schleim lösen soll(so etwas habe ich mir auch
schon selbst gekauft gehabt) und dann noch Herztropfen. Vielleicht schafft mir
das etwas Erleichterung, denn das Herz muß ja schlimm schaffen. Ich habe ihm
gleich gesagt, daß ich mich nicht die ganze Zeit hinlegen kann, sondern daß ich
das notwendigste schaffen muß. Ich habe ihm auch gesagt, daß ich die Grippe
gehabt habe. Also, außer den Herztropfen bleibt alles beim Alten. Ich schaffe
das nötigste und lege mich die andere Zeit hin. Wenn ich auf dem Liegestuhl
liege, habe ich es jetzt öfter so gemacht, daß ich das Fenster geöffnet habe
und tief einatme. Das ist mir ganz gut
bekommen. Es tut ja etwas weh, aber das nehme ich schon mit in Kauf. Viel
schaffen kann ich aber noch nicht. Das habe ich heute früh gesehen. Ich bin
kaum mehr heimgekommen, trotzdem ich doch mit dem Omnibus gefahren bin. Ich
hatte mich angezogen, wie im tiefsten Winter und trotzdem habe ich schrecklich
gefroren. Ich habe mich dann gleich hingelegt, habe heißen Tee getrunken und
eine heiße Suppe gegessen, das hat mich wieder auf die Beine gebracht. Ich habe
dem Arzt auch gesagt, daß ich vollkommen kaputt bin. Er hat mir dann gesagt, er
gibt mir erst einmal die Herztropfen zur Erleichterung und Ende der Woche soll
ich wieder hinkommen, da werden wir weitersehen.
Um das Kartoffelhäufeln brauche ich mich
nicht mehr sorgen. Wahrscheinlich macht es Herr Steinmehl und sonst hat Herr
und Frau Leimenstoll gesagt, dass sie es machen wollen. Sie wollen mir auch die
notwendigsten Gartenarbeiten machen. Um die Treppe brauche ich mich auch nicht
kümmern. Frau Nußbaumer macht sie bis ich wieder gesund bin. Du siehst also,
dass ich schon unterstützt werde. Ich werde mir wahrscheinlich nächstes Mal
auch von Frau Nußbaumer waschen lassen. Ich muß eben etwas Geld ausgeben, aber
meine Gesundheit ist mir lieber.
Doch nun genug davon. Jetzt zu Deinem lieben
Brief vom 10.6., den ich vorfand, als
ich heimkam. Du wirst also scheinbar nicht so gut mit Post versorgt wie ich
augenblicklich. Ich will es nicht beschreien.
Heute steigt also Euer Kameradschaftsabend.
Hoffentlich klappt alles. Ich wünsche es Dir von ganzem Herzen und werde mit
meinen Gedanken bei Dir sein.
Ihr seid also ganz mit militärischer
Pünktlichkeit umgezogen. Ich werde ja bald hören, wie es Dir jetzt gefällt.
Ich schrieb Dir doch gestern, daß es die
Kinder noch gar nicht verstehen, was es heißt, krank zu sei. Da kann ich Dir
heute ein Beispiel davon geben. Mir ging es gestern ziemlich gut, so daß ich
eigentlich seit langer Zeit zum ersten Mal wieder etwas gelacht habe. Sofort
kam Helga und sagte: „Mutterle, weißt Du, was mich freuen würde, wenn Du mit
uns Blindekuh spielen würdest.“ Ich sagte zu ihr „Ja Kind, ich bin doch nicht gesund,
daß ich so etwas mitmachen könnte.“ Da sagte sie “Ich dachte Du bist wieder gesund,
weil Du doch gelacht hast.“
Als ich heute aus dem Omnibus stieg, wurde
mir auch eine Überraschung zuteil. Da steht Helga davor mit verbundener Hand
und Knie. Ich kann Dir sagen, nachdem es mir schon nicht gut war, habe ich
einen Schreck bekommen. Ich dachte sonst was, was passiert ist. Wie es sich
dann herausstellte, ist sie heute, als sie in die Schule ging, einem Mädel
nachgerannt und ist über den Schirm, den sie dabei hatte, trotzdem ich es nicht
gern sehe, geflogen. Da hat sie sich die Finger und das Knie aufgeschlagen. Da
es gerade vor dem Hause der Frau Meßmer passiert ist, hat sie sie reingeholt
und verbunden. Das war ja nett von der Frau. Helga läuft ja jetzt direkt mit
einem Stolz mit ihrem Verband herum. Vor allen Dingen macht es sie ganz stolz,
daß alle Leute fragen, was sie denn gemacht hat.
Gestern hatte ich doch die Kinder zum
einkaufen geschickt. Sie wußten nun, daß ich gern Zitronen gehabt hatte, dass
es aber nicht überall welche gibt. Da haben sie doch welche gesehen, Riesendinger,
die nach Pfund abgewogen werden und brachten mir doch 2 Pfund (5 Stück) zu 90
Pfg. Das waren wirklich teure Zitronen, aber ich habe natürlich nicht
geschimpft, denn sie haben ganz gestrahlt, weil sie mich damit überraschen
konnten. Für`s nächste Mal habe ich natürlich gesagt, sie sollen mich erst
fragen.
Gestern hatte ich die Kinder zum
Schnittlauch holen geschickt. Als sie wieder rauf kamen, brachten sie mir noch
einen ganzen Strauß Schnittlauchblumen mit, weil „die doch auch so schön sind“.
Sie stehen nun auch in einer Vase, denn beide wären schwer beleidigt gewesen,
wenn ich die Blumen weggeworfen hätte.
Gestern Abend war Vater da. Er hatte mir
auch Zitronen besorgen wollen und brachte auch 2 Stück mit, zu je 8 Pfg. Er
hatte nicht mehr gebracht, weil sie ihm zu teuer waren. (Siehe den obigen
Kauf)Als die Kinder ihr Bärle mit ins Bett nehmen wollten, sagte er zu ihnen,
daß doch so große Kinder keinen Bär mehr mit ins Bett nehmen. Da waren aber
beide beleidigt. Sogar Tränen hat es gegeben. Die Bärle sind ihnen eben doch
sehr ans Herz gewachsen und ich finde auch gar nichts dabei. Ein Bärle heißt
Heidemarie. Davon wurde gestern ein Lied im Radio gesungen, von Soldaten. Hinterher
meinte er dann „Es war doch gut, daß wir es Heidemarie genannt haben. So gibt
es wenigstens ein Lied von ihm.“ Helga hat doch auch schöne Puppen, aber den
Bär sticht keine aus.
Ich will nachher noch einen Kuchen backen.
Du siehst also, mir geht es jetzt wieder gut. Ich darf eben nur nicht viel
schaffen, dann geht es schon. Auch das Atmen geht ganz gut. Ich muß mich also schon noch eine Weile dem Faulenzertum
hingeben, aber ich denke, das werde ich später, wenn ich ganz gesund bin, schon
wieder aufholen.
Kurt muß sich mit seiner Phototasche schon
noch gedulden, die ich ihm schicken sollte. Sie ist wahrscheinlich doch oben in der Kiste und es ist eine ziemliche
Arbeit, die ganzen Schrauben aufzumachen. Das kann ich jetzt noch nicht. Ich
werde es ihm in den nächsten Tagen auch schreiben.
Von meinen Eltern habe ich seit dem Paket
auch nichts wieder gehört, trotzdem ich ihnen doch zwei mal geschrieben habe.
Na ja, man hat ja auch nicht immer Lust zum schreiben.
Nun will ich für heute wieder schließen.
Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt
von Deiner Annie.
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