Mein liebster Ernst! Konstanz, 15.7.41
Gestern Nachmittag erhielt ich noch Deinen
Brief vom 11.7., dafür bin ich natürlich heute ohne Post geblieben. Ihr habt
also auch immer solche Hitze wie wir. Das ist direkt schlimm. Heute Nacht hat
es ein klein wenig geregnet. Langen tut es ja noch lange nicht, aber es war
doch wenigstens etwas. Heute bei Tag ist es ja wieder richtig heiß.
Über die Sockensendung freue ich mich.
Ich werde sie sicher noch vor der
Abreise bekommen. Die nehmen wir mit. Hier brauchen die Kinder ja meist keine, denn sie laufen
barfuß. Aber sobald es etwas kühler wird, kann man sie brauchen, denn Kniestrümpfe kommen erst wieder im
Herbst dran.
Heute habe ich Geld geholt. Der
Gehaltszettel lautet:
Nachzahlung 29,31
Gehalt 28o,34 = 309,65
Einkommensteuer 18.10 Bürgersteuer 2,-- Miete 37,70 Angest.vers.
6,- Arbeitsfront 3,80 Zusatzversorg. 6,85 Abzüge
74,45 = 235,20
Nun stand doch in dem Brief von
Bürgermeister Mager, daß Angestelltenversicherung und Zusatzversicherung in
Wegfall kommen. Ich habe deshalb angerufen. Frl. Bucher ist aber im Urlaub und
die Vertretung muß erst einmal nachsehen. Ich soll in 3-4 Tagen wieder anrufen.
Ich hatte mich doch nach dem Fahrpreis
nach Leipzig erkundigt. Ich weiß nun nicht, ob in den 30,70 der Schnellzugzuschlag
schon dabei ist. Zur Vorsicht habe ich mir für jede Fahrt 65,- zurückgelegt.
20,- habe ich zu meiner freien Verfügung noch mit und für jede Woche 20,-
Kostgeld.
Meine Rechnung sieht diesmal so aus:
Fahrt 130,- Gehalt 235,- Vorrätig 38.- Freies Geld 20,- Wirtschaftsgeld 90,- (4 1/2 Wochen) 273.- Radio,
NSV, Ztg. 4,50 Gasmarken 3,90
Lichtrechnung 2,-
Ausgaben f.Zahnbürsten 256,40 Mottenpulver usw. 6,-
16,60 256,40
Diese restlichen 17,- schicke ich Dir zu.
Hoffentlich ist es Dir nicht zu wenig. Die 20,-, die ich so mitgenommen habe,
brauche ich vielleicht nicht ganz, aber ich möchte sie doch vorrätig haben.
Nächsten Monat brauche ich ja nur das Geld für die Kohlen, da kann ich Dir
vielleicht noch etwas schicken. Gell, Du bist mir nicht böse, daß es diesmal
weniger ist?
Von meinen Eltern erhielt ich heute einen
Brief. Mein Vater schreibt darin, „vergiß aber die Lebensmittelkarten nicht,
denn sonst gibt es hier nichts und wir von unsren Marken können es allein nicht
schaffen.“ Als ob ich das nicht selber wüßte. Ich muß ja schließlich auch immer
einkaufen. Das ist ihm wahrscheinlich dann auch eingefallen, denn dann schreibt
er „doch das weißt Du ja selbst besser als ich“.
Nun höre ich für heute auf. Sonst kommt
der Brief nicht mehr fort. Sei Du, mein liebster Mann, recht herzlich gegrüßt
und geküßt von Deiner Annie.
Mein lieber Ernst! Konstanz, 16.7.41
Einen Brief habe ich von Dir heute nicht bekommen.
Ich kann also keinen beantworten. Aber sonst habe ich allerhand zu berichten.
Jörg hatte doch Mittelohrvereiterung.
Vorgestern Nacht ist es durchgebrochen. Der Arzt war gestern sehr zufrieden,
daß nun der Eiter herauskam. Sonst hätte geschnitten werden müssen. Jetzt hat
Jörg fast keine Schmerzen mehr.
Heute Morgen kam Frau Hagenauer (Hermine)
rauf und sagte, daß Vater krank sei. Er sähe ganz elend aus. Ich bin sofort
runter gefahren. Da war Vater schon seit Samstagabend krank. Es hat ihm wieder
der ganze Leib wehgetan. Als ich runter kam, sah er wirklich hinfällig aus,
ganz zusammengefallen. Ich bin dann zu Stromeyer gefahren, habe einen
Krankenschein bestellt, habe an Dr. Deeg telefoniert und bin dann wieder
zurückgefahren. Da habe ich dann Vater veranlaßt, daß er mit zu uns kommt. Da
hat er doch mehr Ruhe und braucht sich um nicht kümmern. Wir haben dann das
notwendigste zusammengepackt und nun ist Vater vorläufig mal bei uns. Der
Doktor war vorhin da. Er hat nicht viel
gesagt. Es kommt vom Alter und das Herz ist angegriffen. Vater sagt selber, daß
es diesmal von zu wenig Schlaf und zu viel Arbeit kommt. Er brauche Ruhe, hat
der Arzt gesagt. Jetzt, wo er bei uns ist, werde ich schon auf Vater aufpassen.
Er schläft in dem Bett von Helga. Das Bett von Jörg steht ja sowieso noch in
unserem Schlafzimmer. Du wirst nun nicht böse sein, wenn Helga einstweilen in
Deinem Bett schläft. Ich könnte sie ja auf dem Sofa schlafen lassen, das sieht
aber so aus, als wollte ich Jörg lieber als sie.
Heute Nachmittag hole ich nachher noch die
Medizin für Vater und kaufe noch ein.
Seit gestern Abend regnet es endlich
einmal. Das ist für den Garten eine große Wohltat. Es hat auch gleich
abgekühlt. Gießen brauche ich wenigstens in den nächsten Tagen nicht. Sobald
wieder trockenes Wetter kommt, will ich bei Vaters Garten noch die restlichen
Erdbeeren pflücken. Es sind nach seinen Angaben noch mehrere Pfund, die nicht
einfach umkommen sollen.
Nun will ich wieder schließen. Sei recht
herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
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