Mein lieber Ernst! 4.Juli 1941 Geburtstag
Heute ist nun Dein Geburtstag. Ich denke
immer an Dich. Schon heute Nacht, als ich einmal aufwachte, habe ich Dir im
Geist gratuliert. Dein Bild steht heute auf dem Tisch, von Blumen umgeben. Die
Kinder haben von ihrem Gartenstück Studentenblumen geholt. Außerdem haben wir
die ersten 4 Rosen für Dich geschnitten. Du wirst ja sicher nicht viel von
Deinem Geburtstag haben. Hoffentlich hast Du wenigstens einen Brief von uns
bekommen.
Wir erhielten heute Deinen lieben Brief
vom 30.6.
Die Erfolge unserer Wehrmacht sind
wirklich gewaltig. In Konstanz hat es auch schon mehrere Opfer gekostet. Von
dem Hotel Hecht ist der Sohn Arno Bührer gefallen. Auch der Metzger Schäfer,
der die Tochter vom Bäcker Löhle geheiratet hat, ist gefallen.
Ein Vorteil für England ist unser Kampf
mit Rußland ja nicht, denn gerade dadurch haben sich viele Völker zusammengefunden.
Es ist eben so, wer den Kommunismus kennen gelernt hat, der hat für immer
genug. Ein Segen war er noch für kein Volk.
Bei uns ist jetzt warmes Wetter, wenn auch
nicht gerade drückend heiß. Aber regnen dürfte es wieder einmal, sonst geht die
Gießerei wieder los.
Nun hast Du ja der Stadt auch geantwortet
und die Sache ist soweit geregelt.
Die Küsse von Dir habe ich den Kindern
gegeben. Jetzt kann ich mir das schon eher wieder erlauben, als vor ein paar
Wochen.
Im Garten geht es ziemlich vorwärts. Die
Tomatenstöcke wachsen und blühen gut. An einem Stück hängen schon winzige
Tomaten dran. Die Brombeeren blühen auch. Trotzdem ich ziemlich viel ausgeschnitten
hatte, sind doch noch ein paar dürre Ranken drin. Jetzt muß ich sie ja drin
lassen, sonst reiße ich mehr Blüten ab. Bohnen, Gurken und die anderen Sachen
kommen auch gut. Bis jetzt kann man mit allem zufrieden sein. Die ersten Erbsen
kann ich jetzt bald raus machen. Wir haben mehrmals davon zu essen gehabt. Die
Vögel auch.
Auf den Mist (im Garten) habe ich jetzt
Erde getan. Vor kurzem habe ich die roten Rüben auseinander gesetzt. Ich dachte
erst, sie gehen mir ein, weil es so sehr heiß geworden war, daß trotz vielen Gießens
alle Außenblätter gewelkt waren. Jetzt haben sie sich aber doch erholt und
stehen ganz gut da.
Während ich geschrieben habe, hat sich der
Himmel ziemlich bezogen. Es sieht aus, als ob es ein Gewitter geben wollte.
Hoffentlich komme ich noch trocken heim. Ich kann nämlich erst gegen 5 Uhr
fahren, da es in der Molkerei während der heißen Zeit erst ab 5 Uhr Vollmilch
gibt. Ich glaube, ich werde die Vollmilch ab übernächstem Mal hier bei unsrem
Milcher bestellen. Da brauche ich deswegen nicht fortfahren.
Nachher will ich mich noch ans bügeln
machen, damit Vater wenigstens seine Hemden bekommt. Da wir doch einmal mit der
großen Wäsche ausgesetzt haben, hat er sich
vorige Woche wieder ein Hemd auswaschen müssen, damit er etwas zum
anziehen hatte.
Ich bin schon dabei, mir zu überlegen, war
wir am praktischsten mit auf die Reise nehmen, damit ich nicht gar so viel zu
schleppen habe.
Nun will ich für heute Schluß machen. Sei
recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Mein lieber Ernst! Konstanz, 5.7.41
Es ist schon wieder Abend geworden, ehe
ich zum schreiben komme. Der Tag ist so schnell vergangen. Ich hatte auch
allerhand zu tun, Kuchen backen, Treppe putzen, sauber machen, einkaufen fahren
und dann haben wir auch noch gebadet. Trotzdem es draußen heiß war, habe ich
mich doch auf ein warmes Bad sehr gefreut. Nach dem Bad habe ich die anfallende
Wäsche von dieser Woche noch gewaschen und gekocht, da gerade noch Feuer war.
So ist es nun, nachdem wir Abendbrot gegessen haben und die Kinder im Bett
sind, 1/4 10 Uhr geworden.
Gestern ist es doch nichts mit dem Gewitter
geworden und es ist so trocken wie zuvor. Heute ist es zwar auch wieder
bewölkt, aber zum regnen ist es nicht gekommen. Es sieht nur immer gewittrig
aus.
Draußen ist großer Betrieb. Kinder fangen
Junikäfer. Da hat es unsere nicht ruhen lassen. Sie möchten gern mitmachen. So
habe ich ihnen erlaubt, sich noch Mal anzuziehen. Jetzt rennen sie draußen
herum.
Heute war bei Helga letzter Schultag.
Jetzt hat sie 7 1/2 Wochen Ferien.
Vorhin ist Vater gekommen. Wir haben uns
unterhalten und er sagte, ob ich bei Dir einmal anfragen könnte, ob es Dir
möglich sei, für ihn ein Paar Schuhe zu besorgen. Ich sagte, daß es sicher sehr
schwierig sei, aber ich würde es Dir schreiben. Die Nummer müßte eine Nummer
kleiner sein, wie Du sie brauchst.
Vater hat sich über den Tabak von Dir sehr
gefreut. Er ist nämlich rar.
Heute hat Nanni Vater besucht. Sie hat zu
ihm gesagt, daß sie am Mittwochabend zu uns rauf kommen will.
Es ist jetzt 1/4 12 Uhr und ich habe noch
gar nicht viel geschrieben. Vater ist aber noch da und wir haben uns unterhalten.
Da kann man gar nicht richtig die Gedanken zusammen nehmen. Sei deshalb nicht
böse, daß ich jetzt schließe. Ich möchte den Brief noch wegschaffen, damit er
morgen früh mit fortkommt.
Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von
Deiner Anni.
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