Mein lieber Ernst! Konstanz,
den 18.6.41
Heute kam einmal kein Brief von Dir. Von
den Eltern habe ich ein Schreiben erhalten. Auch eine Abschrift des Briefes an
Dich. Unter anderem schreiben die Eltern, ich solle doch im Juli auf 14 Tage zu
ihnen kommen. Das wär an und für sich nicht schlecht, aber es läßt sich nicht
machen. Erstens bin ich ja noch nicht ganz gesund und weiß nicht, wie lange
sich die Sache noch hinzieht. Zweitens ist es so, Vater kann den Garten nicht
machen, und vor allen Dingen kommt dann gerade die Stachelbeer- und
Johannisbeerernte. Das ist das einzige, was ich einkochen kann, das möchte ich
nun nicht umkommen lassen. Vielleicht hätte es im August für 14 Tage besser
gepaßt, aber da verreisen wieder die Eltern. Außerdem ist es ja ziemlich viel
Geld, was ich da verbrauchen würde, ich werde absagen.
Gestern und heute haben wir wunderbar
sonniges Wetter. Das habe ich gestern gleich ausgenutzt, habe den Liegestuhl
ans Fenster gerückt und ein Sonnenbad genommen. Im Hof könnte ich ja nur das Gesicht
bescheinen lassen, aber oben kann ich alles, was mir vom husten weh tut, bis
herunter zur Brust, bescheinen lassen. Das hat mir gestern sehr gut getan. Ich
hatte sogar gestern Abend ein bißchen rote Backen. Nachher will ich mich wieder
hinlegen, denn die Sonnentage sind bis jetzt so rar gewesen, daß man jeden
ausnutzt.
Gestern sagte mir Frau Leimenstoll, sie
hätte heute Morgen Zeit und könnte mir verschiedenes setzen. Ich sollte nur mit
in den Garten kommen um zu zeigen, wo es hin soll. Heute Morgen hat mir Herr
Leimenstoll das Spinatbeet umgegraben und Frau Leimenstoll hat mir Weißkraut,
Rotkraut und Wirsing gesetzt. Einstweilen einmal im großen Garten. Sie hat mir
von ihren Setzlingen gegeben, weil unsere noch nicht so groß sind. Unsere sind
dann gerade recht, wenn ich das Erbsenbeet abernten kann. Da kommt dann auch
Kraut hin. Ich habe insoweit mitgeholfen, als ich die Setzlinge angegossen
habe. Leider konnte in die Arbeit nicht bis zuletzt durchhalten, weil ich
einfach nicht mehr stehen konnte. Ich war dann so kaputt, daß ich bis zum
Mittagessenkochen schlafen mußte. Jetzt bin ich aber wieder wohlauf. Überhaupt
geht es mir in den letzten Tagen ziemlich gut. Appetit habe ich auch schon
wieder mehr. Heute Mittag habe ich einen ganzen Teller Spätzle gegessen. Ich
denke, dass es jetzt schon nach und nach gut wird. Du siehst aber, was ich für
eine Luxusfrau bin. Ich fühle mich nur wohl, wenn ich nicht viel schaffen muß.
Wenn es mir morgen wieder gut geht, will ich aber doch zusehen, daß ich die
Tomaten anbinde, trotz meiner Luxusrolle, die ich jetzt spiele. Die Tomaten
sind eigentlich noch nicht so gewachsen, wie man es wünschen möchte, aber daran
ist das trübe, kühle Wetter schuld. Sie sind doch schon einen ganze Weile in
der Erde und jetzt muß ich sie erst zum zweiten Mal anbinden.
Ich habe mich für die Arbeit bei
Leimenstolls bedankt, aber sie sagte, ich hätte ihnen schon manchen Gefallen
getan, ohne daß ich etwas dafür angenommen hätte so daß es selbstverständlich
ist, wenn sie mich jetzt ein bißchen unterstützen. Mir ist es ja schon eine
große Hilfe.
Vater wollte doch erst nicht, daß Herr
Steinmehl mir die Kartoffeln hackt. Er wollte es machen. Ebenso die Setzlinge
setzen. Ich habe ihm dann gesagt, daß die Leute beleidigt wären, wenn sie es mir angeboten haben und ich lehne es
ab. Es ist doch so, Vater ist ein guter Kerl, aber wenn ich mit den
Gartenarbeiten auf ihn warten müßte, käme ich überhaupt mit nichts zurecht. Da
habe ich mich lieber auf fremde Hilfe verlassen.
Nun schließe ich heute schon. Mein
Sonnenplatz der lockt. Ich will nun mein Sonnenbad halten. - Sei recht herzlich
gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Mein lieber Ernst! Konstanz,
den 19. Juni 1941
Auch heute ist kein Brief von Dir
gekommen. Ich glaube, die Post will mich jetzt kurz halten, nachdem sie mich
ein paar Tage verwöhnt hat.
Wir haben heute wieder schönes sonniges
Wetter. Man ist das noch gar nicht gewöhnt.
Gestern Abend hat mir Jörg mitgeholfen, die
Setzklinge zu gießen. Heute Morgen standen sie ganz schön da. Auch heute Morgen
hat mir Jörg die Setzlinge wieder gegossen. Er macht es ganz gern, nur muß ich
dabei sein, damit er mit der Arbeit nicht allein ist. Heute Morgen habe ich
auch die Tomaten angebunden. Bei den Gurken habe ich in den letzten Tagen noch
einige Kerne nachgelegt, weil nicht alle gekommen waren. Ich denke, dass sie
schon noch kommen werden. Die Erbsen haben auch angesetzt, nur sind die Kerne
noch ganz klein.
Es ist schade, daß ich jetzt, wo es so
schön warm ist, nicht mit den Kindern baden gehen kann. Ich glaube, ich werde
wohl fast den ganzen Sommer darauf verzichten müssen. Für die Kinder will ich
sehen, daß ich ihnen wieder Wasser in den Hof stelle, daß sie wenigstens ein
bißchen etwas haben. Wenn mir nur das Wasser tragen nicht so viel Mühe machen
würde. Es ist mir noch sehr schwer.
Morgen gehe ich auch wieder zum Doktor.
Ich habe Dir, glaub ich, noch garnicht geschrieben, daß ich bei Dr. Deeg bin.
Das ist doch der Vertreter von Dr. Bundschuh. Mal sehen, was er sagt. Gegen die
vergangenen Wochen ist es ja schon viel besser, aber ganz gut ist es eben noch
nicht. Husten muß ich jetzt meist nur am morgen, wo sich alles löst, was sich
in der Nacht festgesetzt hat. Das Atmen geht auch wieder soweit, nur beim ganz
tiefen Atmen holen tut es noch weh, als wenn es inwendig wund wär. Die Schwäche
läßt auch langsam nach, aber eben langsam. In der Wohnung kann ich jetzt soweit
wieder alles schaffen, natürlich mit Ausruhpausen. Abends gehe ich natürlich
immer zeitig schlafen, denn am Abend habe ich dann genug. Mit dem essen geht es
auch wieder besser. Man merkt doch, dass eine Besserung eintritt. Jetzt heißt
es acht geben, daß kein Rückschlag eintritt. Manchmal will es mich entmutigen,
wenn ich etwas länger schaffen möchte und es geht einfach nicht mehr. Aber ich
sage mir, man kann einfach nichts übers Knie brechen. Es braucht Zeit, bis man
wieder bei vollen Kräften ist.
Es ist gut, daß Helga schon so groß ist,
daß sie mir immer einkaufen gehen kann. Sie weiß jetzt schon Bescheid mit dem
Geld. Ich habe ihr, wenn sie in verschiedenen Geschäften einkaufen mußte, schon
manchmal 10,-Mk mitgegeben und sie hat jedes Mal auf den Pfennig genau abrechnen
können. So brauche ich doch dazu keine fremden Leute zu bemühen.
Ich bin heute ein bißchen spät zum Schreiben
gekommen und wahrscheinlich wird der Brief erst morgen wegkommen. Ich will
nachher noch an die Eltern schreiben, damit sie Bescheid wissen, daß wir nicht
hinkommen können. Ich glaube, meiner Mutter wird es nicht so unrecht sein, denn
sie hätte doch, kurz wenn sie wegreisen, viel Arbeit mit uns gehabt. Außerdem
wahrscheinlich viel Rennerei mit der Lebensmitteversorgung. Mein Vater versteht
das doch nicht so. Den Durchschlag des Briefes lege ich bei.
ch schließe nun für heute. Sei Du, mein
lieber Ernst, recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
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