Donnerstag, 14. Juli 2016

Brief 189 vom 15./16.7.1941


Mein liebster Ernst!                                                                     Konstanz, 15.7.41      

Gestern Nachmittag erhielt ich noch Deinen Brief vom 11.7., dafür bin ich natürlich heute ohne Post geblieben. Ihr habt also auch immer solche Hitze wie wir. Das ist direkt schlimm. Heute Nacht hat es ein klein wenig geregnet. Langen tut es ja noch lange nicht, aber es war doch wenigstens etwas. Heute bei Tag ist es ja wieder richtig heiß.
Über die Sockensendung freue ich mich. Ich  werde sie sicher noch vor der Abreise bekommen. Die nehmen wir mit. Hier brauchen die  Kinder ja meist keine, denn sie laufen barfuß. Aber sobald es etwas kühler wird, kann man sie brauchen,  denn Kniestrümpfe kommen erst wieder im Herbst dran.
Heute habe ich Geld geholt. Der Gehaltszettel lautet:
Nachzahlung                 29,31 Gehalt                    28o,34    = 309,65
Einkommensteuer   18.10                 Bürgersteuer       2,--                 Miete           37,70                 Angest.vers.       6,-     Arbeitsfront       3,80                 Zusatzversorg.    6,85        Abzüge        74,45  = 235,20
Nun stand doch in dem Brief von Bürgermeister Mager, daß Angestelltenversicherung und Zusatzversicherung in Wegfall kommen. Ich habe deshalb angerufen. Frl. Bucher ist aber im Urlaub und die Vertretung muß erst einmal nachsehen. Ich soll in 3-4 Tagen wieder anrufen.
Ich hatte mich doch nach dem Fahrpreis nach Leipzig erkundigt. Ich weiß nun nicht, ob in den 30,70 der Schnellzugzuschlag schon dabei ist. Zur Vorsicht habe ich mir für jede Fahrt 65,- zurückgelegt. 20,- habe ich zu meiner freien Verfügung noch mit und für jede Woche 20,- Kostgeld.
Meine Rechnung sieht diesmal so aus: Fahrt                130,-                   Gehalt  235,-                Vorrätig    38.- Freies Geld                   20,-               Wirtschaftsgeld                90,- (4 1/2 Wochen)            273.- Radio,
NSV, Ztg.                       4,50            Gasmarken                          3,90    Lichtrechnung            2,-
Ausgaben f.Zahnbürsten  256,40      Mottenpulver usw.               6,-             16,60                            256,40
Diese restlichen 17,- schicke ich Dir zu. Hoffentlich ist es Dir nicht zu wenig. Die 20,-, die ich so mitgenommen habe, brauche ich vielleicht nicht ganz, aber ich möchte sie doch vorrätig haben. Nächsten Monat brauche ich ja nur das Geld für die Kohlen, da kann ich Dir vielleicht noch etwas schicken. Gell, Du bist mir nicht böse, daß es diesmal weniger ist?
Von meinen Eltern erhielt ich heute einen Brief. Mein Vater schreibt darin, „vergiß aber die Lebensmittelkarten nicht, denn sonst gibt es hier nichts und wir von unsren Marken können es allein nicht schaffen.“ Als ob ich das nicht selber wüßte. Ich muß ja schließlich auch immer einkaufen. Das ist ihm wahrscheinlich dann auch eingefallen, denn dann schreibt er „doch das weißt Du ja selbst besser als ich“.
Nun höre ich für heute auf. Sonst kommt der Brief nicht mehr fort. Sei Du, mein liebster Mann, recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Mein lieber Ernst!                                                                                     Konstanz, 16.7.41

Einen Brief habe ich von Dir heute nicht bekommen. Ich kann also keinen beantworten. Aber sonst habe ich allerhand zu berichten.
Jörg hatte doch Mittelohrvereiterung. Vorgestern Nacht ist es durchgebrochen. Der Arzt war gestern sehr zufrieden, daß nun der Eiter herauskam. Sonst hätte geschnitten werden müssen. Jetzt hat Jörg fast keine Schmerzen mehr.
Heute Morgen kam Frau Hagenauer (Hermine) rauf und sagte, daß Vater krank sei. Er sähe ganz elend aus. Ich bin sofort runter gefahren. Da war Vater schon seit Samstagabend krank. Es hat ihm wieder der ganze Leib wehgetan. Als ich runter kam, sah er wirklich hinfällig aus, ganz zusammengefallen. Ich bin dann zu Stromeyer gefahren, habe einen Krankenschein bestellt, habe an Dr. Deeg telefoniert und bin dann wieder zurückgefahren. Da habe ich dann Vater veranlaßt, daß er mit zu uns kommt. Da hat er doch mehr Ruhe und braucht sich um nicht kümmern. Wir haben dann das notwendigste zusammengepackt und nun ist Vater vorläufig mal bei uns. Der Doktor war vorhin da. Er  hat nicht viel gesagt. Es kommt vom Alter und das Herz ist angegriffen. Vater sagt selber, daß es diesmal von zu wenig Schlaf und zu viel Arbeit kommt. Er brauche Ruhe, hat der Arzt gesagt. Jetzt, wo er bei uns ist, werde ich schon auf Vater aufpassen. Er schläft in dem Bett von Helga. Das Bett von Jörg steht ja sowieso noch in unserem Schlafzimmer. Du wirst nun nicht böse sein, wenn Helga einstweilen in Deinem Bett schläft. Ich könnte sie ja auf dem Sofa schlafen lassen, das sieht aber so aus, als wollte ich Jörg lieber als sie.
Heute Nachmittag hole ich nachher noch die Medizin für Vater  und kaufe noch ein.
Seit gestern Abend regnet es endlich einmal. Das ist für den Garten eine große Wohltat. Es hat auch gleich abgekühlt. Gießen brauche ich wenigstens in den nächsten Tagen nicht. Sobald wieder trockenes Wetter kommt, will ich bei Vaters Garten noch die restlichen Erdbeeren pflücken. Es sind nach seinen Angaben noch mehrere Pfund, die nicht einfach umkommen sollen.
Nun will ich wieder schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

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