Mein lieber Ernst! Konstanz,
14. Juli 1941
Ich erhielt heute Deine beiden lieben
Briefe vom 9. und 10.7. Sie haben mich sehr gefreut. Ich will sie nun
beantworten und benutze heute gleich die Schreibmaschine dazu, da ich vom Schaffen
gestern noch etwas müde bin und auch heute genug Arbeit auf mich wartet. Vor
allen Dingen möchte ich mich entschuldigen, daß ich Dir gestern nicht
geschrieben habe. Ich bin nicht dazu gekommen. Es ist ja jetzt nicht mehr viel
Zeit bis wir verreisen und da drängt sich die Arbeit. Ich habe gestern mit
Helga zusammen Stachelbeeren und Rhabarber und Johannisbeeren in Flaschen
eingemacht und Stachelbeermarmelade eingekocht. Da ist der ganze Tag vergangen.
Eigentlich wollte ich die Stachelbeeren von den Sträuchern noch gar nicht
ernten, da diese zum Rohessen die besten sind, aber einen Teil mußte ich doch
abmachen. Von der großen Hitze, die wir auch hier jetzt haben, fallen von den
Zweigen, die am meisten der Sonne ausgesetzt sind, schon die Blätter ab und die
Beeren werden schlecht. Erst dachte ich, das wäre nur bei uns so, aber ich habe
es von Herrn Steinmehl gehört, daß es ihm nicht anders geht und daß er auch
schon ernten mußte. Überall wird ja geklagt. Die Bohnen werden schon ganz gelb, trotzdem sie noch gar nicht
geblüht haben, ebenso geht es mit den anderen Sachen. Das Möhrenkraut ist bei
uns auch schon ganz welk, trotzdem ich immer gieße. Das nützt alles gegen die
große Hitze nichts. Bei den Kartoffeln ist es überall am schlimmsten. Das Kraut
stirbt schon bald ab. Wenn doch nur bald einmal Regen käme. Gestern war ein
Gewitter. Da hat es aber nicht einmal eine Minute geregnet, die Erde war kaum
feucht. Dann hat der Wind alles wieder vertrieben. In Radolfzell soll es
dagegen gestern eine Stunde wie mit Kannen gegossen haben. Heute scheint wieder
die Sonne und es ist schon wieder schrecklich heiß.
Helga hat sich sehr gefreut, als ich ihr
sagte, daß Du mit ihrem Zeugnis zufrieden bist und ihr und Jörg ein Paar
Strümpfe kaufen willst. Sie freut sich auch schon auf den Brief von Dir.
Die Schlepperei bei unserer Fahrt nach
Leipzig wird sicher nicht schlimm. Wir fahren mit dem Omnibus 6,55 Uhr ab. Am
Sternenplatz werde ich wahrscheinlich etwas auf Anschluß warten müssen, denn am
Bahnhof kommt ein Omnibus 7,35 Uhr an. Da habe ich ja dann keinen weiten Weg.
Zum Anziehen haben wir alle etwas, das ist nicht wie früher. Da kann der Papa
schon mit uns „Staat“ machen. Das ist doch eine Lieblingsbeschäftigung von ihm.
Wenn Du für die Kinder Sandalen bekommen kannst, so wäre das ganz fein. Ich
brauche ja nicht ganz notwendig Schuhe, aber böse bin ich natürlich nicht
darum. Man weiß ja nicht, wie lange der Krieg noch dauert und ob man nicht noch
lange Bezugscheine braucht. Sobald es geht, würde ich Dir das Geld dazu
schicken.
Die Päckchen von uns hast Du also nun
bekommen. Ich bin froh, daß Dir das Buch vom Bodensee Freude gemacht hat. Auch
das Schlüsseltäschchen war also nichts Überflüssiges. Das hat die Kinder
gefreut.
Weniger schön ist es, daß Du dich über den
Brief von den Eltern ärgern mußtest. Der Ton, den sie da angeschlagen haben,
ist nun nicht gerade schön. Wenn sie Dich
hätten bitten wollen, daß Du nichts gegen die Reise hast, hätten sie das
auch ganz anders ausdrücken können. Schreibe aber Du nur nichts deswegen. Du
weißt schon, daß ich nicht damit meine, daß Dir alles recht sein soll, was die
Eltern schreiben, es kommt nur nicht viel beim schreiben heraus. Ich werde das
Thema aber in Leipzig anschneiden. Das weiß ich ja schon heute, daß es bestimmt
Meinungsverschiedenheiten gibt. Aber es ist so, ich war dann wieder einmal zu
hause, die Eltern haben die Kinder gesehen und nach 14 Tagen fahre ich wieder
zu uns heim und kann tun und lassen wie es uns paßt. Hoffen wir, daß die Tage
soweit harmonisch verlaufen.
Es würde mich sehr freuen, wenn Du wieder
Urlaub bekommen würdest. Am schönsten wäre es natürlich bei uns zu hause Aber
wenn es nicht anders ginge, wäre ich auch froh, wenn Du nach Leipzig kommen
würdest. Die Hauptsache ist, ich würde Dich wieder sehen und wir hätten Dich
ein paar Tage bei uns.
Jörg geht es wieder besser. Er hat heute
früh kein Fieber mehr gehabt. Das Ohrenweh ist ja noch nicht ganz weg, aber das
dauert immer eine Weile. Er ist schon wieder fidel und auch schon ein bißchen
übermütig. Ich bin froh darum.
Heute morgen habe ich im Garten das Stück
umgegraben, was von den Erbsen frei war. Ich will später, wenn die Setzlinge
groß genug sind, Krauskohl darauf setzen. Jetzt bei der Hitze hätte es ja auch
gar keinen Zweck. Die Erde ist ja bloß noch Staub. Seit vorgestern ist ein Tomatenstock
ganz welk geworden, obwohl er nicht der Sonne ausgesetzt ist und die anderen
Stöcke neben ihm frisch dastehen. Ich habe ihm erst reichlich Wasser gegeben
und als das nichts nützte, habe ich ihn ausgegraben, um zu sehen, ob die Wurzel
kaputt ist. Das ist aber nicht der
Fall. Ich weiß nun nicht, was ihm fehlt. Ich habe ihn wieder eingesetzt, gut
angegossen und will nun sehen, ob er sich wieder erholt.
Als ich für Jörg einen Krankenschein geholt habe, erkundigte ich mich gleich
einmal wegen der Krankenkasse. Also auch als Beamter kann man weiter in der
Krankenkasse bleiben. Soviel ich verstanden habe, kann man sich dann freiwillig
versichern. Vorläufig bleibt einmal alles beim Alten. Erst wenn Du wieder
heimkommst und wir die vollen Beträge bezahlen müssen, ist es notwendig, von
der Stadt eine Bescheinigung über die Gehaltserhöhung und über die Ernennung
zum Beamten zu bringen. Jetzt brauche ich mich um weiter nichts zu kümmern.
Heute will ich nun endlich auch an Kurt
schreiben Der wird sicher schon lange warten. Ich schicke Dir den Durchschlag
mit. Die Phototasche habe ich ihm ja noch nicht raussuchen können.
Nun will ich wieder Schluß machen. Sei
recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
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