Montag, 11. Juli 2016

Brief 185 vom 6./7./8.7.1941


Mein lieber Mann!                                                                    Konstanz, 6.7.41      

 Nun ist der Sonntag wieder herangekommen. Es ist ein schöner, sonniger Tag. Wir bleiben aber zu hause, denn ich habe diese Woche ziemlich viel zu tun gehabt, da will ich mich heute ausruhen.
Wie ich Dir schon schrieb, war Vater gestern Abend da. Er ist um 12 Uhr heimgegangen. Er ist schon ziemlich spät gekommen und dann ist er immer so müd zum heimgehen. Er  hat Dir ja vor ein paar Tagen auch geschrieben. Dazu hat er sich die halbe Nacht hingesetzt, denn er hat den Brief geschrieben, nachdem er von uns nach hause gekommen ist. 
Ich erhielt heute Deinen lieben Brief vom 1.7. Ja, ein Jahr ist es nun schon wieder her, seit Du in Frankreich bist. Und wie lange wird es noch dauern, bis Du wieder ganz nach hause kommst! Wir wollen ja froh sein, daß wir noch alle gesund sind, daß man wenigstens die Hoffnung auf ein Wiedersehen noch haben kann.
Daß die Franzosen doch nicht gescheit werden. Sie haben doch tatsächlich nichts Gutes von den Engländern gehabt. Wenn sie heute tatsächlich nichts mehr schaffen würden, von den Engländern aus könnten sie verhungern. Die würden nicht für sie sorgen. Uns haben sie ja im Weltkrieg auch Versprechungen gemacht, nachdem sie gehetzt hatten. Wir haben ja gesehen, wie es uns dann gegangen ist.
Der Film „reitet für Deutschland“ ist vor kurzem hier gelaufen. Da war ich aber noch nicht in der Lage, ihn anzusehen. Ich glaube gern, daß er sehr schön ist. Vielleicht  kommt er doch noch einmal her.
Wenn Du Dir ein Bergwerk ansehen kannst, wird Dich das sicher sehr interessieren. Sonst wirst Du zum Ansehen wohl kaum wieder Gelegenheit haben, denn wir wohnen ja (Gott sei dank) in keiner Bergwerksgegend. Auf Deinen Bericht freue ich mich schon.
Unsere Kinder rennen, sobald es geht, draußen herum. Meist barfuß. Das ist mir das liebste. Da schonen sie Strümpfe und Schuhe. Gesund ist es ja auch. Nun, wenn Helga Ferien hat, haben sie ja zum spielen viel Zeit. Ich möchte es während der Ferienwochen gerne durchführen, daß sie nach dem Mittagessen 2 Stunden schlafen. In Erholungsheimen müssen das die Kinder ja immer tun. Heute habe ich einmal angefangen und sie schlafen jetzt ganz friedlich. Ich denke, daß es ihnen gut tun würde.
Heute haben wir Sauerkraut zu Mittag gehabt. Da wollen Beide nicht so sehr ran. Da fehlst Du, Du ißt es doch lieber. Es wird dieses Jahr gar nicht alle. Ich habe Vater gestern schon welches mitgegeben. Ebenso Kartoffeln. Er hat keine mehr und es gibt schwer welche zu kaufen. Da bin ich froh, daß ich reichlich gekauft hatte. Mir langen sie noch eine Weile.
Mit geht es gut. Ich habe mich wieder soweit erholt. Das Schaffen geht auch wieder, nur abends darf ich nicht zu spät ins Bett gehen. Wenn Vater nicht rauf kommt, gehe ich auch immer nicht viel später als die Kinder schlafen.
Ich grüße und küsse Dich für heute wieder herzlich Deine Annie.

Mein lieber Ernst!                                                                     Konstanz, 7.7.41

Ich erhielt heute Deinen Bericht von der Bergwerksbesichtigung vom 2.7./3.7. Er hat mich sehr interessiert. Noch besser muß es ja sein, das alles selbst zu erleben. Es würde mich freuen, wenn Eure Aufnahmen etwas geworden wären. Da würde ich Dich doch auch einmal in Deiner Verkleidung sehen.
Von uns ist eigentlich wenig zu erzählen. Es geht ein Tag wie der andere. Es ist immer noch heiß. Alle Wolken haben sich verzogen. Jetzt muß wieder jeden Abend das Notwendigste gegossen werden. Die Stützen bei den Stachelbeeren habe ich noch verstärken müssen, es gibt wieder viel Beeren. Die Johannisbeeren sind rot, wir haben uns gestern schon ein paar zum essen geholt. Ich lasse die meisten aber, wie die anderen Leute auch, noch ca. 1 Woche hängen. Sie werden noch süßer. Mit den Erdbeeren ist es jetzt zu Ende. Wir haben uns dieses Jahr daran satt gegessen. Das heißt aber nicht, daß wir sie über hätten, sondern im Gegenteil, es war ein Genuß.
Den Kindern habe ich wieder Wasser  zum baden hingestellt. Wir haben ausgemacht, daß wir doch auch einmal an den See gehen wollen. Ich würde mit dem Rad hinausfahren, während die Kinder schon vorher hinlaufen würden. Mal sehen, ob ich es noch heute möglich machen kann. Es ist noch nicht gar so spät. Ich muß nur noch schnell einkaufen fahren.
Ich habe es den Kindern eben gesagt, das war ein Freudengeheul. Nun muß ich es schon wahr machen.
Ich schließe deshalb jetzt und grüße und küsse Dich herzlich Deine Annie.

Mein liebster Ernst!                                                           Konstanz, 7.7.41 abends

Ich bin heute Nachmittag doch nicht erst noch zum einkaufen gefahren, wie ich es erst vorhatte. Ich bin vielmehr gleich den Kindern nachgefahren. Sie waren schon bald beim Tannenhof. Da bin ich dann ganz langsam gefahren, damit sie nachkommen konnten. Die Margret war übrigens auch noch dabei. Gegen 4 Uhr waren wir dann am See. Das Wasser war herrlich. Ich bin 2 x geschwommen. Natürlich lange nicht soweit wie mit Dir. Später, als wir noch Mal ins Wasser gegangen sind, wollte ich noch Mal so weit schwimmen, aber ich merkte gleich am Anfang, daß die Kraft nicht reichte und so bin ich bald wieder umgekehrt. Aber fein war es doch. Gegen 7Uhr waren wir  wieder zu hause. Die Kinder sind auch fest im Wasser rumgesprungen. Am liebsten gingen sie gleich morgen wieder. Leider hatte es Bremen. Die haben Jörg vier große Bollen gestochen. Das hat ihm aber nicht viel ausgemacht.
Jetzt haben sich die Kinder gerade unten im Hof im Wasser, das ich rausgestellt hatte, die Füße gewaschen. Plötzlich ist auf ihr Handtuch ein Junikäfer geflogen. Das war eine Freude. Jörg waren seine zwei sowieso nicht lebendig genug, während Helga ihrer rumtobt und schon 2 x ausgebrochen ist. Der neue ist nun nach Jörg`s Ausspruch ein „Renner“ und er ist ganz begeistert davon. Das ist abends immer ein Gekratze in den Schachteln. Ich freue mich, daß Helga die Viecher auch anfaßt.
Meine Eltern hatten mir doch einmal ein Poesiealbum geschickt, es war solches Kriegspapier. Nun ist es bei Helga in der Schule große Mode, ins Poesiealbum schreiben zu lassen. So hat sie es mir schon abgebettelt und ihre „Freundin“ Gerda Schwer und Margret reinschreiben lassen. Hier ist es nun so Mode, daß Stammbuchsblumen mit hereingeklebt werden müssen. Das ist so wichtig, daß sie heute 3 Mann hoch, Jörg, Helga und Margret, in die Wilhelmstraße pilgern mußten, um 1 Bild zu kaufen. Mich haben sie ja damit schon bald verrückt gemacht, denn ich höre den ganzen Tag nur immer „Poesiealbum“.
Ich muß immer mal mein Schreiben unterbrechen, denn mit dem baden im See hat sich auch wieder die unangenehme Begleiterscheinung eingestellt, daß ich nicht sitzen kann, weil es mich juckt. Du kennst das ja sicher noch.
Vor einigen Tagen haben wir wieder einmal Ölsardinen von Dir zu Abendbrot gegessen, aber nicht die neuen, sondern von der ersten Sendung. Heut hatte ich nichts zum Abendbrot da, weil ich nicht einkaufen gefahren war, da habe ich eine Dose „Patie de Foie“ aufgemacht. Die schmeckte wieder prima. Morgen zum 10Uhr-Brot essen wir den Rest damit es nicht schlecht wird bei der Hitze.
Ich will mal sehen, ob ich es doch möglich machen kann, morgen noch einmal mit den Kindern baden zu gehen. Am Mittwoch ist es ja nicht möglich, da am Abend Nanni kommen will. Da möchte ich alles in Ordnung haben und nicht erst vom baden heimkommen. Nanni hat ja Vater gefragt, ob er nicht am Mittwoch auch rauf kommen könnte. Sie hat übrigens auch zu Vater gesagt, er soll uns ja nicht sagen, daß Kurt in der Baukasse ist. Wir sollen uns ihr gegenüber also nichts merken lassen. Das ist ja auch wieder so ein Quatsch. Wo an uns immer die Zeitschrift von dem Verein gekommen ist. Aber das ist so, wo sich Verwandte und vor allen Dingen Tanten einmischen. Da darf um Himmelswillen der eine Bruder nicht wissen was der andere tut. Da muß viel Geheimniskrämerei getrieben werden. Ich frage mich nur, warum? Aber so war es ja früher schon, als wir nicht mit Paula redeten, einen gegen den anderen ausspielen. Bis jetzt war alles so gut, Vater hat mir bzw. uns alles erzählt, von seinem Geld, vom Loos usw. jetzt kommen Tanten und wollen schon wieder so einen Kohl anfangen. Na, wir sind ja bald wieder unter uns. Ich weiß nicht, solche Redereien regen mich so auf. Eines Teils tun sie einem ins Gesicht so freundlich. Vater hat gesagt, daß wir gut miteinander auskommen und auch einer dem anderen mit Karten aushilft, so daß jeder das hat, was er gebrauchen kann. Bei mir hat sie auch gesagt: „Na, rennt er immer noch so und tut sich so groß damit?“ Als ich sagte, daß das nicht der Fall sei, daß er ja auch älter werde und nicht mehr so rennen könnte, meinte sie: „Na ja, er hat ja auch nichts zuzusetzen, er hat ja immer das Geringste gegessen, damit er nur das Geld sparen konnte“. Ich sagte ihr, daß das auch nicht mehr der Fall sein, sondern daß er sich schon richtige Sachen kaufte. Ich habe ihr auch gesagt, daß wir uns schon mit ihm verstehen, Dein Vater ist uns ja schließlich der nächste. Es ist ja so, daß auch Paula durch Nanni  gern über alles Bescheid wissen möchte.
Jetzt habe ich wieder einen ganzen Vortrag gehalten, aber ich muß mal meinem Herzen Luftmachen. Du wirst mir das nicht übel nehmen, nicht wahr?
Als wir heute heim kamen, war Dein Brief vom 4.7. angekommen. Es tut mir sehr leid, dass Du nicht einmal zu Deinem Geburtstag einen Brief von uns erhalten hast. Ich habe den ersten gleich am Samstag, als die Sperre aufgehoben wurde, weg geschickt. Meine Gedanken waren an Deinem Geburtstag immer bei Dir. Sie sind es zwar auch sonst, aber an so einem Tag doch ganz besonders.
Nun will ich aber schließen. Es ist bereits 1/4 11 Uhr. Gute Nacht, mein lieber Schatz.

                                                                                                                     8.7. 
Als ich heute aufstand, war ich vom schwimmen gestern wie gerädert. Jetzt hat es schon wieder etwas nachgelassen. Gestern hatte ich zum baden auch die Hose mitgenommen, die ich zum rumlaufen nach dem baden immer anziehe, in der Meinung, daß sie mir noch paßt. Ich hatte aber nicht mit meiner Gewichtsabnahme gerechnet. Statt in der Hüfte hat sie auch einmal auf den Beckenknochen gehängt. Da habe ich es doch vorgezogen, sie wieder auszuziehen.
Heute habe ich zum Mittagessen Johannisbeeren rübergeholt. 3 1/2 Pfund (Es gibt Eierkuchen mit Johannisbeeren) Bis jetzt habe ich 5 Pfund geerntet. Das merkt man aber gar nicht, denn die Büsche hängen noch dick voll. Da ich doch nicht so viel einkochen kann, werden wir wieder öfter zum Abendbrot Beeren essen. Vater werde ich auch welche geben und im Übrigen werde ich den Kindern einmal sagen, daß sie sich vom Busch richtig satte essen können. Das ist ihnen ja die größte Freude. Später, wenn ich wieder genug Zucker zum einkochen bekomme, geht es sowieso nicht mehr. Du wirst sicher auch nichts dagegen haben.
Es ist heute genau so sonnig und heiß wie gestern. Herr Zahn hat schon geklagt, daß seine Kartoffeln abstehen, weil der Regen fehlt. Bei uns blühen ja alle noch.
Nun will ich mich fertig machen und einkaufen fahren. Ich schließe deshalb und grüße und küsse Dich  herzlich Deine Annie.

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