Mein lieber Ernst! Konstanz,
den 4.6.41
Einige Tage ist es mir wie Dir gegangen,
ich habe einfach keinen Brief von Dir bekommen. Jetzt will mich aber scheinbar
die Post entschädigen. Als wir gestern Nachmittag heimkamen, war Dein lieber
Brief vom 26.5. da und vorhin erhielt ich die Briefe vom 28. und 29.5. Für alle
recht vielen Dank.
Die Pralinen, die Dur mir geschickt
hattest, sind nun bereits aufgegessen. Das macht doch nichts? Ich habe ja noch
viel Schokolade aufgehoben. Fein haben sie geschmeckt, den Kindern auch, d.h.
eigentlich waren sie nur auf die Füllung ganz wild. Da habe ich manchmal die
Schokolade abgegessen und sie haben die Füllung bekommen. Du wirst denken, na,
die machen ja nette Sachen. Weißt Du, ganz allein aufessen mag ich sie nicht,
wenn die Kinder da sind, vor allen Dingen, wo ich auch noch Schokolade habe,
die sie nicht essen.
Mit dem Paßbild bist Du also nicht ganz zufrieden. Du mußt eben
bedenken, für ein Paßbild ist eine bestimmte Haltung vorgeschrieben und
außerdem muß das ganze Ohr frei sein. Dadurch kommt es Dir vielleicht etwas
fremd vor.
Deine guten Pfingstgrüße sind ja nun nicht
in Erfüllung gegangen, aber gefreut habe ich mich trotzdem darüber.
Wegen Deinem Zahn hatte ich schon immer
wieder einmal fragen wollen. Ich habe es dann aber immer wieder vergessen.
Hoffentlich kommt er nun bald in Ordnung.
Du mußt nicht denken, daß ich etwas
dagegen habe, daß Du Dir Stiefel und Hose kaufen willst, im Gegenteil. Ein
Soldat in Stiefeln sieht immer fein aus. Du weißt ja, daß mir das prima
gefällt. So müßtest Du aber einmal heimkommen.
Den Durchschlag, der zu Deinem Schreiben
an den Oberbürgermeister gehört, hebe ich auf. Wenn es auch nicht viel ist, was
sie schreiben können, so ist es doch anders, als wenn Du nur von Dir aus
geschrieben hättest. Schaden kann es auf keinen Fall.
Wir sind gestern Nachmittag mit dem
Omnibus in die Stadt gefahren. Es ist mir soweit nicht schlecht bekommen, nur
kann ich noch nicht viel laufen, ich bin doch noch ziemlich matt. Außerdem kann
ich nur ganz langsam gehen, sonst langt der Atem nicht. Ich habe noch einen
ziemlichen Bronchialkatarrh. Ich mache schon allerhand dagegen. Es muß doch
einmal besser werden.
Wir sind auch beim Sattler mit
vorbeigegangen wegen dem Ranzen. Er hatte schon die Riemen angenäht. Heute poliert
er ihn noch auf, so daß wir ihn heute Nachmittag holen können. Helga freut sich
schon so sehr darauf, als wäre es ein neuer. So hat Jörg dann einen Ranzen mit
ganzer Klappe, wie es hier die Jungen haben und Helga hat einen richtigen
Mädchenschulranzen. Da sind beide zufrieden.
Heute haben wir Salat aus unserem Garten
geholt , dazu gibt es Bratkartoffeln mit Ei. Das ist doch ein feines Essen. Wir
freuen uns alle schon auf den Salat. Ich habe ja meist auch nichts Appetit, aber
beim Salat bin ich mit Begeisterung dabei.
Gestern sind die Kinder zum ersten Mal
barfuß gelaufen. Es war aber auch heiß. Heute scheint auch die Sonne, aber es
weht ein Lüftchen. Das ist dann gleich nicht so drückend. Unser Drahtfenster
haben wir auch wieder in Gebrauch. Da kann man wenigstens den ganzen Tag das Küchenfenster auflassen, ohne daß man
von Fliegen aufgefressen wird.
Übrigens lag in dem Päckchen von meinen
Eltern ein 5,-Markschein. Den sollte ich für Pfingsten verwenden, damit wir
einmal einkehren können. Ich habe mich sehr darüber gefreut und ihn einstweilen
aufgehoben.
Nun will ich für heute wieder schließen.
Hoffentlich erhältst Du jetzt auch wieder regelmäßig Post.
Sei für heute recht herzlich gegrüßt und
geküßt von Deiner Annie.
Mein lieber Ernst! Konstanz,
den 5.6.41
Einen Brief habe ich von Dir nicht
bekommen. Ich habe ja eigentlich auch nicht viel zu berichten. Gestern haben
wir den Schulranzen für Helga geholt. Er ist wirklich wieder ganz fein geworden.
Helga braucht sich nicht mit ihm zu schämen. Sie ist auch ganz stolz darauf und
hat ihn heute gleich mit zur Schule genommen. Beim anderen ist hinten, wo es
zum aufhängen geht, die Schlaufe etwas eingerissen. Das lassen wir nun auch
gleich mit machen, dann ist alles in Ordnung. Der Ranzen hat zum machen 2.50
gekostet. Ich finde es nicht zu viel.
Das wollte ich auch noch schreiben. Wenn
du ja einmal telefonieren willst, dann bitte jetzt nicht. Weißt Du, ich brauche
viel Schlaf und Ruhe, damit ich wieder bald zu Kräften komme. Da gehe ich meist
schon gegen 9 Uhr ins Bett und vorher liege ich schon auf dem Liegestuhl. Da
könnte es dann sein, daß ich nicht schnell genug zu Webers vor könnte und das
würde mich sehr ärgern. Mit geht es
soweit ganz gut. Der Katarrh ist auch ein wenig besser geworden. In dem
Eiltempo, wie ich es gern möchte, geht es eben nicht. Das einzige, mit was ich
im Garten im Rückstand bin, sind die Kartoffeln. Aber ich muß eben doch erst
sehen, daß ich selber wieder gesund werde.
Von Dora hatte ich zu Pfingsten übrigens
auch eine Karte bekommen. Ich werde ihr so bald als möglich schreiben. Ebenso
an alle anderen, von denen ich Briefe daliegen habe. Viel Briefe bekommen ist
ja ganz schön, aber das Beantworten (außer an Dich) nicht so.
Es sieht aus, als gebe es heute noch ein
Gewitter. Es ist ganz schwül draußen. Da will ich Helga noch zum Einkaufen
schicken, ehe sie naß wird.
Bei unserem Baum haben die Blätter jetzt
ihre normale Größe erreicht. Vorm Haus macht sich die Kapuzinerkresse gut
heraus und unsere Gurken kommen jetzt alle heraus. Ich bin froh, daß ich die
Bohnen, Gurken usw. schon gelegt hatte, ehe ich krank geworden bin. Jetzt wäre
es doch schon ziemlich spät dazu. Da hätte ich mich sehr geärgert. So habe ich
doch nicht so viel versäumt.
Daß man mit Frau Büsing aus dem Haus nicht
in Frieden leben kann, hat jetzt auch Frau Leimenstoll erfahren müssen. Als ihr
der Schlüssel weggekommen ist, hat sie mich, Frau Nußbaumer und Frau Büsing
gefragt, ob wir ihn vielleicht gefunden hätten. Sie wollte ja niemanden verdächtigen.
Wir haben natürlich gesagt, nein. Frau Büsing hat sie nun gleich angefahren: „Was
sie sich einbildete, sie hätte schon ein paar mal so saudumme Fragen an sie
gerichtet und wenn sie auch keine Beamtenfrau sei, so würde sie doch mit keiner
aus dem Haus tauschen.“ Worauf Frau Leimenstoll sagte, sie solle vor allem die
Beamtenfrau aus dem Spiel lassen, darauf käme es ja gar nicht an, was einer wär.
Da ist sie dann ausfallend geworden, genau wie bei mir. Man sieht also, es ist
bei ihr nur der Neid. Jetzt steht sie nun allein im Haus, aber sie versucht es
durch doppelte und dreifache Bosheit wett zu machen. Bei dem Willi, der ja
immer noch da ist, sieht man deutlich die Früchte der Erziehung. Als er herkam,
war er ganz anständig, jetzt wird er aber genau so ein Flegel wie die anderen.
Unsere Amaryllis solltest Du einmal sehen.
Die große Pflanze hat jetzt vier schöne starke Blätter und die kleine macht
sich auch fein heraus. Ich denke, daß es Dich freuen wird, nachdem sie doch von
Euch zuhause sind.
Nun will ich wieder schließen. Es wird
sonst zu spät für Helga. Sei recht herzlich gegrüßt und geküsst von Deiner Annie.
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