Mein lieber Ernst! Konstanz, den 11.7.41
Ich bin heute gerade beim Schreibmaschine
schreiben, da schreibe ich auch gerade gleich an Dich so.
Zuerst möchte ich Dir für Deinen lieben
Brief vom 7.7. danken. Die Nachricht von dem Krieg mit den Russen kam mir ja
nicht ganz unerwartet, aber dass die so hinterhältig, gemein und niederträchtig
sind, hätte ich doch nicht erwartet. Ich bin froh, daß Du Dich über meinen
Entschluß zur Reise nach Leipzig freust. Da ist mir jetzt jede Last vom Herzen
genommen.
In der Küche sieht es jetzt wieder schön
aus und man schafft noch einmal so gern darin.
Wegen der Krankenkasse erkundige ich mich
am 15., wenn ich Geld hole.
Das ist ja prima, daß Du dort auch ein
bißchen sonnenbaden kannst. Das ist doch eine kleine Erholung vom
Uniformtragen. Man muß eben sehen, daß man es sich den Umständen entsprechend
angenehm macht.
Nun zu dem Brief von Gerhard. Ich habe dir
die Abschrift mitgeschickt. Ebenso meine Antwort an Elsa. Das war eigentlich
der Originalbrief. Ich habe erst hinterher gesehen, daß ich für die Abschrift
nicht den Durchschlag genommen habe. Ich hoffe, daß es Dir recht ist, was ich geschrieben
habe. Man kann Elsa, bzw. Gerhard nicht gut im Stich lassen, denn ich glaube
schon, da er sich um seine Frau Sorge macht, wenn er jetzt weiter fortkommt und
doch nicht mehr, wie bisher, die Möglichkeit hat, sie öfter zu sehen.
Vielleicht ist man selber einmal froh, wenn einem ein bißchen geholfen wird.
Die Sehnsucht nach Ruhe kommt ja meines
Erachtens nicht nur vom Herzen her. Du weißt ja, mir geht es auch vielmals so.
Das macht das ganze Leben jetzt. Man hat vermehrte Arbeit, man sitzt mit den
Kindern allein zu hause. Früher hatte man die Unterstützung des Mannes bei der
Erziehung der Kinder. Jetzt ist man auch da allein. Dabei sind doch unsere
Gedanken immer bei Euch und man sorgt sich um Euch, was weiter werden wird.
Dann wollen die Körperkräfte und die Nerven nicht mehr so viel leisten, wie es
nötig wäre. Das ist dann zum verzweifeln und man hat den einzigen Wunsch, Ruhe
und nichts mehr sehen. Wenn ich es mir richtig überlege, ist es auch der
Wunsch, einmal wieder richtig froh sein zu können. Man möchte einmal wieder unbeschwert
leben können und das ist ja nicht möglich, solange der Krieg dauert. Die
einzigen frohen Tage sind die Tage des Urlaubs und auch die sind immer so
schnell vorbei.
Wenn Elsa mit den Kindern herkommt, werde
ich sehen, daß ich es ihr so angenehm wie möglich mache.
Nun noch etwas vom Garten. Bis jetzt haben
wir 16 Pfund Johannisbeeren geerntet. Jetzt hängen noch 2 Büsche voll. Die
mache ich wahrscheinlich morgen leer. Heute koche ich erst einmal etwas
Marmelade. Die anderen Beeren kommen in Flaschen. Den anderen Zucker hebe ich
ja für Stachelbeeren auf. Die werden in ca. 1 Woche soweit sein. Es langt dann
gerade noch so zur Reise.
Es ist heute wieder drückend heiß. Alle
Leute haben nur den einen Wunsch, etwas Regen. Es ist alles strohtrocken. Es
hat sich ja ein bißchen bewölkt, aber ob wirklich Regen kommt ist noch zweifelhaft.
Ich bin jetzt immer wieder sehr froh um
das Gazefenster, das Du gemacht hast. Es hat überall so viele Fliegen. Durch
das Fenster ist man aber doch vor dieser Plage geschützt. Wenn sich durch die
anderen Türen einmal welche in die Küche verirren, die sind bald umgebracht.
Nun will ich schließen, denn ich muß mich ans Marmelade umrühren
machen. Dabei ist es wenigstens schön warm, denn wir haben ja nur 26 Grad Wärme
in der Küche.
Sei nun für heute wieder herzlich gegrüßt
und geküßt von Deiner Annie.
Mein lieber Ernst! Konstanz, 12.7.41
Heute Morgen erhielt ich Deinen lieben
Brief vom 8.7. Es freut mich, daß sie Dir ein so großes Arbeitsgebiet gegeben
haben. Vor der Verantwortung hast Du Dich ja nie gescheut und so wirst Du Dich
sicher über das Vertrauen freuen.
Ich habe jetzt schon oft gedacht, wenn vom
Einfliegen an der Kanalküste die Rede war, ob das wohl bei Dir dort ist.
Hoffentlich passiert Dir nichts. Sei bitte nicht leichtsinnig.
Ob ich Dir diesmal Geld schicken kann weiß
ich noch nicht. Ich werde einmal zusehen, was ich ausgezahlt bekomme. Von dem
Teil des Fahrgeldes, das ich zurechtgelegt hatte, mußte ich etwas anreißen,
denn ich habe verschiedene Medizinen gekauft. Damit hatte ich nicht gerechnet.
Jörg ist nämlich krank. Scheinbar Grippe. Er hat Fieber, Kopfweh und das eine
Ohr tut ihm weh. Nachdem ich es gestern mit schwitzen versucht habe, ist das
Fieber doch nicht wesentlich heruntergegangen. Auch nasse Socken habe ich gemacht.
Dazu habe ich noch Silargetten gekauft, die zur Desinfektion vom Arzt für die
Kinder einmal verschrieben worden sind. Nun habe ich aber doch lieber den Arzt
bestellt, denn ich möchte genau wissen, was es ist. Er will heute Nachmittag
noch kommen. Ich warte solange und schreibe Dir, was er gesagt hat.
Jetzt eben war der Arzt da. Was ich bisher
gemacht habe, Öl ins Ohr tropfen, Leinensäckchen auflegen, Silargetten geben,
war alles richtig und ich muß es weiter tun. Es ist eine Erkältung und eine
leichte Mittelohrreizung. Der Doktor will Anfang nächster Woche noch einmal vorbeikommen.
Er meint, es ginge sicher bald vorbei. Ich bin doch froh, daß ich jetzt weiß,
was los ist. Zur Vorsicht hatte ich Jörg auch Hustensaft eingegeben, denn man
möchte doch nicht gern etwas versäumen. Jörg liegt jetzt bei Tag auf dem Sofa
und abends bei uns im Schlafzimmer.
An Kurt will ich morgen vielleicht noch schreiben. Auf 2 Briefe habe ich ihm
noch nicht geantwortet. Ich habe auch wieder eine Reihe Romane für ihn. Die
schicke ich ihm dann gleich mit.
Nun will ich für heute Schluß machen. Jörg
mag immer gern, daß ich bei ihm sitze. Da ist es ihm nicht so einsam.
Sei Du, mein lieber Ernst, recht herzlich
gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
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