Montag, 11. Juli 2016

Brief 187 vom 11./12.7.1941


Mein lieber Ernst!                                                        Konstanz, den 11.7.41    

Ich bin heute gerade beim Schreibmaschine schreiben, da schreibe ich auch gerade gleich an Dich so.
Zuerst möchte ich Dir für Deinen lieben Brief vom 7.7. danken. Die Nachricht von dem Krieg mit den Russen kam mir ja nicht ganz unerwartet, aber dass die so hinterhältig, gemein und niederträchtig sind, hätte ich doch nicht erwartet. Ich bin froh, daß Du Dich über meinen Entschluß zur Reise nach Leipzig freust. Da ist mir jetzt jede Last vom Herzen genommen.
In der Küche sieht es jetzt wieder schön aus und man schafft noch einmal so gern darin.
Wegen der Krankenkasse erkundige ich mich am 15., wenn ich Geld hole.
Das ist ja prima, daß Du dort auch ein bißchen sonnenbaden kannst. Das ist doch eine kleine Erholung vom Uniformtragen. Man muß eben sehen, daß man es sich den Umständen entsprechend angenehm macht.
Nun zu dem Brief von Gerhard. Ich habe dir die Abschrift mitgeschickt. Ebenso meine Antwort an Elsa. Das war eigentlich der Originalbrief. Ich habe erst hinterher gesehen, daß ich für die Abschrift nicht den Durchschlag genommen habe. Ich hoffe, daß es Dir recht ist, was ich geschrieben habe. Man kann Elsa, bzw. Gerhard nicht gut im Stich lassen, denn ich glaube schon, da er sich um seine Frau Sorge macht, wenn er jetzt weiter fortkommt und doch nicht mehr, wie bisher, die Möglichkeit hat, sie öfter zu sehen. Vielleicht ist man selber einmal froh, wenn einem ein bißchen geholfen wird.
Die Sehnsucht nach Ruhe kommt ja meines Erachtens nicht nur vom Herzen her. Du weißt ja, mir geht es auch vielmals so. Das macht das ganze Leben jetzt. Man hat vermehrte Arbeit, man sitzt mit den Kindern allein zu hause. Früher hatte man die Unterstützung des Mannes bei der Erziehung der Kinder. Jetzt ist man auch da allein. Dabei sind doch unsere Gedanken immer bei Euch und man sorgt sich um Euch, was weiter werden wird. Dann wollen die Körperkräfte und die Nerven nicht mehr so viel leisten, wie es nötig wäre. Das ist dann zum verzweifeln und man hat den einzigen Wunsch, Ruhe und nichts mehr sehen. Wenn ich es mir richtig überlege, ist es auch der Wunsch, einmal wieder richtig froh sein zu können. Man möchte einmal wieder unbeschwert leben können und das ist ja nicht möglich, solange der Krieg dauert. Die einzigen frohen Tage sind die Tage des Urlaubs und auch die sind immer so schnell vorbei.
Wenn Elsa mit den Kindern herkommt, werde ich sehen, daß ich es ihr so angenehm wie möglich mache.
Nun noch etwas vom Garten. Bis jetzt haben wir 16 Pfund Johannisbeeren geerntet. Jetzt hängen noch 2 Büsche voll. Die mache ich wahrscheinlich morgen leer. Heute koche ich erst einmal etwas Marmelade. Die anderen Beeren kommen in Flaschen. Den anderen Zucker hebe ich ja für Stachelbeeren auf. Die werden in ca. 1 Woche soweit sein. Es langt dann gerade noch so zur Reise.
Es ist heute wieder drückend heiß. Alle Leute haben nur den einen Wunsch, etwas Regen. Es ist alles strohtrocken. Es hat sich ja ein bißchen bewölkt, aber ob wirklich Regen kommt ist noch zweifelhaft.
Ich bin jetzt immer wieder sehr froh um das Gazefenster, das Du gemacht hast. Es hat überall so viele Fliegen. Durch das Fenster ist man aber doch vor dieser Plage geschützt. Wenn sich durch die anderen Türen einmal welche in die Küche verirren, die sind bald umgebracht.
Nun will ich schließen,  denn ich muß mich ans Marmelade umrühren machen. Dabei ist es wenigstens schön warm, denn wir haben ja nur 26 Grad Wärme in der Küche.
Sei nun für heute wieder herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Mein lieber Ernst!                                                               Konstanz, 12.7.41

Heute Morgen erhielt ich Deinen lieben Brief vom 8.7. Es freut mich, daß sie Dir ein so großes Arbeitsgebiet gegeben haben. Vor der Verantwortung hast Du Dich ja nie gescheut und so wirst Du Dich sicher über das Vertrauen freuen.
Ich habe jetzt schon oft gedacht, wenn vom Einfliegen an der Kanalküste die Rede war, ob das wohl bei Dir dort ist. Hoffentlich passiert Dir nichts. Sei bitte nicht leichtsinnig.
Ob ich Dir diesmal Geld schicken kann weiß ich noch nicht. Ich werde einmal zusehen, was ich ausgezahlt bekomme. Von dem Teil des Fahrgeldes, das ich zurechtgelegt hatte, mußte ich etwas anreißen, denn ich habe verschiedene Medizinen gekauft. Damit hatte ich nicht gerechnet. Jörg ist nämlich krank. Scheinbar Grippe. Er hat Fieber, Kopfweh und das eine Ohr tut ihm weh. Nachdem ich es gestern mit schwitzen versucht habe, ist das Fieber doch nicht wesentlich heruntergegangen. Auch nasse Socken habe ich gemacht. Dazu habe ich noch Silargetten gekauft, die zur Desinfektion vom Arzt für die Kinder einmal verschrieben worden sind. Nun habe ich aber doch lieber den Arzt bestellt, denn ich möchte genau wissen, was es ist. Er will heute Nachmittag noch kommen. Ich warte solange und schreibe Dir, was er gesagt hat.
Jetzt eben war der Arzt da. Was ich bisher gemacht habe, Öl ins Ohr tropfen, Leinensäckchen auflegen, Silargetten geben, war alles richtig und ich muß es weiter tun. Es ist eine Erkältung und eine leichte Mittelohrreizung. Der Doktor will Anfang nächster Woche noch einmal vorbeikommen. Er meint, es ginge sicher bald vorbei. Ich bin doch froh, daß ich jetzt weiß, was los ist. Zur Vorsicht hatte ich Jörg auch Hustensaft eingegeben, denn man möchte doch nicht gern etwas versäumen. Jörg liegt jetzt bei Tag auf dem Sofa und abends bei uns im Schlafzimmer.
An Kurt will  ich morgen vielleicht noch schreiben. Auf 2 Briefe habe ich ihm noch nicht geantwortet. Ich habe auch wieder eine Reihe Romane für ihn. Die schicke ich ihm dann gleich mit.
Nun will ich für heute Schluß machen. Jörg mag immer gern, daß ich bei ihm sitze. Da ist es ihm nicht so einsam.
Sei Du, mein lieber Ernst, recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

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