Montag, 11. Juli 2016

Brief 186 vom 9./10.7.1941


Mein lieber Ernst!                                                                        Konstanz, 9.7.41  

Gestern sind wir schon1/2 3 Uhr beim baden gewesen. Um 6 Uhr waren wir wieder daheim. Geschwommen bin ich nicht viel. Das baden und die lange Fahrt da raus hatte mich ziemlich angestrengt. Aber schön war es doch. Später wurde es windig und es gab große Wellen. Da war es schön im Wasser.
Als wir am Abend zuhause waren, guckte ich so gegen 1/2 8Uhr zum Garten runter. Da sehe ich doch, daß das große Stachelbeerbäumchen umgefallen ist. Ich habe doch einen Schreck bekommen und bin runter gerannt. Da habe ich gesehen, daß es Gott sei Dank nicht abgebrochen war. Es hatte sich gebogen. Die Stütze, die Du früher dran gemacht hattest, war abgebrochen, wahrscheinlich ist das Holz morsch geworden. Da nun so viel Beeren am Baum sind, war es umgefallen. Ich habe gleich Herrn Schwehr gerufen, der im Garten nebenan war, denn allein hätte ich es nicht aufheben können, da wäre es vielleicht noch gebrochen und wie hätte ich dann vor Dir bestehen können, wenn ich alles kaputt gehen lasse, während Du nicht da bist. Herr Schwehr hat dann noch ein paar Stützen eingeschlagen und alles festgebunden, während ich den Baum nur halten brauchte. Ich habe dann gleich noch 3 Pfund Beeren abgenommen, damit eine kleine Entlastung eintritt.
Ich schrieb Dir doch gestern von den Johannisbeeren. Ich werde davon noch welche in Flaschen einmachen wie Heidelbeeren. Da haben wir doch noch etwas im Winter.
Durch die Stachelbeergeschichte sind die Kinder gestern etwas spät ins Bett gekommen. Um 10 Uhr. Nun ist es ja schon öfter vorgekommen, daß Jörg halb im Schlaf aufs  Klosett gegangen ist. Ich habe es manchmal gemerkt, wenn ich noch in der Küche war, daß er gar nicht richtig munter ist. Einmal hat er auch schon das Licht brennen lassen. Aber was er sich in der letzten Nacht geleistet hat, das ist doch noch nie vorgekommen. Helga kommt um 12 Uhr zu mir  rüber und sagt, daß bei ihnen die Zimmertür offen gestanden habe und in der Küche und im Klosett das Licht brennen würde. Ich gehe mit raus und da sehe ich doch, daß auch die Korridortür, soweit es die Sperrkette erlaubt, offen steht. Dabei hatte ich 2 x zugeschlossen. Wäre die Kette nicht dagewesen, wäre Jörg bestimmt ins Haus raus gelaufen. Er hätte ja die Treppe runter fallen können. Ich habe doch immer den Schlüssel stecken lassen, damit man von außen nicht schließen kann. Daß er im Schlaf solche Sachen macht, habe ich doch nicht gedacht. Von jetzt an ziehe ich natürlich immer den Schlüssel ab. Einen richtigen Schreck hat er mir aber eingejagt.
Als wir gestern heimkamen, war Dein lieber Brief vom 5.7. da. Ich habe mich sehr gefreut. Ich bin froh, daß auch Du wieder Post von uns erhältst.
Es ist schade, daß der Assessor von Euch fortkommt. Das ist doch der, der mit Dir immer so anständig war. Hoffentlich kommt wieder ein Anständiger hin.
An Vater werde ich den Dank für den Brief ausrichten, wenn er heute Abend kommt. Von den Eltern erhielt ich heute ein Zeitungspaket.
Sei nun für heute wieder herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Mein lieber Ernst!                                                                                Konstanz, 10.7.41

Gestern hatten wir den versprochenen Besuch von Nanni. Sie kam gegen 6 Uhr und brachte etwas Kuchen mit. Wir wollten gerade Abendbrot essen und so habe ich gleich Kaffee gekocht. Sie fragte, ob Vater noch nicht da sei. Ich antwortete ihr, daß er meist erst gegen 1/4 9 Uhr käme. O, da bin ich schon längst wieder fort, sagte sie. Na ja, wir haben also gegessen und uns hinterher unterhalten. Gegen 8 Uhr kam Vater. Inzwischen sind dann die Kinder ins Bett gegangen. Später habe ich dann noch Rotwein und ein Gläschen von dem Kirschwasser gegeben. Das hat Nanni auch bald die Kehle ausgebrannt. Als Nanni und Vater  dann gingen, war es 1/4 12 Uhr.
Sie ist jetzt 3 Wochen hier, nach 4 Wochen soll sie heimkommen. Vorher will sie noch einmal herkommen.
Es war eine ziemlich kurze Nacht heute. Gegen 3 Uhr kam Jörg und sagte, daß er auf einem Ohr Schmerzen  habe. Das kommt mit davon, weil sie immer vor der offenen Haustür oder im Vorraum hocken, wo es so zieht. Ich habe ihm gleich warmes Öl ins Ohr geträufelt, Watte hineingetan und ein Tuch drum gebunden. Gegen 1/4 5 Uhr kam er dann zu mir rüber, da ich ihm gesagt hatte, wenn er nicht richtig schlafen könnte und es ihm weh täte, sollte er rüberkommen, damit Helga schlafen kann. Es war dann mit dem schlafen natürlich auch nichts und so sind wir gegen 1/4 6 Uhr aufgestanden. Die Schmerzen haben bei Jörg fast ganz nachgelassen, aber den Schlaf holt er heute nach. Er liegt heute immer auf dem Liegestuhl und schläft die meiste Zeit. Aber das ist ja ganz gut für ihn.
Hier ist bis jetzt ein Tag wie der andere, sonnig und heiß. Da heißt es jeden Tag das nötigste gießen. Ich habe heute auch das Erbsenkraut rausgerissen. In den nächsten Tagen grabe ich das Stück um, damit ich dann Kraut hinpflanzen kann. Am Baum hatten sich wieder Schwämme gebildet. Die habe ich heute mit einer Bohnenstange weggemacht. Aber vielleicht sollte ich es noch gründlich wegputzen und Baumwachs oder so etwas drauf tun.
Heute Nachmittag faulenze ich ein wenig. Eigentlich sollte ich den letzten Rest Wäsche wegbügeln, aber es ist schrecklich heiß in der Wohnung. Ich verschiebe es lieber auf heute Abend  und morgen früh. Jetzt setze ich mich noch ein bißchen vors Haus. Jörg ist auch mit dem Liegestuhl draußen. Auf dem Liegestuhl liegen, das ist sowieso immer sein Wunsch.
Es ist nun Zeit, daß wir den Brief wegschaffen, sonst kommt er heute nicht mehr mit. Sei für heute recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

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