Mein lieber Ernst! Konstanz,
den 10.6.41
Ich danke Dir herzlich für Deinen lieben
Brief vom 5.6. und Dein liebes Päckchen Nr. 11 mit den 5 Tafeln Schokolade. Von
der Milchschokolade haben wir schon einmal probiert, d.h. ich nur ein ganz kleines
Stück, denn sie ist ja schließlich für die Kinder. Die schmeckt noch besser als
die andere mit Nuß. Sie ist ja auch teuer genug.
Eigentlich ist es mir schon über, Dir
jeden Tag schreiben zu müssen, daß es mir noch nicht ganz gut geht. Du wirst
vielleicht denken, „zum Donnerwetter, hat sie denn überhaupt keine Energie, daß
das so lange dauert.“ Aber daran liegt es wirklich nicht, das darfst Du mir
glauben. Ich gebe mir alle Mühe. Aber
ich war doch schon früher manchmal so kaputt und ich glaube, daß das jetzt mit
zum Ausbruch kommt. Gestern habe ich noch die halbhohen Bohnen gehäufelt und
Reisig dran getan. Das war aber schon wieder zu viel für mich, denn hinterher
habe ich mich überhaupt nicht mehr auf den Füssen halten können. Ich werde
vielleicht doch Herrn Steinmehl bitten, mir die Kartoffeln zu häufeln. Ich gebe
ihm sehr gern etwas dafür.
Bei meinem Bronchialkatarrh kann es sich
vielleicht auch um einen Luftröhrenkatarrh handeln, denn es tut fast bis zum
Magen runter weh. Es ist ja schon viel besser geworden, aber richtig tief atmen
kann ich immer noch nicht. In der Nacht habe ich meist bis 4 Uhr früh Ruhe.
Dann wache ich auf und muß husten. Da ich mich dazu hoch setzen muß und doch
immer nachts fest geschwitzt habe, mache ich es immer so, daß ich aufstehe,
mich wasche, anziehe und dann die restlichen Stunden im Liegestuhl schlafe.
Wenn ich dann husten muß, erkälte ich mich wenigstens nicht noch. Heute Morgen
habe ich es so gemacht, daß ich gleich nach dem aufstehen und anziehen mit
Salzwasser gegurgelt habe. Da habe ich dann die restlichen Stunden ohne husten
schlafen können. Morgen werde ich es wieder so machen. Heute habe ich mich
wieder einmal ausgeruht und jede Stunde gegurgelt. Außerdem habe ich mir von
der Brust bis zum Hals ein Säckchen mit Zwiebeln aufgelegt, weil das gut sein
soll. Vielleicht bringt es Linderung. Schaden kann es auf keinen Fall. Es beißt
nur so in die Augen, dass es aussieht. als heule ich. So traurig ist es mir
aber nun wieder nicht zu Mute. Ich bin sonst ganz guter Dinge, nur auf meine
Schwäche habe ich eine Mordswut. Aber auch da werde ich Geduld lernen müssen.
Dich bitte ich aber, lieber Ernst, mach Dir keine Sorge um mich. Ich faulenze
eben, bis ich wieder gesund bin. So viel Egoist bin ich nun doch, daß ich mir
sage, was nicht geht, bleibt liegen. Jetzt komme ich erst einmal (Bezüglich
Egoismus habe ich doch schon ganz schöne Fortschritte gemacht, nicht wahr? Aber
Du weißt ja, Unkraut vergeht nicht.)
Vorhin kam gerade das angekündigte
Päckchen von Kurt. Es waren verschiedene Sachen drin zum aufheben. Außerdem
Drops für die Kinder. Wie er schrieb, bekommen sie sie zugeteilt und er macht
sich nichts daraus. Dann schickte er noch Muscheln für die Kinder zum spielen
und den Federkasten. Darauf ist eine Madonna mit Kind und dazu steht
geschrieben „St. Anne d`Auray“. Dort war oder ist er wahrscheinlich, denn er
schrieb von einem Kloster in einem Wallfahrtsort, wo sie untergebracht sind.
Wahrscheinlich auch wieder nur vorübergehend. Kurt hat auch eine Dose
Ovomaltine mitgeschickt. Er hat zwar nichts davon geschrieben, aber ich denke
doch, dass es für uns bestimmt sein wird. Ich könnte es ja jetzt ganz gut
brauchen. Das ist doch zur Stärkung.
Es wird nun wieder Zeit, dass ich den
Brief schließe, denn Helga ist heute bis um 6 Uhr in der Schule, die kann den
Brief nicht fortbringen. So schafft ihn Jörg in die Schneckenburgstraße zum
Briefkasten. Der wird 1/2 5 geleert und dann erst wieder morgen früh.
Sei also, mein lieber Schatz, recht
herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
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