Samstag, 2. Juli 2016

Brief 183 vom 2./3.7.1941


Mein lieber Ernst!                                                                           Konstanz, 2.7.41  

Heute sind wir reich beschenkt worden. 5 Päckchen und 1 Brief trafen ein. Der Brief ist vom 26.6. und in ihm steht, daß Du 6 Päckchen abgeschickt hast. Also fehlt noch eins und zwar das mit Schokolade.
Mit den Schuhen hast Du es diesmal gut getroffen. Sie passen. Sie sitzen noch etwas straff an, aber das ist ja bei neuen Schuhen immer der Fall. Aber ich kann die Zehen richtig ausstrecken, das war bei den anderen Schuhen nicht der Fall. Sie gefallen mir auch sehr gut und ich danke Dir vielmals dafür.
Von den Pralinen haben wir auch einmal probiert. Das ist wirklich etwas Feines. Die sind sicher nicht billig gewesen. Für das Persil und die Fischkonserven danke ich Dir auch ebenfalls für das gesandte Papier. Wenn Du noch welches hast, kannst Du es schon schicken. Gebrauchen kann ich es schon und schreiben läßt es sich auch gut drauf.
Auf  das Buch „Rosendoktor“ freue ich mich auch. Das werde ich bald lesen.
Nun zu dem Tabak und den Zigarren. Wäre es Dir recht, wenn ich Vater einstweilen nur den Tabak gäbe und die Zigarren für den Geburtstag aufhebe. Ich weiß doch nicht, was ich ihm da schenken soll und das wäre doch etwas, was ihm bestimmt Freude macht. Denn so reichlich gibt es Zigarren auch nicht mehr.
Die Plakate hebe ich Dir auf. Die Feldzeitung und die Artikel vom Deutschen Theater in Lille interessieren mich auch. Die Unterhaltungsseite lese ich sehr gern. Die kleinen Geschichten gefallen mir immer.
Das glaube ich gern, daß Euch der Hund Eures Sonderführers schon manchen Spaß bereitet hat. Ich habe Hunde auch gern und die Kinder hätten sicher viel Freude, wenn wir solch einen Hund hätten, aber bei den jetzigen Zeiten möchte ich doch keinen. Vor allen Dingen dürfen wir im Haus ja auch keinen halten, das steht ja im Mietvertrag. Herr Zahn durfte seinen ja auch nur halten, weil er ihn vorher gehabt hat.
Mir geht es gesundheitlich wieder gut. Der Hals ist immer noch nicht ganz gut, aber da muß man Geduld haben. Beschwerden habe ich aber nicht mehr viel damit. Ich fahre auch schon wieder mit dem Rad, nur muß ich ein hochgeschlossenes Kleid oder Jacke anziehen. Da kommt mir die Strickbluse mit kurzen Ärmeln, die Du mir geschenkt hast, sehr zu statten. Die Arme sind frei, so daß es mir nicht zu heiß ist und dabei kann ich sie hoch schließen. Ich fahre natürlich nur langsam und den Buckel vom Friedhof zu uns rauf laufe ich. Das Fahren tut mir nämlich da nicht gut, da muß ich mich zu sehr anstrengen.
Gestern  war ich mit den Kindern im Garten. Wir haben bei den Erdbeeren Unkraut rausgerissen. Die waren während meiner Krankheit ganz verunkrautet, vor allem mit solchen Schlinggräsern verschiedener Sorten. Jetzt sieht es wieder ordentlich aus.
Nun Schluß für heute. Ich danke Dir nochmals für alle Päckchen und grüße und küsse Dich herzlich Deine Annie.


Mein lieber Ernst!                                                                                  3.7.41

Einen Brief habe ich heute nicht von Dir bekommen. Zu beantworten habe ich also nichts. Aber gestern Nachmittag ist das Päckchen mit Schokolade noch eingetroffen, so daß also keins mehr unterwegs ist. Ich danke Dir auch für die Schokolade noch vielmals. Zur Freude der Kinder war auch eine Milchschokolade dabei.
Von den Eltern erhielt ich eine Karte, daß sie sich sehr auf unseren Besuch freuen. Ich soll ihnen noch schreiben, wann wir ankommen. Ich habe nun geschrieben, daß wir am Freitag, den 25. fortfahren wollen, weil ich denke, daß Samstag und Sonntag auf der Bahn noch mehr Betrieb ist und daß wir abends 3/4 9 Uhr ankommen. Hoffentlich bleiben wir alle gesund, damit alles klappt. Heute hat Helga das Zeugnis gebracht, es ist wieder gut ausgefallen. Sie will es Dir selber aufschreiben: zum vergleichen)           vom vorigen Mal            von heute
Betragen                                      gut                    gut
Fleiß u. Aufmerksamkeit            gut 2                   gut 2
Religion                                      gut 2                   gut 2
Lesen u. Sprachlehre                  gut 2                   gut 2
Rechtschreiben                           gut 2                   gut 2
Schönschreiben                          gut 2                   gut 2
Deutsche Sprache (Gesamtnote)gut 2                   gut 2
Größenlehre                               gut 2                   gut 2
Erdkunde (Heimatkunde)          gut 2                   gut 2
Gesang                                       gut 2                   gut 2
Handarbeiten            befriedigend   3                    gut 2

Liebes Vaterle!    Ich freue mich fest, daß ich wieder so eine gute Note bekommen habe.  
Du bist doch mit dem Zeugnis sicher auch zufrieden. Helga ist ganz strahlend heimgekommen.  Sie sagte heute auch, Vaterle hat mit noch gar nicht auf meinen Brief geantwortet. Wenn Du einmal Zeit hast, schreib ihr bitte. 
Lieber Ernst! Der Brief wird heute ein bißchen kurz. Nimm es bitte nicht übel. Ich will, nachdem ich eingekauft und den Brief weggeschafft habe, noch ein bißchen bügeln. Ich habe ziemlich viel da und will es auf mehrere Tage verteilen. Wenn ich da nicht bald anfange, geht es schon wieder zu Abendessen.
Sei also für heute recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

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