Mein lieber Ernst! 30.6.41
Heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom
28.6. Der ist schnell angekommen.
Leider habe ich lesen müssen, daß Du Dich
auch dort herumärgern mußt. Es muß eben immer etwas sein. Nimm es nur nicht so
schwer.
Du meintest, wir sollten doch einmal zur
Mainau fahren. Vielleicht laufen wir einmal hin. Das Fahren kostet mir diesen
Monat zu viel, denn ich muß ziemlich das Geld zusammenhalten, wenn wir
verreisen wollen. Ich habe mich heute erkundigt. Eine Fahrt kostet für mich
30,7oMk. Beide Kinder zusammen kosten auch soviel. Das ist für Hin- und
Rückfahrt über 120,- Rückfahrkarten gibt es ja nicht und auf dem Fahrpreis ist
halt noch Kriegssteuer drauf. Ein paar Mark möchte ich auch so noch zum
Verbrauchen haben. 45,- Fahrtgeld habe ich bis jetzt. Am 15. kann ich vom
Gehalt noch 80,- nehmen. Ich weiß ja nicht genau, wie viel ich ausgezahlt
bekomme, aber 196,- wie voriges Mal bestimmt.
Heute habe ich auch den Gehaltszettel
bekommen. Er lautet:
Gehalt (was ich ausgezahlt bekomme) 267,09
Einkommensteuer 14,30
Bürgersteuer 2,-
Miete 37,70
Angestelltenw. 6,-
Arbeitsfront 3,80
Zusatzversorgung 6,85
Abzüge 70,65
__________
196,44
Wenn übrigens alles klappt, fahren wir
vielleicht am Freitag, den 25.7. Ich denke, daß am Samstag sicher noch mehr
Betrieb sein wird. Ich habe mich heute auch nach dem Zug erkundigt. Wir könnten
um 8,06 Uhr wegfahren und wären abends 20,45 in Leipzig. Das wäre doch günstig.
Ich habe heute ein Päckchen an Dich abgeschickt.
Morgen folgen noch zwei. Es sind aber nur Kleinigkeiten, die wir Dir schicken
konnten. Man ist gar nicht mehr im Bild, was Du eigentlich hast und was Du brauchen
könntest.
Auf der Post sagten sie mir heute, nach
Westen werden Päckchen angenommen, nur nach dem Osten noch nicht.
Heute kamen 2 Päckchen von Kurt, er hat
verschiedene Sachen zum Aufheben zurückgeschickt. Bonbons für die Kinder waren
auch dabei. Nun lag auch ein seidener Schal dabei, vielmehr kein Schal, sondern
ein viereckiges Tuch, wie Du mir welche geschenkt hast. Jetzt weiß ich nicht,
soll das für mich sein, oder soll ich es mit aufheben. Er schreibt in den
Briefen nie etwas dazu. Bedanke ich mich
nun und es ist nicht für mich bestimmt denkt er, die ist frech, bedanke
ich mich nicht und es gehört mir, denkt er, ich bin undankbar. Was soll ich machen.
Anfragen möchte ich auch nicht, denn bei seiner Wesensart denkt er dann, er muß
es mir geben.
Ich denke gerade daran, Du hattest einmal
gefragt, ob ich die Schuhe von Helga, die Du geschickt hast, praktisch finde.
Das kann ich wohl sagen. Sie sehen immer ordentlich aus, sind leicht sauber zu
machen und Helga kann sehr gut darin laufen.
Ich will jetzt noch eine Weile in den
Garten gehen und die Erde lockern. Lange geht es ja nicht, es ist bereits abends
1/2 8 Uhr. Aber das ist gerade recht, denn zuviel kann ich doch nicht machen.
Sei nun für heute recht herzlich gegrüßt
und geküßt von Deiner Annie.
Mein lieber Mann! 1.7.41
Heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom 27.6. Ich habe darin
gelesen, daß es Dir tatsächlich nicht an Arbeit mangelt.
Wieso bist Du außer dem Assessor der
einzige Beamte? Was sind die anderen?
Gestern Abend bin ich noch in den Garten
gegangen. Jörg hat mir fest geholfen. Wir haben alles gehackt und hinterher
noch Erdbeeren geholt. 2 Pfund haben wir wieder geerntet. Das ist jetzt immer
unser Abendbrot. Wurst essen wir gar icht mehr. Ich habe jetzt meist soviel
Fleischmarken übrig, daß ich Vater eine ganze Karte geben kann. Er ist mir
nicht böse deshalb. Er ißt doch meistens Fleisch, denn wenn er Gemüse machten
wollte, könnte er nachts um 12 essen. Als Vater zu Pfingsten für mich die
Kartoffeln geschält hat, brauchte er für 12 - 14 Stück über eine Stunde. Da
kannst du Dir denken, wie viel Zeit er für Gemüse brauchte. Wir sind aber
gerade froh, daß es wieder frisches Gemüse gibt. Das ist schön, wenn man einen
eigenen Garten hat.
Ich schrieb Dir doch gestern von dem Tuch,
das Kurt geschickt hat. Ich zeigte es gestern Vater. Er will von sich aus
einmal bei Kurt anfragen, für wen es bestimmt ist. An Vater kann er dann besser
schreiben, wenn es nicht für mich ist.
Seit heute besteht die Bodensee-Zeitung
nicht mehr. Sie ist von der Rundschau aufgekauft worden. Jetzt besteht die hier
noch ganz allein.
Gestern hat Kurt zum Aufheben noch 2 Buchhalter
(ich weiß nicht, wie man es richtig nennt) geschickt. Weißt Du, die man so
rechts und links an die Bücher stellt, daß sie nicht umfallen. Die gefallen mir
sehr gut, da hat er einen guten Geschmack gehabt. Sie stellen eine Frau und
einen Mann dar, geschnitzt in dunkel gebeiztem Holz, nur die Gesichter sind
hell gebeizt. Das hat sogar die Anerkennung Deines Vaters gefunden.
Bei uns im Garten ist jetzt der Salat, den
ich gesetzt habe, soweit, daß man ihn essen kann. Das ist immer etwas Gutes.
Man muß ihn nur hintereinander verbrauchen, sonst schießt er. Wir haben jetzt
wieder meist sonniges Wetter, nach dem es ein paar Tage etwas trüb war.
Ich muß jetzt schließen, denn ich muß noch
für uns und Vater die Gasrechnung bezahlen. Da wird um 3 Uhr geschlossen. Ich
war schon gestern drin und hatte gar nicht daran gedacht, daß am letzten Tag im
Monat geschlossen ist. Sei nun recht
herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
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